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Autofahren unter 18

Dass man in Deutschland mittlerweile seinen Führerschein ab 17 machen und dann in Begleitung von Älteren fahren darf, war mir völlig entgangen. Es scheint ja zu funktionieren.

In Schweden darf man schon als 16-Jähriger mit einem Älteren auf die Straße, und zwar bevor man den Führerschein macht. Dazu müssen jedoch einige Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Der “Lehrer”, oft ein Elternteil, muss über 24 Jahre alt sein, seinen Führerschein länger als fünf Jahre haben und darf ihn in den letzten drei Jahren nicht verloren haben.
  • Beide müssen zusammen einen kurzen Einführungskurs an einer Fahrschule machen.
  • Der Schüler muss eine Erlaubnis haben, den Führerschein machen. Dazu gehört auch der Sehtest.
  • Beim Übungsfahren muss man hinten auf dem Auto ein grünes Schild mit dem Hinweis “*Övningskör*” anbringen. Mehr dazu [hier](http://korkortonline.se/handledare/). Dieses System wird meines Wissens eifrig genutzt, hilft es doch vor allem, die Anzahl der “richtigen” Fahrstunden und damit die Kosten zu verringern.
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Schweden drittwohlhabendstes Land

Es ist wieder einmal Zeit für eine Statistik: Schweden kam auf den dritten Platz in einer Studie, die Länder nach Wohlstand sortiert. Sinnvollerweise wird Wohlstand nicht nur materiell gemessen, sondern es flossen auch Faktoren wie Zufriedenheit, Wahlfreiheiten und Freizeit ein.

Auf Platz eins liegt – wie in den meisten Statistiken – Norwegen. Dann folgen die USA, Schweden und Österreich. Deutschland kommt auf Platz acht.

(via)

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Private Politiker-Emails

Das schwedische Öffentlichkeitsprinzip hat praktische Auswirkungen auf die Kommunikation vieler Menschen. Selbst wenn es sehr unwahrscheinlich ist, dass nachher jemand in mein Büro kommt und danach fragt, bin ich zum Beispiel angehalten, alle Emails von Studenten, die wir unterrichten, zu speichern. Sie sind “öffentliche Vorgänge”, offentliga handlingar, und müssen dementsprechend jedem unverzüglich vorgelegt werden, der danach fragt.

Gleichzeitig ist es falsch, wenn behauptet wird, dass alle alle Emails an die Adresse von Abgeordneten öffentlich werden, und diese deshalb auch private Email-Adressen bräuchten. Private Emails an die Arbeitsadresse sind in der Regel in Ordnung und werden nur öffentlich, wenn sie an die Amts- und nicht die Privatperson gerichtet sind. Nicht der Kommunikationsweg, sondern der Gegenstand sind ausschlaggebend. Trotzdem kann es natürlich sinnvoll sein, die offiziellen Emails mit Hilfe von Assistenten zu bewältigen und eine wenig bekannte Adresse für private Angelegenheiten zu haben.

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Blauerer Himmel

Ab und zu hört man den Satz: “In Schweden ist der Himmel einfach blauer.”

Man ist irgendwie geneigt, dem zuzustimmen, auch wenn man weiß, dass der subjektive Eindruck oft weit neben der Wahrheit liegt. Mir fallen zwei mögliche Erklärungen ein:

  • Im Mai, wenn in Deutschland das Thermometer an einem sonnigen Tag das erste Mal die 20 Grad überschreitet, ist der Himmel auch viel blauer als im Hochsommer. Höhere Temperaturen bringen Schwüle und Diesigkeit mit sich, weil mehr Wasser verdunstet. In Schweden wird es nur selten so heiß und drückend, so dass hier auch im Sommer trotz starkem Sonnenschein die Luft recht kühl und damit der Himmel blauer ist.

  • Dass die Tage im schwedischen Sommer viel länger sind, ändert nichts daran, dass die Sonne tiefer am Himmel steht (siehe auch hier). Wenn man sich jetzt noch in Erinnerung ruft, warum der Himmel überhaupt blau ist – blaues Licht wird in stärkerem Winkel von der Atmosphäre gestreut als rotes – dann merkt man, dass ein größerer Teil des Himmels, vor allem beim Blick senkrecht nach oben, einfach “weiter weg” von der Sonne ist und damit eben blauer.

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Sommar

Es wird Zeit, zu erwähnen, dass die Zeit der hellen Nächte in Schweden angebrochen ist. Wenn man nicht gerade in Schonen lebt, ist der Unterschied merklich. Die Sonne geht hier auf dem 60. Breitengrad zwar noch ein paar Stunden unter, aber dunkel wird es nicht mehr. Wenn dann noch – wie jetzt – nach einer Woche mit kaltem und regnerischem Wetter die Sonne vom wolkenfreien Himmel scheint und sommerliche 22 Grad bringt, dann weiß man, worauf man die letzten acht Monate gewartet hat.

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Topfpflanzen

Toll, dass sich Leute mit “Topfpflanzen als soziales Phänomen” beschäftigen:

“Die Menschen bilden ihr Leben in ihren Topfpflanzen ab und das Leben spiegelt sich in den Topfpflanzen wider.”

Mehr dazu (auf deutsch) bei Radio Schweden. Und während ihr das lest, geh’ ich mal unsere hundert Pflanzen wässern.

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Unschwedisch

Wir stehen zu zweit auf der Brücke. Mit Kinokarten in der Tasche unterhalten wir uns bis die Vorstellung anfängt und genießen die letzten Sonnenstrahlen. Eine Frau mittleren Alters stellt sich ein paar Meter weiter und sieht glücklich aus. Sie sieht zu glücklich aus und schaut etwas zu sehr in unsere Richtung, als dass man nicht misstrauisch würde, sie wolle etwas. Schon fängt sie an zu reden. Welch wunderbarer Anblick das sei. All die Blumen in der Stadt. Und der japanische Kaiser. Und der Vortrag von Watson gestern, der habe sie ja so froh gemacht, wie dieser alte und hochdekorierte Mensch auf der Bühne gekichert hat und eine solche kindliche Neugier an den Tag legte. Das gebe ihr Hoffnung fürs Altwerden. Der Planetenforscher sei ja auch sehr gut gewesen. Aber anders, mehr effektiv. Er habe Wissen vermittelt und sie habe diese Wissensvermittelung wahrlich genossen. Aber der Kardinal später, der sei ja Deutscher gewesen und auch wenn er auf Englisch geredet habe, sei er ja so super-duper-deutsch gewesen. Ewig lang habe er geredet. Sie macht ein gequältes Gesicht. Ich schaue mitleidig, erwähne jedoch nicht, dass ich auch in diesen Vorträgen saß, sondern gebe ihr ein scherzhaft abfälliges “Katholiken!” als Antwort. Ach nein! Sie sei ja selbst katholisch, aber dieser Kardinal, ne, den mochte sie nicht.

Es ist Zeit, auf unseren Kinobesuch hinzuweisen, uns zu verabschieden und ein wenig über diese Begebenheit zu lächeln. Denn erst wenn jemand die ungeschriebenen Normen bricht, fallen sie einem auf. Es ist in Schweden ungewöhnlich, auf der Straße angesprochen zu werden, erst recht von Schweden.

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Lehrreiches Geld

Jeder, der schon einmal in Schweden war, weiß wie Carl von Linné aussah – vielleicht ohne zu wissen, dass er es weiß. Der gebräuchlichste schwedische Geldschein im Wert von 100 Kronen (z.Zt. knapp 11 Euro) ist nämlich dem Botaniker gewidmet und dort ist allerlei Interessantes zu sehen.

Vorderseite des
100-Kronen-Scheines

Auf der Vorderseite:
1. Abbildung eines Stichs des wohl bekanntesten Portraits von Linné. 1775 von Alexander Roslin gemalt und hier in Farbe zu besehen.
2. In sehr kleinen Buchstaben ist der Text “OMNIA MIRARI ETIAM TRITISSIMA” zu lesen, eines von Linnés Mottos. Zu Deutsch etwa: “Wundere dich über alles, auch das Alltäglichste”.
3. Eine Skizze des Linné-Gartens in Uppsala.
4. Abbildung von bestäubenden Pflanzen aus Linnés Frühwerk Præludia Sponsaliarum Plantarum von 1729.

Rückseite des
100-Kronen-Scheines

Auf der Rückseite:
7. Zeichnung einer Biene, die eine Blume bestäubt, nach einem Bild des bekannten (Wissenschafts-) Fotografen Lennart Nilsson. Da Linné die Rolle der Biene bei der Befruchtung nie erkannte, steht das Bild für die Weiterentwicklung seiner Arbeit. Der Hintergrund (8) zeigt stilisiert Pollen und Bestäubung. Rechts im Bild (9) sieht man eine Rekonstruktion, wie eine Biene die Blume durch ihre Facettenaugen sieht.

(Quelle für Bild und Information: Sveriges Riksbank. Tack för tillstånd att återpublicera bilderna.)

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Snobismus gegen Bescheidenheitsgetue

In ihrer Mai-Ausgabe hatte die Titanic einen Text von Max Goldt mit dem Titel “Sodbrennen und Snobismus”. Den gibt es leider nicht online, deshalb hier ein Zitat:

Der Snobismus hat ein ungerechtfertigt schlechtes Image, die meisten wissen eh nicht recht, was der Begriff bedeutet, und verwenden ihn synonym für Arroganz, Hochtrabendheit und dem respektlosen Hinabschauen auf sogenannte einfache Leute. Solche Erscheinungen sind aber allenfalls unschöne Nebeneffekte. Der Kern des Snobismus ist nicht das Hinabschauen, sondern der Blick nach oben. Als sein Gegenteil könnte man einen Ausdruck anführen, den Lars Brandt, der Sohn des ehemaligen Bundeskanzlers, einmal in Bezug auf Herbert Wehner und dessen Frau gebrauchte: skandinavisches Bescheidenheitsgetue.

Skandinavisches Bescheidenheitsgetue? Es dämmert, was gemeint ist. Ein paar Zeilen weiter wird es klarer:

Der Snob orientiert sich an der nächsthöheren gesellschaftlichen Schicht, und er hat dabei die gleichen Möglichkeiten wie ein mittelmäßiger Musiker, der einem Guten nacheifert. Entweder er verbessert sich tatsächlich, oder er wird prätentiös und macht sich lächerlich. Gefahrvoll ist das Leben. Aber immerhin: Er hat es gewagt, ein Besserer werden zu wollen! Was in den Augen von selbstgerechten Kleinbürgern – die sich gern als “ganz normale Menschen” bezeichnen [...] – freilich bereits eine ungeheuerliche Anmaßung darstellt.

Dazu passend wieder einmal: das Gesetz von Jante, dessen negative Auslegung sich mit dem oben beschriebenen deckt. Diesen Charakterzug gibt es zwar sicherlich sowohl in Deutschland wie in Schweden, aber ich wage zu behaupten, dass man hierzulande Menschen, die in irgendeiner Weise aus der Norm herausragen, skeptischer betrachtet. Zumindest schickt es sich nicht, zu zeigen, dass man mehr kann, mehr hat oder mehr weiß. Man tritt bescheiden auf und verkneift es sich beispielsweise, darauf hinzuweisen, dass man etwas schon wusste, das einem ein anderer gerade erklärt.

Man kann das als angenehm empfinden oder als Hindernis für direkte Kommunikation. Man kann es als echte Bescheidenheit auslegen oder als skandinavisches Bescheidenheitsgetue.

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Blutknappheit; zu strenge Regeln?

In vielen Krankenhäusern in Schweden herrscht Blutknappheit. In Stockholm und auch an der Uniklinik hier in Uppsala, wo man schon kurz davor war, Operationen zu verschieben.

Ich war gerade auf dem Nachhauseweg spenden. Die blodcentralen in Uppsala hat vernünftige Öffnungszeiten und das Ganze geht schnell und professionell vonstatten. Es gibt Essen und Trinken und man kann sich ein kleines Dankeschön aussuchen. Kein Vergleich zwar zu dem Hunni, den es damals in Heidelberg immer gab, als ich zu Forschungszwecken spendete, aber das gute Gewissen zählt wohl auch.

Vielleicht ist es jedoch kein Wunder, dass zu wenige Blut spenden, denn die schwedischen Regeln erlauben nur zwei Arten von Spendern: Lügner und Langweiler. Ganz abgesehen davon, dass das Spenderblut natürlich auf einschlägige Krankheiten getestet wird, muss man jedesmal Fragen zu seinem Privatleben beantworten. Ist man weit gereist, gilt eine Karenzzeit von 3 Monaten bis unendlich – je nach Land und Aufenthaltsdauer. Wer einen neuen Sexualpartner hat oder sich hat piercen oder tätowieren lassen, muss auch warten.

Wer einmal Narkotika, Hormone oder ähnliches injiziert hat, darf nicht spenden, egal wie lange es her ist. Wer je Sex für Geld hatte auch nicht. Und Männer, die Sex mit einem anderen Mann hatten, ebenso wenig. Es gab letzten Herbst zwar eine Diskussion darüber, ob homosexuelle Männer als Blutspender zugelassen werden sollen, aber es blieb beim Verbot.

Nach neuen Regeln, die sich seltsamerweise noch nicht auf geblod.nu finden, dürfen auch Personen, die jemals Sex mit einer Person aus den drei eben genannten Gruppen hatten, kein Blut mehr spenden. Das schließt Freier aus, aber Prostitution ist in Schweden ja eh verboten.

Es schließt aber zum Beispiel auch alle Frauen aus, die je einen Partner hatten, der homoerotische Erfahrungen während seiner Pubertät hatte. Die kleine Anstecknadel in Form eines Bluttropfen weist einen also nicht nur als Blutspender aus, sondern auch als jemanden, der sich unter anderem an die althergebrachte Sexualmoral hält. Oder eben als Lügner.

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