Ich kann mich beileibe nicht als Kenner schwedischer Filme bezeichnen.
Ich habe es nicht einmal geschafft, mir nach dem Tod von
Bergman
einige seine Werke anzusehen. Ein schwedischer Film vom letzten Jahr,
den ich neulich gesehen habe, muss jedoch hier endlich lobend erwähnt
werden. “Darling” heißt dieser Film und ist der erste Langfilm des
Stockholmers Johan Kling.
Die beiden Hauptpersonen könnten unterschiedlicher nicht sein. Eva ist
eine “Östermalmsbrud” wie aus dem Lehrbuch: eine verwöhnte
Mittzwanzigerin aus dem Stockholmer Nobelviertel Östermalm, arrogant,
gelangweilt, bösartig, gefühlskalt. Bernhard ist ein paar Jahre vor der
Rente und so weich, nett und zuvorkommend, dass es wehtut. Er hat volles
Verständnis dafür, dass seine Frau ihn für einen jüngeren Verlassen hat
und dass seine Tochter so wenig wie möglich mit ihm zu tun haben will.
Er ist auf Arbeitssuche und kann sich das Haus nach der Scheidung nicht
mehr leisten, was er nervös jedem ohne Aufforderung erzählt.
Im Laufe des Films erlebt man – nicht ohne Genugtuung – den Abstieg von
Eva, die ihre Arbeit verliert, weil sie lieber mit Freunden telefoniert
anstatt ihrer Verkäufertätigkeit in einer Boutique nachzukommen. Ihr
Freund verlässt sie nach einem Seitensprung und sie bekommt die Attitüde
ihrer “Freunde” zu spüren, die – genau wie sie selbst bis eben – mit
“Verlieren” lieber nichts zu tun haben wollen. Sie verschuldet sich,
weil sie ihren teuren Lebensstil nicht aufgeben kann. Um
Arbeitslosengeld bekommen zu können, heuert sie schließlich bei
McDonalds an. Dort stößt sie auf Bernhard, der dort glücklich mit seiner
festen Stelle ist, nachdem er zuvor seine Probeanstellung als
Modemverkäufer nicht verlängert bekam, weil seine Yuppie-Chefs von Evas
Schlag fanden, er passe mit seinem Alter nicht ins moderne Firmenprofil.
Evas Einstellung zur Arbeit bei McDonalds könnte abfälliger nicht sein,
Bernhard muss ihr helfen und das ungleiche Paar freundet sich
miteinander an. Für eine Weile sieht man Menschlichkeit in Eva
aufkommen.
Doch die Freundschaft hält nur kurz, denn Eva nutzt die erste
Gelegenheit, wieder in die Kreise der High-Society zurückzukehren. Der
Film endet bedrückend: Bernhard wohnt im Keller seiner Tochter, die ihn
loswerden möchte; Eva ist in einer weiteren kalten Beziehung mit einem
Ekel von Mann und wird Boutiquechefin, eine Zumutung für den Zuschauer,
nachdem man sich zuvor in zahlreichen tragikomischen Szenen von Evas
Unfähigkeit, selbst zurechtzukommen, überzeugt hat. Mit sehr einfachen
Mitteln ist es Kling in Darling gelungen, bewegende, vielschichtige,
doch unaufdringliche Gesellschaftskritik zu üben, die einen nicht kalt
lässt. Man wird nachdenklich, welchen Menschen die Gesellschaft “Erfolg”
beschert oder, umgekehrt, was Erfolg bzw. dessen Ausbleiben mit Menschen
macht.
Darling lief letztes Jahr auf einigen deutschen Filmfestivals, auch
auf der
Berlinale.
Ich bezweifle, dass der Film je ins Deutsche übersetzt werden wird und
die hier in Schweden erhältliche DVD hat leider nur schwedische und
norwegische Untertitel. Allen, die damit zurecht kommen, sei Darling
aber hiermit ans Herz gelegt.