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Wort der Woche: Rikskuponger

Kupong ist zunächst einmal ein weiteres Beispiel dafür, wie in Schweden die Schreibweise von Lehnwörtern angepasst wird. Es kommt von “Coupon”. Was also ist ein “Reichs-Coupon”?

Es handelt sich dabei um ein Zahlungsmittel, das zahlreiche Arbeitgeber ihren Mitarbeitern als Zuwendung aushändigen. Der Witz ist, dass man damit nur Essen kaufen kann und zum Beispiel keinen Alkohol. Rikskuponger sind also zweckgebundenes Geld. Die Heftchen mit Zetteln unterschiedlichen Werts werden meines Wissens fast überall akzeptiert, wo man ein dagens lunch (“Tagesgericht”) bekommt.

Die Idee kommt aus Frankreich und ist seit den Siebzigern in Schweden populär. Der Staat hat diese Art der Subvention gefördert, weil es gut für die “Volksgesundheit” (folkhälsa) ist, wenn Leute ordentlich zu Mittag essen.

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Wort der Woche: Vidimeras

Beglaubigte Kopien von seinen Dokumenten zu bekommen, ist ein zeitraubendes, manchmal sogar teures, aber oft notwendiges Übel – zumindest in Deutschland. Hierzulande handhabt man das etwas lockerer. Man kann seine Zeugniskopien und ähnliches nämlich von jedermann beglaubigen lassen. Dazu schreibt der Beglaubigende auf die Kopie “Vidimeras”, was soviel bedeutet wie “wird bestätigt”, unterschreibt und fügt zusätzlich seinen Namen in lesbarer Form und Telefonnummer hinzu.

Vielleicht gehe ich zu weit, wenn ich das als Symptom dafür auslege, dass man in Schweden etwas mehr auf Vertrauensbasis miteinander umgeht als anderswo. Ich finde, das ist der Fall.

Ob der Beglaubigende im Betrugsfall mit belangt werden kann, weiß ich nicht, kann es mir aber gut vorstellen.

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Das fängt ja gut an.

Man könnte glauben es sei Januar. Seit ein paar Tagen hat es in Uppsala konstant Minusgrade und wenn die Vorhersage stimmt, wird das auch noch eine Weile so bleiben. Auf den Radwegen hat sich schon die typische unebene Eisschicht aus gefrorenem Schmelzwasser, Regen und Schnee gebildet, die das Radfahren zu einem Abenteuer macht. Wie jedes Jahr spiele ich mit dem Gedanken, mir Reifen mit Spikes zu holen, werde es traditionsgemäß wohl aber wieder bleiben lassen. Dies ist mein siebenter Winter in Schweden, wenn ich mich nicht verzählt habe. Im milden Winter letztes Jahr gab es nur wenige Tage mit völlig vereisten Radwegen und die waren im Januar. Wir haben November. Die meisten dürften sich mittlerweile mental auf die unpraktische Jahreszeit eingestellt haben. Alles dauert länger. Das bloße vor die Tür gehen, weil man mehr anziehen muss. Das Laufen, weil es glatt ist. Das Fahrradfahren. Mit Bussen und Zügen gibt es auch regelmäßig Probleme. An Winterreifen mit Spikes scheiden sich übrigens die Geister in Schweden. Also nicht bei Fahrrädern sondern Autos. Studien zeigen, dass Reifen ohne “dubbar” beim Großteil der Straßenzustände genauso gut sind und dass die Abnutzung der Metallnoppen erheblich zur Feinstaubbelastung und zum Lärm in Städten beiträgt. Nichtsdestotrotz hört man seit ein paar Wochen wieder das charakteristische Knistern auf den Straßen. Ebenfalls zurückgekehrt sind die ersten Weihnachtsbeleuchtungen und was sonst noch so dazu gehört. Erfreulicherweise fängt man in Schweden nicht schon im Oktober an, sondern erst kurz vor Dezember. Heute morgen hätte es mich beinahe hingelegt, weil ich einen langsameren Radfahrer überholen wollte und deswegen die schmale ausgefahrene Spur im Eis verlassen hatte. Ein, zwei, manchmal auch drei Stürze pro Winter gehören dazu, wenn man sich von ein wenig Eis nicht vom Radfahren abhalten lässt.

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Patrik 1,5

Vorgestern Abend haben wir Patrik 1,5 gesehen, ein aktueller schwedischer Film von Ella Lemhagen mit Gustaf Skarsgård und Torkel Petersson in den Hauptrollen. Die beiden spielen das schwule Pärchen Göran und Sven, die vom Sozialamt grünes Licht für eine Adoption bekommen haben und gerade in eine vorstadtidyllische Straße mit Einfamilienhäusern gezogen sind.

Als das Sozialamt ihnen dann endlich den anderthalbjährigen “Patrik” anbietet, ist die Freude groß – bis sich herausstellt, dass das Komma verrutscht war und Patrik (Tom Ljungman) ein Fünfzehnjähriger mit krimineller Vorgeschichte ist. Es folgen allerlei Verwicklungen, aber natürlich geht der Film gut aus.

Besonders bemerkenswert fand ich die Darstellung des homosexuellen Paares und der Welt um sie herum. Frei von Schwulenklischees sind Göran und Sven einfach zwei liebende Menschen mit den gleichen Alltagsproblemen, die alle Paare erleben. Es ist ihre Umwelt, die bizarr herüberkommt. Von kleinen Gängeleien bis zu offener Feindseligkeit – ohne unglaubwürdig zu wirken sind es die Nachbarn, die seltsam sind, nicht das schwule Pärchen.

Abgesehen von der vielleicht zu schnellen Wandlung von Patrik zum “guten Jungen” haben wir den Film durchweg genossen und es gibt viel zu lachen. Patrik 1,5 ist bei weitem kein Genrefilm für Schwule, sondern sei jedem, der Schwedisch kann, ans Herz gelegt. Dem Credo Charmantester Film des Herbstes kann ich mich nur anschließen.

Die erfolgreicheren schwedischen Filme schaffen es ja manchmal auch in deutsche Kinos und da Patrik 1,5 hier wohl sehr gut läuft, kann man das auch für diesen Film hoffen.

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Wort der Woche: Drulleförsäkring

Jemanden, der gegen Türpfosten läuft, Dinge fallen lässt, Kaffee über seine Tastatur schüttet oder der auf andere Arten tollpatschig ist, nennt man in Schweden klant, klåpare oder auch drulle.

Man kann sich hierzulande gegen seine eigene Tollpatschigkeit versichern und zwar mit einem Zusatz zur Hausratsversicherung, die dann auch abdeckt, wenn man sein Laptop ins Klo fallen lässt. Dieser Zusatz nennt sich passender- und niedlicherweise drulleförsäkring.

(Bevor jemand fragt: Nein, ich habe keine.)

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Zu viel Personnummer

Heute morgen war ich mal wieder Blut spenden. Es war eine Neue hinter dem Anmeldetresen und sie stutzte als ich mich mit deutschem Führerschein und der schwedischen Aufenthaltsgenehmigung, auf der die allmächtige Personnummer steht, ausweisen wollte. Ihr älterer Kollege erklärte ihr, das sei schon in Ordnung.

Dann suchte sie meine deutsche Personnummer auf dem Führerschein bis ich ihr erklärte, dass es so etwas da nicht gibt, dass das geschichtliche Gründe hat (Nazis, Melderegister, Juden, Missbrauch) und dass das auch seine Vorteile hat. Beide fanden auch gleich, dass es hierzulande manchmal schon zu viel ist mit dieser Nummer, konnten sich aber gleichzeitig überhaupt nicht vorstellen, wie eine Verwaltung ohne funktionieren kann.

Ich ließ sie mit dieser Frage alleine und begab mich in die Hände der nächsten Krankenschwester, um angestochen zu werden.

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Herbststimmung

Ich bin mir nicht sicher, ob ich es übertrieben finde, oder ob ich zustimme. Sobald es, wie jetzt gerade, im August ein paar Tage lang kühl und regnerisch ist, hört man von allen Seiten leicht melancholische Äußerungen über das Ende des Sommers.

Ganz falsch ist es nicht, der Herbst liegt in der Luft, es riecht danach. Sandalenwetter ist nicht mehr, auch wenn die Sonne scheint. Kräftskivor, die Gruppen mit neuen (Austausch-)Studenten in der Stadt, der wieder erstarkte Flogsta-Schrei, der halb ausverkaufte Supermarkt (die meisten Schweden sind gerade aus dem Urlaub zurück), die Dohlen über der Stadt: alles hösttecken – Boten des Herbstes.

Ich hatte auf jeden Fall einen guten Sommer und hoffe ihr auch.

Für mich hat heute die Uni wieder angefangen. Ich besuche den Intensivkurs Pedagogik för universitetslärare, auf dass ich meine Studenten in Zukunft besser -quäle- unterrichte. Bei der Vorstellungsrunde wurde wieder einmal sehr deutlich, wie viele junge Akademiker in Schweden Kinder haben: geschätzte 70% der teilnehmenden Doktoranden beiderlei Geschlechts. Wenn jemand Zahlen aus Deutschland kennt, bitte melden, aber ich würde den Anteil auf unter 20% schätzen.

Wie oft ich wegen des Kurses bis Anfang September dazu komme, hier zu schreiben, wird sich zeigen…

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Sommerwetter

Ein Julitag, der mit strahlend blauem Himmel anfängt.

Auch nach 6 Jahren in Schweden und obwohl ich es besser weiß, ist meine instinktive Erwartungshaltung immer noch, dass es dann automatisch heiß wird. Natürlich ist das in den meisten Fällen falsch. Anstatt brütender Hitze, Schwüle am Nachmittag und einem Abendgewitter kommt es hier nur knapp über die 20 Grad und aufziehende Wolken lassen es richtig kühl werden. Abends lange draußen sitzen geht nur selten.

Meistens finde ich das in Ordnung, denn selbst wenn ich Hitze vertragen kann, vermisse ich sie in der Regel nicht und mag die temperierten (lagom) schwedischen Sommer. So ein fetziges Sommergewitter kann einem aber auch fehlen.

Andererseits fällt hier immer gleich der Strom aus, wenn es blitzt – sogar in noblen und prestigeträchtigen Forschungszentren. Erst neulich wieder.

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Halbe Wörter

Schwedische Abkürzungen hatten wir ja schon. Zusätzlich kommt es häufig vor, dass man ein Wort einfach auf einen Teil desselben verkürzt. So wie das “Automobil” in Deutschland zum “Auto” wurde, setzte sich hierzulande die letzte Silbe durch: man fährt bil.

In einigen Fällen, wie beim bil, hat die Kurzform die lange vollständig ersetzt. In anderen ist die Verkürzung nur im gesprochenen Schwedisch zu Hause. Ein paar Beispiele, einige weniger lustig als andere:

  • Biograf wird zu bio, zu Deutsch “Kino”.
  • Rea liest man oft in Schaufenstern und bedeutet “Ausverkauf”. Es ist die Kurzform von realisation.
  • Man sagt pers (sprich: “persch”) anstatt personer.
  • Die repetition (“Wiederholung”, aber auch “Probe”) wird zur rep. Mit genrep meint man kein “Gen-Seil” (rep bedeutet auch Seil), sondern eine “Generalprobe”.
  • Fotografera ist den Schweden zu lang, man fotar lieber. Das ist nicht mit “füßeln” zu übersetzen, auch wenn fot das schwedische Wort für “Fuß” ist.
  • Ex ist als Kurzform von exemplar sehr gebräuchlich. Seine(n) Ex-Partner(in) kann man ebenso mitt ex nennen.
  • Mens ist die übliche Abkürzung der Menstruation.
  • Der Kühlschrank, kylskåpet, wird im Allgemeinen kylen genannt. Analog dazu frysen, die “Gefreiertruhe”. Frysskåp sagt man kaum noch.
  • El bedeutet “Strom”, natürlich von elektricitet.
  • Zuletzt das Wort, das den Anstoß für diese Liste gegeben hat: *livs*, wörtlich “Lebens”. Da fehlt natürlich die zweite Hälfte eines zusammengesetzten Wortes. Diese ist aber weder ”-versicherung” noch ”-gefahr”, sondern ”-mittel”. *Livs* steht für *livsmedel* und man liest das oft auf Schildern über kleineren Lebensmittelgeschäften.

    Andere Beispiele wie immer gern in die Kommentare. Ich bin mir sicher, dass es noch mehr gute gibt, die mir nur gerade nicht einfallen.
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Das liebe Finanzamt

Unter einer Überschrift wie dieser findet man in der Regel Geschichten mit Behörden, die kein gutes Licht auf die Bürokratie werfen. Doch dieser kleine Text handelt vom Gegenteil.

Als ich nämlich letzte Woche die Durchwahl eines beliebigen Sachbearbeiters der Abteilung, zu der mein Anliegen gehörte, anwählte und um ein Treffen bat, hatte dieser sofort Zeit. Nur weil gerade kein Besprechungszimmer frei war, haben wir es auf den nächsten Morgen verschoben. Zu diesem Zeitpunkt traf ich einen Mann, etwas jünger als ich^1^, aber durchaus kompetent. Wir redeten über eine Stunde und ich bekam Antwort auf fast alle meine Fragen. Das einzige, wo er sich unsicher war, besprach er noch am selben Tag mit einem älteren Kollegen und rief mich am nächsten Morgen zurück.

So sollten solche Dinge immer laufen. Die schwedische Bürokratie ist zwar mindestens ebenso berüchtigt wie die deutsche, aber ich finde sie meist ziemlich effizient.

^1^Ich ordnete es als unverkennbares Zeichen meines fortschreitenden Alters ein, plötzlich jüngere Leute als mich um Rat zu fragen.

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