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Zweimal Vorratsdatenspeicherung

In Deutschland steht die Vorratsdatenspeicherung kurz vor dem Beschluss im Bundestag. Zur Erinnerung: Es geht darum, dass sämtliche Telekommunikationsdaten (nicht die Inhalte) ein halbes Jahr auf Vorrat gespeichert werden sollen. Das betrifft unter anderem Telefongespräche (wer mit wem), Emails und das Surfverhalten aller im Internet.

Es regt sich Protest in letzter Sekunde, eine Verfassungsklage ist schon in Arbeit und dank der Arbeit des AK Vorrat gingen gestern wieder viele auf die Straße, um den Überwachungsstaat zu verhindern. Ein ehrliches Danke an alle Aktiven, die sich dafür einsetzen, dass mein Heimatland während meiner Abwesenheit nicht verhunzt wird.

Auf der gleichen EU-Direktive von 2006 beruht auch der Report der Voruntersuchung für das entsprechende Gesetz in Schweden, der heute bekannt wurde. Radio Schweden schreibt dazu:

Schwedische Telefonkunden [müssen] damit rechnen, dass ihre elektronischen Daten sogar ein ganzes Jahr gelagert werden. [...] Die Polizei [soll] Zugang zu den Daten haben. Weiter sieht der Vorschlag vor, dass die Informationen bei Bedarf an amerikanische Behörden weitergegeben werden dürfen.

Schauerlicherweise ist damit zu rechnen, dass sich in Schweden keine der Parlamentsparteien dagegen stellt, alle Bürger unter Generalverdacht zu stellen, bloß weil es angeblich und unbewiesenermaßen der Terrorismus- und Verbrechensbekämpfung dient. Es war nämlich nicht zuletzt die alte sozialdemokratische Regierung und ihr Justizminister Thomas Bodström, auf deren Mist die umstrittene EU-Direktive gewachsen ist. Und die jetzige bürgerliche Regierung hat sich bisher nicht damit profiliert, die Privatsphäre der Schweden zu schützen.

Bleibt nur noch die Piratenpartei.

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Neue Pässe mit Fingerabdruck

Ab ersten November werden auf deutschen Pässen zusätzlich zum Bild Fingerabdrücke auf dem Funk-Chip gespeichert. Die Botschaft in Stockholm empfiehlt (im Audio-Interview) noch vor dem 15. Oktober einen neuen Pass nach der bisherigen Regelung zu beantragen, wenn der alte Pass im nächsten Jahr ausläuft. Das Fingerabdrucklesegerät wird nämlich wahrscheinlich verspätet ankommen.

Ich habe mir 2004 noch schnell einen Pass ganz ohne RFID-Chip machen lassen, muss mir also erst 2014 Gedanken um meine Privatsphäre und den um sich funkenden Pass machen. Dann muss man sicher eine DNA- oder Blutprobe abgeben oder man ist verpflichtet, den Funkpass immer bei sich zu haben, damit der Staat auch jederzeit weiß, wo man ist.

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Der Oberpirat spricht...

[![Video thumbnail. Click to play](http://blip.tv/file/get/OSCON-OSCON2007RickFalkvinge272.flv.jpg "Click to play")](http://blip.tv/file/get/OSCON-OSCON2007RickFalkvinge272.flv)

... und ich finde, er hat recht. Rick Falkvinge (Blog) ist Gründer und Chef der schwedischen Piratenpartei.

(Videolink,via)

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Was Schuhabdrücke verraten

Ist es paranoid, dass ich gleich neuen Überwachungsunsinn vermute, wenn ich von einer Datenbank mit Schuhabdrücken lese, die das Staatliche Kriminaltechnische Institut (SKL) Schwedens anlegen will?

In diesem Fall geht es jedoch nicht darum, ein weiteres Merkmal der Bevölkerung zu erfassen und zu speichern, sondern darum, eine Referenzdatenbank aufzubauen. Diese erlaubt es dann, einen konkreten, mit einem Verbrechen verknüpften Schuhabdruck besser zu analysieren, indem man ihn mit der Datenbank vergleicht. Die Abdrücke verraten viel über eine Person. Neben Gewicht und Größe können auch Körperhaltung und Dinge wie Lahmheit festgestellt werden.

Zum Erstellen der Datenbank wird man in Linköping Männern Schuhabdrücke abnehmen, ihre Sohlen fotografieren und sie nach Alter, Schuhgröße und -marke fragen und wie lange sie die Schuhe schon tragen. Dass nur Männer erfasst werden, hat zwei Gründe: Sie begehen mehr Verbrechen und wechseln seltener die Schuhe als Frauen.

Das Ganze ist anonym und selbstverständlich freiwillig. Ich halte es deshalb für ein gutes Beispiel, Fortschritte in der Verfolgung von Straftätern zu machen, ohne personenbezogene Daten zu erheben, wie es beispielsweise mit einer Gendatenbank in Großbritannien getan wird.

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"Personnummer" in Deutschland kommt

Deutsche bekommen eine Nummer:

Das Bundeszentralamt für Steuern [vergibt] von Juli an jedem Deutschen vom Baby bis zum Opa eine eindeutige Identifikationsnummer. Die bislang dezentral geführten Datenbestände der rund 82 Millionen in Deutschland gemeldeten Personen aus rund 5300 Meldestellen werden gleichzeitig erstmals zentral bei der dem Bundesfinanzministerium angegliederten Behörde zusammengeführt. Ersetzt werden sollen damit die noch von Land zu Land unterschiedlich angelegten, bisherigen Steuernummern. [...]
Datenschützer sehen die Personenkennziffer, die dem Betroffenen anders als die Personalausweisnummer noch über sein Ableben hinaus 20 Jahre lang angehaftet sowie mit umfangreicheren Datenbeständen verknüpft werden soll, kritisch. Sie fürchten einen Einstieg in die Totalerfassung der Bevölkerung. Private Kommunikationspartner der Finanzbehörden wie Arbeitgeber oder Auftraggeber der Steuerpflichtigen etwa könnten nach Ansicht der Bürgerrechtler die ID zur eindeutigen Zuordnung von Daten zu Steuervorgängen verwenden. Der Gesetzgeber habe sich keine Gedanken darüber gemacht, wie die Nutzung dieser Informationen im Wirtschaftsleben aufgehalten werden soll.

In Schweden ist die Personnummer und das zentrale Steuer- und Melderegister aus dem Alltagsleben nicht wegzudenken. Trotz der in den beiden Texten genannten Vorteile, sträubt sich in mir etwas gegen die Einführung in Deutschland. Datenschutz ist eines der wenigen Dinge, um die es in Deutschland besser steht als in Schweden. Ich sehe das als hohes Gut, das es wert ist zu verteidigen, aber trotz zahlreicher kritischer Stimmen scheint der Zeitgeist in die entgegengesetzte Richtung zu gehen.

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Piraten auf der Straße

Die schwedische Piratenpartei, die sich für eine radikale Reform des Patent- und Urheberrechts und für den Schutz der Privatsphäre einsetzt, organisiert wieder wieder einmal Demonstrationen. In Stockholm und in Lund geht man heute zum Anlass der Razzia gegen die Pirate Bay vor einem Jahr auf die Straße.

Das Motto ist Respekt vor dem Büger – Hört auf, uns zu bespitzeln und die Kritik richtet sich sowohl allgemein gegen mehr Überwachung als auch konkret gegen die damals wie heute schlecht begründete Beschlagnahme der Server, inklusive unbeteiligter Hardware von anderen Firmen und Vereinen, die nie zurückgegeben wurde. Die Razzia hat bis heute nicht zu einer Anklage geführt.

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Düsseldorf - Växjo

Ab Oktober fliegt Ryanair viermal die Woche von Düsseldorf nach Växjö. Ich musste nachschauen, wo das ist. Växjö also, nicht Düsseldorf. Es liegt weit unten in Småland und wird wie “Wäck-(s)chö” ausgeprochen.

Nach der Ortsbestimmung kam unweigerlich die Frage: Und wer will da bitteschön hinfliegen, so weitab vom Schuss? Die Wikipedia weiß wie so oft mehr:

Beliebt ist die Gegend rund um Växjö bei vielen deutschen Urlaubern aufgrund der Nähe zu den Fähren über die südliche Ostsee und der vielfältigen Angebote. Neben ausgedehnten Bootsexkursionen bieten sich Fahrradtouren und Wanderungen, Besichtigungen von Glasfabriken und Schlössern an.

Vielleicht wäre trotzdem Stuttgart passender gewesen als Düsseldorf?

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Wird Urheberrechtskritik bald illegal?

Jetzt da die ersten etablierten Parteien eine Einschränkung des Urheberrechts für eine echte Alternative zu immer weitergehenden Verschärfungen und Sanktionen gegen Internetnutzer halten, scheinen die Rechteinhaber ihre Felle davonschwimmen zu sehen.

Zumindest liegt eine neue, von der entsprechenden Lobbygruppe angestoßene, EU-Direktive (IPRED2) auf dem Tisch, die die “Beihilfe, Anstiftung und Anregung” zu Urheberrechtsverstößen mit Gefängnisstrafen bis zu vier Jahren bestrafen will. Ferner sollen die Rechteverwerter Zugang zu den Daten der Internetprovider erhalten, die auch gleichzeitig gezwungen werden, die Kommunikation ihrer Kunden nach Urheberrechtsverstößen zu durchforsten. Und das normalerweise zu Recht nur Staaten gegebene Recht auf Untersuchung und Verfolgung solcher Fälle soll auch gleich noch den Urheberrechtsorganisationen übertragen werden.

Daran gibt es sehr viel auszusetzen:

  • Technische Neuerungen werden unterbunden. Das MP3-Format hätte kaum entwickelt werden können, wäre damals eine solche Regelung in Kraft gewesen. Von Techniken zum einfachen Dateientausch über das Internet (P2P), die zahlreiche legale Anwendungen haben, ganz zu schweigen.
  • Das weitere Aushebeln des Rechts zur privaten Kommunikation nur zur Festigung eines überholten Monopols steht in keinem Verhältnis zum Schaden und ist schlicht und einfach abzulehnen.
  • Dass eine private Urheberrechtspolizei geschaffen wird, ist ein weitreichender Bruch des Rechtsstaats und der Gleichbehandlung. Einer Organisation, die offensichtlich einseitige Interessen vertritt, dürfen keine polizeilichen Maßnahmen überlassen werden.
  • Die Kritik am bestehenden Urheberrecht wird kriminalisiert. Politische Strömungen wie die schwedische Piratenpartei, die sich für eine Reform des Urheberrechts einsetzen und den privaten Dateienaustausch erlauben wollen, würden plötzlich illegal. Damit würde auch jegliche zukünftige Diskussion über das Thema effektiv unterbunden. (freie Übersetzung und Zusammenfassung der entsprechenden [Pressemitteilung](http://www.piratpartiet.se/nyheter/pressmeddelande_eu_hotar_forbjuda_piratpartiet) der Piratenpartei, mehr dazu auch [bei netzpolitik.org](http://netzpolitik.org/index.php?s=IPRED2))
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Klage gegen das Öffentlichkeitsprinzip

Radio Schweden schreibt

Schwedens Öffentlichkeitsprinzip hat zu einer Klage gegen den schwedischen Staat geführt. Das schreibt die Tageszeitung „Dagens Nyheter". Bei dem Kläger handelt es sich um einen Anwalt, der den Schutz von Personendaten durch das Öffentlichkeitsprinzip gefährdet sieht. Er beruft sich dabei auf eine entsprechende EU-Richtlinie. [...]

Das Wechselspiel zwischen Öffentlichkeitsprinzip und Datenschutz war schon öfter angeschnitten hier und ich finde das Thema weiterhin äußerst spannend und wichtig. Das Öffentlichkeitsprinzip ist zentral für das schwedische Staatsverständnis und dieser Prozess wird sicher einiges an Aufsehen erregen.

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Kurz notiert

Ein kleiner, wie immer subjektiv ausgewählter, Überblick über die schwedischen Nachrichten der letzten Tage:

  • Fredrik Robelius hat gestern seine Doktorarbeit hier in Uppsala verteidigt. Sein Thema: Peak Oil, also die Frage bis zu welchem Zeitpunkt die weltweite Ölproduktion mit dem steigenden Bedarf mitwachsen kann und wann das Maximum erreicht wird, ab dem die Produktion zwangsläufig wieder abnimmt. Robelius’ Ergebnis, dass dieses Maximum schon nächstes Jahr erreicht wird, schaffte es in die schwedischen Medien. Ich hatte vorgestern die Gelegenheit, dem Vortrag seines Opponenten zum gleichen Thema zuzuhören. Wichtig bei der Diskussion ist, sich bewusst zu sein, dass das Öl nicht zu Ende geht, sondern “lediglich” die Produktion nicht mehr gesteigert werden kann. Auch wenn also erst in etwa die Hälfte des weltweiten Öls gefördert wurde, können die Auswirkungen verheerend sein, wenn die Produktion mit dem weiter wachsenden Bedarf nicht mehr mithalten kann.
  • Nur England^1^ geht noch fahrlässiger mit der Privatsphäre seiner Bürger um als Schweden. Dass gerade Deutschland Schweden in dieser Hinsicht einiges voraus hat (oder eben glücklicherweise dem Trend zur Überwachung hinterherhinkt), ist bekannt, aber auch in Schweden scheinen die Datenschützer wieder mehr Gehör zu finden. Eine Untersuchungskommission des Parlaments hat ihren Bericht vorgelegt und äußert harte Kritik an den Gesetzesvorlagen und Reformen der letzten Jahre. Der Schutz der persönliche Integrität der Bürger spiele in vielen Fällen eine untergeordnete Rolle. Weiter bei Radio Schweden.
  • Forschungspolitik. Entgegen vollmundiger Ankündigungen einer Erhöhung der Forschungsgelder, stellt sich jetzt heraus, dass stattdessen weniger Geld (S) zur Verfügung steht. Angesichts eines Haushaltsüberschusses und massiver Steuersenkungen ist das schwer verständlich. Zusätzlich sollen die Regeln zur Geheimhaltung von Forschungsergebnissen gelockert werden, damit Firmen, die sich an Forschungsprojekten beteiligen, vorrangige Verwertungsrechte eingeräumt werden können. Wissen unter Verschluss zu halten, gerade wenn es aus Steuergeldern finanziert wurde, ist aber grundsätzlich problematisch. Man sieht an beiden Punkten, dass die nicht-angewandte Grundlagenforschung, die vom Staat finanziert werden muss, bei der bürgerlichen Regierung keine sehr hohe Stellung einnimmt.
  • Bei der Hochtechnologie ist Schweden jedoch weiterhin ganz vorne. In einer neuen Rangliste zu Vernetzung, Informations- und Kommunikationstechnologien sind mehrere Länder am letztjährigen Spitzenreiter USA vorbeigezogen. Dänemark und Schweden findet man jetzt auf den ersten beiden Plätzen. Deutschland liegt auf Platz 16. Mehr bei Heise.
  • Im schwedischen Handel wird zu Ostern [doch nicht gestreikt](http://www.sr.se/Ekot/artikel.asp?artikel=1284166) (S). Obwohl es zunächst hieß, der Dachverband der Arbeitgeber [wehre sich gegen](http://www.fiket.de/2007/03/28/streik-an-ostern/) den ausgehandelten Vertrag, wurde er jetzt doch unverändert unterschrieben und bringt den Angestellten in den kommenden drei Jahren durchschnittlich 12,6% mehr Lohn. ^1^Wer mehr über die Situation in Großbritannien wissen will, lese [das entsprechende Dossier der ZEIT](http://www.zeit.de/2007/03/Big-Brother?page=all).
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