Ein Jahr ist vergangen seit die schwedische Opposition den
Gesetzesvorschlag vorläufig
gestoppt
hat, der der FRA (Försvarets radioanstalt,
wörtlich die “Radioanstalt der Streitkräfte”) das Abhören des Internet
zu erlauben soll. Die Vorgeschichte dazu kann man in mehreren
Abschnitten hier im Blog unter dem Schlagwort
Überwachung nachlesen.
Zur Erinnerung: Oben genannte Behörde soll das Recht bekommen, jeglichen
Datenverkehr, der über das Internet die schwedischen Grenzen passiert,
abzuhören und bei Bedarf zu speichern – pauschal, ohne Verdachtsmoment
und ohne richterlichen Beschluss. Wohlgemerkt geht es nicht um die
Vorratsdatenspeicherung,
bei der die Verbindungsdaten (wer wann mit wem von wo aus kommuniziert)
gespeichert werden, sondern um die Inhalte der Nachrichten, zum
Beispiel von Emails. Alle Kommunikation zu speichern ist technisch noch
nicht machbar, deshalb soll anhand von Suchbegriffen vorsortiert werden.
Auch das braucht bei der Menge an Datenverkehr eine Menge
Rechenkapazität, aber zu diesem Zweck hat die FRA schon einen
Supercomputer bekommen, der auf Platz 5 der weltweiten
Rangliste
steht.
Mitte des Monats geht der
Gesetzesvorschlag zur
zweiten Abstimmung ins schwedische Parlament, den riksdag. Das
vergangene Jahr mit dem parlamentarischen Aufschub war laut
Grundgesetz
für Diskussionen gedacht. Diese fand aber nicht statt, weder zwischen
den großen Parteien, noch in den Medien. Auch jetzt, kurz vor dem
Beschluss, schweigen die schwedischen Medien zu dem Thema
fast gänzlich.
Lediglich die Piratenpartei versucht,
unter anderem mit Demonstrationen die nötige Öffentlichkeit zu schaffen.
So kam auch im Ausland ein wenig Aufmerksamkeit zustande: im
Register,
auf Slashdot
und auf
Heise.de.
Die Beteuerung der Gesetzesbefürworter, dass nur der Datenverkehr über
die schwedischen Grenzen betroffen sein wird und damit die Schweden
selbst nur indirekt, ist lächerlich, wenn man weiß wie dezentral das
Internet aufgebaut ist, und dass Datenpakete Landesgrenzen frei und oft
passieren. Einige schwedische Behörden verwenden sogar ausländische
Dienstleister für ihre elektronische Kommunikation. Große Firmen ziehen
die ersten Konsequenzen: TeliaSonera, der Zusammenschluss der ehemals
staatlichen Telekom-Firmen Schwedens und Finnlands, hat zum Beispiel
schon Server nach Finnland ausgelagert, weil sie nach dortigem Recht für
die Privatsphäre ihrer Kunden sorgen müssen – vor Schweden also. Google
hat angekündigt, keine Server mehr in Schweden zu betreiben, sollte das
Gesetz durchgehen.
Das eigentlich Skandalwürdige an der ganzen Sache ist jedoch, dass die
FRA nach Aussage ihres eigenen Chefs schon lange die fraglichen
Abhörmaßnahmen anwendet und dazu auch den Auftrag bekommen hat. In einem
Gespräch mit Rick
Falkvinge
gibt dieser zu, dass das gegen die europäische
Menschenrechtskonvention
verstößt und damit gegen das schwedische Grundgesetz, das diese
beinhaltet. Anstatt diesen Grundgesetzbruch zu untersuchen und zu
ahnden, soll er also nachträglich legitimiert werden. Und außer einer
relativ kleinen Gruppe Aktivisten und besorgter Bürger, schert sich
keiner darum.
Dem Gesetz wird aller Voraussicht nach am 17. Juni wieder zugestimmt
werden und es wird dann bald in Kraft sein. Es wird also Zeit, seine
Emails zu verschlüsseln.
Zum Abschluss sei noch einmal auf das tolle Lied über den Storebror
FRA
hingewiesen.
Nachtrag 080609: Immerhin gibt es jetzt eine Anfrage im
Parlament
zum illegalen Abhören, initiiert von einem Politiker der schwedischen
Grünen.