Das Jahr der Mücke

Schweden ist bekannt für seine mückenreichen Sommer, gerade in den nördlicheren Gebieten. Wegen des feuchten Frühlings gibt es dieses Jahr besonders viele (S) dieser Plagegeister und einige Campingplätze denken sogar darüber nach, dicht zu machen (S), weil die Besucher bei Ankunft derart attackiert werden, dass sie erst gar nicht einchecken.

Auch für Zecken scheint es ein gutes Jahr (S) zu sein, denn durch den schneereichen Winter waren sie gut vor der Kälte geschützt. Ich hoffe, dass sich niemand seinen Schwedenurlaub davon vermiesen lässt.

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Ornament

Deckenbemalung

Angenehm unaufdringliche Deckenbemalung aus dem 13. Jahrhundert in einer Kirche bei Tierp, im Norden von Uppland.

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Wort der Woche: hhhffffffffff

Es ist schwierig, dieses Geräusch in Buchstaben zu fassen und es ist auch kein Wort, das sich im Wörterbuch findet. Es geht um das zischende Geräusch, wenn den Mund wie zum Pfeifen formt, aber Luft einsaugt, anstatt hinausbläst.

In Schweden hat das eine konkrete Bedeutung. Es ist die in Norrland übliche Art, Zustimmung auszudrücken. Hhhffffffffff bedeutet also so viel wie “Ja, genau!”, “So ist es.” oder “Da hast du Recht”. Schweden aus südlicheren Breiten verwenden das zwar kaum, verstehen es aber und es ist, neben dem deutlichen Akzent, ein Erkennungsmerkmal für Norrlänningar, die vom restlichen Schweden oft als provinziell belächelt werden.

Ein schon angegrauter Witz geht in etwa so: Was macht man, wenn man mal wieder unter dem Bett staubsaugen müsste? Man lädt seine Freunde aus Norrland ein und fragt sie, ob es unterm Bett schmutzig ist. Worauf diese eben zustimmend mit Lufteinsaugen antworten und sich das Problem erübrigt.

Vielleicht kann man den Blick der Schweden auf Norrland ein wenig mit dem Blick der Deutschen auf Bayern vergleichen, mit dem Unterschied, dass Norrland wirtschaftlich schwach und menschenleer ist.

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Der oder das Blog?

Micha weist dezent darauf hin, dass er findet, “Blog” sei Neutrum, und dass es deshalb in der Titelzeile von Fiket “das Weblog” anstatt “der Weblog” heißen müsste. Ich glaube, dass man sich zumindest in Bloggerkreisen auf “das Blog” geeinigt hat; das bedeutet aber ja nicht, dass das so sein muss und dass es sich bei der Majorität der Nicht-Blogger so durchsetzt.

“Blog” ist kurz für “Weblog” und weil das mit “Internet-Tagebuch” eher schlecht übersetzt wäre, hat man eben das Wort eingedeutscht. Als Wortneuschöpfung könnte es prinzipiell jedes Geschlecht annehmen, aber es gibt eine Argumentationskette, die einigermaßen naheliegend ist: Dazu muss man lediglich “das Log” als Kurzform für “das Logbuch” akzpetieren, dann ist man über “das Weblog” schon gleich bei “das Blog”. “Das Log” ist standardsprachlich allerdings ein maritimes Messgerät und die Verwendung des englischen “log” anstatt “Logbuch” ist allenfalls Umgangssprache.

Auch wenn deshalb ein Glied in der Argumentationskette fehlt und “das Blog” den Google-Vergleich mit “der Blog” nur 1,5:1 gewinnt, gibt es doch zumindest dieses einleuchtende Argument für den Artikel “das”, während sich für “der Blog” meines Wissens nichts Ähnliches anführen lässt. Da ich selbst in letzter Zeit häufiger “das Blog” verwende, habe ich den Titel dieses Blogs gerade dementsprechend geändert.

Im Schwedischen schreibt man Blog übrigens “blogg” und das grammatikalische Geschlecht ist nicht Neutrum, sondern man sagt “en blogg”.

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Mittsommer

Der midsommarafton, zu deutsch “Mittsommer(abend)”, ist eines der großen Feste in Schweden und vielleicht das landestypischste. Anlass ist der längste Tag des Jahres, der 21. Juni, aber man hat sich darauf geeinigt, immer an einem Freitag zu feiern. Das Datum variiert deshalb zwischen dem 19. und 25. Juni und heuer ist es eben der 23. – heute.

Das Mittsommerfest gab es schon vor der Christianisierung Schwedens und war ursprünglich ein Fruchtbarkeitsritual. Das deutlichste Überbleibsel dieser Tradition ist die Mittsommerstange, ein in Blätter und Blumen gekleideter Baumstamm mit einer Querstange oben, an deren Enden zwei Ringe hängen. Was das darstellen soll, kann sich jeder denken. Wahrscheinlich brachten deutsche Einwanderer um 1400 den Maibaum mit nach Schweden, wo er dann der späteren Vegetationszeit entsprechend in den Juni wanderte. Mancherorts wird die midsommarstång auch immer noch majstång genannt. Eine alternative Erklärung hat mit dem Verb maja zu tun, das so viel wie “grün anziehen” bedeutet.

An Mittsommer macht Schweden dicht und die Bevölkerung begeht Stadtflucht. Es ist gleichzweitig für viele der Beginn des Jahresurlaubs, den man verständlicherweise in den kurzen Sommer legt. Wenn man an Mittsommer nicht gerade um den Maibaum tanzt, isst man frische Kartoffeln mit Dill zum Standardessen bei schwedischen Festen: eingelegte Heringe in alllerlei Geschmacksrichtungen. Dazu trinkt man Bier und Aquavit und lässt sich zur Nachspeise die Erdbeeren mit Sahne schmecken. Es müssen schwedische Erdbeeren sein und es ist hierzulande wirklich eine Nachricht wert, ob sie denn dieses Jahr rechtzeitig reif werden.

Ob man nun um die Mittsommerstange tanzt oder nicht, traditionelle Kleidung der jeweiligen Region trägt, oder einfach nur feucht-fröhlich feiert und singt – Mittsommer ist ein willkommener Anlass dazu und den lange erwarteten Sommer willkommen zu heißen, bevor er in wenigen Wochen wieder vorbei ist.

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Ferien auf Saltkrokan

“Ferien auf Saltkrokan” ist der deutsche Titel des Buches Vi på Saltkråkan von Astrid Lindgren. Wörtlich bedeutet der Titel “Wir auf der Salzkrähe”, wobei “Salzkrähe” der Name der fiktiven Insel ist, auf der sich die Handlung abspielt.

Es geht um das Leben im Schärengarten und darum, wie Melker Melkersson mit seiner Familie dort den Sommer verbringt und als Stadtmensch auf die Inselbewohner trifft. Tjorven, eine etwa sechsjährige Göre mit ihrem Bernhardiner Båtsman, bestaunt, wie tollpatschig sich Melker bei allerlei Dingen anstellt. Melkers Söhne versuchen, Männer von ihrer großen Schwester fernzuhalten. Es wird geweint und gefeiert und das Ganze ist eine Hommage an das Leben auf dem Land und in der Natur.

Auch wenn dieses Bild schon lange nicht mehr auf das reale Schweden zutrifft, ist Saltkråkan der Inbegriff des verklärten schwedischen Selbstbildes und wer etwas über Schweden lernen möchte, lese dieses Kinderbuch. 1968, also schon vier Jahre nach Erscheinen des Buches, verfilmte Olle Hellbom dieses in einer TV-Serie, unter Mitwirkung der Autorin.

Hellbom drehte im Anschlusss auch die in Deutschland bekanntere Serie über Pippi Langstrumpf und der Stil von Saltkråkan ist ähnlich. Die schauspielerischen Leistungen sind oft eher bescheiden, das Tempo ist langsam und die Handlung entsprechend der Vorlage unspektakulär.

Die Serie läuft gerade in der hundertsten Wiederholung sonntaglich im schwedischen Fernsehen – eine der wenigen Gelegenheiten, diesen anzuwerfen. Saltkråkan ist wichtig und wirklich jeder Schwede weiß, wer Farbror Melker ist. Eine deutsche Übersetzung gibt es auch schon lange, als DVD ist die Serie aber gerade erst erschienen, angeblich mit verbesserter Bildqualität.

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Die Kulturflatrate

Tauschbörsen, in denen Privatpersonen untereinander Musik und Filme tauschen, erfreuen sich ungebrochener Beliebtheit. Dass das den Rechteinhabern nicht passt, ist verständlich, schließlich wollen diese, dass man dafür bezahlt. Am liebsten wäre es ihnen, wenn wir nicht die Musik selbst, sondern nur das Nutzungsrecht kaufen würden, fein säuberlich geregelt per DRM.

Ich kaufe gern Musik online, wenn die Bedingungen stimmen, und will auch gar nicht in die DRM-Debatte einsteigen, sondern die am häufigsten diskutierte Möglichkeit anschneiden, wie man privates Dateitauschen legalisieren könnte: die Kulturflatrate.

Dabei würde es sich schlicht um eine Pauschalabgabe handeln, die jeder Benutzer entrichtet und deren Einnahmen an die Künstler weiterverteilt werden. Da es schwierig wäre, die Einhaltung anderweitig zu kontrollieren, soll die Abgabe automatisch auf alle Breitband-Internetanschlüsse erhoben werden. Die Kulturflatrate wird von einigen in Deutschland als Königsweg aus der Illegalität und der DRM-Misere gesehen und scheint sogar rechtlich machbar, doch die deutsche Politik und die Lobbyisten sträuben sich.

Logo der PiratenparteiNach der Beschlagnahme der PirateBay vor wenigen Wochen in Stockholm hat nicht nur die schwedische Piratenpartei einen sprunghaften Mitgliederzuwachs erfahren, sondern das Thema wird auch in den etablierten Parteien diskutiert und könnte bis zur Parlamentswahl in acht Wochen aktuell bleiben.

Jetzt diskutiert sogar Justizminister Thomas Bodström, der bisher eher für die Verfolgung von Dateitauschern steht und maßgeblich an der Strafverschärfung von 2005 beteiligt war, über die Kulturflatrate und hält sie für möglich, sofern sich die Parteien darauf einigen. Auch wenn es vereinfacht ist, die Situation auf zwei Lager zu beschränken, die Produzenten und Rechteinhaber auf der einen, die Verbraucher und deren Aktivisten auf der anderen Seite, so kann man annehmen, dass letztere in Deutschland eine ähnliche Entwicklung begrüßen würden.

Das gilt erstaunlicherweise nicht für die Piratenpartei in Schweden. Mag sein, dass sie nur ihr Profil nicht verlieren wollen, aber sie sind entschieden gegen die Kulturflatrate. Die Gegenargumente sind natürlich auch den Befürwortern bekannt und das hier sind wohl die wichtigsten:

  • Die Verteilung der Einnahmen ist entweder ungerecht (kleine Künstler werden benachteiligt) oder mit Kontrolle und hohem Verwaltungsaufwand verbunden.
  • Die Abgabe ist ungerecht gegenüber Internet-Nutzern, die keine Dateien tauschen.

  • Der Staat darf nicht Preise diktieren, die eingentlich vom Markt geregelt werden sollten.

    Die Piratenpartei ist allerdings nicht stumpf gegen alle aufkommenden Vorschläge, sondern hat einen eigenen Vorschlag zur Reform des Urheberrechts. Der Basisgedanke ist, dass das Urheberrecht schleichend über Jahrzehnte immer weiter verstärkt wurde und dass es an der Zeit ist, gegenzusteuern, um Kultur nicht durch zu viele Einschränkungen zu gefährden. Der Vorschlag der Piraten geht also weit über das hinaus, was sich Realpolitiker üblicherweise vorstellen:

  • Das Urheberrecht soll zwar nicht abgeschafft werden, aber sich ausschließlich auf die kommerzielle Nutzung beschränken. Uneigennützige Weitergabe von Kopien wird generell erlaubt, also auch Tauschbörsen.

  • Techniken, die nur dazu da sind, die freie Weitergabe zu verhindern (DRM), werden verboten.
  • Auch die kommerzielle Nutzung soll eine Reform erfahren, v.a. indem die Zeit, die ein Werk geschützt ist, drastisch verkürzt wird.

    Das ist nur ein Teil deren Programm ([pdf](http://www.piratpartiet.se/documents/Principles%203.0.pdf), englisch), aber der im Zusammenhang wichtigste. Der erste Punkt würde die Musikindustrie wohl endlich dazu zwingen, ein attraktives Angebot zum Download von Musik anzubieten. Wer wäre nicht bereit, für den Zugang zu einem umfassenden und einfach zu nutzenden Musikarchiv zu zahlen, anstatt sich durch Tauschbörsen zu wühlen? Zum letzten Punkt kann ich mich mangels Einblick in die Szene kaum äußern, aber das Argument, dass sich ein Großteil neuer Musik sowieso entweder innerhalb kurzer Zeit rechnet oder nie, leuchtet in gewisser Weise ein. Man darf auf jeden Fall gespannt sein, ob Schweden bald in einem weiteren Bereich für viele Miteuropäer das gelobte Land wird. *Nachtrag*: Im heutigen [Leitartikel der DN](http://www.dn.se/DNet/jsp/polopoly.jsp?d=576&a=553865&previousRenderType=2) (S) wird als erster Schritt die Rücknahme der Verschärfung von 2005 gefordert und auf die Arbeitserschwernisse für Bibliotheken, Museen und Universitäten hingewiesen.
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Öffnungszeiten

Auch wenn ich aus deutschen Medien davon noch nichts mitbekommen habe, scheinen die längeren Öffnungszeiten während der WM die Diskussion um das Ladenschlussgesetz neu anzufachen (S).

Mein ICA um die Ecke hat 365 Tage im Jahr von 8-23 Uhr geöffnet und es fällt schon auf, wenn man zurück nach Deutschland kommt, dass man mehr planen muss. Andererseits haben trotz der freieren Regelung in Schweden bei weitem nicht alle Läden länger auf als in Deutschland. Hier in Uppsala machen an Wochentagen die Geschäfte in der Fußgängerzone um 6 Uhr zu, dafür ist auch Sonntags von zwölf bis vier offen.

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Der Dachs

Ein abendlicher Waldspaziergang zu dritt, die Sonne steht tief und bewegt sich so waagrecht, dass man glaubt, sie werde nie untergehen. Ein Hund kommt uns mit polternden Schritten den Waldweg entgegen gerannt. Moment! Das ist kein Hund. Ein Dachs? Rennt der uns jetzt um? Da, jetzt sieht er uns, legt eine schlitternde Vollbremsung hin, kommt fünf Meter vor uns zum Stehen und starrt uns an. Wir ihn. Dann rennt er weg, den Weg zurück, und ist verschwunden.

Schönes Naturerlebnis, das einzig Ärgerliche dabei: Ich hatte die Kamera in der Hand und hätte in den paar Sekunden mehrere Bilder schießen können – wenn ich nicht so verdutzt gewesen wäre. Ein andermal vielleicht…

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