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Von Schlafsäcken zur Gesellschaft

Wir hatten in den letzten beiden Wochen nach ein paar Monaten Pause wieder einmal Gäste, auch wenn wir uns immer wundern, warum Leute um diese Jahreszeit in unsere Breiten reisen. Zuerst hatten wir fünf Jungs Anfang zwanzig aus Portugal, die wie erwartet einiges Leben in unsere nicht allzu große Wohnung gebracht haben. Und heute morgen ist ein Pärchen aus dem Harz, das zwei Nächte bei uns verbracht hat, wieder abgereist.

Die beiden hatten im Zug einen Schlafsack liegen lassen und auf der Suche nach dem Fundbüro im Bahnhof von Stockholm erfuhren wir, dass es sogar eine Internetseite gibt, die tagesaktuell alle Fundsachen auflistet. Sehr nett, aber nicht sonderlich überraschend, wenn man in Schweden lebt. Es gibt viele kleine praktische Dinge des Alltags, bei denen das Internet sinnvoll genutzt wird. Unsere deutschen Gäste hat die Existenz dieser Seite sehr erstaunt und zudem, dass so viel abgegeben wird, inklusive neuerer Handys und MP3-Player.

Meine Antwort mag klischeehaft gewesen sein, aber ich bin nach wie vor der Ansicht, dass in Schweden generell ein größeres Gefühl der gegenseitigen Solidarität herrscht als anderswo. Ob man etwas gefundenes abgibt oder behält, ist nur eines der unzähligen Beispiele, wo die simple Abwägung des eigenen Vorteils gegenüber dem der Gemeinschaft zum tragen kommt. Sehe ich meine Mitmenschen als Konkurrenten, die ich übervorteilen will sooft ich kann, oder als potentielle Freunde, mit denen zusammen man am liebsten eine angenehme gesellschaftliche Atmosphäre schaffen will? Natürlich gibt es auch in Schweden solche und solche, aber angenehmerweise mehr vom letzteren Schlag, finde ich.

Zurück zu den Gästen. Neben den beiden Platzhirschen CouchSurfing und HospitalityClub gibt es noch ein drittes Netzwerk, um bei Leuten unterzukommen beziehungsweise Reisenden einen Schlafplatz anzubieten: BeWelcome hat zwar bisher noch viel weniger Mitglieder, aber als einziges den Ansatz einer demokratischen Organisation als Unterbau, anstelle einzelner allmächtiger Personen.

Mitgliedschaft empfohlen: BeWelcome

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Dänemark sperrt die Pirate Bay

Ein dänisches Gericht hat Internetanbieter dazu verurteilt, den Zugang zur schwedischen Dateitauschseite The Pirate Bay zu unterbinden. Vor längerem wurde schon die (nicht mehr existierende) russische Seite AllOfMp3 auf die gleiche Art in Dänemark “abgeschaltet”.

Die Argumente, warum das schlecht ist, sind zahlreich:

  • Die Pirate Bay ist vorrangig eine Suchmaschine ähnlich Google und bietet selbst keine illegalen Inhalte an.
  • Selbst wenn man dort urheberrechtlich geschütztes Material findet, sperrt man alle legalen Angebote mit aus. Es gibt zum Beispiel mittlerweile zahlreiche Bands, die die Pirate Bay als Vertriebskanal benutzen.
  • Die Blockade lässt sich technisch leicht umgehen, schränkt aber trotzdem die Auswahl des unbedarften Internetnutzers ein.
  • Die Zensur des Internets passt nicht zu einem freiheitlichen Staat, sondern ist charakteristisch für repressive Regime wie China oder Nordkorea. Und den Wünschen eines Interessenverbandes zu genügen, ist kein ausreichender Grund dafür.

    Mehr dazu auch [bei der Piratenpartei](http://www.piratpartiet.se/nyheter/pressmeddelande_danmark_censurerar_internet_blockerar_the_pirate_bay).
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In aller Kürze

  • Das Internet ist in Schweden so verbreitet, dass die Anzahl der Nutzer nicht mehr wächst. Gut 80% der Menschen nutzen das Internet hierzulande und wenn ich mich recht erinnere, liegt diese Zahl in Deutschland etwa 10% niedriger.
  • Das Wappen der nordischen Schlachtgruppe wurde entmannt.
  • Ob es sich beim angeblich so großen Widerstand schwedischer Politiker gegen die Gaspipeline durch die Ostsee um mehr als Lippenbekenntnisse handelt, wird man wohl erst noch sehen müssen.
  • Am 21. Dezember wird Schengen um die baltischen Staaten und die östlichen Nachbarn Deutschlands und Österreichs erweitert. Das wusste ich bis eben nicht, finde es aber selbstverständlich gut.
  • Wenn Schweden reisen, bevorzugen sie den Pass, nicht den Personalausweis, den es zwar gibt und der in Europa auch gültiges Reisedokument ist, aber kaum nachgefragt wird, weil innerhalb Schwedens der Führerschein oder die ID-Karte von Post und Banken üblicher sind. Mehr zu dem Thema bei Fabian.
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Internet kaputt

So ein Wochenende, an dem das Internet zuhause ausgefallen ist, erscheint im ersten Moment erschreckend. Dann ist es aber doch ganz entspannend.

Gestern nachmittag war ich auf einer Fotomesse in Stockholm und habe viel zu teure Spielzeuge begrapscht.

Und jetzt schreibe ich endlich das Wort der Woche…

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Zweimal Vorratsdatenspeicherung

In Deutschland steht die Vorratsdatenspeicherung kurz vor dem Beschluss im Bundestag. Zur Erinnerung: Es geht darum, dass sämtliche Telekommunikationsdaten (nicht die Inhalte) ein halbes Jahr auf Vorrat gespeichert werden sollen. Das betrifft unter anderem Telefongespräche (wer mit wem), Emails und das Surfverhalten aller im Internet.

Es regt sich Protest in letzter Sekunde, eine Verfassungsklage ist schon in Arbeit und dank der Arbeit des AK Vorrat gingen gestern wieder viele auf die Straße, um den Überwachungsstaat zu verhindern. Ein ehrliches Danke an alle Aktiven, die sich dafür einsetzen, dass mein Heimatland während meiner Abwesenheit nicht verhunzt wird.

Auf der gleichen EU-Direktive von 2006 beruht auch der Report der Voruntersuchung für das entsprechende Gesetz in Schweden, der heute bekannt wurde. Radio Schweden schreibt dazu:

Schwedische Telefonkunden [müssen] damit rechnen, dass ihre elektronischen Daten sogar ein ganzes Jahr gelagert werden. [...] Die Polizei [soll] Zugang zu den Daten haben. Weiter sieht der Vorschlag vor, dass die Informationen bei Bedarf an amerikanische Behörden weitergegeben werden dürfen.

Schauerlicherweise ist damit zu rechnen, dass sich in Schweden keine der Parlamentsparteien dagegen stellt, alle Bürger unter Generalverdacht zu stellen, bloß weil es angeblich und unbewiesenermaßen der Terrorismus- und Verbrechensbekämpfung dient. Es war nämlich nicht zuletzt die alte sozialdemokratische Regierung und ihr Justizminister Thomas Bodström, auf deren Mist die umstrittene EU-Direktive gewachsen ist. Und die jetzige bürgerliche Regierung hat sich bisher nicht damit profiliert, die Privatsphäre der Schweden zu schützen.

Bleibt nur noch die Piratenpartei.

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Kurze Webseiten

Laut den Regeln der Denic müssen alle Namen von Internetseiten, die mit .de enden, mindestens drei Buchstaben haben. Kürzer als taz.de geht also nicht.

In Schweden sind Domainnamen mit nur zwei Zeichen vor dem .se an der Tagesordnung und es gilt nicht selten, dass die wichtigsten Seiten die kürzesten Namen haben. Das liegt teilweise darin begründet, dass bis 2003 die Regeln für .se sehr restriktiv waren und nur von landesweit agierenden Firmen und Organisationen in Anspruch genommen werden konnten.

Auf jeden Fall erspart es Schreibarbeit und hat genug System, dass man nach einiger Zeit recht gut darin wird, Adressen zu raten. Ein paar Beispiele:

  • sf.se ist die Svensk Filmindustrie, dort bucht man seine Kinokarten. sj.se ist SJ, früher Statens Järnvägar, also das schwedische Äquivalent zu bahn.de.
  • vr.se ist der Vetenskapsrådet, die staatliche Einrichtung zur Finanzierung von Forschung.
  • ul.se ist Upplands Lokaltrafik, dort erfährt man also Verbindungen und Zeitpläne der öffentlichen Verkehrsmittel in und um Uppsala. Was sl.se ist, kann man sich denken.
  • ud.se wird zwar weitergeleitet, aber man kommt zum Außenministerium, dem Utrikesdepartementet.
  • Ohne es nachzuprüfen, wette ich, dass sich hinter gu.se die Uni in Göteborg verbirgt, schließlich ist uu.se die hiesige, su.se die Stockholmer und lu.se die Uni Lund.
  • dn.se ist die größte schwedische Tageszeitung und gp.se die Konkurrenz von der Westküste. Die andere große landesweite Zeitung, das Svenska Dagbladet, hat immerhin drei Buchstaben: svd.se
  • sr.se ist Sveriges Radio und svt.se das Fernsehen.
  • [mp.se](http://www.mp.se) ist die *Miljöpartiet* (die schwedischen Grünen), die jedoch meines Wissens die einzige Partei mit einem so kurzen Domainnamen ist. Was hab’ ich vergessen?
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Weiterhin keine Anklage

Anderthalb Jahre ist die Razzia bei der Pirate Bay jetzt her. Eine Anklage gibt es immer noch nicht und der Staatsanwalt hat gerade weiteren Aufschub angekündigt. Immerhin werden jetzt die meisten Server zurückgegeben, darunter viele, die nicht das geringste mit der Pirate Bay zu tun hatten.

Warum man 18 Monate brauchte, die Festplatten zu kopieren, erfährt man nicht und die Vermutung, dass wie erwartet nichts illegales gefunden wird, bleibt noch eine Weile unbestätigt.

Nachtrag: Fast hätte ich es vergessen. Vor kurzem ist eine große Menge Email-Korrespondenz an die Öffentlichkeit gelangt, die zu belegen scheint, dass Platten- und Filmfirmen aktiv Hacker angeheuert haben, um die Pirate Bay zu sabotieren. Diese hat deswegen eine eigene Klage eingereicht. Die Liste mit beschuldigten Firmen hinter diesem Link liest sich wie das “Who’s who” der Industrie.

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Zensur auf Regierungsrechnern

Auf den Rechnern der schwedischen Regierung wurde ein Filter installiert, der es unmöglich machen soll, von dort “unanständige” Internetseiten aufzurufen. Es geht um Pornographie, Gewalt und rassistische Inhalte.

Kann mir jetzt bitte jemand erklären, wie sich der Gesetzgeber ein vollständiges Bild von vielleicht regulierungsbedürftigen Inhalten machen soll, wenn jemand anders – wer bestimmt, was unanständig ist? – für ihn entscheidet, was er zu sehen bekommt und was nicht? Sich selbst zu zensieren, halte ich für einen der größeren Böcke, den die jetzige Regierung geschossen hat.

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Mickyschuft

In gewisser Weise ist es verständlich, dass eine Konsensgesellschaft anfällig gegenüber harsch auftretenden Akteuren ist, trotzdem ist es ein hässliches Spiel.

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Austauschblogger

Die Austauschstudenten für dieses Semester sind schon wieder in der Stadt und nehmen am Sprachkurs und verschiedenen Einführungsveranstaltungen teil. Wenn ich mich recht an 2001 erinnere, als ich selbst in dieser Situation war, geht es vor allem darum, das schwedische System der Universität grob zu durchschauen, die Kurse, die einem zusagen, zu wählen, sich eine Nation auszusuchen und sich mit so vielen anderen Austauschstudenten wie möglich bekannt zu machen und zu feiern.

Als ERASMUS-Student nach Uppsala zu kommen, ist denkbar einfach. Man bekommt ein Zimmer in einer der Studentensiedlungen gestellt und viele Kurse werden auf Englisch gehalten, sobald ein Student dabei ist, der kein Schwedisch kann. Es kommen jeden Herbst einige Hundert Austauschstudis hierher und meines Wissens sind Deutsche mit über einem Drittel die größte Gruppe. Die Nationen haben sogar jeweils eigene Personen, internationell sekreterare genannt, die versuchen, die Gäste einzubinden und eigene Veranstaltungen und Ausflüge organisieren.

Einige der deutschen Studenten schreiben auch Blogs, meist um den Daheimgebliebenen einen Eindruck von der Zeit im Ausland zu geben. Die Seiten vom letzten Jahr habe ich erst vor kurzem aus der Liste mit Blogs, die ich lese, geworfen, weil sie nicht mehr aktualisiert wurden. Leider war es nicht selten so, dass – nach einigen anfänglichen Beiträgen – Stille im Blog herrschte, aber vielleicht ändert sich das ja dieses Jahr.

Das erste frische Austauschblog, auf das ich heute aufmerksam wurde, ist unter vanessa84.wordpress.com zu lesen.

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