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Wort der Woche: Bostadsrätt

Zur Miete leben oder ein eigenes Haus oder eine Eigentumswohnung besitzen – das sind die die Wohnmöglichkeiten, die es in Deutschland gibt. Bei einer Eigentumswohnung besitzt^1^ man auch wirklich den Teil des Hauses, zusammen mit einem Teil des Grundstücks, auf dem es steht.

In Schweden kann man natürlich auch Hauseigentümer sein oder in Miete wohnen, es gibt aber auch eine Mischform zwischen Miete und Eigentum, das sogenannte Bostadsrätt, zu Deusch Wohnrecht. Große Wohnhäuser in Städten gehören in der Regel Gesellschaften (Bostadsrättsföreningar) und um in einer solchen Wohnung zu leben, muss man das Wohnrecht kaufen. Die Preise variieren stark je nach Lage und Beschaffenheit der Wohnung, liegen aber auf dem Niveau von Eigentumswohnungen und somit ohne weiteres in Millionenhöhe^2^.

Das Bostadsrätt kauft man (über Makler) vom Vorbesitzer, es ist also Handelsware und unterliegt den Schwankungen des Wohnungsmarktes. Wenn man ein Wohnrecht gekauft hat, hat man genau das, nämlich das Recht, dort unbegrenzt zu Wohnen. Man zahlt aber trotzdem noch Miete an die Gesellschaft, der die Immobilie gehört. Davon werden ein Teil der Nebenkosten (in der Regel Wasser, Müll, Heizung) und der Unterhalt des Hauses abgedeckt, also z.B. auch der Hausmeister. Diese “Mieten” sind geringer als in einer gleichwertigen Mietwohnung, liegen aber über den laufenden Kosten einer ähnlichen Eigentumswohnung in Deutschland.

Bisher sind “richtige Eigentumswohnungen” wie in Deutschland üblich hierzulande nicht erlaubt. Viele haben keine andere Wahl als ein Wohnrecht zu kaufen, weil ein sehr viele Stadtwohungen Bostadsrätter sind und man auf Mietwohnungen oft lange in der Warteschlange stehen muss.

Der Vorteil des Wohnrecht gegenüber Eigentumswohnugen ist, dass man sich nicht selbst um Reparaturen und dergleichen kümmern muss und auch sonst liegt die Verantwortung für alles, was nicht nur die eigene Wohnung betrifft bei der Genossenschaft. Dort hat man auf der Jahresversammlung Stimm- und Motionsrecht und kann so Einfluss nehmen. Andererseits muss man Entscheidungen des (aus den Eignern gewählten) Vorstandes auch akzeptieren und so kann es passieren, dass man auch größere Reparaturen über sich ergehen lassen muss.

In der Regel nimmt man für den Kauf eines Wohnrechts natürlich einen Kredit auf und solange die die Preise kontinuierlich steigen, macht man beim Verkauf nach einigen Jahren einen Gewinn. Wenn man es durchrechnet, kann es durchaus sein, dass die Zinsen plus Abgabe an die Genossenschaft in der Summe geringer sind als eine vergleichbare Mietwohnung, so dass sich der Kauf auch lohnt, wenn man (bis zum Wiederverkauf) gar nichts vom Kredit zurückzahlt.

Es ist finde ich ein wichtiger Vorteil für den Markt, dass durch dieses System der einzelne Wohnungseigentümer an weniger denken muss. Das Kaufen und Verkaufen wird einfacher, was den Markt belebt. Natürlich geht es in der Summe um sehr viel Geld und Maklerbüros gibt es zuhauf.

Die wohl größte Einschränkung bei Wohnrechten ist, dass man nicht weitervermieten darf. Man muss sein Wohnrecht selbst nutzen. In Ausnahmefällen, zum Beispiel wenn man vorübergehend ins Ausland geht, kann man beim Genossenschaftsvorstand die Erlaubnis zum Untervermieten einholen.

-Ich wohne zur Miete in einer Siedlung mit Studentenwohnungen und finde Bostadsrätter immer noch etwas seltsam.-

Ich habe obigen Text gerade (090501) leicht überarbeitet, weil ich mittlerweile selbst ein solches Wohnrecht besitze.

[1] Es gibt ja einen Unterschied zwischen besitzen und Eigentümer sein, aber ich verwende in diesem Artikel ersteres in der Bedeutung des letzeren, aus Gründen der Einfachheit und weil es zu Eigentum kein gutes Verb gibt.

[2] Eine Krone sind etwa 11 Euro-Cent.

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Als Raucher in Schweden

Da der Verkauf von Zigaretten an Minderjährige schon lange verboten ist, gibt es konsequenterweise keine Zigarettenautomaten in Schweden. Seit ziemlich genau einem Jahr ist in Schweden per Gesetz das Rauchen in allen Kneipen und Restaurants verboten. Kaum einer hat sich darüber aufgeregt und viele, mich eingeschlossen, haben sich damit abgefunden und finden es gut, dass man nach einem Abend im Pub nicht nach Rauch stinkt.

Als Raucher finde ich es aber natürlich schon unpraktisch und mochte die alte Regelung vieler Pubs besser, bei der es Raucher- und Nichtraucherbereiche gab. Nur wenige Stellen haben ein kleines Raucherzimmer, das besonders belüftet sein muss und in das man sein Getränk nicht mitnehmen darf.

Solange es warm genug ist, gibt es natürlich einen Ausweg: im Freien sitzen. Durch die strengen Alkoholgesetze ist auch das sehr reglementiert und es darf nur in abgegrenzten Bereichen serviert werden, aber immerhin. Ich habe nicht nachgezählt, aber ich glaube, dass eine ganze Reihe Cafés und Bars auf die Straße expandiert haben, seit es das Rauchverbot gibt. :-)

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Wort der Woche: Snus

Snus ist eine Art Kautabak, es wird aber nicht gekaut sondern sich unter die Oberlippe gesteckt. Das Nikotin geht dann über die Mundschleimhäute ins Blut und man sagt, dass der Effekt sehr stark sein kann. Damit das Nikotin schneller eindringen kann, sind dem Tabak Salze beigemischt und angeblich früher auch kleine Glassplitter. Snus gibt es in kleinen runden Dosen, die entweder kleine Päckchen enthalten, oder den losen feuchten Tabak, den man selbst portioniert.

Wenn man aufmerksam ist, erkennt man viele Menschen in Schweden, v.a. Männer, an einer ausgebeulten Oberlippe oder der runden Dose in der Gesäßtasche als Snusbenutzer. Snus ist nach dem europäischen Tabakgesetz eigentlich verboten, aber in Schweden eben noch so wichtig, dass es sich eine Sonderregelung erkämpft hat.

Die Frage nach der Gesundheitsgefährdung ist nicht einfach zu beantworten. Anders als beim Rauchen wird die Lunge ja nicht gefährdet, aber Snus steht im Verdacht Mund- und Halskrebs hervorzurufen und schädigt zumindest das Zahnfleisch. Neuere Meldungen (S) gehen aber eher dahin, dass das Krebsrisiko überschätzt wurde.

Wer mehr wissen möchte, lese den erstaunlich guten deutschen Wikipedia-Artikel Snus. Meine persönliche Meinung zu Snus: eklig.

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Breitband-Internet in Schweden

Hier wird nicht gekleckert sondern geklotzt, wenn man von einem Breitbandanschluss spricht: 100 Mbit/s für Downloads und 10 Mbit/s für Uploads bekommt man für umgerechnet 35 Euro. Das gilt zwar nur für Wohnungen, die mit einer Netzwerkdose ausgestattet sind, aber das sind sehr viele. Wer nur mit DSL über die Telefonleitung ins Internet kann, ist aber mit 24 bzw. 1 Mbit/s Down- bzw. Uploadgeschwindigkeit immer noch besser versorgt als jeder Deutsche, der es (für mehr Geld) bis auf 6 bzw. ein halbes Mbit/s bringen kann.

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Endlich Frühling

Übers Wetter zu schreiben mag banal erscheinen, aber wenn man 8 Monate lang mit Jacke unterwegs war und plötzlich ein Tag mit Sonne und 20 Grad (plus!) kommt, dann ist das ein Ereignis. Die Menschen strömen nach draußen und die Stadt lebt auf. Die Bäume schicken endlich ihre Blätter nach draußen, um nichts vom kurzen Sommer zu verpassen und es ist alles völlig anders als noch vor einer Woche. :-)

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Explosives entsorgen

Heute flatterte eine Broschüre ins Haus, die einem erklärt, was man mit Sondermüll im Haushalt tun sollte, also z.B. mit Batterien, Farb- oder Kleberresten. Auf der letzten Seite fasst eine Tabelle die Entsorgungsmöglichkeiten verschiedener Dinge zusammen und eine Zeile fiel mir darin besonders ins Auge. Zwischen Elektrogeräten und Fernissa (Lacke) standen nämlich explosive Materialien. Und die nimmt auch nicht der Recyclinghof an, sondern man möge doch bitte mit der Polizei Kontakt aufnehmen.

Wer hätt’s gedacht.

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Elterngeld den Schweden abgeguckt

Jetzt hat sich also die deutsche Regierung dazu durchgerungen, das Elterngeld einzuführen. Es geht um 67% Lohnfortzahlung für 12 Monate und zwei Monate extra, wenn der Mann auch mitmacht. Dass sich Konservative damit schwer tun, ist leicht vorstellbar.

Als Vorbild für diese Regelung gilt Schweden, wo es 80% des Lohns für 16 Monate gibt und auch zwei Monate wegfallen, wenn nur einer der Partner freinimmt. Ja, das funktioniert prima hier und einige meiner männlichen Kollegen und Professoren verabschieden sich ab und zu in den Pappaurlaub. Das ist hier so normal, dass ich erst jetzt durch die Diskussion in Deutschland daran erinnert wurde, dass ja da nicht so war.

Der DLF hat ein sehr informatives Interview dazu, das die etwas andere Stimmung hier sehr schön beleuchtet.

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Wort der Woche: Lagom

“Lagom” ist eines der wichtigsten schwedischen Wörter überhaupt und gleichzeitig eines der schwedischsten. Es bedeutet in etwa “angemessen” oder “genau richtig (viel)” und kommt meist im Zusammenhang mit Mengenangaben vor. Schweden sind oft maßvoll, wenn man ihnen etwas anbietet und wollen weder zu viel noch zu wenig – eben lagom viel.

“Lagom” als Antwort auf eine Frage zu bekommen, ist für den Frager natürlich nicht einfach und kann sehr frustrierend sein. Schließlich ist es letztenendes eine inhaltslose Anwort, denn wenn der Frager wüsste, was der Gefragte für angemessen hält, bräuchte er nicht zu fragen.

Das Wort ist eine alte Dativ-Form (heute gibt es keine Kasus mehr im Schwedischen) von “Lag”, das sowohl “Gesetz” als auch “Mannschaft” oder “Gemeinschaft” bedeutet. Eine ursprünglichere Überzetzung wäre demnach “für die Gemeinschaft”, also soviel, dass es für alle reicht und damit gut für die Gemeinschaft ist. Eine volkstümliche nicht ganz korrekte Erklärung der Herkunft von “lagom” behauptet, es käme aus der Zeit, wo alle im Saal aus dem selben Krug tranken und aus dem selben Topf aßen, so dass es angemessen war, soviel zu nehmen, dass es für eine Runde reicht. Es wird also die Dativendung ”-om” mit der Präposition “om” (zu deutsch “herum”) verwechselt, aber es läuft natürlich auf die gleiche Bedeutung hinaus, in der es ja auch heute noch verwendet wird.

Wenn man will, kann hinter “lagom” auch einen sozialistischen Grundgedanken vermuten, es spiegelt nämlich eine gewisse Einstellung wider, dass “lagom”, also das Mittelmaß, das nicht aus der Norm ausbricht, als durchweg positiv empfunden wird. Es ist natürlich grob pauschalisiert, aber ich habe beobachtet, dass Schweden generell weniger darauf aus sind, sich von der Masse abzuheben, als beispielsweise Deutsche. “Lagom” ist die sprachliche Personifikation der Lebensphilosophie, damit glücklich zu sein, dass man nicht besser ist oder mehr hat als der Nachbar.

Hierin ergibt sich auch der Zusammenhang mit dem Jantelagen, über das ich in zwei Wochen an dieser Stelle schreiben werde. Nächste Woche ist nämlich Valborg. Das “Wort der Woche” auf Fiket.de erscheint übrigens jeden Sonntag kurz nach 10 Uhr.

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Schweden-Klischees und FAQ

In Deutschland und auch anderswo gibt es bestimmte Dinge, die man mit Schweden assoziiert und man bekommt auch oft die gleichen Fragen gestellt, wenn man erzählt, dass man in Schweden lebt. Um einige Klischees also gleich aufgegriffen und damit erledigt zu haben, solange dieses Blog noch jung ist, kommt hier meine persönliche Schweden-FAQ.

Schon einem Elch begegnet? Ja, im Zoo. Und auf dem Teller.

Ist es kalt im Winter? Ja.

Und dunkel? Ja, aber hier in Uppsala hat man auch Ende Dezember noch einige Stunden Tageslicht.

Gibt es da Nordlichter? Jein. Um gute Chancen auf Nordlichter zu haben, muss man weiter nördlich fahren. Ich hatte aber auch schon einmal das Glück hier auf dem 60. Breitengrad.

Sind alle Schwedinnen blond? Nein! Ich bin nicht einmal davon überzeugt, dass der Anteil blonder Menschen in der Bevölkerung höher ist als in Deutschland.

Die Schwedinnen sind alle so toll! Hmmm. Ja, mindestens eine.

Was ist Surströmming und wie schmeckt das? Surströmming sind -vergammelte- vergorene kleine Heringe, die sehr übel riechen, wenn man die Dose aufmacht. Schmecken nicht sonderlich gut. Salzig. Es ist vor allem eine ziemliche Fummelei, den winzigen Fischen etwas Essbares abzuringen.

Wie groß ist Schweden eigentlich? Etwa 20% größer als Deutschland, das aber zehn Mal so dicht besiedelt ist. Uppsala ist mit lächerlichen 180.000 Einwohnern die viertgrößte Stadt des Landes.

Sind die Schweden so zugeknöpft wie man sagt? Im Allgemeinen schon etwas mehr als Deutsche, aber die individuellen Unterschiede sind groß, weswegen es kein Problem sein dürfte, einen Schweden zu finden, der lockerer ist als ein zufällig ausgewählter Deutscher.

Gibt es Fettnäpfchen, in die man als Deutscher gerne tritt? Mehr als man denkt, man ist aber meist zu höflich, darauf hinzuweisen. Ein paar Beispiele:

  • Schuhe beim Betreten einer fremden Wohnung nicht ausziehen.
  • Einen Kuchen ohne Aufforderung anschneiden oder mehr als sein eigenes Stück schneiden.
  • “Smaklig Måltid” (“Guten Appetit”) sagen, wenn man nichts zum Essen beigetragen hat.
  • Eine Ansicht hart verteidigen. Über die schwedische Diskussionskultur zu schreiben steht auf meiner Liste, kommt also bald.

    **Wie war das mit dem Alkohol in Schweden?** Der Staat hat ein Monopol auf den Verkauf aller Getränkte mit mehr als 3.5% Alkohol. Deswegen bekommt man im Supermarkt nur Bier mit 3.5% und alles andere, also “richtiges Bier”, Wein oder Spirituosen muss man im *Systembolaget*, den staatlichen Alkoholläden, kaufen. Abgesehen davon ist die Alkoholsteuer sehr hoch, was Leute in Südschweden nach Dänemark oder Deutschland zum Einkaufen fahren lässt und auch dafür sorgt, dass das Schwarzbrennen hierzulande nie ganz ausgestorben ist. **Trinken Schweden viel?** Rein statistisch nein! Der Konsum pro Kopf und pro Jahr liegt unter dem in Deutschland. Ich habe aber gleich zwei Erklärungen für dieses Gerücht: Erstens ist Alkohol für Schweden im Ausland (also z.B. in Deutschland) *immer* billig. Das wird dann auch gerne ausgenutzt und kann dazu führen, dass dieses Zerrbild der immertrinkenden Schweden entsteht. Desweiteren ist die Trinkkultur eine andere und zwar insofern, dass man im Alltag eher nichts trinkt, also keine täglichen Biere oder Wein zum Essen. Wenn man aber ausgeht, kann es ordentlich zur Sache gehen und dies sind natürlich die prägenden Ereignisse, die man als Außenstehender im Gedächtnis behält. Aber auch diese Aussage ist globalisiert und nur noch halb wahr, denn die Schweden werden “kontinentaler”, womit ich meine, dass das regelmäßige Glas Wein zum Essen üblicher geworden ist. *Nachtrag*: Die Gegenseite wird im Artikel [*Schweden über Deutsche*](http://www.fiket.de/2006/05/30/schweden-ueber-deutsche/) betrachtet.
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Wort der Woche: Hockeyfrilla

Mit “Hockeyfrilla” wird hier in Schweden die typische Frisur der 80er-Jahre bezeichnet, bei der nur die Nackenhaare lang sind und der Rest kurz. Das Wort setzt sich aus “Hockey”, der Sportart, die hier populärer ist als Fußball, und “Frilla” zusammen. Letzteres ist hier nicht die altertümliche Bezeichnung für “Geliebte”, die man im Wörterbuch findet [1], sondern ein umgangssprachlicher Ausdruck für “Frisur”. “Hockeyfrilla ” bedeutet also Hockeyfrisur und das kommt angeblich (S) daher, dass sich langhaarige tschechische Hockeyspieler aus praktischen Gründen die Haare so schnitten.

Meine eigene Theorie ist aber eine andere: “Hockeyfrilla” klingt einfach zu sehr nach dem schönen deutschen Wort für diese Frisur, an der man gelegentlich auch heute noch Deutsche erkennt: Vo-ku-hi-la, die Kurzform für Vorne-kurz-hinten-lang. Es reicht, die Anfangskonsonanten der Silben (also V und H) auszutauschen, wie es beim spielerischen Umgang mit Sprache oft vorkommt, und schon ist man fast bei der “Hockeyfrilla”.

[1] Dort fand ich auch das alte Wort Kebsweib, das ich nicht kannte, aber in Texten aus dem 16. Jahrhundert auftaucht:
bq. der, so kein eheweib hat und … an einer ehefrauen stat ein kebsweib hat, der sol nicht vom sacrament abgetrieben werden, doch das er an einem weibe sich benügen lasse.

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