Wort der Woche: Skidbacke

Es gibt zwei Arten von Schweden und eine tiefe Kluft entzweit die Bevölkerung.

  • Die einen hobeln ihr dreieckiges Stück Käse gleichmäßig von oben nach unten ab, so dass auch die Rückwand immer kürzer wird (a → b, Seitenansicht).
  • Die anderen hobeln zuerst nur an der Spitze und lassen die Rückwand bis zuletzt stehen (a → c). Dabei entsteht ein *skidbacke*, zu deutsch “Skihügel”. ![Illustration](/pic/ostskidbacke.jpg) Unser Käse hat keinen ausgeprägten Skihügel: ![unser Käse](/pic/ostingenbacke.jpg)
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Schweden und die EU(-Wahl)

Heute ist Europatag und ich hoffe sehr, dass jeder schon von der Wahl zum Europaparlament am 7. Juni weiß.

Vom Nachrichtenlesen im Netz bekomme ich den Eindruck, dass diese Wahl in Deutschland recht wenig Aufmerksamkeit bekommt. Man blickt stattdessen schon auf die Bundestagswahl im Herbst. In Schweden, wo bei Wahlen immer eine feierliche Stimmung herrscht und man stolz auf die generell hohe Wahlbeteiligung ist, gab es vor ein paar Wochen den Weckruf, dass laut Umfragen nur ein Bruchteil der Bevölkerung über diese Wahl Bescheid wusste.

Seitdem nehmen die Medien ihre Aufgabe durchaus ernst: Es wird täglich (!) berichtet, die Wahl kommt aufs Titelblatt und prominent auf die Webseiten der großen Zeitungen, inklusive Hintergrundinformation darüber, wie die EU funktioniert. Die bisherigen Parlamentarier der Parteien werden unter die Lupe genommen und ihr Stimmverhalten im EU-Parlament kritisch beurteilt. Die Parteien machen echten Wahlkampf mit ihren Programmen und diese werden aktiv diskutiert. In den vier Wochen bis zur Wahl wird diesbezüglich sicherlich noch einiges passieren.

Natürlich sind auch hierzulande die nationalen Wahlen noch wichtiger als die auf EU-Niveau, aber ich glaube behaupten zu können, dass die Situation in Schweden nicht ganz so betrüblich ist wie in Deutschland.

Wie sehen die aktuellen Umfragen aus? Der Abwärtstrend der Sozialdemokraten setzt sich fort und sie liegen mit knapp 30 Prozent gleichauf mit der Moderaten-Partei von Premierminister Reinfeldt. Zum ersten Mal seit 1914 könnten die Sozialdemokraten ihren Platz als stärkste Partei in einer landesweiten Wahl verlieren. Die EU-kritische “Juni-Liste”, die bei der EU-Wahl 2004 über 14 Prozent der Stimmen bekam, scheint wieder in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden. Die fünf kleineren Parteien des schwedischen Parlaments scheinen bei der EU-Wahl schlecht abzuschneiden.

Immer mehr Aufmerksamkeit bekommt hingegen die Piratenpartei. Die Vorhersagen sehen sie zwischen 5 und 8,5 Prozent, also möglicherweise als drittstärkste Kraft mit zwei der 19 schwedischen Mandate im Europaparlament. Hier kommt es stark darauf an, wie gut es gelingt, die vor allem jungen Sympathisanten an die Urnen zu bringen. Außerdem ist es für neue Parteien eine logistische Herausforderung, die Wahlzettel auf alle Wahllokale zu verteilen. Man wählt in Schweden, indem man den Wahlzettel der jeweiligen Partei ins Wahlkuvert steckt und eventuell einen der Kandidaten in der darauf gedruckten Parteiliste ankreuzt. Nur Parteien, die schon im Parlament sind, bekommen von der Wahlorganisation Unterstützung mit der Distribution der Zettel.

Von der Wahl ganz abgesehen steht die schwedische EU-Ratspräsidentschaft vor der Tür: Vom 1. Juli bis Ende des Jahres wird Fredrik Reinfeldt “EU-Chef”. Glaubt man den Beobachtern, ist die schwedische Regierung schon jetzt heimlicher Ratspräsident, denn die Tschechen, die Anfang des Jahres von Frankreich übernommen haben, befinden sich in einer landesinternen Krise. Ein Misstrauensvotum hat dort die Regierung zu Fall gebracht und gestern übernahm eine Übergangsregierung die Führung bis zur Neuwahl im Oktober. Dass dieser Teamwechsel eine Führungsrolle in der EU sehr schwer macht, ist leicht einzusehen.

Deshalb musste sich die schwedische Ratspräsidentschaft flexibel zeigen und schon im Vorfeld Verantwortung übernehmen. Zum Beispiel führte Reinfeldt die Energieverhandlungen als US-Präsident Obama in Prag war. Auch zum Gipfeltreffen im Juni, bei dem der Nachfolger von Barroso vorgeschlagen werden soll, ist Schweden bereit einzuspringen. Dagegen will man möglichst verhindern, auch noch die zusätzlichen Versicherungen an Irland bezüglich des Lissabon-Vertrages ins eigene volle Programm zu bekommen. Das soll noch vorher fertig werden, damit dort eine neue Volksabstimmung stattfinden kann.

Die bevorstehende Ratspräsidentschaft hat auch innenpolitische Konsequenzen. Reinfeldt hat die Opposition um einen “Burgfrieden” gebeten, damit die Präsidentschaft so ungestört wie möglich durchgeführt werden kann. Das wäre gut für Schweden als Ganzes und würde auch den Sozialdemokraten nutzen, sagt er. Ob ein solcher Frieden sinnvoll ist, darum wird eifrig gestritten und die Oppositionsparteien sind von der Idee wenig begeistert. Thomas Bodström, ehemals sozialdemokratischer Innenminister, nennt Reinfeldt in diesem Zusammenhang gar einen Heuchler: Dieser sei nämlich während der letzten schwedischen Ratspräsidentschaft 2001 wie ein Iltis im Reichstag herumgerannt, um ein Misstrauensvotum gegen den damaligen sozialdemokratischen Regierungschef Göran Persson auf die Beine zu stellen.

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Gröna Lunds Tivoli

Vergnügungspark Gröna
Lund
Der Vergnügungspark Gröna Lund auf dem Djurgården, von der Altstadt aus gesehen. Das lila Gebilde in der Mitte ist die frisch eröffnete Achterbahn Insane.

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Elektronisch Deklarieren

Am Montag war es wieder so weit: Stichtag für die Steuererklärungen. Über die Hälfte der Schweden gaben nicht mehr auf Papier, sondern elektronisch ab. Das ist eine weitere Steigerung gegenüber letztem Jahr, aber die angestrebten sechzig Prozent wurden es nicht. Zum Vergleich benutzen in Deutschland nur etwa 15 Prozent der Menschen freiwillig die elektronische Variante. Es scheint zu helfen, dass man den Vorgang hier so komfortabel wie möglich macht.

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Alkoholsteuer erhöhen?

Deutsche Alkoholsteuern wie in Schweden oder “freies Trinken für freie Bürger”? Ein erfreulich sachlicher Artikel bei SpOn.

Es ist zu befürchten, dass die Vorschläge zur Steuererhöhung ähnlich große Chancen haben wie ein generelles Tempolimit auf Autobahnen. Die Alkohol- kommt nicht weit hinter der Autolobby. Dabei zeigen die Zahlen eindeutig, dass die Steuer den gewünschten Effekt hat.

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Verloren in der Vielfalt

In den letzten Jahren ist der Blatte^1^ modern geworden. Viele wollten eine gemeinsame Identität für alle nicht-Svennar schaffen, nicht zuletzt die Zeitschrift Gringo. Im dritten Artikel der Serie Warten auf Schweden fragt sich Maciej Zaremba, ob dieser Wille dem Rassismus in Schweden Aufwind gibt.

Es war voll im Schwimmbad Vivalla an diesem Tag, weswegen die Beweislage gut ausfiel. Man hörte: “Verdammte Zigeunerschweine”, “Ich werd’ alle Zigeuner ficken”, einige hörten außerdem “Huren, Hurensöhne und Pack”. Weil all das den Roma zugerufen wurde, führte der Ankläger an, dass der Schreihals wegen Volksverhetzung bestraft werden solle. Aber er überzeugte das Gericht in Örebro nicht, welches mit der Begründung freisprach, dass dies “nicht als Herabsetzung des Ansehens der Roma betrachtet werden kann”.

Dieses Urteil erregte die Schwedendemokraten^2^, die meinten, dass der Angeklage sicherlich verurteilt worden wäre, wenn sein Name nicht Habibi, sondern Svensson gelautet hätte.

Es gibt Hinweise, dass die Schwedendemokraten hier recht haben könnten. Wenn es um gewöhnliche Straftaten geht, können Einwanderer kaum damit rechnen, milder behandelt zu werden; eher umgekehrt. Aber bei Hassreden scheint das Einwanderer-Sein ein mildernder Umstand zu sein. Zum Beispiel wird der Vorfall im Schwimmbad nicht in die Statistik für angezeigte Hassverbrechen aufgenommen, eben weil der Schreihals Habibi hieß.

Nach der Zählweise des Rats zur Verbrechensvorbeugung (Brå) ist es also kein Hassverbrechen, wenn ein Einwanderer gegen Roma oder Schwarze hetzt. Zum Hassverbrechen wird es erst, wenn ein Schwede dies tut. Es sei erwähnt, dass Brå diese Regel selbst nicht mag, aber gezwungen ist, den Anweisungen der Säpo^3^ zu folgen. Und die hält es offenbar für gegeben, dass ein hasserfüllter Einwanderer ein geringeres Risiko darstellt als ein Schwede.

Ich frage mich natürlich wie Brå es anstellt, die richtigen Schweden herauszusortieren. Das ist mühsam, bekomme ich zu hören. “In der Anzeige steht selten, wo jemand geboren ist. Deshalb richten wir uns nach dem Namen”.

Soll man sich wundern, dass ein Staat, der Straftaten nach Namen Buch führt – “Was meinst du? Klingt Holt schwedisch? Ok, dann war es eine Straftat” – gewisse Probleme mit der “Integration” hat?

Für die Schwedendemokraten wurde dieses Urteil zu einem weiteren Beleg, dass der Staat Ausländer zulasten der Einheimischen bevorzugt. So kann man das natürlich sehen. Oder auch umgekehrt. Als Beweis der Geringschätzung: Ach – du bist ja nur ein Einwanderer.

Ich lese einen Artikel auf der Debattenseite von DN, in dem Masoud Kamali die sexuelle Veranlagung eines Ministers in seine Argumentation einbaut. Im Kulturteil lese ich, wie Kurdo Baksi mit Verachtung die Kleidung, das Geschlecht und die Rasse einer Politikerin als Erklärung für ihre Ansichten analysiert.

Wären diese Texte von einem Svensson geschrieben worden, hätte man ihn wohl öffentlich ausgepeitscht, wenn man die Artikel überhaupt gedruckt hätte. Aber mit diesen Namen darunter weckten sie kaum Entrüstung, außer – genau! außer bei anderen Autoren mit ungewöhnlichen Namen (wie Madon, Wager, Demirbag-Sten). Ja, bei diesen Gelegenheiten durften sie alleine die schwedische Presse-Ethik verteidigen.

Was bekommen wir hier zu sehen? Den Anfang einer geteilten Öffentlichkeit, wo Hautfarbe, Geschlecht, Religion und Herkunft das Recht geben, Dinge zu sagen, die andere nicht dürfen? Man kann leicht Beiträge finden, in denen jemand abgetan wird, weil er kein Einwanderer ist, nicht aus den “Vororten” kommt, zufällig ein Mann in gewissem Alter ist oder – am allerschlimmsten – eine eingewanderte Frau ist, die nicht unterschreibt, dass in Schweden Rassismus herrscht. Dann kann man sie “Hausneger” nennen und damit durchkommen, wenn man nicht Svensson heißt, natürlich.

Das aussagekräftigste Beispiel dafür, wie wichtig die Identität des Absenders geworden ist, ist die Zeitschrift Mana, deren Chefredakteur Babak Rahimi es für notwendig hielt, sich in seinen Artikeln als Frau im Iran auszugeben, inklusive erfundener Biografie.

Es ist merkwürdig, dass diesmal genau diejenigen den zivilisierten Diskurs unterhöhlen, die sich selbst für “Antirassisten” halten. Als Geschmacksprobe hier ein Beitrag aus der Bloggosphäre: “Den Begriff Hausneger könnte man effektiv … gegen Neger/Einwanderer anwenden, die in einer bürgerlichen Partei sind, z.B. Nyamko Subyami^4^ in der Folkpartiet” (antirassistische Schreibweise, meine Anm.). Kapiert? Nicht in Schweden geboren zu sein, verpflichtet zu bestimmten Ansichten. Eine etabliertere Bloggerin, der sich zur “Linken” bekennt, findet Einwanderer nicht gut, die “mischfarbige Beziehungen” eingehen. Das erschwere den Kampf gegen Rassismus, findet sie. Genau wie die extreme Rechte scheint sie der Ansicht zu sein, dass Hautfarbe verpflichtet.

Wenn es doch nur Extremisten wären, die Einwanderern eine bestimmte Identität zuschreiben. Aber als es vor wenigen Jahren zu einem akademischen Streit zwischen Dozent Westholm und Professor Kamali kam, bekamen wir vom Rednerpult des Parlaments zu hören, dass die Regierung eingreifen müsse:

”... diese schädliche und polemische Diskussion wurde in Dagens Nyheter veröffentlicht, wodurch der Konflikt negative Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen der Einwandererbevölkerung und den schwedischen Behörden haben kann.”

Ja, ihr habt euch nicht verlesen. Wenn ein Westholm einen Kamali kritisiert, kann das die gesamte “Einwandererbevölkerung” krumm nehmen. Keiner der Gewählten wandte hastig etwas gegen die Idee ein, dass “Einwanderer” eine Volksgruppe sind, wie Pavlovs Hunde festgelegt, deren zuliebe wir Diskussionen abwürgen müssen (gerade die polemischen). Lag es daran, dass die Rednerin nicht in Schweden geboren war? Ana-Maria Narti hieß sie.

Wenn “Einwanderer” zur Sprache kommen, werden Mitbürger unsicher, was es sich zu sagen gehört. Als ob die Sprache vermint worden wäre. Nett gemeinte Fragen wie “Wo kommst du her?” können mittlerweile Entrüstung auslösen. “Ich bin in Mora geboren.” Man muss aufpassen, was man sagt. Und vielleicht denkt man ja wirklich falsch, ein wenig veraltet? Es ging doch alles so schnell … Und es ist bei Weitem nicht leicht zu wissen, wie man der neuen Vielfalt gerecht werden soll. Da wird eine SFI-Lehrerin als “elitär” beschimpft, wenn sie etwas dagegen einwendet, dass jemand, der nicht schreiben kann und mit starkem Farsi-Akzent spricht, Einwanderern Schwedisch beibringen soll. Da wird eine andere wegen Diskriminierung angezeigt, weil sie gesagt hat, Frauen im Iran seien unterdrückt.

Wenn Menschen anfangen, sich in ihrer Sprache und ihren Gedanken unsicher zu fühlen, öffnet sich ein Markt für Bauchredner, Anstandsdamen und Alibis. Will man die Erfolge der Schwedendemokraten verstehen, kann man Gringo nicht außen vor lassen, die Zeitschrift, die 2005 entstand und drei Jahre später in Konkurs ging.

Es ist nicht besonders verwunderlich, dass ein paar gebürtige Jugendliche, die die Frage “Woher kommst du?” einmal zu oft gehört haben, auf die Idee kommen, eine Zeitschrift Umgekehrt zu machen, wo die “Blattar” für alles Coole und Attraktive stehen, während die “Svennar” Statisten im debilen Hintergrund darstellen. Das kann als Satire helfen, Augen zu öffnen: “Ach so, ihr schert uns alle über einen Kamm und schaut auf uns herab? Schluckt eure eigene Medizin!”

Aber Gringo ging weiter. Dort wurde der “Blatte” zur Identität gemacht, deren einzige sichere Eigenschaft es war, kein “Svenne” zu sein und es auch nie zu werden. Teils weil die Svennar sie nicht herein ließen (Rassismus), teils weil die Kultur der Svennar die Mühe gar nicht wert war.

Ja, so könnte vielleicht die Reaktion auf unerwiderte Liebe aussehen. Aber Gringo war Theater. Die Redakteure, die vorgaben für eine verstoßene Masse zu sprechen, waren gut angepasste Unternehmer, die sich ein “Blatte-Schwedisch” ausgedacht hatten, das kaum einer spricht, und die sich zum Vermittler für Ansichten aufgeschwungen hatten, die kaum jemand vertritt. Und die man mit Nazismus vergleichen kann: “Leider gründet sich der schwedische Nationalismus auf die Sprache, genau die gleiche Art Nationalismus, die Hitler befürwortete”, stand in Gringos Agenda. Oder auch, dass schwedische Frauen untaugliche Sexobjekte waren (zu kleine Ärsche), während die schwarzen viel besser rochen, wie in Gringo 7/05 zu lesen war. Wurden Schwedens Einwanderer dadurch in ihrer eigenen Identität gestärkt?

Das Eigenartige war nicht, dass dort Muff und umgekehrter Rassismus gedruckt wurden. Das Eigenartige war, dass alte Volksbewegungen, Behörden und Firmen fünfstellige Beträge dafür bezahlten, das Ganze in Kursen und Vielfaltstagen wiederholt zu bekommen. Dass man mit Einwanderern auf eine spezielle Art reden muss, weil sie ein Volk für sich sind, mit eigenem Kauderwelsch, dass sie kein Interesse an schwedischer Kultur haben, aber verlangen, dass man ihre eigene anerkennt. Da war es raus. Ein Carlos, oder heißt er Zaynar, hat es gesagt. Was für eine Erleichterung.

Muss gesagt werden, was für ein gefundenes Fressen Gringo für unsere Xenophoben wurde? “Gringo… (hat) es geschafft, die Immigranten in Schweden als Vorortsaffen darzustellen, die blind von ihrem fundamentalen Bedürfnis nach Bestätigng und Respekt gesteuert sind”, jubelt einer der unbehaglichsten Blogger dieser Ecke. Nicht ganz gerecht, aber auch nicht ganz falsch. Noch wichtiger für die Schwedendemokraten (SD) war Gringos Bestätigung ihrer Grundidee: dass Schwede-Sein etwas ethnisches ist. Der kichernde Empfang, den der Hohn auf “Svennar” auf Konferenzen und in den Fernsehsofas fand, schien zu bestätigen, was SD lange behauptet hatte: dass Schweden seine Selbstachtung verloren hat und nicht auf seine Kultur aufzupassen weiß – also brauchte es die Schwedendemokraten.

Das Absurdeste an der Geschichte ist, dass die Einrichtungen, die sich mit Gringo einließen, dessen Ideologie in keinster Weise ernst nahmen. Sie kauften Ablassbriefe zum Herzeigen, wenn die Revision der Vielfältigkeitsarbeit kommt. Auf diese Weise brauchten sie nicht selbst darüber nachzudenken, ob es Rassismus ist, von einem Schwedischlehrer gutes Schwedisch zu verlangen, oder ob es wirklich eine gute Idee ist sich aufzuregen, wenn eine Frau den Handschlag verweigert. Es ist ja auch traumatisch, solche Dinge zu diskutieren.

Sicher kann das traumatisch sein. Wenn es schiefgeht, kann man das R-Wort genannt werden. Vor einiger Zeit bekamen sechzig führende Staatswissenschaftler, die in einem Brief an die Regierung gegen die politische Einflussnahme in der Integrationsuntersuchung protestierten, von Mona Sahlin^5^ als Antwort, dass ihr Protest “rassistische Untertöne” hätte. Was sich bei Dilsa Demirbag-Stens Prüfung der Korrespondenz als reine Erfindung entpuppte. (Expressen 30/6 -04)

Ich gehe davon aus, dass Mona Sahlin zufrieden mit sich war, hatte sie doch mit nur einem Wort des Spotts eine beschwerliche Debatte ruhig gestellt. Aber noch mehr freuten sich die Schwedendemokraten. Wenn legitime Kritik an Integrationspolitik ohne Hand und Fuß auf diese Weise abgetan wird, bekommen die Fremdenhasser ein Monopol auf diese Debatte.

Da gibt es den Schulrektor (in Råneå), der einen Dreizehnjährigen nach Hause schickt, weil auf seinem T-Shirt eine schwedische Flagge zu sehen ist mit den Worten “Schweden ist mein Vaterland”. Das Kleidungsstück könnte “nazistisch verstanden werden”, findet der Rektor. Dann war da die Kommune Nyköping, die der Kirchengemeinde verbietet, auf dem Totengedenkplatz neben Lids mittelalterlicher Kirche ein Kreuz aufzustellen. “Zu starkes religiöses Symbol”, heißt es, unpassend in einer multikulturellen Gesellschaft wo auch Atheisten Anstoß nehmen können.

Die Achtklässler der Strandskolan in Klagshamn bekamen kein Klassenfoto, weil sie an dem Tag Trikots der Nationalmannschaft anhatten (vor dem Spiel gegen Dänemark). “Es steht in unserem Lehrplan, dass wir gegen Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz arbeiten sollen”, erklärt der Rektor. Nein, er finde nicht, dass die Nationalmannschaft für Rassismus stehe, aber die Trikots könnte jemand “so auffassen”. Außerdem kann “Den blomstertid nu kommer”^6^ als “diskriminierend wahrgenommen werden” und ist deshalb ungeeignet für Schulabschlussfeiern, findet der Diskriminierungsombudsman (DO), der die Bräckeskolan auf Hisingen wegen Psalmgesang gerügt hat.

(Interessanterweise ist der Rat schwedischer Muslime mit dem DO hier nicht einer Meinung. Die Vorsitzende Helena Benaouda sagt mir, dass es “absurd wäre, Psalmgesang an Schulabschlussfeiern generell zu verbieten.” Im Gegenzug sollte die Schule jedes Mal die Eltern fragen, ob alle damit einverstanden sind.)

Fast hätte ich Kista vergessen, wo einige Beamte die Flagge vom Gemeindehaus nehmen wollten, damit die Einwanderer auf dem Järvafältet sich mehr zu Hause fühlen könnten. Zum Glück war der Gemeindedirektor zufällig ein japanisch-italienisch-spanischer Indianer. Luis Abascal hieß er, kam aus Uruguay, brummelte “jetzt sind wir in Schweden” und die Flagge blieb.

Wir leben in interessanten Zeiten. Für die Rektoren in Råneå und Klagshamn ist blau-gelb etwas Suspektes, für Abascal ist die Flagge ein verbindendes Symbol. Damit sei nicht nur gesagt, dass die obigen Verwirrungen immer mehr aufgebrachte Mitbürger in die Arme der Schwedendemokraten treiben, sondern auch gezeigt, welch schwächelnde Empathie man mit den Menschen hat, deren Gleichstellung man zu verteidigen vorgibt. Man versucht, dem Zerrbild der Einwanderer gerecht zu werden. Oder vielleicht nur dem eigenen Selbstbild.

Die Gemeinde Sigtuna glaubt sich an vorderster Front der multikulturellen Gesellschaft. Allgemeine Schulferien am orthodoxen Karfreitag, dem kurdisch-persischen Neujahr Noruz und an Id Al-Fitr, dem Ende des Ramadan. Alle werden eingebunden, dass es eine Freude ist. Gleichzeitig bereitet es Frau Cherine leider wenig Sorgen, dass Kerstin und Kalle in die Schule gehen während sie und ihre Familie Neujahr feiert. Ihr Problem ist stattdessen, Schwedisch zu lernen. Wo bekommt sie Information dazu? Nirgends. Sigtuna ist eine der wenigen Gemeinden, in denen alle Information, auch die über die Kurse “für den, der Schwedisch von Grund auf lernen muss”, ausschließlich in eben dieser Sprache bereitliegt.

Habibi heißt in Wirklichkeit anders.

Maciej Zaremba

Übersetzt aus dem Schwedischen. Für mehr Information dazu, zur Lizenz und zu den fünf anderen Teilen der Artikelserie bitte hier entlang.

Svenska originalet publicerades i DN, 2009-03-05. Jag tackar Maciej Zaremba för tillstånd att publicera min översättning.

Fußnoten:
^1^Blatte und Svenne sind unübersetzbar. Ersteres hat sich aus einer abfälligen Bezeichnung für Einwanderer (deren Ursprung unklar ist) zu einem Wort entwickelt, das von (Teilen) der Gruppe selbst zur Identifikation verwendet wird – parallel dazu, wie sich manche Schwarze “Nigger” nennen und wie Homosexulle das Wort “schwul” übernommen haben. Svenne ist das Gegenstück zum Blatte, also eine abfällige Bezeichnung des letzteren für “typische Schweden”. Die Ableitung kommt wohl vom allgegenwärtigen Nachnamen “Svensson”.

^2^Die “Schwedendemokraten” sind eine nationalistisch-traditionalistische Partei, die “Schweden schwedisch erhalten” wollen. Am ehesten sind sie wohl mit den deutschen “Republikanern” zu vergleichen. Die Wikipedia weiß mehr.

^3^Säpo steht für Säkerhetspolisen, also “Sicherheispolizei”. Damit ist der nationale Geheimdienst Schwedens gemeint.

^4^Nyamko Sabuni ist Integrationsministerin der Regierung Reinfeldt.

^5^Mona Sahlin ist heute Parteichefin der größten Partei Schwedens, den Sozialdemokraten.

^6^Das ist der bekannteste und beliebteste der schwedischen Sommer-Psalme. Er wird traditionell bei Schulabschlussfeiern gesungen. Mehr dazu auf SChwedisch

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Wort der Woche: Sopnedkast

Müllschacht

Was ist das da auf dem Bild?

Jeder, der schon einmal in einem mehrstöckigen Wohnhaus in Schweden war, hat sie wahrscheinlich gesehen: diese silbernen, fast immer gleich aussehenden Luken im Treppenhaus. Dahinter verbergen sich – unschwer zu erraten – Müllschächte, die zur Tonne im Keller führen; besser gesagt: geführt haben. Denn heutzutage wird auch in Schweden der Müll getrennt und ein einzelner Schacht ist da wenig hilfreich. Deshalb sind die meisten Müllschächte inzwischen zugunsten von Tonnen im Hof oder in Müllräumen stillgelegt.

Der Sopnedkast kam in den 1930er Jahren auf und wurde in Schweden schnell zur Baunorm. Erst in jüngeren Jahren baut man wieder ohne. Das Wort setzt sich aus sop (sopor (pl.) = Müll), ned (=hinunter) und kast (=Wurf) zusammen.

Das Beispiel im Bild ist aus unserem eigenen Treppenhaus und man erkennt am abmontierten Griff, dass der Schacht auch hier nicht mehr benutzt wird. Der Aufkleber erinnert noch daran, dass man die Mülltüten zuknoten sollte, bevor man sie in den Schacht warf.

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Alles neu macht der Mai

Zwei Neuerungen zum Monatswechsel:

  • Gleichgeschlechtliche Paare können ab heute in Schweden heiraten, nicht mehr nur ihre “Partnerschaft registrieren”.

  • Ab sofort darf es in Schweden auch “richtige” Eigentumswohnungen geben, nicht nur das übliche Wohnrecht (Artikel überarbeitet). Vorerst jedoch nur bei Neubauten mit mehr als drei Wohnungen.

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Lacrosse - We Are Kids

[Videolink](http://vimeo.com/4032860), [Band-Webseite](http://www.lacrosse.nu/)

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