Ein Bild von heute morgen.
Schweden im frühen 18. Jahrhundert. Der große nordische Krieg ist vorbei, Karl XII. ist tot und die Zeit Schwedens als Großmacht ist vorüber.
Die vier Stände – Adel, Bürger, Bauern und Priester – schafften es 1719/20, den Thron zu entmachten und die gesetzgebende Gewalt auf den Reichstag zu übertragen, in dem Beschlüsse gefasst wurden, indem drei der vier Stände zustimmten. Auch wenn das sicherlich keine lupenreine Demokratie war, zeigt es, wie lange der Parlamentarismus in Schweden schon zurückreicht. Die Zeit bis 1772, da König Gustav III. die Macht zurück zum Thron holte, nennt man deshalb die “Freiheitszeit”.
Vorsitzender des Reichtstags bis 1738 und damit der erste moderne Premierminister war der in Finnland geborene Arvid Horn. Dessen Politik zeichnete sich im Innern durch die Kürzung der Militärausgaben und den Versuch aus, nach der Not des Krieges die Wirtschaft voran zu bringen (Merkantilismus). Nach Außen vertrat Horn eine vorsichtige Politik der Friedensbewahrung, beendete also vor allem die bisherige Expansionspolitik, die gegen Ende des Krieges in große territoriale Verluste mündete.
Horns Außenpolitik passte nicht allen und es gab starke revanchistische Bestrebungen gegen Russland. Daraus formierte sich in den 30er Jahren die aristokratisch ausgerichtete “Hutpartei” (hattpartiet, hattarna), die eine aggressivere, russlandfeindliche Außenpolitik in Anlehnung an Frankreich vertrat. Den Namen gaben sich die “Hüte” selbst und nannten im Gegenzug die Anhänger von Arvid Horn abfällig “Nachtmützen” (nattmössorna).
1738 schafften es die Hüte, die Mehrheit im Reichstag zu erlangen und Arvid Horn zu stürzen. Erst dann formierten sich auch die “Mützen” in der mösspartiet und die beiden bekämpften einander für den Rest der Freiheitszeit. Die Hüte verwickelten Schweden wie erwartet in Kriege. Der Russisch-Schwedische Krieg von 1741–1743 brachte nicht die erhoffte Rache an Russland, sondern ging verloren.
Die schwedische Beteiligung am siebenjährigen Krieg gegen Preußen nennt man hierzulande den “pommerschen Krieg” (1757-1762). Als dieser sich als eher kostspielig denn gewinnbringend herausstellte, begann die Macht der Hüte im Reichstag zu bröckeln und 1765 waren es wieder die Mützen, die das Ruder übernahmen. Bevor diese dann die Macht an Gustav III. verloren, hinter dem sich die nach einer erneuten Niederlage in Auflösung befindlichen Hüte scharten, brachten die Mützen noch ein äußerst wichtiges Gesetz durch: die tryckfrihetsförordning (“Pressefreiheitsverordnung”), die auch das noch heute für Schweden so wichtige Öffentlichkeitsprinzip beinhaltete.
Nach zwei Wochen Blog- und Nachrichtenabstinenz meinerseits ist es Zeit für einen Rückblick darüber, was unterdessen in Schweden so passiert ist und in den Medien war. Ich gehe dazu chronologisch durch die Schlagzeilen von Radio Schweden und gebe meinen Senf zu einigen davon ab.
29. 09. Bildt besorgt über Rechtsruck in Österreich. Der schwedische Außenminister Carl Bildt hat den Ausgang der Parlamentswahlen in Österreich als Alptraum bezeichnet. Natürlich gibt keiner offen zu, sich über den Unfall zu freuen, aber ich glaube dass viele dem verunglückten Heider keine Träne nachweinen.
29. 09. Weitere Entlassungen bei Volvo. Das Thema hält sich seitdem in den Nachrichten und es ist von gesamt fast 5000 Entlassungen die Rede. Volvo will sich (endlich) mehr auf die Zukunft ausrichten und Hybrid- und Elektroautos entwickeln.
Generell sind die Wirtschaftsnachrichten aus Schweden etwas schlechter geworden. Die Zahl der freien Stellen sinkt und die Arbeitslosenzahlen steigen wieder leicht. Die schwedische Krone wurde gegenüber dem Euro abgewertet und die Börse verlor massiv, wie überall anders auch. Die Krise am Finanzmarkt scheint jedoch zumindest keine schwedische Bank Pleite gemacht zu haben. Genauso wie Deutschland hat garantiert der Staat für private Spareinlagen bis zu einer gewissen Summe. Die Auswirkungen sind also weniger dramatisch als in Island, aber natürlich sind auch hier Fondsparer betroffen und (baldige) Rentner, weil mit nicht geringen Teilen der schwedischen Rentengelder am Finanzmarkt gehandelt wird. Sie sind also in Fonds und Ähnliches investiert, die in den letzten Wochen viel an Wert verloren haben.
01. 10. Steuergelder für Scientology. Es kam heraus, dass mehrere schwedische Kommunen Aufträge an Scientology-eigene Firmen und deren sehr fragwürdige Antinarkotikaprogramme vergeben haben. Ich hoffe wirklich, dass das gründlich aufgearbeitet wird und in Zukunft wissenschaftliche Kriterien bei der Vergabe die Hauptrolle spielen.
02. 10. Kameraüberwachung an Schulen meist gesetzeswidrig. Das einzige Mal das ich bisher in einer schwedischen Schule war, haben mich die Überwachungskameras ziemlich abgeschreckt. Eine Prüfung des Datenschutzamtes hat jetzt gezeigt, dass die Überwachung in vielen Fällen unzulässig ist.
02. 10. Die Jäger mal wieder. Natürlich wollen sie mehr Bären und Wölfe schießen. Schließlich sind das nicht selten Menschen, die eine seltsame Freude am erschießen von Tieren finden, anstatt die Jagd als notwendiges Übel anzusehen. Das gilt natürlich auch und im besonderen für die hunderten Amateurjäger, die jeden Herbst auf Elche anlegen und sich dabei nicht selten gegenseitig treffen.
06. 10. Grüne geben Forderung nach EU-Austritt auf. Darüber hatte ich schon einmal geschrieben und jetzt scheinen sich die EU-Befürworter endlich durchgesetzt zu haben. Das macht die schwedischen Grünen wählbarer und regierungsfähiger. Tatsächlich gab es dieser Tage, also zwei Jahre vor Ende der Legislaturperiode, schon die Ankündigung, dass Sozialdemokraten und Grüne auf eine zukünftige Koalition hinarbeiten. Zur Erinnerung: Die letzte Regierung war eine von Grünen und Linken geduldete Minderheitsregierung der Sozialdemokraten, keine Koalition. Der Linkspartei wurden erst in den letzten Tagen von den Sozialdemokraten Gespräche über eine Mögliche Zusammenarbeit angeboten.
Ansonsten ist natürlich die Bekanntgabe der verschiedenen Nobelpreise in Schweden immer Schlagzeilen wert. Die haben allerdings schon ihren eigenen Artikel auf Fiket.
Wie jedes Jahr (2007, 2006) kommt hier eine Zusammenstellung der diesjährigen Nobelpreise, die im Laufe dieser Woche bekannt gegeben wurden und werden.
Das Bild ist von einem Strand bei Helsingborg, wo ich vor ein paar Wochen kurz war.
Ich möchte an dieser Stelle auch erwähnen, dass es in den kommenden zwei Wochen auf Fiket etwas ruhiger werden wird. Ich fliege am Samstag nach Kreta, wo ich eine Konferenz mitorganisiere und auch daran teilnehme. Und da das alles etwas anstrengend ist, werde ich wohl nur vereinzelt zum Bloggen kommen.
Als Astronom muss ich natürlich darauf hinweisen, dass es wieder so weit ist: Ab heute habt ihr, liebe Leser, sofern ihr südlich von Uppsala lebt, für ein halbes Jahr lang mehr Tageslicht als ich. Warum und wie viel steht hier.
Tagundnachtgleiche heißt auf Schwedisch dagjämning und die heutige höstdagjämningen, im Gegensatz zur vårdagjämningen im Frühling.
[Videolink](http://www.youtube.com/watch?v=CqDh9WpHZA8)
[Timbuktu](http://de.wikipedia.org/wiki/Timbuktu_(Musiker)) hat diese seine neueste Single zusammen mit [Dregen](http://de.wikipedia.org/wiki/Dregen) (Backyard Babies, Hellacopters) aufgenommen und heute ganz offiziell und exklusiv [auf der Pirate Bay](http://thepiratebay.org/special/timtack.php) zum kostenlosen Download veröffentlicht.Die Zeit der Pfifferlinge ist so gut wie vorbei, aber die Saison für Trompetenpfifferlinge (schw. trattkantareller) hat gerade begonnen und ich hatte gerade frisch gepflückte als Beilage zum Abendessen.
Natürlich macht sich nicht jeder Schwede im Herbst auf in die Wälder zum Pilze sammeln, aber mein Eindruck ist, dass es (noch?) mehr zur hiesigen Kultur gehört als in Deutschland. Grundlegende Pilzkenntnis ist Allgemeinwissen. Wegen des feuchten Klimas hier sind die Wälder ja auch voll von essbaren Leckereien und dank des Allemansrätt sind Pilze bis sie im Korb landen Allgemeingut.
Außerdem ist heuer ein besonders gutes Pilzjahr – ein kleiner Ausgleich für den verregneten August und September.
Vorgestern Abend haben wir Patrik 1,5 gesehen, ein aktueller schwedischer Film von Ella Lemhagen mit Gustaf Skarsgård und Torkel Petersson in den Hauptrollen. Die beiden spielen das schwule Pärchen Göran und Sven, die vom Sozialamt grünes Licht für eine Adoption bekommen haben und gerade in eine vorstadtidyllische Straße mit Einfamilienhäusern gezogen sind.
Als das Sozialamt ihnen dann endlich den anderthalbjährigen “Patrik” anbietet, ist die Freude groß – bis sich herausstellt, dass das Komma verrutscht war und Patrik (Tom Ljungman) ein Fünfzehnjähriger mit krimineller Vorgeschichte ist. Es folgen allerlei Verwicklungen, aber natürlich geht der Film gut aus.
Besonders bemerkenswert fand ich die Darstellung des homosexuellen Paares und der Welt um sie herum. Frei von Schwulenklischees sind Göran und Sven einfach zwei liebende Menschen mit den gleichen Alltagsproblemen, die alle Paare erleben. Es ist ihre Umwelt, die bizarr herüberkommt. Von kleinen Gängeleien bis zu offener Feindseligkeit – ohne unglaubwürdig zu wirken sind es die Nachbarn, die seltsam sind, nicht das schwule Pärchen.
Abgesehen von der vielleicht zu schnellen Wandlung von Patrik zum “guten Jungen” haben wir den Film durchweg genossen und es gibt viel zu lachen. Patrik 1,5 ist bei weitem kein Genrefilm für Schwule, sondern sei jedem, der Schwedisch kann, ans Herz gelegt. Dem Credo Charmantester Film des Herbstes kann ich mich nur anschließen.
Die erfolgreicheren schwedischen Filme schaffen es ja manchmal auch in deutsche Kinos und da Patrik 1,5 hier wohl sehr gut läuft, kann man das auch für diesen Film hoffen.
Jemanden, der gegen Türpfosten läuft, Dinge fallen lässt, Kaffee über seine Tastatur schüttet oder der auf andere Arten tollpatschig ist, nennt man in Schweden klant, klåpare oder auch drulle.
Man kann sich hierzulande gegen seine eigene Tollpatschigkeit versichern und zwar mit einem Zusatz zur Hausratsversicherung, die dann auch abdeckt, wenn man sein Laptop ins Klo fallen lässt. Dieser Zusatz nennt sich passender- und niedlicherweise drulleförsäkring.
(Bevor jemand fragt: Nein, ich habe keine.)