Der Wahlerfolg der Piratenpartei war am Montag die Nachricht, die es auf alle Titelseiten schaffte. TAZ und Tagesspiegel berichten gut, viele andere so schlecht, dass sie die Piratenpartei mit der Pirate Bay gleichsetzen. Das große internationale Interesse ist wiederum eine Nachricht für sich in Schweden.
Die Auszählung der Personenstimmen, die entscheiden, wer die schwedischen Sitze im neu gewählten Europaparlament bekommt, geht voran und an einigen Stellen wird wie vermutet die von den Parteien aufgestellte Reihenfolge durcheinander geworfen. Zum Beispiel wird der eine Sitz der Christdemokraten nicht von der Listenersten Ella Bohlin, sondern vom ehemaligen Parteichef Alf Svensson eingenommen werden. Anna Maria Corazza Bildt, die italienischstämmige Frau von Außenminister Carl Bildt, wurde auch nach vorne gewählt.
Dass das Wahlresultat durchgängig pro-EU ausfiel, gibt den Wahlverlierern und EU-Ablehnern der Linkspartei zu denken. Die ersten innerparteilichen Rücktrittsforderungen für Parteichef Lars Ohly werden laut.
Dagens Nyheter, die wichtigste schwedische Tageszeitung, hält heute ihren “Auslandstag” im stockholmer Konzerthaus. Dazu werden alle Korrespondenten nach Hause geholt und ein interessantes Programm auf die Beine gestellt. Höhepunkt am Nachmittag wird Premierminister Fredrik Reinfeldt sein, der zur schwedischen EU-Ratspräsidentschaft sprechen wird, die in drei Wochen beginnt. Ich werde es wohl nicht schaffen, dort vorbei zu schauen, aber man kann auch im Netz zusehen. Hierzulande ist man auch so fortschrittlich, ganz offiziell das Twitter-Hashtag #utrikes als Nachrichtenkanal zu dieser Veranstaltung zu empfehlen.
Die anstehende schwedische Ratspäsidentschaft löst derweil nahtlos die EU-Wahl als Top-Thema in den Medien ab – der Begriff “EU-Jahr” scheint gerechtfertigt. Auf eu2009.se ist mittlerweile einiges zu lesen und erst gestern erklärte Reinfeldt in Brüssel die schwedischen Prioritäten.
Der Verein Humanisterna, der sich gegen den Einfluss von Religionen auf die Gesellschaft einsetzt und bei dem ich halb-aktives Mitglied bin, hat seine bisher größte Kampagne gestartet: Gud finns nog inte, übersetzt: “Gott gibt es wahrscheinlich nicht”. Die Inspiration kommt sicher von den Bus-Kampagnen in vielen Ländern, aber da Schweden schon eines der säkularsten Länder der Welt ist, widmet sich die hiesige Kampagne eher der Auklärung darüber, wie man als Nicht-Gläubiger trotzdem noch von Religionen negativ beeinflusst wird. Das nebenstehende Bild ist derzeit in U-Bahn-Stationen und ganzseitigen Zeitungsannoncen kaum zu übersehen.
Und zuletzt: das Wetter. Es ist kalt hier seit Montatsbeginn, es werden sogar Kälterekorde für Juni gebrochen. Nachtfrost im südlichen Linköping ist um diese Jahreszeit ungewöhnlich. Man nennt diese kalten Nächte übrigens Järnnätter (“Eisennächte”), was angeblich von einer falschen Übersetzung aus dem Deutschen kommt: “Eis” und “Eisen”.