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Nobelfest

Am 10. Dezember, dem Todestag von Alfred Nobel, werden in Stockholm die Nobelpreise an die diesjährigen Gewinner verliehen. Das Fest, mit König und allem drum und dran, soll sehr pompös sein. Wer sich dafür interessiert, kann die Feierlichkeiten live im Internet verfolgen.

In der darauffolgenden Woche kommen die Preisträger auch immer nach Uppsala und die Vorträge von Mather und Smoot über Kosmologie werde ich mir nicht entgehen lassen. Das Plakat mit der Ankündigung aller Vorlesungen gibt es nach dem Klick.

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Lo

Der Luchs (schwed: lo) ist mit 300 Familien in Schweden keine wirkliche Seltenheit, aber die Tiere sind so scheu, dass man nur mit viel Glück einem Luchs in freier Wildbahn begegnet. Stabile Populationen gab es bisher nur in Nord- und Mittelschweden, allerdings scheint in einigen Teilen die Grenze des Nachrungsangebotes (v.a. Rehe) erreicht zu sein und es wird eine Wanderbewegung gen Südschweden festgestellt (S).

Nicht nur vereinzelte weitstreunende Männchen, sondern auch sieben Weibchen wurden bei der Inventur im südlichen Götaland gefunden. Nur wenn auch dort eine dauerhafte Ansiedelung gelingt, kann laut Experten das staatliche Ziel von 350 Familien ereicht werden. Für Jäger bedeutet das natürlich, dass sie weniger Rehe zu jagen haben werden, eine Tatsache, die sie hoffentlich freut.

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Handelsministerin tritt zurück

Eine gute Woche war sie im Amt, Handelministerin Maria Borelius. Jetzt tritt sie zurück (S). Ihren Anfang nahm die Affäre, die auch andere Minister betrifft, darin, dass Borelius ihre Haushaltshilfen schwarz bezahlt hat und trotz hoher Einkünfte behauptete, sich die Hilfe sonst nicht hätte leisten zu können.

Auch wenn sie für kürzere Zeit keine Fernsehgebühren zahlte als Kultur- und Sportministerin Cecilia Stegö Chilò, wurde sie zusammen mit dieser deswegen im Laufe der Woche angezeigt. Dazu kam noch, dass Borelius’ luxuriöses Sommerhaus einer Pleitefirma in einem Steuerparadies gehörte und Ministerpräsident Reinfeldt deswegen einen unabhängigen Gutachter beauftragte, ihre Finanzlage zu durchleuchten. Diese Prüfung ist mit dem heutigen freiwilligen Rücktritt, den Reinfeldt auch gleich annahm, hinfällig geworden.

Ein für die neue Regierung gefährlicher Eindruck ist in dieser Woche entstanden, nämlich, dass es für eine Oberschicht völlig in Ordnung zu sein scheint, sich die Regeln zurechtzubiegen. Das ist im egalitären Schweden ein Affront gegen die Durchschnittsbevölkerung und erregt viele Gemüter. Gefördert wurde das noch durch die Aussage Carl Bildts, dass man die Schwarzarbeit der Haushaltshilfen ja bei dem damaligen Steuersystem durchaus nachvollziehen könne. Das System als Ausrede vorzuschieben, passt aber leider überhaupt nicht zur Predigt für mehr Eigenverantwortung, für die die Moderaten stehen.

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Wort der Woche: Brasklapp

Es gibt das schwedische Verb braska, das bedeutet “sehr kalt sein” und hat rein gar nichts mit dem brasklapp zu tun. Dass der lapp auf Deutsch der “Zettel” ist, wurde ja schon letzte Woche erwähnt und der “Braskzettel” ist also nicht kalt, sondern verdankt seinen Namen Hans Brask.

Dieser war Bischof im 16. Jahrhundert und zu dieser Zeit war der Einfluß der Dänen groß in Schweden. Bei einem Reichstreffen 1517 beschlossen die Schweden, die Festung Stäket von Gustav Trolle zu schleifen, den man als Verräter an die Dänen sah. Das führte unter anderem drei Jahre später zum Stockholmer Blutbad, bei dem Kristian II. auf seiner Krönungsfeier viele Schweden, die ihm gefährlich werden konnten, töten ließ und auch Gustav Trolle seine Rache bekam. Dies wiederum war der Anlass für den folgenden, von Gustav Vasa geführten, Aufstand der Schweden, den man als Gründung des schwedischen Staates ansieht und noch heute feiert.

Doch zurück zum Blutbad. Einer entkam der Todesstrafe zu diesem Zeitpunkt: Hans Brask. Er hatte nämlich in seinem Siegel zum Beschluß 1517 einen Zettel untergebracht, auf dem stand: Härtill är jag nödd och tvungen, zu Deutsch: “Ich wurde hierzu gezwungen”. Diesen Zettel konnte er – so sagt man – während der Verhandlung aus dem belastenden Beweisstück hervorholen und kam deshalb ungeschoren davon.

Auch wenn diese Geschichte nicht verbürgt ist, so hat der brasklapp doch seine sprichwörtliche Bedeutung in den allgemeinen Sprachgebrauch gebracht. Der Begriff wird heute nicht nur für heimliche Vorbehalte verwendet, sondern auch, wenn man sich offen mit einer Bedingung gegen eventuelle negativen Auswirkungen absichern will.

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Der Wahlvorgang

Wahltag ist eine Art Feiertag für Schweden. Man sieht mehr Flaggen als am Nationalfeiertag und es sind viele Menschen in den Straßen, die mit der Wahlkarte in der Hand auf dem Weg zur Stimmabgabe sind. Ein schönes Zeichen gelebter Demokratie.

Ich war gerade wählen. Drei Wahlen finden heute gleichzeitig statt, wobei die fürs Parlament (den riksdag) zweifelsohne die wichtigste ist, leider aber auch die, für die ich ohne schwedische Staatsbürgerschaft nicht wahlberechtigt bin. Die beiden anderen sind auf Kommunalniveau, einmal für die Kommune selbst, einmal für das landsting, eine weitere regionale Einrichtung, die u.a. für das Gesundheitswesen zuständig ist.

Man gibt seine Stimme für eine der Wahlen ab, indem man den Stimmzettel der Partei, für die man stimmen möchte, in ein Kuvert steckt, das dann bei der Aufsicht gegen Kontrolle der Personalien und Wahllisten in die Urne geworfen wird. Die Stimmzettel sind im A6-Format und je nach Teilwahl farbkodiert. Die Kuverts haben eine kleine Aussparung, damit sie in die richtige Urne sortiert werden können. Die Stimmzettel aller Parteien liegen im Wahllokal aus und vor dem Eingang stehen zusätzlich Vertreter der Parteien und händigen diese aus. Es ist üblich, mehrere zu nehmen, schließlich ist es eine geheime Wahl, und dann hinter einem Sichtschutz die Kuverts zu befüllen. Desweiteren gibt es Stimmzettel, auf denen nur die Partei steht, und solche, auf die außerdem eine Namensliste gedruckt ist. Dort kann man eine Person besonders hervorheben, wenn man möchte (Beispiel).

Obwohl es leere Wahlzettel gibt, auf die man seine Partei schreiben kann, wenn es von dieser keine Stimmzettel gibt, ist es für neue und kleine Parteien besonders wichtig und ein logistisches Problem, die Wahlzettel in die Wahllokale zu bekommen und diese zu bemannen. Laut eigener Aussage ist dies der Piratenpartei, die sich für Schutz der Privatsphäre, die Abschaffung von Patenten und eine Reform des Urheberrechts einsetzt, fast vollständig geglückt – vor meinem Wahllokal stand zumindest ein Piratpartist (nein, nicht verkleidet). Ganz persönlich bin ich ja schon gespannt, wie sie abschneidet.

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Stockholm Pride

Seit 1998 gibt es das Schwulen-, Bi- und Transsexuellen-Festival Stockhom Pride, das sich zu einem der größten Festivals in Stockholm gemausert hat und eine volle Woche andauert. Höhepunkt war die heutige Parade (S) quer durch die Innenstadt, an der rund 70 Wagen und 15.000 Menschen teilnahmen und weitere 100.000 zuschauten.

Ganz friedlich ging es jedoch nicht zu und es gab vereinzelte Meldungen von Gewalt (S) gegen Festivalbesucher, auch seitens rechter Gruppierungen. Das Thema Homophobie ist auch sonst in den schwedischen Medien: Probleme mit homophoben Lehrern (S) werden diskutiert und die Sozialdemokraten planen eine internationale Konferenz mit dem Thema “Hassverbrechen, Homophobie und Menschenrechte”.

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Zu viel Regen

Es ist ein trockener Sommer in Schweden und die Bauern klagen. Trotzdem kann es lokal zu heftigen Regenschauern kommen, die einiges an Unannehmlichkeiten bereiten. In Schonen, am südlichen Ende Schwedens, kam es vorgestern zu Überschwemmungen (E), Keller liefen voll und der Strom fiel aus.

Weiter nördlich bei Åre, an der Grenze zu Norwegen auf Höhe von Östersund, wurde nach heftigen Regenfällen eine Strasse und ein Bahndamm unterspült und weggerissen (S). Ein 30m langes Loch, 8m tief, (Bild) ist nicht gerade klein und Autofahrer kamen im letzten Moment (filmreif mit zwei Rädern über der Kante) zum Stehen. Der Zug mit 60 Personen, der gerade über diese Stelle fuhr, entgleiste, schaffte es aber auf die andere Seite. Keiner kam zu Schaden.

Zwei Tage später wollten wir eben diesen Zug (Nabotåget), der zwischen dem norwegischen Trondheim und Östersund verkehrt, nehmen, um ins Vålå-Tal zu kommen. Obwohl zu der Zeit schon eine Behelfsbrücke errichtet war, umfuhr der Ersatzbus die Stelle aber weiträumig. Abgesehen von Verspätungen war die Reise trotzdem kein Problem, was keine Selbstverständlichkeit ist bei der geringen Anzahl Straßen in diesen dünn besiedelten Gebieten.

Bilder von Trondheim und aus dem Vålå-Tal kommen, sobald ich mit der Nachbearbeitung fertig bin; als Vorgeschmack kann das Rentier, das mir in dort über den Weg lief, dienen.

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Schwedische Polizei in Deutschland

Ist es nicht bemerkenswert und schön, dass heute europäische Staaten einander soweit über den Weg trauen, dass sie sogar Polizisten der anderen im eigenen Land mithelfen lassen? Während der Fußball-WM sind in Deutschland Polizisten verschiedener Länder im Einsatz – nicht nur, um Hooligans in Schach zu halten, sondern auch als Service für die zahlreichen Besucher, die sich dadurch an Ansprechpartner aus dem eigenen Land wenden können.

Etwas mehr als 20 schwedische Polizisten (S) sind auch dabei.

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Durchsuchung bei schwedischen Piraten

Nachdem vor gerade einmal einer Woche bekannt wurde, dass in Deutschland Dateitauscher, die das eDonkey-Netz benutzten, ausgeschnüffelt wurden und jetzt teilweise verklagt werden, musste ich soeben lesen, dass die schwedische Polizei die Computer der PirateBay beschlagnahmt hat. Die Seite ist dementsprechend nicht erreichbar. Erst vor Kurzem war die PirateBay nach Stockholm ungezogen.

Die PirateBay ist (war?) einer der bekanntesten und meistgenutzten Bittorrent-Tracker, die es Nutzern erlauben, Dateien zu tauschen und dabei die Bandbreite untereinander zu teilen. Auch wenn die Technik vielerorts für legale Zwecke verwendet wird, gab es auf der PirateBay auch viel urheberrechtlich geschütztes Material. Da auf den Servern der PirateBay jedoch nur die Torrent-Dateien erhältlich waren, die nicht die Inhalte selbst enthalten, sondern nur die Information, wo diese unter den anderen Nutzern zu finden sind, begeht die Seite laut schwedischem Recht nichts Illegales.

Deswegen hat sie sich bisher zurecht allen Aufforderungen und Beschwerden der Rechteinhaber widersetzt und es bleibt zu hoffen, dass die Stillegung nur vorübergehend ist. Die Piratenpartei, eine neugegründete politische Partei, die zur Parlamentswahl im Herbst antritt, hat eine Stellungnahme, es wurde ein temporärer Blog mit Neuigkeiten (S) eingerichtet, auf Slashdot wird eifrig diskutiert, und auch Heise hat die Meldung.

Update 1: Für diejenigen, die Schwedisch können: Es gibt auch hier viel zum Thema zu lesen und sogar schon eine Unterschriftenliste, die schon jeder 90. Schwede (!) unterschrieben hat.

Update 2: Es wurden mehreren Orten gleichzeitig Rechner beschlagnahmt und auch drei Leute festgenommen (Quelle, schwedisch). Außerdem hat sich bestätigt, dass das “Antipiratbüro” hinter der Anzeige steht. Diese Organisation hatte schon einmal auf sich aufmerksam gemacht, als sie mit dubiosen Machenschaften gegen angebliche Urherberrechtsverletzungen vorging – siehe dazu den aufschlussreichen Artikel auf Heise vom letzten Jahr.

Update 3: Mittlerweile ist auf thepiratebay.org eine temporäre Seite eingerichtet, auf der angekündigt wird, dass die Seite in ein bis zwei Tagen wieder völlig funktionsfähig sein wird. Außerdem wird erwähnt, dass man wohl Entschädigung vom schwedischen Staat fordern kann, sollte sich tatsächlich nichts Illegales auf den Servern finden. Eine neue Liste mit Links gibt es auch.

Update 4 (1. Juni, 19.00): Das Thema hält sich weiterhin in den schwedischen Medien. Die drei festgenommenen sind nach Befragung wieder frei. Die Razzia hat auch viele andere Kunden des Webhosters der PirateBay getroffen und es sind zig mittelständische Unternehmen betroffen. Rapport, das schwedische Äquivalent zur Tagesschau, meldet jetzt (schwedisch: Text, RealAudio, WindowsMedia), dass die MPAA, der Interessenverband der amerikanischen Filmindustrie, politischen Druck auf das Weiße Haus ausgeübt hat, das diesen an das schwedische auswärtige Amt weitergegeben und über das Justizministerium die gestrige Razzia der Polizei verursacht hat – trotz der Einwände von Seiten der Ermittler, dass es dafür keine Rechtsgrundlage gäbe.

Das ist natürlich ein starkes Stück und ich hoffe, dass der Aufruhr der Schweden über diese Situation anhält und die Aktion nach hinten losgeht. Die Piratenpartei wird dadurch sicherlich Aufwind bekommen und vielleicht schafft sie ja die 4%-Hürde bei der Wahl im September.

Update 5 (2. Juni, 10.30): Die schwedische Regierung dementiert (S) den direkten Zusammenhang mit der MPAA. Demonstrationen gegen die Razzia in Stockholm und Göteborg sind für morgen, Samstag, angekündigt (S). In der Zwischenzeit wurde die Webseite der Polizei, polisen.se, Opfer eines Angriffs (S) und auch wenn der Zusammenhang mit der PirateBay-Razzia ungeklärt ist, ist es wohl nicht weit hergeholt, diesen zu vermuten. Ein Interview (deutsch) mit einem der PirateBay-Betreiber ist auf Zeitspuk zu lesen.

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Die gegenwärtige schwedische Regierung

Wie angekündigt will ich bis zur Wahl im Herbst, die schwedische Politik etwas näher durchleuchten und heute ist die aktuelle Regierung dran.

Die letzte Parlamentswahl war 2002 und wegen der 4%-Klausel kamen folgende Parteien in den Riksdag:

  • 39,9% für die Sozialdemokraten
  • 15,3% für die Moderaten (konservativ)
  • 13,4% für die Volkspartei (liberal)
  • 9,1% für die Christdemokraten (noch konservativer)
  • 8,4% für die Linkspartei
  • 6,2% für die Zentrumspartei
  • 4,6% für die Grünen

    Es sind also zwei Parteien mehr im Parlament als in Deutschland und die Parteiengrenzen decken sich auch nur teilweise. Ein weiterer Unterschied ist, dass die jetzige Regierung nicht aus einer Koalition von Parteien gebildet wird, sondern eine [Minderheitsregierung](http://de.wikipedia.org/wiki/Minderheitsregierung) der Sozialdemokraten ist, die von der Linkspartei und den Grünen im Parlament unterstützt wird. Mit diesen Stimmen wurde [Göran Persson](http://de.wikipedia.org/wiki/G%C3%B6ran_Persson) (sprich: Jöran Pärschon) 2002 erneut vom Parlament zum *Statsminister* (Premierminister) gewählt und konnte die Regierung ernennen, in der die Hälfte der Ministerposten von Frauen besetzt sind. Persson feierte vor Kurzem sein 10-jähriges Jubiläum als Premierminister und tritt auch zur kommenden Wahl an. Die Minister und höheren Posten haben in dieser Zeit zu häufig gewechselt, als dass ich das hier ausführen möchte, aber die Wikipedia [bietet einen Überblick](http://sv.wikipedia.org/wiki/Regeringen_Persson) (S). Einschneidende Ereignisse waren ohne Zweifel die Ermordung der sehr beliebten Außenministerin [Anna Lindh](http://de.wikipedia.org/wiki/Anna_Lindh) 2003 und der Tsunami in Südostasien Ende 2004. In diesem kamen über 500 Schweden um, in absoluten Zahlen etwa so viele wie Deutsche, im Anteil an der Bevölkerung jedoch neun Mal so viele. Während die deutsche Regierung mit ihrem Krisenmanagment an Popularität gewann, verschlief die schwedische den Anfang und musste viel Kritik einstecken. Die Diskussionen und Medienberichte darüber hielten bis vor Kurzem an und waren meiner Ansicht nach ein gutes Beispiel dafür, welch hohe Anforderungen, Schweden an ihren Fürsorgestaat stellen – auch in Bereichen, die man üblicherweise als persönliches Risiko betrachten würde.
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