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Nach der Wahl ist vor der Wahl

Deutschland hat gewählt und schwedische Medien haben es ausführlich verfolgt. In den letzten beiden Wochen gab es zum Beispiel alleine in Dagens Nyheter fast täglich einen oder zwei kompetente Artikel vom Deutschlandkorrespondenten Jan Lewenhagen. Es scheint, als ob das Interesse sogar größer ist, als für die Nachbarn im Norden. Dass die Norweger kürzlich auch gewählt haben, war zwar auch zu lesen, aber weniger ausführlich.

Wie auch man auch aus anderen Ländern hört, ist der Tenor aus Schweden, dass es gut für Deutschland ist, keine große Koalition mehr zu haben, sondern eine “klarere Richtung”. Wollen wir hoffen, dass es nicht die falsche ist.

Das letzte Mal schwarz-gelb – 16 Jahre Helmut Kohl – ist mittlerweile fast so lange her wie es lang war. Ist man pessimistisch, erwartet man für die nächsten vier Jahre Steuergeschenke an “die Wirtschaft”, einen weiter wachsenden Graben zwischen Arm und Reich, “Entfesselung” der Heuschrecken, einen Außenminister, der sich mit mangelndem Englisch international blamiert, und weitere Angriffe aufs Grundgesetz von Schäuble und Co.

Andererseits bekommt die FDP die Gelegenheit zu zeigen, ob ihr ihr Profil als Bürgerrechtspartei noch am Herzen liegt. Und die Aufteilung von Regierung und Opposition in rechts und links sorgt wenigstens für klare Feindbilder.

Für die Piraten hat es wie erwartet nicht für 5% der Stimmen gereicht, aber 850.000 Stimmen (knapp 2%, Karte) sind mehr als ein Achtungserfolg und sollten zum Weitermachen anspornen.

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Zur Bundestagswahl

Wie gesagt habe ich schon gewählt und es ist an der Zeit, zu erzählen was und warum. Schließlich ist übermorgen Wahl!

Wie soll man sich entscheiden? Man kann zum Beispiel Tests wie den Wahl-O-Mat oder, besser, Wen wählen? machen, um die eigenen Ansichten mit denen der Parteien zu vergleichen. Mein Ergebnis passte zu dem, was in meinen Briefwahlumschlag liegt: In der wichtigeren Zweitstimme habe ich die Piratenpartei gewählt.

alttextAus mehreren Gründen. Zum einen habe ich hier im Ursprungsland der mittlerweile in vielen Ländern existierenden Piratenparteien den Aufstieg der schwedischen recht aufmerksam verfolgt und gesehen, wie erfolgreich sie ihre Themen in die öffentliche Diskussion gebracht und damit die anderen Parteien gezwungen haben, sich damit zu beschäftigen und ihre bisherige Haltung zu überdenken.

Die prinzipiell richtige Kritik an einer Partei mit sehr schmalem Programm wiegt deshalb weniger schwer. Man wird mit seiner Stimme für die Piraten ihnen keine eigene Mehrheit geben, sondern mit einem guten Ergebnis, auch wenn es unter der Fünf-Prozent-Hürde bleibt, dafür sorgen, dass die Forderungen der Piraten mehr Gewicht bekommen. Und verdient haben sie das allemal.

  • Der Abbau der Grundrechte, um für mehr falsche Sicherheit zu sorgen, bereitet mir seit Jahren echte Sorgen. Vorratsdatenspeicherung, Bundestrojaner, Videoüberwachung, biometrische Pässe, geheime Zensur durch das BKA und aktuelle Forderungen, immer weiter in diese Richtung zu gehen, brauchen endlich mehr Widerspruch.
  • Hinter die Forderung einer transparenten Regierung kann ich mich voll und ganz stellen. Jeder Schritt in Richtung des schwedischen Öffentlichkeitsprinzips ist zu begrüßen.
  • Open Access, also das mit öffentlichen Geldern finanzierte Forschungsergebnisse auch allen frei zugänglich sein sollen, anstatt dem Urheberrecht der wissenschaftlichen Verlage zu unterliegen, liegt mir als Teil der Forschungswelt auch sehr am Herzen.

  • Und dass das Urheberrecht wegen der neuen Kommunikationsmöglichkeiten über das Internet einer Reform bedarf, kann ich auch unterschreiben.

    Dazu kommt, dass sich die etablierten Parteien ziemlich ohne Ausnahme so kritikresistent erweisen, wenn es um Themen der Informationsgesellschaft geht, dass man nicht umhin kommt, eine gewisse Unehrlichkeit zu unterstellen. “Zensursula” der letzten Monate ist das beste Beispiel.

    Deshalb habe ich die Piraten gewählt und vielleicht tut es mir übermorgen der ein oder andere Leser ja gleich.

    Zum Abschluss, nach dem Klick, noch ein paar Links zu Texten und Videos zum Thema.

  • Die österreichische Sicht aufs seltsame Deutschland.

  • Andere persönliche Wahlbegründungen: eins, zwei, drei
  • Videos: Wahlwerbespot, Du bist Terrorist, Warum ich die Piraten wähle

  • Zu den Vorwürfen gegen die Piraten, rechts zu sein

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Das schwedische Herbstbudget

Jedes Frühjahr und jeden Herbst legen schwedische Regierungen feierlich ihr Budget fürs kommende halbe Jahr vor. Dazu trägt es der Finanzminister in einer Prozession^^ vom Finanzministerium zum Reichstag, dem es vorgelegt wird und in einer Parlamentsdebatte auseinander gepflückt wird.

Gestern war die Zeit des Herbstbudgets gekommen. Im Frühling hieß es noch, es gäbe wegen der Wirtschaftskrise so gut wie keinen Platz für Reformen. Ganz so schlimm ist es dann doch nicht gekommen und jetzt stehen einige Milliarden für Ausbildungs- und Arbeitsmarktmaßnahmen auf dem Programm. Die Kommunen bekommen auch einiges mehr Geld, um dort Entlassungen entgegenzuwirken.

Am meisten Widerstand regt sich gegen die geplanten Steuersenkungen. Für rund 15 Milliarden sollen Steuern für Arbeitnehmer, Rentner und Selbständige gesenkt werden. Das alles auf Pump: das Budget weist ein Defizit von knapp 80 Milliarden Kronen aus. Die Opposition hält die Senkungen für unverantwortlich und hätte das Geld lieber zur Krisenbekämpfung verwendet. Schließlich erwartet man für das nächste Jahr über 11 Prozent Arbeitslose.

Diese Grafik fasst die Zahlen zusammen.

Zur Verschuldung ist zu sagen, dass Schweden im Vergleich zu den meisten entwickelten Ländern sehr gut dasteht. Die Staatsverschuldung wächst zwar von 33 auf gut 40 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, aber das liegt nicht zuletzt daran, dass letzteres 2009 um 5 Prozent schrumpft. Zum Vergleich liegt die deutsche Staatsverschuldung bei über 60 Prozent und einen Haushaltsüberschuss in besseren Zeiten wie in Schweden sucht man dort vergeblich.

^★^ Dazu war heute ein sehr lustiges Foto in der Zeitung, das Finanzminister Anders Borg auf dem Weg zeigt – vor einem Tax Free-Schild

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Wort der Woche: Klockren

Klockren ist ein häufig verwendetes Wort, wenn man etwas gut findet und seinen Beifall ausdrücken möchte – etwa wie “Toll!”, “Astrein!” oder “Fantastisch!” im Deutschen.

Klockren ist gleich Klocka (“Uhr”) plus Ren (“Rentier”), wie die Seite www.klockren.nu sehr schön illustriert.

Oder auch nicht. Beide Worte haben nämlich jeweils noch eine weitere Bedeutung: Klocka ist auch die “Glocke” und ren bedeutet “sauber”, “rein”. Klockren ist also nichts weiter als Schwedisch für “glockenrein”. Während dies im Deutschen nur im Zusammenhang mit Gesang verwendet wird, hat es im Schwedischen die gleiche umgangssprachliche und weit übertrage Bedeutung bekommen, wie “astrein” im Deutschen.

Dass man daraus etwas über die Mentalität der beiden Völker ableiten kann (Klänge begeistern in Schweden, Holz in Deutschland?), glaube ich jedoch nicht.

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Die Schweinegrippe in Schweden

Die Schweinegrippe (schw. svininfluensan), oder “neue Grippe” (nya influensan) wie sie eigentlich heisst, hält sich permanenter in den schwedischen Medien als in den deutschsprachigen. Dazu beigetragen haben sowohl die beiden Todesfälle in den letzten Wochen als auch der Beschluss, die ganze Bevölkerung zu impfen.

Das Smittskyddsinstitutet (Institut für Seuchenschutz) sammelt auf seiner Homepage ausführliche Statistiken und klärt auf. Gut 500 Fälle sind bisher in Schweden bekannt, davon 200 im Raum Stockholm. Auf die Bevölkerung normalisiert ist das nur ein Viertel der Ausbreitung in Deutschland (18.000 Fälle). Von Großbritannien mit 120.000 Fällen und fast 50 Toten ist man beiderorts weit entfernt.

Nichtsdestotrotz bereitet man sich in Schweden auf eine mögliche “Krise” vor. Man rechnet mit einem starken Anstieg in den Herbstmonaten. Mag sein, dass es übertrieben ist, eine Infoseite Krisinformation zu nennen und Leute dazu aufzufordern, sich auf andere Art als Handschlag zu begrüßen. Handdesinfektionsmittel sind in Schweden ausverkauft, was zu einer neuen Art von Alkoholimport aus den Nachbarländern geführt hat.

In einigen Kirchen, in denen der Kelch reihum geht, ist man zu Starkwein gewechselt. An Unis werden die Türklinken öfter geputzt und wiederum Desinfektionsmittel in den Toiletten aufgestellt. Außerdem erstellt man fürs Gesundheitssystem konkrete Pläne, wie ein Ansturm gehandhabt werden kann; und bei Behörden und Firmen, wie man mit größeren Arbeitsausfällen zurecht kommt. Störungen im Bus-, Bahn- und Flugverkehr können nicht ausgeschlossen werden.

Ob das alles eine Überreaktion ist, wird man erst nächstes Jahr sagen können. Generell ist jedoch positiv, dass Vogel- und Schweinegrippe dafür gesorgt haben, dass man heute weltweit weit besser und koordinierter auf Seuchen reagiert. Auch wenn die Schweinegripp sich als relativ harmlos erweist, sind die aufgebauten Strukturen eine gute Investition in die Zukunft. Gleichzeitig ist jegliche Panikmache fehl am Platz. Von den jährlich 2000 Toten der “normalen” Grippe in Schweden ist man noch weit weg und wenn man auf die ganze Welt schaut, ist die Reaktion im Vergleich zu anderen Krankheiten, die viel mehr Opfer fordern, völlig überproportional.

Hans Rosling illustrierte das vorgestern anhand von Tuberkulose sehr schön mit Legoklötzchen im Fersehen (ab Minute 10:27).

Mehr Links: 1, 2, 3, 4, 5

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Bessere Ostseeplanung aus Deutschland

Der WWF hat die Arbeit der Ostseeanrainer mit dem stark belasteten Gewässer verglichen und Deutschland kommt am besten weg. Als einziges Land bekommt es die “Note B”. Schweden liegt mit Finnland, Polen und Dänemark im Mittelfeld und die östlichsten Anrainer bekommen das schlechteste Zeugnis ausgestellt.

Positiv an Deutschland sei die Zusammenarbeit der Behörden für Wasser und Küste und die fortschrittliche und weit fortgeschrittene Planung, was die Ausweisung geeigneter Gebiete für Windkraft, Seefahrtsrouten und Seekabel angeht. In Schweden sei man zwar gut bei der Küstenplanung, aber es mangele auf dem Wasser und an der Abstimmung der beiden.

Generell brauche es mehr Zusammenarbeit der Länder, weshalb Alexander Stubb, heute finnischer Außenminister, vom WWF den Baltic Leadership Award dafür bekommt, die EU-Strategie für die Ostsee initiiert zu haben.

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Knätofsar

Knie-Bommel

Die volkstümliche Tracht von Dalarna, zu der obige Knie-Bommel gehören, wird im Ausland oft als genauso repräsentativ für Schweden gesehen wie die bayerische für Deutschland.

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Sommarpratare Graffenberger

Heute vor siebzig Jahren begann der zweite Weltkrieg mit dem deutschen Überfall auf Polen. Passenderweise bin ich in meiner langen Liste von Podcasts soweit durch die Sommarpratare gekommen, dass ich heute morgen auf dem Weg zur Arbeit das Programm mit Günther Graffenberger zu Ende gehört habe.

Das schwedische Radio schreibt über ihn:

Der gebürtige Ostpreuße kam als Korrespondent für den Axel-Springer-Verlag nach Schweden und ist hier seit 1961 ansässig. Von 1964 bis 1994 arbeitete er bei Radio Schweden. Als freier Korrespondent war Günter Graffenberger für viele deutsche, österreichische und Schweizer Medien tätig und er gilt als einer der besten Skandinavienkenner seiner Zeit.

In seinem Sommarprogram erzählt er vom Krieg, mit Hintergrund seines persönlichen Schicksals, das sowohl die Bombardierung Dresdens als auch die letzten Gefechte in Berlin beinhaltet. Er scheut sich dabei weder, seine damalige Begeisterung von Adolf Hitler zu nennen, noch heute selten vernommene Ansichten zu äußern – wie die, dass das heutige Ost- für ihn immer noch Mitteldeutschland ist – jedoch ohne revanchistisch aufzutreten.

Zudem fand ich Graffenbergers deutschen Akzent im Schwedischen bemerkenswert. Er klingt sehr anders als “moderne” Einwanderer; er streut zum Beispiel einfach deutsche Worte in die Sätze ein, von denen er weiß, dass Schweden sie verstehen. Seine ostpeußische Herkunft spielt sicherlich auch eine Rolle. Graffenberger erzählt, wie ihm diese bei dem guten Kontakt zum schwedischen Staatschef Olof Palme verhalf, dessen Mutter ebenso aus dem heutigen Baltikum kam, weshalb Palme dasselbe Deutsch sprach wie Graffenberger.

An anderer Stelle erzählt er, wie ihm Tage Erlander mit einer Wärme begegnete, die Deutschland abhanden gekommen war.

Lange Rede, kurzer Sinn: Graffenbergers Sommarprogram ist ein Muss für alle Deutschen, die Schwedisch verstehen.

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Wählen gehen

Als ich eben nach Hause kam, lagen endlich meine Briefwahlunterlagen zur Bundestagswahl hinter dem Türschlitz. Ich wollte schon bei der ehemaligen Heimatgemeinde nachfragen…

Wie gesagt ist es höchste Zeit für alle Auslandsdeutschen, die das noch nicht getan haben, den Antrag zu stellen.

Was ich ankreuzen werde, weiß ich schon. Mehr dazu bald.

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Besser schlecht übersetzt als gar nicht?

  • Ruhig, wenn Green-Frieden, die Steine aus
  • Kein terroristischer Führer, getötet wurde
  • Zwei getötet Shoot-Drama des Großen High
  • Das Gesicht des italienischen Fußballs ist nicht erlaubt zu vergessen
  • Lettland Rennen weniger als erwartet
  • Verrippung ist wieder da!
  • Prinzessin bestulen 120 Millionen Wie erwartet findet man bizarre Fehlübersetzungen, wenn man [die Webseite von DN durch Google Translate laufen lässt](http://translate.google.com/translate?hl=de&sl=sv&tl=de&u=http://www.dn.se). Andererseits kann man das meiste durchaus verstehen und es ist wohl eine Frage des Standpunktes, ob man das Ergebnis für erstaunlich gut oder grottenschlecht hält. Vom [Schwedischen ins Englische](http://translate.google.com/translate?hl=de&sl=sv&tl=en&u=http://www.dn.se/) funktioniert übrigens besser als ins Deutsche, falls es einmal jemand braucht.
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