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Reinfeldts Regierungserklärung

Premierminister Reinfeldt trat gestern sein Amt an und hat sein Kabinett vorgestellt, inklusive des vormaligen Staatschefs Carl Bildt als Außenminister. In der zugehörigen Regierungserklärung hat er auch die Eckpunkte der Politik dargelegt, die man von seiner Vierparteienkoalition in der nächsten Zeit erwarten darf. Eine Zusammenfassung.

Arbeitsmarkt, ein großens Thema im Wahlkampf. Ziel ist die Förderung mittelständischer Unternehmen, sowohl durch Steuererleichterungen als auch durch Abschaffung unnötiger und komplizierter Regeln. Die Einkommenssteuer soll um 37 Mrd. Kronen^*^ gekürzt werden, v.a. bei niedrigen und mittleren Einkommen. Die Immobiliensteuer soll zunächst eingefroren, dann gekürzt und zuletzt abgeschafft werden. Auch die Vermögenssteuer soll nach einer anfänglichen Halbierung verschwinden. Welche Ausgaben und Leistungen dafür gekürzt werden wurde nicht spezifiziert, aber es wird wohl an die Arbeitslosenhilfe gehen. Außerdem klingt das für mich, (der von Ökonomie zugegebenermaßen wenig versteht) als ob es mit dem langjährigen schwedischen Haushaltsplus bald vorbei ist.

Internationales. Reinfeldt äußerte sich für die EU und auch deren zukünfige Erweiterung. Internationale Organisationen, allen voran die UNO, sollen weiterhin nach Kräften unterstützt werden. Schweden soll aus der Globalisierung Gewinn ziehen und mit gutem Beispiel vorangehen, was Zusammenarbeit, Freiheit, Demokratie und Frieden angeht. Die Entwicklungshilfe wird zwar nicht erhöht, bleibt aber auf sehr hohem Niveau und soll besser auf ihre Wirksamkeit geprüft werden. Das anhaltende Töten in Darfur wurde angesprochen und die internationale Verantwortung betont. Das ist dadurch etwas heikel, dass der schwedischen Ölfirma Lundin Petroleum vorgeworfen wird (S), in Krisenregionen aktiv zu sein und auch im Sudan negativ auf den Verlauf des Konflikts eingewirkt zu haben. Carl Bildt (s.o.) ist seit 2001 Vorstandsmitglied bei Lundin Petroleum, hat aber immerhin eingesehen, dass er das als Außenminister nicht bleiben kann, und diesen Posten niedergelegt. (Zum Thema Darfur höre auch HR2 Der Tag vom 18.9.)

Weitere wichtige Themen, in denen natürlich auch alles besser werden soll, auf die ich aber jetzt nicht im Detail eingehen möchte, sind Gleichberechtigung, Gewalt gegen Frauen (höhere Strafen), Einwanderung (Ausgrenzung vermindern, Sprachkenntnisse fördern), Gesundheitspolitik (Alkoholkonsum eindämmen, mehr räumliche Flexibilität bei lokaler Überforderung der Krankenpflege), mehr Polizei, die auch mehr abhören dürfen soll.

Engergie und Umwelt. Kernkraftwerke sollen nicht vorzeitig abgeschaltet werden. Es soll zwar keine Laufzeitverlängerungen für bestehende Kraftwerke geben, aber der Neubau wird nicht ausgeschlossen. Generell soll dem Klimawandel entgegengewirkt werden, indem man den Zusammenhang zwischen Wachstum und mehr Energieverbrauch durchbricht. Dazu soll vor allem die effizientere Nutzung von Energie beitragen. Umwelttechnik soll mehr gefördert werden, auch mit Exportgedanken.

Ausbildung und Forschung. Auf dieses Thema hat die liberale Folkspartei mit Ausbildungs- und Schulminister ein Beinahemonopol. Es soll ein neues Schulgesetz geben, das Noten ab der 6. Klasse einführt und Lehrern und Schulen mehr Handhabe gegen Störer und Schulschwänzer verleiht. Mathematik und naturwissenschaftliche Fächer sollen gestärkt werden und Lehrer besser qualifiziert. Auf Universitätsniveau soll der sozialdemokratische Trend zum Studium für alle gebrochen werden und Qualität statt Quantität an oberster Stelle stehen. Forschungsgelder sollen erhöht werden.

Einiges des oben Genannten klingt zugegebenermaßen recht gut – ist aber noch ziemlich vage. Man darf gespannt sein, wie die Taten aussehen werden und ob z.B. der Sozialabbau in Wirklichkeit so gering ausfallen wird, wie im Wahlkampf versprochen.

^*^ Das braucht man nicht in Euro umzurechnen, um eine Vorstellung der Größenordnung zu bekommen, denn der Faktor der Währung wird durch den der Bevölkerungszahl in etwa ausgeglichen.

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Forsmark darf wieder ans Netz

Kernkraftwerk
Forsmark

Rund zwei Monate ist es her, dass sich im Kernkraftwerk Forsmark hier um die Ecke ein ernstzunehmender Störfall ereignete. Jetzt ist die staatliche Aufsicht zufrieden mit den Maßnahmen und beide Reaktoren dürfen unter verschärften Auflagen wieder ans Netz (S). Ich verstehe ja immer noch nicht, warum dieses Thema die meisten Schweden so gleichgültig gelassen hat und auch nicht zur Wahlkampffrage wurde.

Nachtrag: Forsmark 1, in dem sich der Störfall ereignete, wurde in der Nacht zum Samstag wider hochgefahren. Beim Starten von Forsmark 2 wurden jedoch neue Fehler entdeckt (S), die dessen Wiederinbetriebnahme um einige weitere Tage verzögern.

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Störfall im Kernkraftwerk

Vorgestern kam es im Reaktor 1 des schwedischen Kernkraftwerks bei Forsmark (in Uppland) zu einer Störung, die die automatische Abschaltung einleitete. Insofern funktionierte zwar das Sicherheitssystem gut genug, aber es wurde in diesem Zusammenhang z.B. entdenkt, dass die Hälfte der Reservegeneratoren nicht funktionierte. Auf einer Skala von 0 bis 7 wird dieser Unfall mit 2 bewertet und ist damit der schwerste dieses Kraftwerks bisher. Es wird abgeschaltet bleiben, bis die Ursachen geklärt sind.

Trotz eines hohen Anteils Wasserkraft ist Kernenergie in Schweden wieder populär. In diesem Zusammenhang fand ich heute auch eine Meldung aus Deuschland interessant:

Wegen der Hitzewelle ist Ökostrom [...] derzeit billiger als Strom aus Kohle- und Atomkraftwerken.

Update (3.8.): Ich bin gerade aus dem Urlaub zurück und erfahre, dass der Unfall schwerer war als am Anfang angenommen. Es wurde mittlerweile auch der andere Reaktor von Forsmark abgeschaltet und ebenso die beiden in Oskarshamn, die ähnlich gebaut sind. Ein weiteres Kernraftwerk ist routinemäßig zur Wartung vom Netz. Mehr an dieser Stelle, sobald ich durch meine schwedischen Nachrichten gelesen habe…

Update (4.8.): Es scheint, als ob obige Darstellung immer noch richtig ist und sich nicht mehr ereignet hat, das erst später herauskam. Ein Kurzschluss außerhalb des Kraftwerks sorgte für einen Stromausfall und weil die Notstromversorgung versagte, waren Bildschirme und interne Kommunikation im Kontrollraum tot. Erst nach zwanzig Minuten “blindem” Betrieb wurde endgültig abgeschaltet.

Die Notstromaggregate kamen übrigens aus Deutschland und laut Greenpeace sind deren Probleme lange bekannt. Sie fordern (E) natürlich eine sofortige Abschaltung aller schwedischen Kernkraftwerke.

Wie nahe man an einer Überhitzung des Reaktors und einer echten Gefahr war, darüber streitet man (S). Den Vorfall mit Tschernobyl zu vergleichen ist lächerlich, weil keine radioaktive Strahlung austrat, und dass es der “schwerste Unfall seit Tschernobyl” war, klingt auch nicht ganz glaubwürdig. Nichtsdestotrotz darf so etwas natürlich nicht passieren und das Medienecho, das nach über einer Woche auch in Deutschland in Gang kommt (SpOn, Telepolis), sorgt hoffentlich für den nötigen Druck, Missstände zu beseitigen.

Noch ein Update (4.8. 18:20): Es wurde im Laufe des Tages entschieden, keine weiteren Reaktoren stillzulegen. Das Thema hält sich auf den Titelseiten und wird wohl Wahlkampfthema der in sechs Wochen anstehenden Parlamentswahlen werden. Die Zentrumspartei, die lange gegen Kernkraft war und erst kürzlich auf den langsamen Ausstiegskompromiss der anderen bürgerlichen Parteien eingeschwenkt ist, dürfte sich gerade schwarz ärgern. Die deutsche Redaktion des Schwedischen Radios diskutiert die politischen Auswirkungen etwas ausführlicher.

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Die Themen zur Wahl in Schweden

Die Tageszeitung DN untersucht (S) die Wahlthemen vor der Parlamentswahl am 17. September. Trotz der im Vergleich mit Europa geringen Arbeitslosigkeit von 4.8% (S) rangiert das Thema an vorderster Stelle im Ergebnis einer Umfrage, die danach fragte, welche gesellschaftlichen Fragen bei der Wahlentscheidung am wichtigsten sind.

Gleichauf mit ebenfalls 29% der Antworten liegt das Gesundheitssystem, dann folgen das Schulsystem, die Altenfürsorge und die Familienpolitik mit je über 20% der Nennungen. Danach kommt lange nichts und die eben genannten Hauptthemen stehen hoch auf der Agenda quer durch die etablierten Parteien, die gleichzeitig Schwierigkeiten haben, sich voneinander zu unterscheiden. Das bürgerlich-konservative Lager ist laut Wahlbarometer gleichauf mit den regierenden Sozialdemokraten und es ist unklar ob Premierminister Göran Persson seine über zehnjährige Regierungszeit noch einmal verlängern kann.

Zurück zur Umfrage mit den Wahlthemen: Bei 10% liegt die Umweltpolitik und unter den Themen, die zwischen einem und fünf Prozent der Befragten nannten, tauchen Einwanderung, Gleichberechtigung und die Energiepolitik auf. Vielleicht liegt es an der Fragestellung, aber die EU und andere außenpolitische Fragen scheinen für Schweden nicht sehr interessant zu sein – nur jeweils 1% nannten diese.

Die neugegründete Piratenpartei, die sich neben einer Reform des Urheberrechts auch für den Schutz der Privatsphäre und gegen Überwachung einsetzt, hat zwar durch die Schlagzeilen um die PirateBay einigen Aufwind bekommen, aber sie taucht weder im Wahlbarometer auf, noch werden ihre Themen als wichtig empfunden. Schutz der Privatsphäre und der Überwachungsstaat wurden nur in 1% der Antworten genannt.

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Schweden wollen Kernkraft

Dagens Nyheter schreibt (S, Übersetzung von mir):

Unter Schweden ist der Rückhalt für die weitere Anwendung und den Ausbau an Kernenergie größer denn je. Jeder zweite Schwede will heute die Kernkraft langfristig beibehalten. [...] Jeder sechste ist sogar für deren Ausbau.

Und das obwohl Tschernobyl auch hier ein einschneidendes Ereignis war. Argumente wie die “Sauberkeit” (kein CO2-Ausstoß) der Kernkraft hört man recht häufig. Wenn ich mich recht erinnere, sind Atomkraftwerke aber nur wegen der massiven staatlichen Subventionen rentabel und das Abfallproblem ist immer noch ungelöst. Schwedens hoher Anteil an Wasserkraftwerken, die sich vor langen amortisiert haben und beinahe kostenlos Strom produzieren, stehen wiederum in einem schlechteren Licht, als man das von “alternativen Energien” erwaren würde. Sie stellen nämlich einen nicht geringen Eingriff in die natürlichen Wasserläufe dar und aus Naturschutzgründen wird nach meinem Wissen die Wasserkraft an schwedischen Gebirgsflüssen nicht weiter ausgebaut.

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