Wort der Woche: Sylt

Schlägt man sylt im Wörterbuch nach, dann steht da “Marmelade” als deutsche Übersetzung. Das ist nicht ganz falsch, aber auch nicht wirklich richtig, denn das Wort marmelad gibt es auch im Schwedischen und sylt ist nicht das gleiche. Was ist der Unterschied?

Ein paar Aussagen, die man zu diesem Problem treffen kann:

  • Sylt ist etwas flüssiger als marmelad.
  • Marmelad ist oft gelb (z.B. von Orangen) und sylt rot. Demnach wäre es die gleiche Unterscheidung wie jam und marmelade im Englischen. Aber es gibt auch Kirsch-, Brombeer- und andere Marmeladen.
  • Preiselbeeren sind immer lingonsylt und nie lingonmarmelad.
  • Auch bei Erdbeeren ist *sylt* die üblichere Form, aber wie bei vielen anderen Beeren gibt es beide Formen.

    Was *sylt* und *marmelad* (wahrscheinlich) vor allem unterscheidet, lernt man erst, wenn man von der Sache weggeht und einen Blick darauf wirft, wie sie jeweils *verwendet* werden. Marmelade kommt nämlich aufs Brot – *sylt* isst man dagegen mit [*filmjölk*](http://schwedenwiki.de/Fil), Pfannkuchen oder zu anderen Speisen.
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Alkoholtest für "Kranke"

Als die Parteien der bürgerlichen Allianz sich vor der Wahl letzten Herbst sehr sozialdemokratisch gaben und die Moderaten sogar “die neue Arbeiterpartei” ausriefen, kauften ihnen das nicht wenige ab. Schließlich wurden sie gewählt und übernahmen die Macht. Seitdem wird jedoch immer mehr klar, wie sehr die konservative Regierung doch ihre Klientel der Wohlhabenden bedient und das Leben für die ärmeren Schichten der Bevölkerung erschwert.

Museen kosten wieder Geld. Die Arbeitslosenversicherung ist teurer und leistet weniger. Öffentliche Verkehrsmittel kosten mehr. Umwelt- und Kulturausgaben wurden gekürzt. Die Vermögenssteuer wird abgeschafft. In der Gewerkschaft zu sein, ist teurer geworden. Unternehmer sollen begünstigt werden. Das Motto ist also: Die Leute sollen Arbeit haben. Und sie sollen auch wirklich arbeiten, denn sonst funktioniert das System auch für die Reichen nicht mehr.

Neben den strengeren Regeln für Arbeitslose trifft es jetzt auch die Kranken. Fabian hat ja erst neulich das Problem des “Krankfeierns” in Schweden beschrieben und die Regierung scheint das ähnlich zu sehen. Den vorab durchgesickerten (S) Plänen nach, soll eine neue gemeinsame Einheit von Polizei und Gesundheitsamt geschaffen werden, die stichprobenartig Krankgeschriebene aufsucht und Alkoholtests durchführt.

Das sei im Rahmen der strengen schwedischen Alkoholgesetzen vertretbar und gerade an populären Feiertagen sollen die Kontrollen die “falschen” von den echten Kranken unterscheiden helfen und so die dann üblicherweise hohe Krankenquote senken. Die Höhe des geplanten Bußgeldes oder andere Sanktionen sind bisher nicht bekannt. Als Nebeneffekt will man auch die wirklich Kranken vom Trinken abhalten, da dies den Heilungsprozess beeinträchtige.

Dieser Text war ein Aprilscherz, wie ein Klick auf den letzten Link von Anfang an verriet.

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Kurz notiert

Ein kleiner, wie immer subjektiv ausgewählter, Überblick über die schwedischen Nachrichten der letzten Tage:

  • Fredrik Robelius hat gestern seine Doktorarbeit hier in Uppsala verteidigt. Sein Thema: Peak Oil, also die Frage bis zu welchem Zeitpunkt die weltweite Ölproduktion mit dem steigenden Bedarf mitwachsen kann und wann das Maximum erreicht wird, ab dem die Produktion zwangsläufig wieder abnimmt. Robelius’ Ergebnis, dass dieses Maximum schon nächstes Jahr erreicht wird, schaffte es in die schwedischen Medien. Ich hatte vorgestern die Gelegenheit, dem Vortrag seines Opponenten zum gleichen Thema zuzuhören. Wichtig bei der Diskussion ist, sich bewusst zu sein, dass das Öl nicht zu Ende geht, sondern “lediglich” die Produktion nicht mehr gesteigert werden kann. Auch wenn also erst in etwa die Hälfte des weltweiten Öls gefördert wurde, können die Auswirkungen verheerend sein, wenn die Produktion mit dem weiter wachsenden Bedarf nicht mehr mithalten kann.
  • Nur England^1^ geht noch fahrlässiger mit der Privatsphäre seiner Bürger um als Schweden. Dass gerade Deutschland Schweden in dieser Hinsicht einiges voraus hat (oder eben glücklicherweise dem Trend zur Überwachung hinterherhinkt), ist bekannt, aber auch in Schweden scheinen die Datenschützer wieder mehr Gehör zu finden. Eine Untersuchungskommission des Parlaments hat ihren Bericht vorgelegt und äußert harte Kritik an den Gesetzesvorlagen und Reformen der letzten Jahre. Der Schutz der persönliche Integrität der Bürger spiele in vielen Fällen eine untergeordnete Rolle. Weiter bei Radio Schweden.
  • Forschungspolitik. Entgegen vollmundiger Ankündigungen einer Erhöhung der Forschungsgelder, stellt sich jetzt heraus, dass stattdessen weniger Geld (S) zur Verfügung steht. Angesichts eines Haushaltsüberschusses und massiver Steuersenkungen ist das schwer verständlich. Zusätzlich sollen die Regeln zur Geheimhaltung von Forschungsergebnissen gelockert werden, damit Firmen, die sich an Forschungsprojekten beteiligen, vorrangige Verwertungsrechte eingeräumt werden können. Wissen unter Verschluss zu halten, gerade wenn es aus Steuergeldern finanziert wurde, ist aber grundsätzlich problematisch. Man sieht an beiden Punkten, dass die nicht-angewandte Grundlagenforschung, die vom Staat finanziert werden muss, bei der bürgerlichen Regierung keine sehr hohe Stellung einnimmt.
  • Bei der Hochtechnologie ist Schweden jedoch weiterhin ganz vorne. In einer neuen Rangliste zu Vernetzung, Informations- und Kommunikationstechnologien sind mehrere Länder am letztjährigen Spitzenreiter USA vorbeigezogen. Dänemark und Schweden findet man jetzt auf den ersten beiden Plätzen. Deutschland liegt auf Platz 16. Mehr bei Heise.
  • Im schwedischen Handel wird zu Ostern [doch nicht gestreikt](http://www.sr.se/Ekot/artikel.asp?artikel=1284166) (S). Obwohl es zunächst hieß, der Dachverband der Arbeitgeber [wehre sich gegen](http://www.fiket.de/2007/03/28/streik-an-ostern/) den ausgehandelten Vertrag, wurde er jetzt doch unverändert unterschrieben und bringt den Angestellten in den kommenden drei Jahren durchschnittlich 12,6% mehr Lohn. ^1^Wer mehr über die Situation in Großbritannien wissen will, lese [das entsprechende Dossier der ZEIT](http://www.zeit.de/2007/03/Big-Brother?page=all).
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Pfui!

Radio Schweden schreibt:

In einer Umfrage des norwegischen Institutes Sentio erzielt die rechtspopulistische Partei 4,3 Prozent, gegenüber 2,9 Prozent bei den Wahlen im vorigen September.

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The Original ABBA Orchestra

Gestern Vormittag bekam ich die Email eines Bekannten, der fragte, ob ich noch am gleichen Abend mit auf ein ABBA-Konzert wolle. Er habe überraschend ein paar Freikarten bekommen. “Wie bitte? ABBA gibt es nicht mehr!” war natürlich mein erster Gedanke. Als ich aber dem beigefügten Link folgte, wurde etwas klarer, worum es ging: nämlich um ein paar Mitglieder der ehemaligen Band um ABBA, die zusammen mit einigen Gastmusikern eine abendfüllende Show mit dem Titel The Original ABBA Orchestra in Concert auf die Bühne bringen.

Es war die “Premiere” gestern in Uppsala und man wird damit in den nächsten Wochen durch verschiedene größere Hallen in Schweden touren. Von den “richtigen” ABBA-Leuten Agnetha, Björn, Benny och Anni-Frid ist natürlich keiner dabei, die haben ja vor einigen Jahren sogar das Angebot von einer Milliarde Dollar für eine gemeinsame Tournee abgelehnt.

Ich sagte trotzdem freudig zu, denn ich hatte wie immer meine Kamera dabei und im schwachen und wechselhaften Licht von Konzerten zu fotografieren, ist immer eine Herausforderung. Außerdem wollte ich sehen, ob das Ganze meine Erwartungen einer peinlich-nostalgischen Veranstaltung noch unterbieten konnte. Schließlich ist das Konzept eher ablehnenswert, mit dem verblassten Ruhm, an dem man damals am Rande teilnahm, heute noch zu hausieren und Geld verdienen zu wollen. Um das zu kaschieren, wurden eben noch ein paar halbwegs bekannte Gäste ins Boot geholt und man macht nicht nur ein Konzert (Eintritt 300 bis 500 Kronen) sondern verkauft auch teuere Tickets (1500 Kronen) für ein Abendessen davor und den “VIP-Bereich”.

Insgeheim hoffte ich wohl auch, dass es vielleicht gut und unterhaltsam werden könnte, denn gegen die Musik von ABBA habe ich an sich nichts. Die Halle war mit einigen tausend Menschen gut gefüllt, aber nicht ausverkauft. Wenig überraschend lag das Durchschnittsalter des Publikums etwa 20 Jahre über meinem und wahrscheinlich sind es genau diejenigen, die damals mit ABBA aufgewachsen sind, die man mit dieser Nostalgieshow erreichen will.

Die Halle

Und nostalgisch wurde es. Das lag weniger an der Musik, sondern am “Showmaster”, der nach jedem zweiten Lied olle Kamellen aus der Zeit mit ABBA zum Besten gab. Die Geschichten, was bei Konzerten so alles schief ging, welche Konzertjacke er gerade anhat (und was sie bei eBay bringen würde) waren das Überflüssigste des ganzen Abends und der Applaus für diesen Menschen ebbte auch sehr ab, wenn er zu lange redete und vergeblich versuchte, das Publikum zu animieren.

Dass das Gefühl der Nähe zu ABBA, das erzeugt werden sollte, eher fadenscheinig war, zeigte sich an Details wie dem großen Schriftzug “ABBA” hinter der Bühne, der – vermutlich aus rechtlichen Gründen – nicht einmal das spiegelverkehrte B des Originals trug. Auch die alten Interviewschnipsel, die der Conférencier in seine Anekdoten einstreute, wirkten aufgesetzt und rochen nach Zeitschinderei.

Der
Geschichtenerzähler

Die Musik selbst und der Klang war ordentlich. Die bekannten ABBA-Lieder waren recht nahe am Original und es wurde eifrig mitgeklatscht. An einigen Stellen hatte ich den Eindruck, dass trotz der fünfzehn Menschen auf der Bühne ein Teil Playback war, aber da kann ich mich täuschen. Die Bühnenshow, wechselnde Kleidung und Choreographie der Auftretenden und wirkten wenig zusammenhängend und einigermaßen lieblos, wenn nicht sogar plump.

Choreografie

Warum zum Beispiel zwischenzeitlich Clowns auftraten, die unkoordinierte hastige Bewegungen ausführten, blieb mir ein Rätsel.
Sinnlose
Clowns

Die zweite Hälfte des Abends (nach der Pause) war besser, vor allem weil der Märchenonkel nur noch ein Mal kurz auftrat, um stolz zu verkünden, dass mit Erlaubnis die Orginalaufnahme des Chors bei Take A Chance On Me mit eingespielt wurde. Trotz aller Kritik gab es auch ein paar gute Momente, nicht zuletzt dank Thomas Di Leva (S), der die charismatischsten Auftritte hatte und mit The Winner Takes Tt All den größten Applaus des Abends bekam.
Thomas Di Leva singt The Winner Takes It
All

Es mag sein, dass ich aufgrund meiner recht weitgehenden Ignoranz, was alles rund um ABBA angeht, die Veranstaltung nicht genug zu würdigen weiß und vielleicht sogar den Beteiligten mit meinem Urteil Unrecht tue. Bezahlt hätte ich für den Eintritt jedenfalls nicht. Ich konnte mich aber hinter den Rängen frei bewegen und bin mit der Ausbeute an Fotos recht zufrieden. Bis alle anderen aussortiert und bearbeitet sind, wird es aber noch ein wenig dauern.

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Stockholmer unerwünscht

Auf den ersten Blick ist es eine absurde Geschichte: Ein Mensch bekommt eine Stelle in Lund an der Südspitze Schwedens nicht, weil er aus Stockholm kommt (E). Diese Begründung ist nicht einmal rechtswidrig, weil Stockholmer keine ethnische Minderheit sind.

Um das zu verstehen, muss man auf den Unterschied zwischen “aus Stockholm sein” und “wie ein typischer Stockholmer sein” hinweisen. Stockholmer haben im restlichen Schweden den Ruf, arrogant zu sein und sich zu wichtig zu nehmen. Ihnen fehle die schwedentypische Bescheidenheit. Genau dieses selbstbewusste Auftreten wurde dem Bewerber zulasten gelegt.

Auf deutsche Maßstäbe übertragen heißt das, dass Stockholmer etwas weniger schwedisch als die restlichen Schweden sind. Oder andersrum: Deutsche wirken auf Schweden oft wie Über-Stockholmer. Das hat alles mit dem Jantelagen zu tun.

Nachtrag, 14:15 : Rainer schreibt auch darüber und erinnert in diesem Zusammenhang an die liebevolle Bezeichnung Noll-Åtta.

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Streik an Ostern

Die Gewerkschaft des schwedischen Einzelhandels hatte sich eigentlich mit der entsprechenden Arbeitgeberorganisation, Svensk Handel, auf 12,6 Prozent mehr Lohn, verteilt auf einen Zeitraum von drei Jahren, geeinigt. Das wäre noch einmal 2 Prozent mehr gewesen, als schon für die Industrie ausgehandelt wurde. Deshalb schritt der Dachverband der Arbeitgeber, Svensk Näringsliv, ein und verbot Svensk Handel, den Vertrag zu unterschreiben.

Für Ostern plant die Gewerkschaft deshalb jetzt Streiks (D, S).

A propos Ostern. Hat jemand einen Tipp, wo man an Ostern ein paar Tage verbringen könnte? Am besten nicht allzu weit weg (von Uppsala).

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Krank sein

Ich bin mit meiner Lektüre der ZEIT wie so oft ein paar Ausgaben hinterher. Das Schöne an der ZEIT ist aber, dass der Anteil der Artikel, die nach 3-4 Wochen schon veraltet sind, sehr gering ist. Gestern im Flieger las ich zum Beispiel den Artikel eines deutschen Arztes, der zwanzig Jahre in Norwegen war und bemängelt, dass die Deutschen – nicht zuletzt wegen öffentlicher Panikmache – zu oft zum Arzt rennen.

Durchschnittlich geht jeder Norweger dreimal im Jahr zum Arzt, mehr als 16-mal jeder Deutsche. Dabei werden die Bundesbürger aber nicht gesünder. Der Norweger entfernt sich eben die Zecke selbst, weil er nicht durch wohlmeinende Ratgeber verunsichert wird und hinter jedem Tier eine tödliche Krankheit befürchtet. Er vertraut darauf, dass der plötzliche Hörverlust nach ein paar Tagen Pause wieder besser ist, und wenn nicht: Eine unmittelbare Behandlung hätte wahrscheinlich auch nicht geholfen. Für die Krankheit »Hörsturz« gibt es im Norwegischen gar kein Wort – also auch keine Besorgnis.

Dem Argument, dass die ständige Besorgnis um die eigene Gesundheit und die damit verbundenen Arztbesuche und Befunde merklich die Lebensqualität des “Patienten” beeinträchtigen, stimme ich voll zu. Es wird sorglos gelebt und nur zum Arzt gegangen, wenn es nicht anders geht. Aus eben diesem Grund kann ich leider auch nicht sagen, ob die Aussagen über Norwegen in dem Artikel sich eins zu eins auf Schweden übertragen lassen. Wundern würde es mich nicht. Zum Artikel.

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