Wer in Schweden zu höherem Alkoholkonsum auffordert, wird vom Staat zurückgepfiffen. Wie unschwedisch, so etwas zu versuchen.
Wer in Schweden zu höherem Alkoholkonsum auffordert, wird vom Staat zurückgepfiffen. Wie unschwedisch, so etwas zu versuchen.
Um halb sechs aufwachen. Hören wie die Polin, die bei uns übernachtet hat, zu ihrer langen Zugfahrt nach Finnland aufbricht. Kurz darauf aufstehen, duschen, frühstücken, Zeitung lesen. An den Rechner, Emails und die achtzig Meldungen im RSS-Leser überfliegen. Die Liste durchgehen, was ich noch alles vor der Reise machen will. Fertig packen. Ins Institut radeln. Der Kaffee ist natürlich wieder gerade leer, wenn ich komme. Ungewöhnlich, so früh am morgen. Neue Kanne aufsetzen. Arbeiten. Konferenz planen, Homepage updaten. In unserem Astronomieblog den Beitrag des Kollegen lesen, dass Dagens Nyheter wieder einmal eine völlig unsinnige Meldung über Mars gebracht hat. Schlechtes Gewissen beiseite schieben, dass ich zu diesem Blog zu selten beitrage. Internet ist kaputt. Rauchen gehen. Internet geht wieder. Den griechischen Kollegen in Spanien anrufen. Zwei Emaillisten aufsetzen und Mailserver konfigurieren. Es ist schon nach Elf Uhr. Der Kollege aus USA kommt gleich zum verabredeten Treffen. Mehr Kaffee. Schnell noch die Email zu Ende schreiben. Sehr entspanntes Treffen mit Diskussion über Galaxien und wann sie wie viele Sterne bilden. Mittagessen. Erbsensuppe und Pfannkuchen, schließlich ist Donnerstag. Noch eine Stunde was arbeiten, bevor ich zum Zug muss. Fahrad zum Bahnhof, durch das übliche Chaos am Parkplatz kämpfen. Zug nach Stockholm. Bus nach Skavsta. Sich ärgern, dass man zu wenig Geld hat, von Arlanda zu fliegen. Podcasts hören. Warum stellt der Moderator der Chefin des schwedischen Fernsehens Fragen, die sie gerade beantwortet hat? Der alte Fragesteller des Lördagsinterviews war besser. Auch bohrend, aber intelligenter. Direkt neben der Autobahn drei Rehe, einen Elch und einen Bussard sehen. Nein, natürlich nicht direkt beieinander. Vielleicht war es auch ein anderer Greifvogel. Am Flughafen ankommen. Nach der Sicherheitskontrolle ein Geschenk für den Anlass der Reise suchen. Snaps darf ich nicht kaufen, weil ich nur innerhalb der EU reise. Aha. Wer sich die tausend Regeln an Flughäfen ausgedacht hat, hatte sicher viel Spaß. Dann eben überteuertes Hjortronsylt. Bei einem Bier gezwungenermaßen einem Fußballspiel zusehen. Das Land, in das ich reise, spielt. Deutschland. Das Schild in der Raucherkabine sagt, ich breche schwedisches Gesetz, weil ich mein Bier mitgenommen habe. Aha. Aufruf zum an Bord gehen, über eine halbe Stunde vor Abflug. Ich trinke in Ruhe aus. Schlange stehen ist nicht gut und ich will sowieso am Flur sitzen. Als letzter durch das Tor aufs Flugfeld. Schlangen an beiden Flugzeugeingängen. Mist. Was haben die alle die letzten zwanzig Minuten gemacht? Platz einnehmen. Die Musik lauter machen, um die Lautsprecheransagen zu übertönen. Meine langen Haare nutzen, um zu verhindern, dass mir das Personal genau das verbietet. Nein, MP3-Spieler senden keine gefährlichen Wellen aus. Den Tag Revue passieren lassen. Soll ich das bloggen? Laptop auspacken und diesen Text tippen. Vornehmen, ihn noch heute Nacht nach Ankunft zu Ende zu schreiben und zu veröffentlichen. Jetzt erst einmal ein paar Abschitte der Sendung mit der Maus sehen, die ich auf der Festplatte gefunden habe. Landung kurz nach neun. Warum ist es so dunkel? Ach ja. Mietwagen nehmen. Keine Schlange am, dafür sehr nettes Mädchen hinter dem Tresen. Scherzen, ob ich den ganzen Weg vom Auto zurücklaufen müsste, wenn es zum Beispiel nicht vollgetankt ist. Ja. Zum Auto laufen. Es ist nicht vollgetankt und hat eine Schramme. Zurücklaufen, beides im Vertag festhalten lassen. Nicht mehr so nettes Mädchen hinter dem Tresen. Auf die Autobahn. Anstatt des bestellten und bezahlten Smart fahre ich einen Renn-Fiat. Ach, die deutsche Autobahn. Diese Raserei ist so unzivilisiert im Vergleich zur schwedischen Fahrweise. Das erste Mal seit Jahren wieder über Zweihundert fahren. Nur ganz kurz. Den Weg über die A61, 60, 67 und 3 noch ohne Probleme finden, obwohl die Beschilderung lügt. Die letzten Kilometer. Straßen, die ich knapp zehntausend Mal gefahren bin. Ankommen, in meinem alten Zimmer einquartieren. Das Bloggen auf den nächsten Tag verschieben. Schlafen.
Dass Frauen in Deutschland fast ein Viertel weniger verdienen als Männer, ist für Fiket-Leser zwar nicht neu, aber es ist natürlich gut, dass dieses Thema wieder einmal in die Massenmedien kommt. Hier in Schweden sind die Löhne fast gleich für beide Geschlechter – es geht also, wenn der politische Wille da ist.
Berlin ist als Reiseziel sehr beliebt bei Schweden. Die schwedische Zeitung SvD hat ein kleines Quiz (zehn Fragen) über die Stadt auf seiner Webseite, das ich natürlich gleich beantwortet habe. Neun von zehn richtig finde ich in Ordnung, vor allem weil ich gar nicht wissen will, woher der Trainer irgendeines Fußballvereins kommt.
In Schweden hat man ein eigenes Ordnersystem, das sich nicht nur in der Anzahl und im Abstand der Löcher vom deutschen unterscheidet. Als Einwanderer halte ich das für ein permanentes Ärgerniss – von Anfang an und auf lange Zeit. Den als wohlsortierter Mensch hat man natürlich ein paar Ordner mit seinem Papierkram und einen Locher aus der alten Heimat dabei. Und dann ist man versucht, die sich ansammelnden neuen Papiere in eben diese einzuheften, also neu zu lochen.
Irgendwann kann man es aber nicht mehr vermeiden, auch schwedische Ordner anzuschaffen und das gleiche Spiel wiederholt sich in die andere Richtung. Ich habe noch heute nach sechs Jahren in Schweden beide Typen von Ordnern und jeweils zwei Locher zu Hause und im Büro. Falls dies zufällig jemand liest, der am Anfang seiner Zeit in Schweden ist, kann ich nur raten, gleich von Beginn an schwedische Ordner für schwedischen Papierkram zu verwenden.
Was ist nun der Unterschied der beiden Ordnersysteme? Es folgt eine kleine Beschreibung; die Nummern in Klammern beziehen sich auf das Bild nebenan.
Welches System ist besser? Ich finde das schwedische. Zum einen weil es mit vier Löchern länger dauert bis Blätter ausreißen, zum anderen weil sich im (halb) geschlossenen Ordner viel einfacher blättern lässt. Bis man ihn aufmacht, verhält sich der Ordner mehr wie ein Buch. Der Mechanismus ist simpler als in Deutschland wo Teile recht genau aufeinander passen müssen und ein kleines Röllchen etwas herunterdrückt und wo man sogar noch eine Arretierung braucht, damit die Blätter auf der einen Seite bleiben. Einfach, schnell und robust sind gute Eigenschaften eines Ordners, finde ich.
Ach ja: en pärm, pl. pärmar ist das schwedische Wort für “Ordner”. Im auf Computer übertragenen Sinn hat sich allerdings die “Mappe”, schw. mapp, durchgesetzt, aber das nur als Nachtrag hierzu.
Über die Idee einer Kulturflatrate habe ich vor bald zwei Jahren schon einmal geschrieben. Es geht darum, gegen eine pauschale Gebühr frei und legal Musik und Filme aus dem Netz herunterladen zu können.
Ein neuer Vorschlag des schwedischen Phonoverbandes STIM, der im Herbst getestet werden soll, wurde gestern auch in Deutschland eifrig
diskutiert. Auf den ersten Blick finde ich dieses Vorhaben nicht sonderlich weltbewegend, aber weil ich gerade nicht dazu komme, mich mit dem Thema weiter zu beschäftigen, mögen Interessierte einfach die verlinkten Artikel lesen.
Es gibt zwischen Ländern offenbar riesige Unterschiede darin, welche Rolle Titel und Berufsbezeichnungen im Umgang der Menschen untereinander spielen.
Während ich in Deutschland meine Physikprofs mit “Herr” und dem Nachnamen anredete, ist in anderen Fächern das “Herr Professor” wohl noch üblicher. Das Buchungsformular von bahn.de hat zusätzlich zur Anrede noch ein eigenes Feld wo man “Dr.”, “Prof.” oder “Prof. Dr.” auswählen kann. Gleichzeitig werden Leute aber auch (wie ich finde zu Recht) schief angesehen, wenn sie bei jeder Gelegenheit mit ihrem “Dr.” unterschreiben. Ich habe nie gehört, dass sich jemand in einem Gespräch mit “Doktor Sowieso” vorgestellt hat.
Hier in Schweden findet man das Pochen auf Titel entweder peinlich, putzig oder einfach nur befremdlich und es kommt so gut wie nie vor. Die normale Umgangsform, dass man sich duzt und mit dem Vornamen anredet, wird konsequent durchgezogen – einzige Ausnahme ist wohl der König. Das bedeutet natürlich nicht, dass es in Schweden keine Leute gibt, die sich insgeheim für etwas besseres halten, aber man legt Wert darauf, das im täglich Umgang nicht zu zeigen. Das hat auch mit dem Jantelagen zu tun und persönlich finde ich, dass dieses Ignorieren von Titeln für ein angenehmeres Miteinander sorgt. Warum jemand, der auf einem speziellen Gebiet etwas geleistet hat, in jeglichem Zusammenhang als etwas Besseres dargestellt werden sollte, verstehen Schweden nicht.
Das genaue Gegenteil scheint Österreich zu sein. Ich kann nicht aus eigener Erfahrung sprechen, aber ein Gast aus Wien, der gerade bei uns übernachtet (warum?), meinte es sei völlig üblich, Leute mit “Herr Magister”, “Herr Diplomingenieur” oder den fein abgestuften Beamtentiteln anzureden. Doktoren und Professoren natürlich sowieso. Ich scheine lange genug in Schweden gelebt zu haben, dass ich das sehr seltsam finde.
Wenn es um Computer und Technik geht, wimmelt es im Deutschen von englischen Lehnwörtern. Oft macht man sich einfach nicht die Mühe, Begriffe zu übersetzen. Dazu kommt, dass deutsche Wörter in diesem Zusammenhang gern als altbacken wahrgenommen werden. Das mag man gut oder schlecht finden.
In der schwedischen Computersprache gibt es zwar auch zahlreiche Leihwörter, aber auch einige nette Übersetzungen von Begriffen. Es folgen ein paar Beispiele; in Klammern jeweils die wörtliche Rückübersetzung ins Deutsche:
Schweden ist ein Musterland in vielen Bereichen und wird deswegen auch vom Ausland oft gelobt. Natürlich herrscht hier kein perfektes Paradies, aber es ist eben besser als in den meisten anderen Ländern. Neulich führte Schweden erst wieder eine internationale Studie als bestes Land für Mütter an.
Als vorbildlich wird auch immer wieder die großzügige Einwanderungs- und Asylpolitik dargestellt, die hier ja auch schon des öfteren erwähnt wurde. Doch gerade bei diesem Thema gibt es berechtigte Kritik am schwedischen Vorgehen. Die Definition eines “bewaffneten Konflikts”, in den nicht abgeschoben werden darf, ist nämlich so eng, dass sie den Irak und Afghanistan nicht einschließt. Wenn der Asylbewerber also keine direkte Bedrohung für seine Person nachweisen kann, wird abgeschoben.
Auch bei Ländern wie Eritrea und den Iran, in die die Mehrheit der westlichen Länder keine Menschen ausweist, sieht Schweden weniger ein Problem. Zusätzlich besteht Schweden auf der EU-Regel, dass in dem EU-Land Asyl beantragt werden muss, das ein Suchender zuerst betritt. Das ist ein Problem im Fall von Griechenland, das “seine” Asylbewerber in Lager steckt und generell nicht so behandelt, wie man sich das von einem EU-Land wünschen würde. Deswegen wenden viele EU-Länder diese Regel des ersten betretenen nicht auf Griechenland an – Schweden schon.
Besonders hässlich finde ich einen aktuellen Gesetzesvorschlag, der die Gleichstellung bei der Gesundheitsversorgung für “papierlose” Menschen, die in Schweden leben und sich teilweise verstecken müssen, abschaffen will. Gegen diesen Vorschlag scheint sich aber viel Widerstand zu regen.
Wenn man sich die Einwander und nicht die Asylsuchenden anschaut, gilt, dass Schweden hier zur Zeit eine sehr offene Politik hat. Der Wirtschaft geht es gut und man braucht Arbeitskraft. Wer innerhalb einer Frist in Schweden Arbeit findet, darf bleiben. Ob das Menschen wirklich der Willkür der Arbeitgeber ausliefert und das Asylsystem unterminiert, wie einige befürchten, kann ich nicht beurteilen, aber ich hoffe, dass Schweden nicht die gleichen Fehler bei der Integration seiner Gastarbeiter macht wie Deutschland während des Wirtschaftswunders.
Dieses Jahr ist in Schweden ein schlechtes für Arbeitnehmer, zumindest was die freien Tage angeht. Nicht nur dass einige Feiertage auf Wochenenden liegen, der erste Mai war auch gleichzeitig Kristi Him. So kürzt man in Schweden gern den kirchlichen Feiertag ab, an dem Jesus (wieder einmal) weggeflogen sein soll.
Noch dazu war der letzte Freitag der einzige klämdag dieses Jahr. “Klemmtage” sind zu Deutsch die Brückentage zwischen Feiertag und Wochenende, die man gerne frei hat. Anstatt wie in Deutschland einen Urlaubstag zu verwenden, sind die klämdagar in Schweden meistens einfach so frei. Es steht also schlicht im Arbeitsvertrag, dass man diese Tage geschenkt bekommt. Das gleicht ein wenig aus, dass Schweden im Vergleich eher wenige Feiertage hat.
Ich habe wie gesagt dieses Jahr zusätzlich Valborg ausgelassen und stattdessen das lange Wochenende am Mittelmeer verbracht – genauer gesagt in Alicante, Spanien. Dort machte ich die erstaunliche Entdeckung, dass einem da mehr Schweden über den Weg laufen als Deutsche. Das ist ungewöhnlich, denn normalerweise sind es Deutsche, die man trifft, wo auch immer man hinfährt. Ich meine das nicht abfällig, im Gegenteil mag ich die Attitüde nicht, sich durch die bloße Anwesenheit anderer Landsleute gestört zu fühlen. Aber durch die größere Anzahl und starke Reiselust sind Deutsche nun einmal keine Seltenheit an Touristorten. In Alicante soll es jedoch sogar eine schwedische “Kolonie” geben, also ein ganzes Viertel, in dem die Wohnungen und Häuser überwiegend Schweden gehören.
Erholsame Tage mit gutem Essen waren die Reise wert. Gestern Abend nach Uppsala zurückzukommen, war aber auch erhebend, denn es ist Mai! Innerhalb weniger Tage hat sich alles verwandelt. Bäume blühen und tragen das erste frische Grün. Wiesen sind nicht mehr graubraun vom Winter und es riecht nach Frühling. Herrlich.
Hiermit ist auch die Blogpause auf Fiket vorbei und es geht im gewohnten Rhythmus weiter.