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Sitze verteilen

Das gestrige Wahlergebnis bestimmt, wer die 18 schwedischen Sitze im Europaparlament einnehmen wird: Die Sozialdemokraten bekommen 5, die Moderaten 4, die liberale Folkpartiet 3, die Grünen 2 und die Piraten, Zentrumspartei, Linke und Christdemokraten jeweils einen Platz.

Was noch unklar ist, sind die Namen. Ein Großteil der Wähler hat nämlich von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, auf den Stimmzetteln Personen anzukreuzen, und das kann die Reihenfolge der Liste durcheinander werfen. Die Personenstimmen werden zentral ausgezählt und das hat gerade erst begonnen. Der Prozess kann auf der Webseite der Wahlbehörde live mitverfolgt werden.

Auch noch wichtig zu erwähnen ist, dass Schweden zwei zusätzliche Sitze im EU-Parlament bekommen wird, wenn der Lissabon-Vertrag in Kraft tritt, hoffentlich noch dieses Jahr. Aus dem Wahlergebnis folgt, dass diese beiden Sitze den Sozialdemokraten und der Piratenpartei zufallen. Letztere bekommt dann also einen zweiten Sitz. Etwas unklar ist jedoch noch, ob diese beiden Parlamentarier in spe auch schon vor Inkrafttreten des Vertrages als Beobachter ohne Stimmrecht mit nach Brüssel dürfen, oder nicht.

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Schweden wählt EU-freundlich

Wahlresultat

Fast alle Wahllokale sind ausgezählt und obiges Bild zeigt das Ergebnis aus Schweden bei der EU-Wahl. In grau dahinter die letzte Wahl 2004.

Ein paar Kommentare dazu:

  • Die beiden großen Parteien, Sozialdemokraten (S) und die regierenden Moderaten (M) bleiben fast unverändert, beide hatten sich aber einen Zuwachs erhofft. M wollte sogar stärkste Partei werden.
  • Die Linkspartei (V) verliert mehr als die Hälfte ihrer Stimmen. Es liegt nahe zu vermuten, dass ihre Forderung zum Austritt Schwedens aus der EU etwas damit zu tun hat. Vielleicht ist Schweden ja in der EU angekommen.
  • Dass die Grünen (MP), die ihre EU-skeptische Haltung letztes Jahr geändert haben, jetzt stark hinzugewinnen, passt in dieses Bild; ebenso, dass die EU-freundlichste Partei, die liberale Folkpartiet (FP), auch zu den starken Gewinnern gehört.
  • Und natürlich auch, dass die Juni-Liste (JL), die als Hauptprogrammpunkt ein Nein zur EU hat, ihre bisherigen drei Mandate alle verliert.
  • Die auch international, gerade aus Deutschland, viel beachtete neue Partei ist die Piratenpartei (PP), die mit 7,1% ihr eines Mandat (von total 18 schwedischen) im EU-Parlament sicher hat. Das könnte Signalwirkung für andere Länder haben, dass Überwachungs- und Internet-Themen nicht auf Dauer ignoriert werden wollen.

    Schweden ist eines der wenigen Länder, in denen die Wahlbeteiligung gewachsten ist: um 6,7%. Zwar sind 44% eigentlich kein Grund zur Freude, aber es ist auch innerhalb Schwedens ein Bruch des bisherigen Trends. Wie kommt es? Ich glaube es lag am echten Wahlkampf, den sowohl Parteien als auch die Medien geboten haben. Es wurde sich ausführlich mit EU-Themen auseinander gesetzt, die EU nicht als Sündenbock missbraucht, sondern wirklich hinterleuchtet, was die Parteien und ihre Kandidaten im EU-Parlament erreichen wollen – im Gegensatz zu innenpolitischen Themen.
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Wort der Woche: Valvaka

Das schwedische Wort Val bedeutet “Wahl”, sowohl im politischen wie auch im allgemeineren Sinn. Außerdem bedeutet es auch “Wal”, aber davon soll hier nicht die Rede sein. Vaka ist als Substantiv eher ungebräuchlich, kommt aber vom gleichlautenden Verb, welches “wachen, bewachen, beobachten” bedeutet.

Die Valvaka ist also die Prozedur, auf das Wahlergebnis zu warten, und mit dem Wort werden sowohl die Wahlsendungen im Fernsehen als auch die Wahlparties der Parteien bezeichnet.

Die Valvakor zur heutigen EU-Parlamentswahl fangen in Schweden so um halb neun erst an. Schließlich sind die Wahllokale bis 21 Uhr geöffnet und erst danach beginnt die Zählung. Echte Zahlen dürfen europaweit erst ab 22 Uhr veröffentlicht werden, denn dann schließen die letzten Wahllokale in Portugal. Das hindert die ARD nicht daran, schon jetzt zu senden.

Ich werde hier im Laufe des Abends in meiner eigenen kleinen Valvaka Nachrichten aus Schweden nachtragen und meinen Senf dazu abgeben.


18:10 Wenn ich mir das ARD-Programm anschaue, will ich gleich mal anmerken, dass hier in Schweden wirklich EU-Wahlkampf gemacht wurde. Die nationalen Themen spielten zwar immer wieder einmal hinein, aber es wurde meist echte EU-Politik diskutiert. Außerdem war die Wahl ein starkes Thema in den hiesigen Medien – es fand also wirklich Wahlkampf statt, was ich von Deutschland nicht so mitbekommen habe. Deshalb erwarte ich hier auch eine deutlich höhere Wahlbeteiligung als die 43% in Deutschland. Schwedische Zahlen gibt es aber wie gesagt erst nach 21 Uhr.


19:50 Noch eine gute Stunde bis zu den ersten Prognosen. Aus Uppsala kommt die Nachricht, dass die Stimmzettel der rechtsextremen Schwedendemokraten in einigen Wahllokalen “verschwanden”. Wie das mit den Stimmzetteln in Schweden läuft, steht hier.


20:30 Das Interesse aus Deutschland für die schwedische Piratenpartei ist groß, schaut z.B. auf die Live-Suche bei Twitter. Gleich fängt hier die Wahlberichterstattung an und in einer halben Stunde schließen die Wahllokale.


20:40 Im Fernsehen wird berichtet, dass in einigen Wahllokalen die Stimmzettel der Piratenpartei versteckt oder weggeworfen wurden. Ansonsten bisher nur allgemeine Information bis um 21 Uhr die erste, noch recht unsichere Prognose kommt. Die Sendung ist erstaunlich wenig sachlich, man redet u.a. ausführlich mit einer Opernsängerin.


21:00 So, die erste Prognose (Exit-Poll) ist da.

  • Sozialdemokraterna: 25,1% (+0.5)
  • Moderaterna: 18.5 % (+0.3)
  • Miljöpartiet: 11.5 % (+5.5)
  • Folkpartiet: 11.4 % (+1.5)
  • Piratpartiet: 7.4 % (+7.4)
  • Centerpartiet: 5.8 % (-0.5)
  • Vänsterpartiet: 5.7 % (-7.1)

  • Kristdemokraterna: 5.1% (-0.6)

    Die Piraten also als fünftgrößte Partei. Das ist noch keine Hochrechnung, weil erst jetzt angefangen wird, auszuzählen.

    12% der Männer, 19% der 18-30-jährigen wählten offenbar Piratenpartei, was sie zur stärksten Partei in dieser Altersgrupe macht.


    21:20 Als erste Analyse kann man sagen, dass die Linken und die EU-kritische Juni-Liste, die 2004 14% bekam, klare Wahlverlierer sind. Eine klare Absage gegen EU-Neinsager also. Gewinner sind die Grünen, die mittlerweile pro-EU sind, und natürlich die Piraten.

    Wahlbeteiligung kommt erst um 22 Uhr, zusammen mit den ersten auf Auszählungen basierenden Hochrechnungen. Man rechnet aber mit einer höheren Beteiligung als die 35,2% von 2004.

    Die Wahlsendung ist auf irritierende Weise unsachlich. Man lässt die Gäste von ihren “wunderbaren Erlebnissen” aus dem Wahlkampf erzählen.


    22:00 Jetzt sind europaweit die Wahllokale geschlossen und die ersten wirklichen Zahlen kommen von der schwedischen Wahlbehörde:

  • Sozialdemokraterna: 27,4

  • Moderaterna: 16,6
  • Miljöpartiet: 9,9
  • Folkpartiet: 12,0
  • Piratpartiet: 7,1
  • Centerpartiet: 6,6
  • Vänsterpartiet: 5,9
  • Kristdemokraterna: 4,8
  • Junilistan: 3,8

    Die jeweils aktuellsten Zahlen findet man [hier](http://www.val.se/val/ep2009/valnatt/rike/index.html) Im Vergleich zur obigen Prognose ist überraschend, wie schlecht die regierenden Moderaten abschneiden. Die Wahlbeteiligung ist um 6,6% gewachsen, auf 43,6%.
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Wählen gehen

Ich war heute Morgen wählen und hoffe, dass alle, die das noch nicht getan haben und das hier lesen, sich auch noch ins Wahllokal aufmachen. Hier in Stockholm scheint sogar die Sonne, was sich hoffentlich gut auf die Wahlbeteiligung auswirkt.

Wie läuft der Wahlvorgang in Schweden ab? Man schnappt sich seinen Ausweis und die Wahlkarte, die man vor einigen Wochen per Post bekommen hat, und begibt sich damit zum auf eben dieser angegebenen Wahllokal – wenn man nicht schon vorab an einem der seit 20. Mai offenen Wahllokale abgestimmt hat. 12 Prozent Wahlbeteiligung (800.000 Stimmen) kamen auf diese Weise schon vor heute zusammen.

Vor dem Wahllokal erwarten einen die Helferlein der Parteien:

Wahl 090607

Diese dürfen ankommende Wähler nicht mehr beeinflussen, sondern ihnen lediglich sagen für welche Partei sie stehen und den entsprechenden Stimmzettel aushändigen.

Gewählt wird nämlich nicht, indem man eine Partei ankreuzt, sondern indem man das A6-große Papier der entsprechenden Partei in ein Kuvert steckt. Diese Zettel bekommt man auch noch im Wahllokal:

Wahl 090607

Auf dem Stimmzettel kann man, wenn man möchte, einen Kandidaten der jeweiligen Parteiliste ankreuzen, um ihm oder ihr in der Reihenfolge nach vorne zu helfen. Der leere Zettel in der Mitte erfüllt zwei Funktionen:

  • Zum einen ist dafur da, ungültig zu stimmen. Das nennt man hier “leer/blank abstimmen”. Dazu braucht man den Zettel, denn die Kuverts haben eine Aussparung, wo die Wahlhelfer sehen können, dass ein Zettel darin ist, aber naturlich nicht welcher.
  • Zum anderen kann es passieren, dass in einem Lokal die Stimmzettel einer Partei ausgehen oder dass eine kleine Partei es logistisch nicht hinbekommen hat, ihre Zettel in alle Lokale zu bringen. Dann kann man auf den leeren Zettel den Namen der Partei schreiben. Eine bestimmte Person kann man dann aber nicht ankreuzen, auch wenn man den Namen wüsste.

Dann geht man mit dem Kuvert und den Wahlzetteln hinter einen Schirm, steckt den Zettel seiner Wahl ins Kuvert, klebt es zu und geht zum Tisch mit den Helfern und der Urne. Dort zeigt man seinen Ausweis und die Wahlkarte, es wird der eigene Name im Wahlregister gestrichen und das Kuvert kommt in die Urne. Mit dem Lächeln der Helfer ist man dann fertig:

Wahl 090607

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Farbe bekennen

Die Wahl zum EU-Parlament hat begonnen. Holland hat schon gewählt (leider falsch ); in Deutschland, Österreich und Schweden ist Sonntag Wahltag, auch wenn hierzulande schon viele von der Möglichkeit Gebrauch gemacht haben, bei einem der Vorab-Wahllokale vorbeizuschauen, die seit gut zwei Wochen geöffnet sind.

Vorab für all die, die nicht bis zu Ende lesen wollen: Geht wählen! Wenn euch keine der Parteien passt, macht die Stimme ungültig. Das geht mit in die Rechnung ein – im Unterschied zur nicht abgegebenen Stimme.

Es folgen wie versprochen ein paar Gedanken zur wichtigen Frage, was man denn wählen soll – natürlich aus meiner eigenen Perspektive. Zuallererst muss man sich, finde ich, klarmachen, dass nicht die Politik zur Abstimmung steht, die die Parteien bezüglich des Verhältnisses zwischen dem eigenen Land und der EU vertreten. Stattdessen geht es darum, welche Politik man künftig von der EU sehen will. Dass sich, gerade in Schweden, viele Menschen und auch einige Parteien noch nicht damit abgefunden haben, dass Politik von der EU kommt, die jeden betrifft, sollte eigentlich keine Rolle spielen. Tut es aber natürlich doch, denn ich finde es widersinnig, eine Partei, deren Programm für “weniger EU” und mehr “Eigenständigkeit” der Nationen steht, ins EU-Parlament zu wählen. Es geht darum, bessere EU-Politik zu machen, nicht weniger.

Weiterhin ist wichtig zu bedenken, dass die europäischen Parteien sich zu Fraktionen zusammenschließen, die meist gemeinsam abstimmen. (Fraktionszwang gibt es jedoch keinen.) Folgende fünf Parteigruppen sind für die deutschen und schwedischen Parteien relevant.


Parteigruppe Sozialdemokraten Christdemokraten/Konserv schwedische Socialdemokraterna ative Partei(en) SPD Moderaterna, deutsche Partei(en) Kristdemokraterna CDU, CSU


Man stimmt also indirekt auch immer für die Parteien aus den anderen Ländern, die im gleichen Block sitzen wie die “eigene” Partei. Das bedeutet zum Beispiel, dass jeder, der konservativ (CDU/CSU bzw. Moderaterna oder KD in Schweden) wählt, auch für die italienische Popolo della Libertà von Berlusconi stimmt, bei der seit Kurzem auch die Neofaschisten dabei sind. Das ist für mich genauso ausgeschlossen wie andere rechtspopulistische Parteien.

Wenn es um Wirtschaftsfragen geht, bin ich im Grunde Sozialdemokrat. Mit der schwedischen SAP habe ich aber zwei Probleme. Zum einen waren die schwedischen Sozialdemokraten damals treibende Kraft bei der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung und haben aus meiner Sicht die falsche Haltung zu Urheberrechts- und Überwachungsfragen. Zum anderen gehören sie zu denen, die sich im Grunde unsicher sind, wie gut die EU für Schweden eigentlich ist. Frei bewegliche Arbeitskraft, einer der Grundpfeiler der europäischen Einigung, sehen sie als Bedrohung für das “schwedische Modell” der Tarifverträge.

Die hiesigen Linken wollen Schweden ganz aus der EU austreten lassen, stehen also außer Frage.

Was ist mit den Grünen? Wenn ich mich aus dem schwedischen Wählerregister aus- und ins deutsche eingetragen hätte, hätte ich wahrscheinlich grün gewählt. Die hiesigen Grünen haben sich aber gerade erst dazu durchgerungen, die schwedische EU-Mitgliedschaft überhaupt gutzuheißen. Sie sind gegen den Euro und den Vertrag von Lissabon, was zwar eigentlich keine für diese Wahl relevanten Fragen sind, sie mir aber extrem unsympathisch macht. Außerdem sind sie sehr links und eher mit dem Fundi-Flügel der deutschen Grünen zu vergleichen. Andererseits haben sie (neben den offensichtlichen Unweltfragen, in denen sich die schwedischen Parteien aber weitgehend einig sind) weniger Überwachung und eine Reform des Urheberrechts auf dem Programm, um privates Filesharing zu legalisieren.

Internetfragen scheinen in Deutschland gerade erst mit der “Zensursula”-Debatte in die Allgemeinheit durchzudringen. In Schweden ist man da etwas weiter. Die FRA-Debatte, das PirateBay-Urteil und das IPRED-Gesetz waren jeweils wochenlang Schlagzeilen wert und haben die Piratenpartei hervorgebracht, wie wohl den Einzug ins EU-Parlament schaffen wird (s.u.). Mit deren Programm stimme ich zwar völlig überein, habe aber trotzdem zwei Probleme mit ihnen. Zum einen ist es eine Ein-Fragen-Partei, die zu allem außer dem Schutz der Privatsphäre und der radikalen Reform der Urheber- und Patentsysteme keine Stellung beziehen. Auch wenn ich diese Fragen für lange vernachlässigt und wichtig halte, gibt auch andere wichtige Themen. Die Piraten wollen im Parlament entweder der Gruppe der Grünen oder den Liberalen beitreten und in allen anderen Fragen mit dieser Gruppe abstimmen, was ich wiederum für akzeptabel halte. Allerdings stellen sich die Piraten gegen den Lissabon-Vertrag, was erstens unnötig ist, weil das keine Frage des EU-Parlamentes ist und der Vertrag von Schweden schon ratifiziert ist, und zweitens die Piratpartei nach eigener Aussage als Nachfolger der EU-kritischen Juni-Liste platziert, die in der letzten EU-Wahl drittgrößte schwedische Partei wurde und für mich unwählbar ist.

Bleiben die Liberalen. Wenn man mit “liberal” die Stärkung der Bürgerrechte und Freiheiten meint, bin ich dafür zu haben. Wenn man damit die neoliberale Dereglierung der Märkte meint, dann nicht. Ich finde es ein wenig absurd, dass dieselbe FDP, die den Schlamassel der Banken- und Wirtschaftskrise mit ihrer Politik mitverursacht hat, in Deutschland immer bessere Umfragewerte bekommt. Das schwedische Pendant Folkpartiet ist jedoch weniger marktliberal und hat mit die beste EU-Politik.

Schweden hat noch eine zweite Partei, die in der liberalen Gruppe im EU-Parlament landen wird: Die Centerpartiet bezeichnet sich selbst als “sozial-liberale grüne Partei”. In der Tat kann man sie die zweite grüne Partei Schwedens nennen (auch gegen Kernkraft) und sie haben in den Fragen der Piratenpartei glaubwürdig ähnliche, wenn auch weniger radikale Positionen wie diese vertreten. Außerdem behauptet der EU-Profiler, sie liege mir am nächsten. Dass das Zentrum gegen die Einführung des Euro in Schweden ist, spielt ja wie gesagt bei dieser Wahl keine Rolle. Bei einer Wahl zum schwedischen Reichstag würde ich sie (wenn ich dürfte) nicht wählen.

Bei alldem ist noch gar nicht berücksichtigt, dass bei der Wahl die Direktstimmen auf dem Wahlzettel viel genutzt werden und man “seinen” Kandidaten ins Parlament schicken kann. In der Tat sind die EU-Parlamentariker recht frei und ein überzeugender Kandidat kann trotz “Fehlern” seiner Partei gute Arbeit leisten. Auf die einzelnen Kandidaten werde ich jetzt nicht noch eingehen, aber ich habe mit Interesse deren Antworten auf Bürgerfragen gelesen, die man im EU-Portal von DN findet.

Summa summarum bleiben mir zwei Möglichkeiten:

  • Piratenpartei wählen und die Kandidatin auf Platz Zwei ankreuzen. Ich habe Amelia Andersdotter vor einiger Zeit kurz getroffen und trotz ihres jungen Alters von 21 Jahren teilt sie die Torheit ihrer Partei und des Kandidaten auf Platz Eins nicht, den EU-Vertrag abzulehnen. Nebenbei würde ich die grüne Parteigruppe stützen (wenn die Piraten diese auswählen) ohne für die schwedischen Grünen stimmen zu müssen. Sollten sie bei den Liberalen landen, deckt sich das mit der zweiten Wahlmöglichkeit:
  • *Centerpartiet* oder *Folkpartiet* wählen, wahrscheinlich eher erstere. Die entscheidende Frage ist wohl, ob ich die Themen der Piraten für wichtig genug halte, für eine Ein-Frage-Partei zu stimmen (was ich an sich für problematisch halte), oder ob ich ihren ohne Frage existierenden Einfluss auf die etablierten Parteien schon ausreichend finde.

    Zuletzt noch zu den [aktuellen Umfragen](http://www.dn.se/polopoly_fs/1.884775!synovate.swf) in Schweden: Acht Parteien scheinen die 4%-Hürde zu nehmen. Die Sozialdemokraten (26%, 5 Sitze), die Moderaten (22%, 5 Sitze), Grünen und Folkpartiet mit je 11% (2 Sitze), Linke, Zentrum, Christdemokraten und Piraten mit je um die 6% und einem Sitz. Die Piraten werden also eher nicht drittstärkste Partei wie [einige behaupten](http://www.taz.de/1/politik/europa/artikel/1/piraten-werden-ins-eu-parlament-einziehen/), scheinen aber ihren Platz im EU-Parlament in der Tasche zu haben. Ich habe kurz nach einer Umfrage/Vorhersage für die Wahl in Deutschland gesucht, aber keine gefunden – seltsam. Wie wählt ihr und warum?
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Euro(pa)-Fragen

Wie schon im Herbst erwähnt, ist die Diskussion um den Euro wieder aktuell in Schweden. Man liest regelmäßig in den Zeitungen davon und erst heute morgen wurde eine Statistik veröffentlicht, die zum ersten Mal mehr Euro-Befürworter als -Ablehner zum Ergebnis hatte. Zur positiveren Einstellung habe vor allem der Eindruck beigetragen, dass sich der Euro in der Wirtschaftskrise bewährt hat, während die Krone stark an Wert verlor.

Überraschend fand ich, dass es gerade die Unter-30-Jährigen sind, die den Euro ablehnen. (Andererseits: Ich gehöre ja schon über ein Jahr nicht mehr zu dieser Gruppe.) Zudem ist die Mehrheit der Frauen gegen den Euro.

Zwei der Regierungsparteien wollen eine baldige neue Volksabstimmung zur Einführung des Euro. Premierminister Reinfeldt hält die Frage jedoch nicht für aktuell, solange die Ja-Seite (zu der er und seine Partei auch gehören) untereinander zersplittert ist. Es wird also wohl noch eine Weile dauern bis Schweden zur EMU gehört.

Und weil wir gerade bei Europa sind: In weniger als zwei Wochen ist Wahl. Wer seinen Standpunkt zu einigen Fragen mit denen der Parteien vergleichen will, kann das auf euprofiler.eu tun. Interessant ist hierbei, sich sowohl die deutschen als auch die schwedischen Parteien einblenden zu lassen:

Parteienvergleich

Wie man sieht decken die etablierten Parteien in Schweden ein größeres Spektrum auf der vertikalen Achse ab; die deutschen streuen dagegen stärker auf der links-rechts-Skala. Wie sehr das der Wirklichkeit entspricht sei dahingestellt, die Anzahl der Fragen ist schließlich sehr begrenzt.

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Schweden und die EU(-Wahl)

Heute ist Europatag und ich hoffe sehr, dass jeder schon von der Wahl zum Europaparlament am 7. Juni weiß.

Vom Nachrichtenlesen im Netz bekomme ich den Eindruck, dass diese Wahl in Deutschland recht wenig Aufmerksamkeit bekommt. Man blickt stattdessen schon auf die Bundestagswahl im Herbst. In Schweden, wo bei Wahlen immer eine feierliche Stimmung herrscht und man stolz auf die generell hohe Wahlbeteiligung ist, gab es vor ein paar Wochen den Weckruf, dass laut Umfragen nur ein Bruchteil der Bevölkerung über diese Wahl Bescheid wusste.

Seitdem nehmen die Medien ihre Aufgabe durchaus ernst: Es wird täglich (!) berichtet, die Wahl kommt aufs Titelblatt und prominent auf die Webseiten der großen Zeitungen, inklusive Hintergrundinformation darüber, wie die EU funktioniert. Die bisherigen Parlamentarier der Parteien werden unter die Lupe genommen und ihr Stimmverhalten im EU-Parlament kritisch beurteilt. Die Parteien machen echten Wahlkampf mit ihren Programmen und diese werden aktiv diskutiert. In den vier Wochen bis zur Wahl wird diesbezüglich sicherlich noch einiges passieren.

Natürlich sind auch hierzulande die nationalen Wahlen noch wichtiger als die auf EU-Niveau, aber ich glaube behaupten zu können, dass die Situation in Schweden nicht ganz so betrüblich ist wie in Deutschland.

Wie sehen die aktuellen Umfragen aus? Der Abwärtstrend der Sozialdemokraten setzt sich fort und sie liegen mit knapp 30 Prozent gleichauf mit der Moderaten-Partei von Premierminister Reinfeldt. Zum ersten Mal seit 1914 könnten die Sozialdemokraten ihren Platz als stärkste Partei in einer landesweiten Wahl verlieren. Die EU-kritische “Juni-Liste”, die bei der EU-Wahl 2004 über 14 Prozent der Stimmen bekam, scheint wieder in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden. Die fünf kleineren Parteien des schwedischen Parlaments scheinen bei der EU-Wahl schlecht abzuschneiden.

Immer mehr Aufmerksamkeit bekommt hingegen die Piratenpartei. Die Vorhersagen sehen sie zwischen 5 und 8,5 Prozent, also möglicherweise als drittstärkste Kraft mit zwei der 19 schwedischen Mandate im Europaparlament. Hier kommt es stark darauf an, wie gut es gelingt, die vor allem jungen Sympathisanten an die Urnen zu bringen. Außerdem ist es für neue Parteien eine logistische Herausforderung, die Wahlzettel auf alle Wahllokale zu verteilen. Man wählt in Schweden, indem man den Wahlzettel der jeweiligen Partei ins Wahlkuvert steckt und eventuell einen der Kandidaten in der darauf gedruckten Parteiliste ankreuzt. Nur Parteien, die schon im Parlament sind, bekommen von der Wahlorganisation Unterstützung mit der Distribution der Zettel.

Von der Wahl ganz abgesehen steht die schwedische EU-Ratspräsidentschaft vor der Tür: Vom 1. Juli bis Ende des Jahres wird Fredrik Reinfeldt “EU-Chef”. Glaubt man den Beobachtern, ist die schwedische Regierung schon jetzt heimlicher Ratspräsident, denn die Tschechen, die Anfang des Jahres von Frankreich übernommen haben, befinden sich in einer landesinternen Krise. Ein Misstrauensvotum hat dort die Regierung zu Fall gebracht und gestern übernahm eine Übergangsregierung die Führung bis zur Neuwahl im Oktober. Dass dieser Teamwechsel eine Führungsrolle in der EU sehr schwer macht, ist leicht einzusehen.

Deshalb musste sich die schwedische Ratspräsidentschaft flexibel zeigen und schon im Vorfeld Verantwortung übernehmen. Zum Beispiel führte Reinfeldt die Energieverhandlungen als US-Präsident Obama in Prag war. Auch zum Gipfeltreffen im Juni, bei dem der Nachfolger von Barroso vorgeschlagen werden soll, ist Schweden bereit einzuspringen. Dagegen will man möglichst verhindern, auch noch die zusätzlichen Versicherungen an Irland bezüglich des Lissabon-Vertrages ins eigene volle Programm zu bekommen. Das soll noch vorher fertig werden, damit dort eine neue Volksabstimmung stattfinden kann.

Die bevorstehende Ratspräsidentschaft hat auch innenpolitische Konsequenzen. Reinfeldt hat die Opposition um einen “Burgfrieden” gebeten, damit die Präsidentschaft so ungestört wie möglich durchgeführt werden kann. Das wäre gut für Schweden als Ganzes und würde auch den Sozialdemokraten nutzen, sagt er. Ob ein solcher Frieden sinnvoll ist, darum wird eifrig gestritten und die Oppositionsparteien sind von der Idee wenig begeistert. Thomas Bodström, ehemals sozialdemokratischer Innenminister, nennt Reinfeldt in diesem Zusammenhang gar einen Heuchler: Dieser sei nämlich während der letzten schwedischen Ratspräsidentschaft 2001 wie ein Iltis im Reichstag herumgerannt, um ein Misstrauensvotum gegen den damaligen sozialdemokratischen Regierungschef Göran Persson auf die Beine zu stellen.

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Bahnhof gegen IPRED

Fast so großen Aufruhr wie letzten Sommer das FRA-Gesetz, das dem militärischen Geheimdienst Försvarets Radioanstalt das Abhören jeglicher kabelgebundener Kommunikation erlaubt (ja, es ist mittlerweile in Kraft, soll aber noch einmal angepasst werden), hat es in den letzten Wochen um das IPRED-Gesetz gegeben, das zum 1. April in Kraft trat.

Dabei handelt es sich um die schwedische Umsetzung der EU-Richtlinie “zur Durchsetzung von geistigem Eigentum”, nach der Internet-Anbieter verpflichtet sind, die Person hinter einer IP-Adresse an die Musik- oder Filmindustrie herauszugeben, wenn diese meint, dass von dieser Adresse aus illegal geschütztes Material heruntergeladen oder verbreitet wurde. Hauptkritikpunkt am Gesetz ist, dass man Aufgaben der Polizei (sprich: die Ermittlungsarbeit) an Verbände abgibt, die ein klares Interesse verfolgen und deshalb wenig Objektivität erwarten lassen.

Angeblich brach der schwedische Internetverkehr nach dem 1. April wegen IPRED um 30 Prozent ein, aber diese Meldung basierte auf einem einzigen Tag und wurde seitdem so oft wiederholt, dass es jeder für wahr hält. Ich würde lieber einen längeren Ausschnitt aus der Statistik sehen, bevor ich das glaube. Außerdem scheint legales Herunterladen zu boomen. Doch all das nur am Rande.

Worauf ich eigentlich hinauswollte ist, dass das Gegenstück zur IPRED-Richtlinine, die Vorratsdatenspeicherung, in Schweden noch nicht umgesetzt worden ist. (In Deutschland ist es meines Wissens genau umgekehrt.) Das bedeutet, dass die Netz-Anbieter zwar Benutzerdaten zu IP-Adressen herausgeben müssen, aber nicht verpflichtet sind, sie zu speichern. Das macht sich der schwedische Internet-Pionier Bahnhof jetzt zunutze und verkündet als erster Anbieter, die Daten, die im Zweifelsfall wegen des IPRED herausgegeben werden müssten, erst gar nicht zu speichern und somit das Gesetzt unwirksam zu machen ohne es zu brechen.

Ich kann mir gut vorstellen, dass das ein Verkaufsargument ist und Leute über Wechsel ihres Anbieters nachdenken lässt. Vielleicht ziehen die anderen großen Provider ja auch nach.

Da es lose zum Thema gehört, sei noch erwähnt, dass morgen Freitag das Urteil im Prozess gegen die Pirate Bay verkündet wird.

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EU-Vorsitz

Mitte des Jahres wird Schweden den EU-Ratsvorsitz von den Tschechen übernehmen. Heute wurde das Logo und die (noch ziemlich leere) Webseite vorgestellt: www.se2009.eu

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"Europas Umwelthauptstadt 2010"

So darf sich Stockholm jetzt nennen. Der Titel ist nicht wie der oft belächelte und die Nachbarländer verärgernde Slogan Capital of Scandinavia selbst ausgedacht, sondern wurde gestern von der EU-Kommission verliehen. Im Jahr darauf trägt Hamburg dieselbe Auszeichnung.

Aus der Pressemitteilung:

Besonders beeindruckt war das Auswahlkomittee von dem umfangreichen Programm Stockholms zur Verbesserung der Lebensqualität durch Wasseraufbereitung, Lärmreduzierung, integrierte Abfallwirtschaft, verkehrsabhängige Straßennutzungsgebühren und die Schaffung neuer Erholungsgebiete wie Badestrände.

Wohlgemerkt geht es hier um eine langfristige Entwicklung über die letzten Jahrzehnte, auch wenn die momentane Verwaltung die Lorbeeren einstreichen darf.

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