Eindrücke aus Deutschland

Ich lebe ja jetzt schon eine ganze Weile in Schweden: seit Herbst 2001 mit etwa neun Monaten Unterbrechung nach einem Jahr. Etwa einmal pro Jahr komme ich für ein paar Tage in die alte Heimat, um Freunde und Familie zu besuchen, und es ist jedes Mal wieder ein wenig spannend. Ich bin gerade zurück und mir erscheinen ein paar Dinge erwähnenswert.

Mit dem Zug zu fahren habe ich nicht bereut und kann es weiterempfehlen. Ich konnte in den Nachtzügen gut schlafen und kam ausgeruht an. Dass es, obwohl in der Minderheit, Deutsche waren, die sich nachts lautstark auf dem Gang oder im Nachbarabteil unterhielten, entspricht dem Klischee. Ich hatte auch Gelegenheit, die neuen ICE in Deutschland mit dem schwedischen Pendant, dem X2000, zu vergleichen. Das Essen im Restaurant des ICE ist besser und man bekommt ordentliches Geschirr und Gläser. Der Kiosk im X2000 kann da nicht mithalten, dafür hat es Internet an Bord zu vernünftigen Preisen und Steckdosen an jedem Platz. Außerdem gab es nur im X2000 die Sitznachbarin, die mir anbot, mir ihr einen Film auf dem Laptop zu sehen.

Ich vergesse meine Muttersprache. Das klingt albern, nicht zuletzt weil dieses Blog ja eine gute und ständige Übung ist. Aber im Alltag denke und träume ich auf Schwedisch und wenn es plötzlich darum geht, mit Großeltern oder alten Freunden so zu reden “wie früher”, muss ich mich anstrengen. Und zwar nicht nur bei der Betonung des Dialekts, sondern auch bei all den Wörtern, die man in der Schriftsprache nicht verwendet. Ich grinste einige Male, als ich bestimmte Wendungen und Ausdrücke hörte und mir ein freudiges “Stimmt, so sagte man das!” durch den Kopf ging. Ich glaube auch, dass es unfreiwillig als steif und überheblich ankommt, nicht mehr die sympathische Mischung aus Frängisch un Hessisch zu redde.

Das Nichtrauchergesetz war gerade in Deutschland in Kraft getreten und man hörte Stimmen von aufgebrachten Rauchern im Radio und auf den Straßen. Als Raucher in Schweden fand ich das natürlich sehr amüsant, denn hier ist schon seit ein paar Jahren striktes Rauchverbot in Kneipen und Gaststätten. Kaum einer findet das noch seltsam oder falsch und ich bin mir sicher, dass das in Deutschland auch sehr schnell der Fall sein wird. Auf die Idee, Aschenbecher vor den Türen aufzustellen, war man zwar noch nicht gekommen, aber in Anbetracht dessen, wie einige Straßen deswegen aussahen, wird sich auch das schnell ändern. Bei meiner Abreise am Frankfurter Südbahnhof gab es sogar noch eine Spelunke, in der eifrig gequalmt wurde.

Im Kino war ich auch. Ich gehörte ja bisher eher zu denen, die zwar die Originalversionen von Filmen bevorzugten, aber auch nichts allzu Schlimmes an der Synchronisierung finden konnten. Beim “Goldenen Kompass” störte es mich aber und ebenso als ich kurz in den Herrn der Ringe zappte, der im Fernsehen lief. Die Stimmen sind viel ausdrucksloser und die Atmosphäre verliert dabei (Gollum war eine rühmliche Ausnahme). Außerdem versucht man unweigerlich zurückzuübersetzen, was das Original gesagt hat, wenn es nicht ganz mit den Lippenbewegungen passt.

Und als ich mit salziger Erwartung aus der Popcorntüte des Nachbarn probierte, wurde ich abrupt daran erinnert, dass das in Deutschland ja meistens süß ist. Ich finde salzig mittlerweile besser und es ist einfacher zu machen: einfach Öl und Mais in den Topf, aufpoppen lassen und Salz drüberkippen.

Weihnachtsschmuck war diesmal in Schweden eher dezent, sowohl an privaten Häusern als auch in der Stadt und in Geschäften. Man fängt damit erst im Dezember an und Buntes und Blinkendes sah man fast gar nicht. Ich fand das angenehm. In Deutschland sah ich mehr Geschmacklosigkeiten.

Die Sonne steht höher. Das ist mir als Astronom natürlich bewusst und ich kann es ausrechnen, nichtsdestotrotz ist es erstaunlich wie viel Unterschied die zehn Grad machen, die die Sonne in Frankfurt Ende Dezember höher steht als in Uppsala (17 anstatt 7 Grad über dem Horizont). Dabei meine ich nicht so sehr die Tageslänge als dass es richtiges Tageslicht ist statt tiefstehender “Abendsonne” mitten am Tag.

Ganz allgemein genoss ich es, Tourist “daheim” zu sein. Die Fachwerkhäuser in den Altstädten von Aschaffenburg, Seligenstadt und Miltenberg werden erst sehenswert, wenn man von da weg ist. Gleiches gilt für die Landschaft und das Essen. Nach einer Woche reicht es dann aber auch wieder. Bilder werden verlinkt, sobald ich mit der Nachbearbeitung durch bin.

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Was ist passiert?

Knapp zwei Wochen Abwesenheit rufen nach einem kleinen Nachrichtenüberblick:

  • Der schon erwähnte Skandal um abgelaufenes Fleisch bei der Handelskette ICA setzt sich mit immer weiteren Beispielen fort. Dieser Tage hat es auch “meinen” ICA, den ICA Väst im Stadtteil Flogsta von Uppsala, getroffen. Werde ich mein Kaufverhalten deswegen ändern? Wahrscheinlich nicht.
  • Der Telekommunikationsriese Telia hat sich über die Feiertage ziemlich blamiert und wegen mangelhafter Sicherungskopien Emails von Kunden gelöscht
  • Das schwedische Gesundheitssystem ist nicht mehr, was es einmal war, aber immer noch ein wenig besser als das deutsche.
  • Das staatliche Monopol von Apoteket zum Verkauf von Arzneimitteln soll abgeschafft werden. Dazu habe ich noch keine starke Meinung, außer dass ich generell skeptisch gegenüber so großen Privatisierungen bin.
  • Der Trend zu mehr Alkoholkonsum in Schweden hielt auch über die Feiertage an. Vielleicht ist man ja bald wieder auf dem Niveau des restlichen Europa.
  • Nicht ganz unerwartet haben Teile der schwedischen Regierung wieder einmal die Debatte um Kernkraft angestoßen. Status quo ist, dass keine neuen Kraftwerke gebaut werden sollen, aber die alten unverkürzt weiterlaufen. Neue Kernkraftwerke werden jetzt von einigen Politikern aus der Folkpartiet und den Moderaterna in Erwägung gezogen. Die Störfälle vom letzten Jahr scheinen schon wieder vergessen zu sein. Die mitregierende Centerpartiet hält jedoch Kernkraft für den Unsinn, der sie ist, und so dürfte sich vor der nächsten Wahl zu diesem Thema nicht viel tun.
  • Als ich diese und letzte Woche in Deutschland war, durfte ich mich schon über Herrn Koch aus Hessen und seine Äußerungen zur Jugendkriminalität aufregen. Meine Meinung dazu deckt sich wieder einmal mit dem, was der Spiegelfechter dazu schreibt. Aus schwedischer Sicht ist dazu zu sagen, dass eine ähnliche Debatte hier schon länger geführt wird, allerdings ist es hier eher Konsens, dass härtere Strafen das Problem nicht lösen, sondern dass man an den Gründen ansetzen muss. Nichtsdestotrotz stößt die deutsche Diskussion in Schweden auf Interesse.
  • Nachtrag, 070114: Das Winterwetter in Schweden ist in der Regel nicht sehr gut. Der gerade vergangene Dezember war aber ungewöhnlich arm an Sonnenschein – im Landesdurchschnitt nur 7 anstatt der üblichen 36 Stunden. Växjö hatte sogar nur 20 Minuten im ganzen Monat.
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Abwesend

Ich bin dann mal, wie schon erwähnt, für knapp zwei Wochen in Deutschland und Dänemark unterwegs. Bis ich zurück bin ruht dieses Blog voraussichtlich.

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Sill

Heringe

Heringe, bevor man sie einlegt.

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Wort der Woche: Tomte

Das Wort tomte begegnet einem mit gewisser Wahrscheinlichkeit ziemlich früh, wenn man Schwedisch lernt; seine bestimmte Form tomten ist nämlich gleich der von tomt und damit eines der wenigen Beispiele, wo die Betonung zweier gleich geschriebener Wörter einen Unterschied macht. Der Tomte wird mit der typischen Doppelbetonung ausgesprochen.

In der Praxis ist es aber sehr unwahrscheinlich, einen Satz zu konstruieren, in dem “der Wichtel” und “das Grundstück” miteinander verwechselt werden können, denn das bedeuten tomt respektive tomte. Heinzelmännchen, Kobold und auch Zwerg sind andere mögliche Übersetzungen, denn es geht um die guten kleinen Männchen, die laut Folklore auf einem Hof leben und bei der Arbeit helfen. In Dänemark und Norwegen heißen die gleichen Wesen nisse.

Tomte kommt möglicherweise sogar von tomt, und zwar als Abkürzung von tomtegubbe, wörtlich “Grundstücksmännchen”. In den letzten Jahrzehnten wurde außerdem der aus Amerika importiere Weihnachtsmann (schw. jultomte) mit dem klassischen tomte ein wenig vermischt. Die Frage, wem man das Schüsselchen mit Brei (julgröt) an Weihnachten vor die Tür stellt, ist nicht mehr eindeutig zu beantworten. Ursprünglich war das natürlich für den gårdstomte (gård=Hof). In Astrid Lindgrens Saltkråkan ist es jedoch schon der Weihnachtsmann.

Tomten heißt auch das bekannteste Gedicht von Viktor Rydberg aus dem Jahr 1881. Selbiges findet man im Netz sowohl im Original als auch in Übersetzungen (wörtlich, freier und in Reinform) und sogar in einer Verfilmung von 1940.

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Werner & Werner - Vår julskinka har rymt

[Videolink](http://youtube.com/watch?v=Nvhqxzqy_bA)

[Werner & Werner](http://sv.wikipedia.org/wiki/Werner_&_Werner), die in obigem Lied beklagen, dass ihr Weihnachtsschinken abgehauen ist, sind zwei fiktive deutsche Köche aus einem schwedischen Unterhaltungsprogramm aus den Achtzigern. Als Vorbild diente der in Schweden bekannte schweizer Koch [Werner Vögeli](http://sv.wikipedia.org/wiki/Werner_V%C3%B6geli), der im März dieses Jahres starb.
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Steuerparadies Schweden?

Ganz so weit es noch nicht, aber größere Firmen könnten in Schweden bald massiv die Steuerlücke ausnutzen, die ein Gericht Anfang der Woche für legal erklärt hat. Mit Hilfe von Tochterfirmen, die nicht einmal eigene Angestellte zu haben brauchen, kann die Firmensteuer effektiv umgangen werden.

Man befürchtet Steuerausfälle von 60 Milliarden Kronen – das entspricht der gleichen Anzahl Euro, wenn man auf die Bevölkerung Deutschlands umrechnet – wenn das Gesetz nicht nachgebessert wird. Damit wäre es wohl vorbei mit dem Haushaltsplus Schweden der letzten Jahre.

Und wenn sich der Eindruck festsetzt, dass die Kürzungen beim Arbeitslosengeld und im Sozialsystem nur für Steuergeschenke an die Wirtschaft gut waren, dürfte die Popularität der Regierung Reinfeldt noch weiter fallen, als sie es seit der Wahl vor 15 Monaten schon getan hat.

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God Jul

Frohe Weihnachten, liebe Leser! Beziehungsweise: God jul, kära läsare!

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Wort der Woche: Julrim

An Weihnachten (schw. jul) wird in Schweden gereimt (schw. rimma). Ganz traditionell auf dem Land würde man schon morgens gemeinsam beim Frühstück mit Reisbrei (gröt) reihum um den Tisch gemeinsam reimen. Wer die einzelne Mandel im Brei erwischt darf sich übrigens etwas wünschen (alternativ muss er/sie heiraten). Ein Schälchen des Breis wird vor die Tür gestellt, als Dank für den Wichtel (tomten).

Viel weiter verbreitet sind immer noch die Reime auf den Geschenken, mit denen der Schenkende dem Beschenkten einen Hinweis auf den Inhalt des Paketes gibt und seinen Gedanken mit dem Geschenk mitteilt. Vom Zweizeiler bis zu ganzen Geschichten ist alles erlaubt, solange nicht wörtlich verraten wird was es ist.

Das gemeinsame Geschenkeauspacken wird also zu einer kleinen Lesung aller Reime mit anschließender Auflösung des Rätsels – zumindest dort, wo die Tradition des julrims gepflegt wird.

Zeitungen und Radiosender haben jedes Jahr eine rimstuga (z.B. Dagens Nyheter), wo sich Leute Reime zu einem bestimmten Geschenken schreiben lassen können und wo selbige veröffentlicht werden. Zusätzlich gibt es lustige Aktionen wie die, dass alle Überschriften der Weihnachtsausgabe einer Zeitung in Reimform gehalten sind.

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