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Wem gehört die Flagge?

“Bin ich Schwede?” fragt Maciej Zaremba den Parteichef der Schwedendemokraten, Jimmie Åkesson, als sie sich treffen. “Das weiß ich nicht, ich treffe dich zum ersten Mal”, antwortet dieser. Was meint er damit? Im vierten Teil der Artikelserie Warten auf Schweden versucht Maciej Zaremba, die Angst vor den Fremden zu verstehen und trifft auf die Trauer um das verlorene Folkhemmet^1^.

Die Kirche in Rinkeby steht meistens leer, die Moschee ist überfüllt. Aber nur erstere ist auf der Karte der Gemeinde eingezeichnet. Ich stelle mich mit einer jüdischen Kippa auf dem Kopf vor die Moschee, man sagt schließlich es sei unbehaglich für einen Israeli, sich in diesen Vierteln aufzuhalten. Stunden vergehen, Menschen gehen ein und aus, nichts passiert. Ich gehe weiter nach Tensta. Endlich, an der Bar kommt die Frage: “Was hast du auf dem Kopf?” Mir bleibt keine Zeit zu antworten bevor eine Stimme hinter mir “Symbol! Er ist Jude!” ruft. Zu der Stimme gehören breite Schultern, eine schwarze Lederjacke und ein schiefes Lächeln. “Du, ich bin zwar Moslem, aber wir sind wie Juden! Wir hassen auch Araber!”

Tun wir? Er ist irakischer Kurde. “Das Land, das es nicht gibt. Araber haben mein Land zerstört!” Aber jetzt, sage ich schnell, um das Thema Araber zu beenden, jetzt scheint ihr doch ein Kurdistan im Norden des Iraks zu bekommen. “Du”, sagt er, “jetzt sind es die Kurden, die sich selbst ihr Land kaputt machen. Zwei Banden mit Banditen, die um die Macht kämpfen. Pfui Teufel! Soll ich ehrlich sein? Soll ich?” Er sieht sich um, senkt die Stimme und beugt sich vor: “Du, wenn es Krieg gibt, kämpfe ich für Schweden. Viel besseres Land.”

Auf welche Stufe der Integrationstreppe sollen wir diesen Kejal stellen? Laut Integrationsministerin Nyamko Sabuni ist die Frage falsch gestellt. Nicht wir haben die Macht zum Beurteilen, findet sie und sagt “Integriert ist man wenn man ‘Ja, ich will leben, ich will sterben im Norden’^2^ sagt – nicht im Kongo – und wenn man das auch wirklich meint.”

Keine schlechte Antwort, denke ich mir. Dieses Gefühl setzt voraus, dass man die Bräuche des Landes mag und wie Kejal bereit ist, für sie einzutreten. Was kann man mehr verlangen?

Jimmie Åkesson verlangt viel mehr. Nach dem Programm der Schwedendemokraten soll die Staatsbürgerschaft im Prinzip ein Privileg für Schweden sein. Und “Schwede ist der, der sich selbst als Schwede sieht und von anderen als solcher wahrgenommen wird”. Ich fahre nach Kristianstad, um herauszufinden was das bedeutet.

“Man muss schwedische Werte haben”, sagt Åkesson. “Man braucht unsere Sichtweise auf Demokratie und Gleichberechtigung – nein, das war falsch – auf das Verhältnis zwischen Mann und Frau. Und wie wir uns um Tiere kümmern.”

Reicht das? “Nein, dazu kommt noch die Kombination aus Körpersprache und solchen Dingen. Dass man pünktlich ist und sich in die Schlange stellt, zum Beispiel.” Und dann die Äußerlichkeiten. “Eine Frau mit Kopftuch, die einem nicht die Hand gibt, kann keine Schwedin sein”, sagt er, “auch kein Sikh mit Turban”.

Die Schwedendemokraten haben eine Kulturtheorie. Menschen geht es am besten unter ihresgleichen. Ein hoher Grad an ethnischer und kultureller Gleichheit ist Voraussetzung für eine funktionierende Gesellschaft. (Deshalb war es ein Fehler, die Staatskirche abzuschaffen.) Also hat jede Kultur das Recht, ihre “ursprüngliche” Eigenheit zu beschützen. Hier bedienen sich die Schwedendemokraten beim Weltnaturschutzbund: Jede Kultur muss wie eine bedrohte Art bewahrt werden, der Vielfalt zuliebe. Bewahrt wird, indem man Vermischung mit anderen vermeidet. Deshalb sollte jede Kultur in einem eigenen Staat wohnen. Ein Volk, eine Nation, ein Staat.

Ich verstehe, dass vor diesem Hintergrund die ethnische Säuberung auf dem Balkan ein Fortschritt für die Vielfalt der Kulturen war, auch wenn ein paar Leute bei dem Coup heimatlos wurden. Deshalb frage ich den Parteichef nach der Zigeunerkultur. Schließlich ist diese auch eine Kultur, oder? Ja, ist sie. Und unvereinbar mit der schwedischen sei sie. Und sie soll bewahrt werden, der Vielfalt zuliebe? “Ja, genau so wie alle anderen Kulturen.” Wo denn? Da weiß Åkesson keine rechte Antwort darauf, welchen Landstrich die Roma für sich beanspruchen. Vielleicht weiß ich es besser? Aber solange sie in Schweden wohnen sollen sie wie Schweden werden.

Wie muss man werden, um “von anderen als Schwede wahrgenommen” zu werden? Bin ich für dich Schwede? frage ich Åkesson. “Das könntest du sein.” Könntest? “Ich weiß es nicht, ich treffe dich zum ersten Mal… eine tiefere Analyse ist auf die Schnelle schwer. Ich helfe ihm ein wenig: Ich habe zehn Jahre länger als du in Schweden gelebt und kann die Kultur wahrscheinlich ein wenig besser, weil es mein Beruf ist. Schwede?

“Ich kann das nicht beurteilen”, sagt Åkesson, “weil es nicht selbstverständlich ist, mit welcher Kultur du dich identifizierst. Ich nehme an du kommst aus einem anderen Land.” Dann erklärt er, warum man als Schwede kein Durcheinander bei der Zugehörigkeit haben kann. Man hat sich hauptsächlich schwedisch zu fühlen, nichts anderes nebenher.

Deshalb bin ich schließlich als zweifelhaft einzuordnen, zusammen mit Cornelis Vreeswijk, Nyamko Sabuni und Zlatan Ibrahimovic^3^, zu dem es laut Åkresson so manche offene Frage gibt. Zlatan ist nicht in Schweden geboren. Er gibt sich individualistisch; das ist unschwedisch. Er hat gesagt, dass er für Bosnien spielen will! Und Jackie Arklöv^3^? “Ohne Zweifel Schwede. Er ist ja schwedisch erzogen worden und kennt keine andere Kultur neben der schwedischen.

Aha. Für Åkesson ist das “Schwedentum” eine warme Wertegemeinschaft, die dafür sorgt, dass man versteht und sich untereinander wohl fühlt. Und er empfindet dies offenbar mit Jackie Arklöv, aber nicht mit Vreeswijk, Sabuni oder mir. Ob er versteht, was er da sagt? Ich mache einen letzten Anlauf. Er hat gesagt, dass er Laila Freivalds als schwedisch wahrnimmt, obwohl sie aus Lettland eingewandert ist. Warum ist er dann nicht bereit, Nyamko Sabuni, die auch als Kind hierher kam, als genauso gute Mitbürgerin zu akzeptieren?

“Ich habe einfach keine Lust, das zu wollen.”

Das sagt er zwei Mal, es ist also kein Lapsus. Aber woher soll ich wissen, ob das Augenzwinkern den Rassisten oder den Folkhemmet-Nostalgikern gilt? Ist Sabunis Fehler, schwarz zu sein – oder vielleicht dass sie zu den Liberalen gehört – und so markant urban ist?

Das “Folkhemmet” ist für die Schwedendemokraten nämlich genauso positiv aufgeladen wie in den Leitartikeln des Dala-Demokraten. Und wenn man nachschaut, findet man kaum Unterschiede zwischen ihrem Programm und dem der Sozialdemokraten aus den dreißiger Jahren; abgesehen von Details wie einem Weltkrieg, 80 vergangenen Jahren und einer von Grund auf anderen Welt. Heutzutage muss man Leute ja von den Dingen überzeugen, die man diesmal nicht mit ins Parteiprogramm geschrieben hat, weil sie so selbstverständlich sind: Dass Schweden ein Volk mit dem selben Glauben, Bräuchen und Aussehen ist und gerade deswegen sind sie untereinander solidarisch. Und halten sich natürlich fern von Europa, das von unvernünftigen und fremden Elementen bevölkert wird.

Es ist in diesem Zusammenhang nicht wichtig, ob der Mythos vom Folkhemmet wahr ist oder nicht. Er ist der einzige schwedische Mythos mit Wirkung. Und wer ihn geschickt ausnutzt zieht die Stimmen der Frustrierten an, egal ob sie von links oder rechts kommen. Falsch oder nicht, der Mythos sagt, dass es einmal ein Gemüt, eigentlich eine richtige Kultur, hier im Lande gab, die uns umeinander kümmern ließ, jeden sein Scherflein beitragen, nicht schmarotzen, die Obrigkeit respektieren, einander trauen, das Fahrrad unverschlossen abstellen… Dann passierte etwas, eine äußere Kraft (Ausländer laut Åkesson, Neoliberale laut einigen Sozialisten, jüdische Liberale laut den Antisemiten) kam und zerstörte alles.

Åkessons Partei sagt von sich, für Religionsfreiheit zu sein, warum also Moscheen verbieten? “Die stellen einen Fremdkörper im Stadtbild dar”, antwortet Åkesson. Er kann ganz kleine Moscheen gut heißen, solange sie rot sind und weiße Kanten haben. “Mal im Ernst, Jimmie”, sage ich, “schau mal aus dem Fenster und antworte nicht als Parteichef sondern als echter Schone. Hättest du nicht lieber eine schöne Moschee oder ein Taj Mahal vor den Augen anstatt dem hier?”

Seine Aussicht ist die schmutzig-graue Plattenfassade der Regionalverwaltung mit hunderten gleicher Gucklöcher, eine Kopie des Kronoberg-Gefängnisses.

“Nein”, antwortet Jimmie Åkesson, “das hier… damit ist man doch aufgewachsen, das fühlt sich eher schwedisch an.”

“Schweden braucht die Erlaubnis, um seinen Verlust zu trauern”, sagt Luis Abascal. Er erntete in den 90ern viel Lob als Stadtteil-Direktor im Einwanderervorort Kista, indem er Firmen mit einbezog. Innerhalb von fünf Jahren sanken die Sozialleistungen von 250 auf 70 Millionen und die Arbeitslosigkeit von 25 auf 3 Prozent.

Welchen Verlust? “Den Verlust den Schwedentums”, antwortet Abascal. Des Schwedentums, von dem der Mythos Folkhemmet handelt.

Als er 1974 nach Schweden kam gab es zwei Fernsehkanäle, drei Radiosender, eine Staatskirche, eine staatstragende Partei und zwei paar Unterhosen zur Auswahl bei Epa oder Tempo^4^. Im Bus sahen Schweden Gesichter wie aus dem Spiegel, der Staat kümmerte sich um das meiste, Politiker logen nur selten und Direktoren hatten keine neunstellige Rente.

Abascal meint, dass wir die enormen Veränderungen, die Schweden durch die Aufnahme großer Flüchtlingswellen mitgemacht hat, nicht wirklich verstehen. Wenn man bedenkt wie natürlich das Unbehagen am Fremden ist, dann muss man die Geduld und Großzügigkeit der Schweden bewundern. Er findet man solle zuhören, wenn jemand murrt, weil er ein Fremder im eigenen Land geworden ist. Vielleicht ist er ja einer der letzten Schweden im Vorort, der zwischen Waschküche und Supermarkt versucht, Brücken zwischen dem alten und dem neuen Schweden zu schlagen; und der vielleicht sogar ein Held ist. Aber weil er seine Frustration nicht korrekt ausdrücken kann, wird er als Reaktionär oder schlimmeres abgestempelt.

Abascal fragt sich, warum die Dankbarkeit, die viele Flüchtlinge gegenüber Schweden empfinden, in der öffentlichen Debatte nicht vorkommt. Man hört vor allem Kritik und Vorhaltungen. Deshalb versteht er, wenn es manchen so vorkommt, als ob man den Fremden zum Essen eingeladen hat, dabei sein Bestes gegeben hat oder fast, aber vom Gast nur die Klage über den sparsamen Nachtisch zu hören bekommt, nachdem er das Mahl heruntergeschlungen hat.

Was ist mit der Integration? “Eine Katastrophe”, findet Abascal, aber nicht weil Schweden rassistisch ist, wie einige behaupten. “Rassisten vermischen biologische mit psychologischen Eigenschaften. Das tun Schweden nicht. Aber sie sind mit einer Partei aufgewachsen, die laufend wiederholte, dass man im besten Land der Welt lebe. Da bekommt man leicht den Eindruck, dass alle Hinzugekommenen Schmarotzer sind.”

Deshalb verstehe er die Verbitterung, die müsse ausheilen, Leute müssen loswerden können, was sie auf dem Herzen haben. Erst dann kann man von einem mehr harmonischen Verhältnis zwischen den “neuen Schweden” und den “ethnischen Schweden” sprechen.

Ich höre zu, werde immer mehr gefangen. Er spricht frei heraus, nennt Einwanderer nicht “sie”, auch nicht “wir”. Er senkt nicht die Stimme, wenn er dies und das kritisiert. Äußerst selten heutzutage. Außerdem nuanciert er seine Urteile, was noch seltener ist: Er schätzt Nyamko Sabuni (“Sie hat klar gemacht, dass die Stellung der Frau nicht verhandelbar ist; man braucht die Arbeit von Ottar^5^ nicht noch einmal von vorne zu machen”), aber er rümpft die Nase über die “Politik mit dem Schlagstock” ihrer liberalen Partei, die andeutet, dass alles Schuld der Einwanderer sei. “Die wollen sich wohl für die nächste Wahl aufstellen.”

“An der verunglückten Integration sind weder die Schweden noch die Einwanderer schuld”, sagt Abascal. “Es liegt am System.” Nämlich daran, dass unsere Bürokraten als gegeben annehmen, dass “der Einwanderer” Probleme hat. Wenn er nicht gleich selbst das Problem ist. Will ich Beispiele? Man bot in Kista einen Computer-Kurs für somalische Frauen an. Als sie kamen schlugen die Sozialarbeiter Alarm. Diese Frauen können keine männlichen Lehrer bekommen, so eingewickelt von Kopf bis Fuß wie sie waren. “Wir haben keine anderen Lehrer”, erwiderte Abascal bestimmt. Und siehe da – es ging gut, der Kulturschock war nur in den Köpfen der Sozialarbeiter. Doch die kamen gleich auf etwas Neues: Diese Frauen konnten unmöglich die Laptops mit nach Hause nehmen. Denn dort würden sie entweder gestohlen oder ihre Männer würden sich herabgesetzt fühlen, weil die Frauen ein Gerät haben, das sie selbst nicht beherrschten. “Reine Projektion”, lacht Abascal.

Ich nehme an, dass es die selben Leute waren, die vorschlugen, die Flagge vom Rathaus zu nehmen. Die nackte Stange, so der Gedanke, würde weniger ausgrenzend wirken.

Ich habe Lius Abascal so viel Platz gegeben, weil seine Haltung selten in der öffentlichen Debatte vorkommt, die einem Minenfeld gleicht: Auf der einen Seite die, die bei jeder Gelegenheit wiederholen, dass in Schweden schwedische Regeln gelten. Auf der anderen die “Multikultis” (mit Erlöser-Allüren, allergisch auf Nuancen), die die “Mehrheitskultur” demontieren wollen, damit sich keiner außen vor fühlt.

Erstere wollen Moscheen loswerden – letztere wollen die Flagge einziehen, wenn sie nicht gerade gegen Psalmgesang kämpfen. Erstere erklären die havarierte Integration damit, dass Einwanderer nicht hinein passen, letztere damit, dass Schweden auf “rassistischen Strukturen” beruht. Die Schimpfworte fliegen und mittendrin ducken sich die Schulrektoren, die erwarten, dass ihnen der Vielfaltsberater erklärt, wofür blau-gelb, Psalme, das Kreuz, der Handschlag oder der Schleier stehen. Sie haben nicht verstanden, dass kein Ratgeber der Welt ihnen da aus der Patsche helfen kann. Wofür die Symbole stehen wird dadurch definiert, wie sie die Rektoren selbst anwenden.

Es begab sich auf dem Markt von Nora vor ein paar Jahren, dass eine Gruppe junger Männer mit rasierten Köpfen sich ihren Weg zu einem Stand bahnten, an dem ein paar Ausländer standen. Keine Polizei vor Ort, keiner wusste wohin, die Fäuste schon in der Luft, Blicke machtlos abgewendet. Da hörte man plötzlich Gesang. Er kam scheinbar von nirgendwo, ein Sopran, hoch und mächtig. Es wurde immer ruhiger, die Menschenmenge wurde dichter, nur der Gesang war zu hören. Da brachen die Angreifer ein, sahen unsicher um sich und zogen sich gen Ausgang zurück, erzählt man. Auch dass die Stimme ihnen durch die Dunkelheit folgte und sie den Markt verließen.

Belehrenderweise war es der Psalm “Blott en dag, ett ögonblick i sänder”, der die nationale Sturmtruppe so effektiv vertrieb. Einer der Psalmen also, der laut dem Diskriminierungsbeauftragten ungeeignet für Schulabschlussfeiern ist, weil er auf Einwanderer “ausschließend” wirken kann.

Ich finde die Stimme. Sie gehörte Maria Langefors, Pastorin der Missionskirche und ausgebildete Sängerin. “Ich sang aus vollem Hals, à la Nilsson”, erinnert sich Langefors. Warum versuchtest du es nicht mit “We shall overcome”?

“Alles ging so schnell, ich sang was mir am Herzen lag.”

Kejal heißt in Wirklichkeit anders.
Ottar – Elise Ottesen-Jensen

Maciej Zaremba

Übersetzt aus dem Schwedischen. Für mehr Information dazu, zur Lizenz und zu den fünf anderen Teilen der Artikelserie bitte hier entlang.

Svenska originalet publicerades i DN, 2009-03-10. Jag tackar Maciej Zaremba för tillstånd att publicera min översättning.

Fußnoten:
^1^Wörtlich übersetzt “Volksheim”. Der Begriff beinhaltet mehr als in einer Fußnote Platz hat und sollte aus dem weiteren Text klarer werden.

^2^Das ist einer der Refrains aus der schwedischen Nationalhymne.

^3^Vreeswijk ist schwedisch-holländischer Troubadour und eine Ikone in Schweden (siehe auch hier). Sabuni (ursprünglich aus Burundi) ist Integrationsministerin der Regierung Reinfeldt. Zlatan ist der schwedische Fußballstar schlechthin (bosnisch/kroatische Herkunft). Arklöv ist in Liberia geboren und verurteilter schwedischer Kriegsverbrecher und Mörder. Freivalds ist sozialdemokratische Politikerin und war seit Ende der 80er mehrmals Justiz- und Außenministerin.

^4^Tempo und Epa sind alte schwedische Warenhausketten, die mittlerweile in Åhlens aufgegangen sind. Siehe auch Epa-traktor.

^5^Ottar ist der Spitzname von Elise Ottesen-Jensen, norwegisch-schwedische Sexualaufklärerin. Eine Zeitschrift mit den Themen Sexualiät und Gesellschaft nennt sich nach ihr auch Ottar.

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Vapnet - Plötsligt händer det inte

[Videolink](http://www.youtube.com/watch?v=waWNzC77RwQ), [*Vapnet* bei Wikipedia](http://sv.wikipedia.org/wiki/Vapnet)

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Wort der Woche: Skidbacke

Es gibt zwei Arten von Schweden und eine tiefe Kluft entzweit die Bevölkerung.

  • Die einen hobeln ihr dreieckiges Stück Käse gleichmäßig von oben nach unten ab, so dass auch die Rückwand immer kürzer wird (a → b, Seitenansicht).
  • Die anderen hobeln zuerst nur an der Spitze und lassen die Rückwand bis zuletzt stehen (a → c). Dabei entsteht ein *skidbacke*, zu deutsch “Skihügel”. ![Illustration](/pic/ostskidbacke.jpg) Unser Käse hat keinen ausgeprägten Skihügel: ![unser Käse](/pic/ostingenbacke.jpg)
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Verloren in der Vielfalt

In den letzten Jahren ist der Blatte^1^ modern geworden. Viele wollten eine gemeinsame Identität für alle nicht-Svennar schaffen, nicht zuletzt die Zeitschrift Gringo. Im dritten Artikel der Serie Warten auf Schweden fragt sich Maciej Zaremba, ob dieser Wille dem Rassismus in Schweden Aufwind gibt.

Es war voll im Schwimmbad Vivalla an diesem Tag, weswegen die Beweislage gut ausfiel. Man hörte: “Verdammte Zigeunerschweine”, “Ich werd’ alle Zigeuner ficken”, einige hörten außerdem “Huren, Hurensöhne und Pack”. Weil all das den Roma zugerufen wurde, führte der Ankläger an, dass der Schreihals wegen Volksverhetzung bestraft werden solle. Aber er überzeugte das Gericht in Örebro nicht, welches mit der Begründung freisprach, dass dies “nicht als Herabsetzung des Ansehens der Roma betrachtet werden kann”.

Dieses Urteil erregte die Schwedendemokraten^2^, die meinten, dass der Angeklage sicherlich verurteilt worden wäre, wenn sein Name nicht Habibi, sondern Svensson gelautet hätte.

Es gibt Hinweise, dass die Schwedendemokraten hier recht haben könnten. Wenn es um gewöhnliche Straftaten geht, können Einwanderer kaum damit rechnen, milder behandelt zu werden; eher umgekehrt. Aber bei Hassreden scheint das Einwanderer-Sein ein mildernder Umstand zu sein. Zum Beispiel wird der Vorfall im Schwimmbad nicht in die Statistik für angezeigte Hassverbrechen aufgenommen, eben weil der Schreihals Habibi hieß.

Nach der Zählweise des Rats zur Verbrechensvorbeugung (Brå) ist es also kein Hassverbrechen, wenn ein Einwanderer gegen Roma oder Schwarze hetzt. Zum Hassverbrechen wird es erst, wenn ein Schwede dies tut. Es sei erwähnt, dass Brå diese Regel selbst nicht mag, aber gezwungen ist, den Anweisungen der Säpo^3^ zu folgen. Und die hält es offenbar für gegeben, dass ein hasserfüllter Einwanderer ein geringeres Risiko darstellt als ein Schwede.

Ich frage mich natürlich wie Brå es anstellt, die richtigen Schweden herauszusortieren. Das ist mühsam, bekomme ich zu hören. “In der Anzeige steht selten, wo jemand geboren ist. Deshalb richten wir uns nach dem Namen”.

Soll man sich wundern, dass ein Staat, der Straftaten nach Namen Buch führt – “Was meinst du? Klingt Holt schwedisch? Ok, dann war es eine Straftat” – gewisse Probleme mit der “Integration” hat?

Für die Schwedendemokraten wurde dieses Urteil zu einem weiteren Beleg, dass der Staat Ausländer zulasten der Einheimischen bevorzugt. So kann man das natürlich sehen. Oder auch umgekehrt. Als Beweis der Geringschätzung: Ach – du bist ja nur ein Einwanderer.

Ich lese einen Artikel auf der Debattenseite von DN, in dem Masoud Kamali die sexuelle Veranlagung eines Ministers in seine Argumentation einbaut. Im Kulturteil lese ich, wie Kurdo Baksi mit Verachtung die Kleidung, das Geschlecht und die Rasse einer Politikerin als Erklärung für ihre Ansichten analysiert.

Wären diese Texte von einem Svensson geschrieben worden, hätte man ihn wohl öffentlich ausgepeitscht, wenn man die Artikel überhaupt gedruckt hätte. Aber mit diesen Namen darunter weckten sie kaum Entrüstung, außer – genau! außer bei anderen Autoren mit ungewöhnlichen Namen (wie Madon, Wager, Demirbag-Sten). Ja, bei diesen Gelegenheiten durften sie alleine die schwedische Presse-Ethik verteidigen.

Was bekommen wir hier zu sehen? Den Anfang einer geteilten Öffentlichkeit, wo Hautfarbe, Geschlecht, Religion und Herkunft das Recht geben, Dinge zu sagen, die andere nicht dürfen? Man kann leicht Beiträge finden, in denen jemand abgetan wird, weil er kein Einwanderer ist, nicht aus den “Vororten” kommt, zufällig ein Mann in gewissem Alter ist oder – am allerschlimmsten – eine eingewanderte Frau ist, die nicht unterschreibt, dass in Schweden Rassismus herrscht. Dann kann man sie “Hausneger” nennen und damit durchkommen, wenn man nicht Svensson heißt, natürlich.

Das aussagekräftigste Beispiel dafür, wie wichtig die Identität des Absenders geworden ist, ist die Zeitschrift Mana, deren Chefredakteur Babak Rahimi es für notwendig hielt, sich in seinen Artikeln als Frau im Iran auszugeben, inklusive erfundener Biografie.

Es ist merkwürdig, dass diesmal genau diejenigen den zivilisierten Diskurs unterhöhlen, die sich selbst für “Antirassisten” halten. Als Geschmacksprobe hier ein Beitrag aus der Bloggosphäre: “Den Begriff Hausneger könnte man effektiv … gegen Neger/Einwanderer anwenden, die in einer bürgerlichen Partei sind, z.B. Nyamko Subyami^4^ in der Folkpartiet” (antirassistische Schreibweise, meine Anm.). Kapiert? Nicht in Schweden geboren zu sein, verpflichtet zu bestimmten Ansichten. Eine etabliertere Bloggerin, der sich zur “Linken” bekennt, findet Einwanderer nicht gut, die “mischfarbige Beziehungen” eingehen. Das erschwere den Kampf gegen Rassismus, findet sie. Genau wie die extreme Rechte scheint sie der Ansicht zu sein, dass Hautfarbe verpflichtet.

Wenn es doch nur Extremisten wären, die Einwanderern eine bestimmte Identität zuschreiben. Aber als es vor wenigen Jahren zu einem akademischen Streit zwischen Dozent Westholm und Professor Kamali kam, bekamen wir vom Rednerpult des Parlaments zu hören, dass die Regierung eingreifen müsse:

”... diese schädliche und polemische Diskussion wurde in Dagens Nyheter veröffentlicht, wodurch der Konflikt negative Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen der Einwandererbevölkerung und den schwedischen Behörden haben kann.”

Ja, ihr habt euch nicht verlesen. Wenn ein Westholm einen Kamali kritisiert, kann das die gesamte “Einwandererbevölkerung” krumm nehmen. Keiner der Gewählten wandte hastig etwas gegen die Idee ein, dass “Einwanderer” eine Volksgruppe sind, wie Pavlovs Hunde festgelegt, deren zuliebe wir Diskussionen abwürgen müssen (gerade die polemischen). Lag es daran, dass die Rednerin nicht in Schweden geboren war? Ana-Maria Narti hieß sie.

Wenn “Einwanderer” zur Sprache kommen, werden Mitbürger unsicher, was es sich zu sagen gehört. Als ob die Sprache vermint worden wäre. Nett gemeinte Fragen wie “Wo kommst du her?” können mittlerweile Entrüstung auslösen. “Ich bin in Mora geboren.” Man muss aufpassen, was man sagt. Und vielleicht denkt man ja wirklich falsch, ein wenig veraltet? Es ging doch alles so schnell … Und es ist bei Weitem nicht leicht zu wissen, wie man der neuen Vielfalt gerecht werden soll. Da wird eine SFI-Lehrerin als “elitär” beschimpft, wenn sie etwas dagegen einwendet, dass jemand, der nicht schreiben kann und mit starkem Farsi-Akzent spricht, Einwanderern Schwedisch beibringen soll. Da wird eine andere wegen Diskriminierung angezeigt, weil sie gesagt hat, Frauen im Iran seien unterdrückt.

Wenn Menschen anfangen, sich in ihrer Sprache und ihren Gedanken unsicher zu fühlen, öffnet sich ein Markt für Bauchredner, Anstandsdamen und Alibis. Will man die Erfolge der Schwedendemokraten verstehen, kann man Gringo nicht außen vor lassen, die Zeitschrift, die 2005 entstand und drei Jahre später in Konkurs ging.

Es ist nicht besonders verwunderlich, dass ein paar gebürtige Jugendliche, die die Frage “Woher kommst du?” einmal zu oft gehört haben, auf die Idee kommen, eine Zeitschrift Umgekehrt zu machen, wo die “Blattar” für alles Coole und Attraktive stehen, während die “Svennar” Statisten im debilen Hintergrund darstellen. Das kann als Satire helfen, Augen zu öffnen: “Ach so, ihr schert uns alle über einen Kamm und schaut auf uns herab? Schluckt eure eigene Medizin!”

Aber Gringo ging weiter. Dort wurde der “Blatte” zur Identität gemacht, deren einzige sichere Eigenschaft es war, kein “Svenne” zu sein und es auch nie zu werden. Teils weil die Svennar sie nicht herein ließen (Rassismus), teils weil die Kultur der Svennar die Mühe gar nicht wert war.

Ja, so könnte vielleicht die Reaktion auf unerwiderte Liebe aussehen. Aber Gringo war Theater. Die Redakteure, die vorgaben für eine verstoßene Masse zu sprechen, waren gut angepasste Unternehmer, die sich ein “Blatte-Schwedisch” ausgedacht hatten, das kaum einer spricht, und die sich zum Vermittler für Ansichten aufgeschwungen hatten, die kaum jemand vertritt. Und die man mit Nazismus vergleichen kann: “Leider gründet sich der schwedische Nationalismus auf die Sprache, genau die gleiche Art Nationalismus, die Hitler befürwortete”, stand in Gringos Agenda. Oder auch, dass schwedische Frauen untaugliche Sexobjekte waren (zu kleine Ärsche), während die schwarzen viel besser rochen, wie in Gringo 7/05 zu lesen war. Wurden Schwedens Einwanderer dadurch in ihrer eigenen Identität gestärkt?

Das Eigenartige war nicht, dass dort Muff und umgekehrter Rassismus gedruckt wurden. Das Eigenartige war, dass alte Volksbewegungen, Behörden und Firmen fünfstellige Beträge dafür bezahlten, das Ganze in Kursen und Vielfaltstagen wiederholt zu bekommen. Dass man mit Einwanderern auf eine spezielle Art reden muss, weil sie ein Volk für sich sind, mit eigenem Kauderwelsch, dass sie kein Interesse an schwedischer Kultur haben, aber verlangen, dass man ihre eigene anerkennt. Da war es raus. Ein Carlos, oder heißt er Zaynar, hat es gesagt. Was für eine Erleichterung.

Muss gesagt werden, was für ein gefundenes Fressen Gringo für unsere Xenophoben wurde? “Gringo… (hat) es geschafft, die Immigranten in Schweden als Vorortsaffen darzustellen, die blind von ihrem fundamentalen Bedürfnis nach Bestätigng und Respekt gesteuert sind”, jubelt einer der unbehaglichsten Blogger dieser Ecke. Nicht ganz gerecht, aber auch nicht ganz falsch. Noch wichtiger für die Schwedendemokraten (SD) war Gringos Bestätigung ihrer Grundidee: dass Schwede-Sein etwas ethnisches ist. Der kichernde Empfang, den der Hohn auf “Svennar” auf Konferenzen und in den Fernsehsofas fand, schien zu bestätigen, was SD lange behauptet hatte: dass Schweden seine Selbstachtung verloren hat und nicht auf seine Kultur aufzupassen weiß – also brauchte es die Schwedendemokraten.

Das Absurdeste an der Geschichte ist, dass die Einrichtungen, die sich mit Gringo einließen, dessen Ideologie in keinster Weise ernst nahmen. Sie kauften Ablassbriefe zum Herzeigen, wenn die Revision der Vielfältigkeitsarbeit kommt. Auf diese Weise brauchten sie nicht selbst darüber nachzudenken, ob es Rassismus ist, von einem Schwedischlehrer gutes Schwedisch zu verlangen, oder ob es wirklich eine gute Idee ist sich aufzuregen, wenn eine Frau den Handschlag verweigert. Es ist ja auch traumatisch, solche Dinge zu diskutieren.

Sicher kann das traumatisch sein. Wenn es schiefgeht, kann man das R-Wort genannt werden. Vor einiger Zeit bekamen sechzig führende Staatswissenschaftler, die in einem Brief an die Regierung gegen die politische Einflussnahme in der Integrationsuntersuchung protestierten, von Mona Sahlin^5^ als Antwort, dass ihr Protest “rassistische Untertöne” hätte. Was sich bei Dilsa Demirbag-Stens Prüfung der Korrespondenz als reine Erfindung entpuppte. (Expressen 30/6 -04)

Ich gehe davon aus, dass Mona Sahlin zufrieden mit sich war, hatte sie doch mit nur einem Wort des Spotts eine beschwerliche Debatte ruhig gestellt. Aber noch mehr freuten sich die Schwedendemokraten. Wenn legitime Kritik an Integrationspolitik ohne Hand und Fuß auf diese Weise abgetan wird, bekommen die Fremdenhasser ein Monopol auf diese Debatte.

Da gibt es den Schulrektor (in Råneå), der einen Dreizehnjährigen nach Hause schickt, weil auf seinem T-Shirt eine schwedische Flagge zu sehen ist mit den Worten “Schweden ist mein Vaterland”. Das Kleidungsstück könnte “nazistisch verstanden werden”, findet der Rektor. Dann war da die Kommune Nyköping, die der Kirchengemeinde verbietet, auf dem Totengedenkplatz neben Lids mittelalterlicher Kirche ein Kreuz aufzustellen. “Zu starkes religiöses Symbol”, heißt es, unpassend in einer multikulturellen Gesellschaft wo auch Atheisten Anstoß nehmen können.

Die Achtklässler der Strandskolan in Klagshamn bekamen kein Klassenfoto, weil sie an dem Tag Trikots der Nationalmannschaft anhatten (vor dem Spiel gegen Dänemark). “Es steht in unserem Lehrplan, dass wir gegen Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz arbeiten sollen”, erklärt der Rektor. Nein, er finde nicht, dass die Nationalmannschaft für Rassismus stehe, aber die Trikots könnte jemand “so auffassen”. Außerdem kann “Den blomstertid nu kommer”^6^ als “diskriminierend wahrgenommen werden” und ist deshalb ungeeignet für Schulabschlussfeiern, findet der Diskriminierungsombudsman (DO), der die Bräckeskolan auf Hisingen wegen Psalmgesang gerügt hat.

(Interessanterweise ist der Rat schwedischer Muslime mit dem DO hier nicht einer Meinung. Die Vorsitzende Helena Benaouda sagt mir, dass es “absurd wäre, Psalmgesang an Schulabschlussfeiern generell zu verbieten.” Im Gegenzug sollte die Schule jedes Mal die Eltern fragen, ob alle damit einverstanden sind.)

Fast hätte ich Kista vergessen, wo einige Beamte die Flagge vom Gemeindehaus nehmen wollten, damit die Einwanderer auf dem Järvafältet sich mehr zu Hause fühlen könnten. Zum Glück war der Gemeindedirektor zufällig ein japanisch-italienisch-spanischer Indianer. Luis Abascal hieß er, kam aus Uruguay, brummelte “jetzt sind wir in Schweden” und die Flagge blieb.

Wir leben in interessanten Zeiten. Für die Rektoren in Råneå und Klagshamn ist blau-gelb etwas Suspektes, für Abascal ist die Flagge ein verbindendes Symbol. Damit sei nicht nur gesagt, dass die obigen Verwirrungen immer mehr aufgebrachte Mitbürger in die Arme der Schwedendemokraten treiben, sondern auch gezeigt, welch schwächelnde Empathie man mit den Menschen hat, deren Gleichstellung man zu verteidigen vorgibt. Man versucht, dem Zerrbild der Einwanderer gerecht zu werden. Oder vielleicht nur dem eigenen Selbstbild.

Die Gemeinde Sigtuna glaubt sich an vorderster Front der multikulturellen Gesellschaft. Allgemeine Schulferien am orthodoxen Karfreitag, dem kurdisch-persischen Neujahr Noruz und an Id Al-Fitr, dem Ende des Ramadan. Alle werden eingebunden, dass es eine Freude ist. Gleichzeitig bereitet es Frau Cherine leider wenig Sorgen, dass Kerstin und Kalle in die Schule gehen während sie und ihre Familie Neujahr feiert. Ihr Problem ist stattdessen, Schwedisch zu lernen. Wo bekommt sie Information dazu? Nirgends. Sigtuna ist eine der wenigen Gemeinden, in denen alle Information, auch die über die Kurse “für den, der Schwedisch von Grund auf lernen muss”, ausschließlich in eben dieser Sprache bereitliegt.

Habibi heißt in Wirklichkeit anders.

Maciej Zaremba

Übersetzt aus dem Schwedischen. Für mehr Information dazu, zur Lizenz und zu den fünf anderen Teilen der Artikelserie bitte hier entlang.

Svenska originalet publicerades i DN, 2009-03-05. Jag tackar Maciej Zaremba för tillstånd att publicera min översättning.

Fußnoten:
^1^Blatte und Svenne sind unübersetzbar. Ersteres hat sich aus einer abfälligen Bezeichnung für Einwanderer (deren Ursprung unklar ist) zu einem Wort entwickelt, das von (Teilen) der Gruppe selbst zur Identifikation verwendet wird – parallel dazu, wie sich manche Schwarze “Nigger” nennen und wie Homosexulle das Wort “schwul” übernommen haben. Svenne ist das Gegenstück zum Blatte, also eine abfällige Bezeichnung des letzteren für “typische Schweden”. Die Ableitung kommt wohl vom allgegenwärtigen Nachnamen “Svensson”.

^2^Die “Schwedendemokraten” sind eine nationalistisch-traditionalistische Partei, die “Schweden schwedisch erhalten” wollen. Am ehesten sind sie wohl mit den deutschen “Republikanern” zu vergleichen. Die Wikipedia weiß mehr.

^3^Säpo steht für Säkerhetspolisen, also “Sicherheispolizei”. Damit ist der nationale Geheimdienst Schwedens gemeint.

^4^Nyamko Sabuni ist Integrationsministerin der Regierung Reinfeldt.

^5^Mona Sahlin ist heute Parteichefin der größten Partei Schwedens, den Sozialdemokraten.

^6^Das ist der bekannteste und beliebteste der schwedischen Sommer-Psalme. Er wird traditionell bei Schulabschlussfeiern gesungen. Mehr dazu auf SChwedisch

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Lacrosse - We Are Kids

[Videolink](http://vimeo.com/4032860), [Band-Webseite](http://www.lacrosse.nu/)

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Peps Persson - Oh Boy

Auf der Suche nach einem Musikvideo für Fiket habe ich mich vorhin zur Topplistan verirrt, auch wenn ich eigentlich weiß, dass da nur selten etwas hörbares dabei ist. Doch welch Überraschung auf Platz 45: Peps Persson mit Oh Boy!

Dieses Lied ist von 1992 und ein immer wiederkehrender Sommerhit. Peps Persson mit seiner Blodsband gehört zur Progg-Bewegung und spielt seine Mischung aus Blues und Reggae noch heute auf den mittelgroßen Bühnen des Landes.

Das folgende Video ist ein spaßiger Auftritt bei Allsång på Skansen, bei dem Peps Oh Boy zusammen mit dem bekannten Komiker Robert Gustafsson singt, der ihn ziemlich gut nachmacht.

[Videolink](http://www.youtube.com/watch?v=9nt02fQIcAw)

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Schwede? Bitte warten!

Warten auf Schweden. Edward Issa ist Zahnarzt. Nordschweden sucht händeringend nach Zahnärzten. Trotzdem sitzt Dokor Issa seit anderthalb Jahren in einen Backsteinbau in Kristianstad, immer ungeduldiger wegen des zu langsamen Sprachunterrichts. Ist die Fürsorglichkeit der Politiker zum Hindernis für wirkliche Integration geworden? Willkommen zum ersten Teil in Maciej Zarembas Artikelserie “Warten auf Schweden”.

Zuerst ein Bekenntnis. Lange Jahre habe ich mich geweigert, meinen Pass zu zeigen, wenn ich innerhalb Skandinaviens reiste. Die Grenzpolizei betrachtete meinen Führerschein, dann kam die Frage: “Schwedischer Staatsbürger?” Ich nickte immer als Antwort. “Sprichst du Schwedisch?” Erneutes Nicken. “Warum sagst du nichts?” “Weil ich dachte, das hier sei eine Passkontrolle, kein verdammter Sprachtest.”

Ich glaubte, den Beamten beibringen zu müssen, dass Schweden ganz unterschiedlich aussehen können. So passierte es mir, dass ich letzten Frühling bei einer Reise außerhalb Schengens meinen Pass zu Hause vergaß. Und siehe da, sonntags in aller Herrgottsfrühe auf einen Feld vor dem Flughafen Skavsta stand eine Behörde bereit, mir einen vorläufigen Pass auszustellen. Der Mann, der das (in sieben Minuten) machte, trug schwedische Polizeiuniform, klang aber wie ein Türke. Ich überlegte kurz, ob ich ihn fragen sollte, wie es ihm in Schweden gefällt. Der Passpolizist in der Kabine sah aus wie Idi Amin. Die Frage nach dem Gefallen vergaß ich sofort, sein Dialekt war deutlich aus Dalarna. Er kniff die Augen zusammen, schaute mich schräg an und meinte, dass ich eine interessante Farbe für meinen Pass gewählt hätte. (Für die, die es nicht wissen: Notpässe sind rosa.) Was antwortet man da? “Pass auf, das kann dir auch passieren.” “Sicher”, grinste Amin durchs Panzerglas, “aber bei mir würde es nicht so gut zu den Augen passen.”

Ich ging mit dem dummen Lächeln eines gerade Bekehrten ins Flugzeug. Ein schwarzer Wachtmeister aus Dalarna, der Schwulenwitze reißt. Und der genug Gespür dafür hat, bei wem sie ankommen. Oh mein Gott, wir sind auf Manhattan!

Im Jahre 1956 begab sich das Volk auf die Straßen der Gelehrtenstadt Lund, da das Gerücht ging, ein Neger sei am Bahnhof gesichtet worden. Seitdem hat ein Land, das seit Jahrhunderten fast völlig einheitlich in Sprache, Glaube und Sitten war, über zwei Millionen Fremde aufgenommen (jeder zweite zog wieder weg), ohne dass irgendwelche Katastrophen auf dem Weg eintrafen. Das Misstrauen gegenüber dem Fremden ist ein natürlicher Reflex. Lass uns also der Gerechtigkeit halber feststellen, dass Schwedens Treffen mit dem Fremden zuallererst eine Erfolgsgeschichte ist. Wer meint ich beschönige, kann darüber nachsinnen, was für Spasmen Auswärtige in Dänemark hervorrufen.

Das wollte ich gesagt haben, damit ich im Folgenden frei reden kann.

Es begab sich im Frühling 2007, dass das Maß voll war für Lage Wigren, Chefzahnarzt in Storuman. Sieben Jahre lang gelang es ihm nicht, einen festen Zahnarzt in seine Klinik zu bekommen. Die Patienten murren, ihr Gebiss ständig neuen Doktoren zu zeigen. Also fasst Lage Wigren seinen Entschluss. Wenn wir keinen Schweden finden, der in Storuman bleiben will, nehmen wir eben einen aus dem Ausland. Und wenn wir ihm selbst die Sprache beibringen müssen.

Und siehe da, es es ergibt sich glücklicherweise, dass gerade als Lage Wigren seinen Entschluss fasst, die Einwanderungsbehörde zu Kenntnis nimmt, dass Edward Issa auf der Flucht aus Bagdad in Arlanda angekommen ist.

Alles scheint für ein glückliches Aufeinandertreffen angelegt zu sein. Über dreitausend Bedienstete in den Gemeinden stehen bereit, das Treffen zwischen Dr. Issa und Dr. Wigren zu erleichtern, 181.400 Kronen staatlichen Geldes sind für ihn zurückgelegt, es gibt ein Ministerium und drei Behörden, die sich nur damit beschäftigen, wie er schnellstmöglich Arbeit findet. Was will man mehr?

Fazit: Anderthalb Jahre später sitzt Dr. Issa voller Ungeduld über den langsamen SFI-Kurs (Schwedisch für Einwanderer) in einem roten Ziegelbau in Kristianstad. In der Zwischenzeit hat Storuman einen ausländischen Zahnarzt – aus Polen. Ewa Bisztyga heißt sie, kam im Februar 2008 in Lapplanda nach Schweden, schon integriert, wie es schien, weil sie nicht nur Schwedisch sprach, sondern auch Witze machte. Drei Tage später fing sie an, Steuern zu zahlen, ziemlich viel Geld, mehr als Edward zum Leben in Kristianstad hat. Man integriert ihn nämlich immer noch und gleich dürfen wir sehen, wie so etwas vor sich geht.

Diese Reportage versucht zu verstehen, warum es zwangsläufig so kommen musste. Ist es der Rassismus der Schweden, der es den Einwanderern schwer macht durchzukommen, was viele behauptet haben, oder ist es etwas anderes? Wird Integration dadurch erschwert, dass Fremde zu viel unvernünftige Kultur mitbringen – während in unserer alles vernünftig und aufgeschlossen ist? Und was meinen wir eigentlich mit Staatsbürgerschaft?

Der Versuch eilt, diese Fragen zu beantworten; nur wenige Kilometer vom frustrierten Dr. Issa entfernt brütet der Vorsitzende Jimmie Åkesson vor sich hin. Auch er frustriert, aber voller Zuversicht. Alles bisher genannte ist Wasser auf die Mühlen seiner Schwedendemokraten, die schon den Sitz im Reichstag wittern. Ist es nur deren ländlicher Charme – oder haben die guten, toleranten und antirassistischen Kräfte ihnen auf die Beine geholfen?

Zurück zu Lage Wigren in Storuman. Er versucht nicht einmal, seinen Doktor unter den Neuankömmlingen zu suchen. Nicht nur weil es länger mit irakischen Zahnärzten dauert als mit denen aus der EU (die nicht zu beweisen brauchen, was sie können). Wigren weiß, dass es sinnlos ist. Schauen wir uns an, was passiert wäre, hätte er es versucht.

Schweden ist ein Zentralstaat, also sollte es die Zentrale am besten wissen. Wigren ruft das Integrationsministerium an. Hallo, haben Sie zufällig einen Zahnarzt zum Integrieren? Das Ministerium hat solche Informationen nicht. Aber es gibt die vielleicht beim Justizministerium? Er ruft an, dort weiß man es auch nicht, aber verspricht, bei der Einwanderungsbehörde nachzufragen, “die Verantwortung zur Bestandsaufnahme hat”. Tut uns leid, die Behörde führt kein Buch über die Berufe von Einwanderern. Aber versuche es bei der Zentrale für Gemeinden und Regionen, schließlich wird ja dort integriert. Nein, da weiß man auch nichts. Wigren bekommt den Rat, direkt die einzelnen Gemeinden anzurufen. Derer gibt es 290.

Dr. Wigren macht einen letzten Versuch beim Arbeitsamt. Nein, auch diese Behörde führt nicht Buch, ob es Zahnärzte, Chauffeure, Krankenschwestern oder andere gesuchte Berufe unter den Neuankömmlingen gibt. Aber frag gerne noch einmal nächstes Jahr, dann haben wir vielleicht eine Liste. Versuch es derweil beim Amt für Statistik, raten die Vermittler. Unser Doktor ruft an. Bingo! Einen solchen Katalog gibt es zwar nicht, aber wenn man bezahlt, kann das Amt die Berufsstatisktik mit dem Melderegister zusammenführen und so die Aufenthaltsgenehmigungen nach Beruf verteilt ermitteln. Aber nur bis 2006. Das macht nichts! ruft Wigren und zückt das Portemonnaie. Ich kaufe die ganze Liste! Liste? Sie bekommen eine Tabelle. Die Namen dürfen wir nicht herausgeben.

Was bleibt? An den zentralen Behörden vorbeizugehen und anzufangen, lokale Flüchtlingsorganisationen anzurufen. Davon gibt es gut vierzig, einige haben mehrere Stunden Telefonzeit pro Tag, aber keine ist verpflichtet, Informationen herauszugeben. Man hat zwar über diverse Daten der Flüchtlinge Buch geführt, aber nach “Beruf” kann man in der Datenbank nicht suchen. Von Hand vielleicht? “Unter 900 Namen? Dafür haben wir keine Zeit…” Aber wenn Wigren Riesenglück hat, landet er bei einem Juwel von Bürokrat, wie Lars Ulander in Söderhamn. Der erinnert sich nicht nur zufällig, dass es zwei Doktoren in seinem Lager gibt, er ist auch bereit, sie aufzusuchen und mit ihnen zu reden.

Jahrzehntelang hat der Staat erfasst, welche Fliesen Svensson in seinem Sommerhaus hat und wann er das erste Mal onanierte. Kein Aspekt unserer Lebensweise wurde für zu trivial fürs Zentralregister befunden. Aber dass die Flüchtlinge, die Schweden aufnimmt, einen Beruf haben, haben sämtliche Behörden zufällig vergessen. Das ist natürlich kein Zufall. Es ist ein Muster. Sich das vor Augen zu halten ist ein erster Schritt, die Havarie der Integration in Schweden zu verstehen. Hier wendet jemand ein, dass es nicht Aufgabe von Zahnarzt Wigren ist, Dr. Issa zu finden. Völlig richtig. Es gibt 33 Personen in Kristianstad, die in Vollzeit Neuankömmlinge integrieren. Denen kann der Ärztemangel in Nordschweden nicht entgangen sein.

Als Edward Issa und seine Frau (die in Bagdad Informatik studiert hat, ein weiterer Mangelberuf in Schweden) im Sommar 2007 nach Schweden kommen, wollen sie so schnell wie möglich Schwedisch lernen. Aber sie müssen warten, antwortet das Integrationsbüro, denn zuerst müssen sie den Kurs besuchen, der zur Beschäftigung der Flüchtlinge erfunden wurde und sich “Der Weg in die Gesellschaft” nennt. Dort darf man lernen wie wichtig Hygiene und Gleichberechtigung sind, wie staatliche Pfändung funktioniert und wie gesund Waldspaziergänge sind. Ein Besuch bei IKEA ist auch dabei. Aha, sagt Dr. Issa, erstaunt darüber, dass er lernen soll, sich die Hände zu waschen, aber warum nicht Schwedisch?

Er bekommt zu hören, dass es keinen Platz gibt im Schwedischkurs, “aber ich schaute nach und da saßen Leute, die schliefen, warum Platz für die und nicht für mich?” Im Dezember 2007, nach sieben Monaten, bekommt er endlich Schwedischunterricht. Doch der Kurs kommt nur stockend voran, ständig kommen neue Schüler, er findet er lernt zu wenig. Ich verstehe ihn, nach neun Monaten unterscheidet er nicht zwischen Präsens, Infinitiv und Imperfekt. Wir schreiben einander im Oktober 2008. Zur gleichen Zeit kauft sich die polnische Arztin in Storuman ein Haus und ihr zweites Pferd. Zu Edward Issa sagen die Integrierer, dass er im Sommer 2009 ein Praktikum anfangen kann, das ihn legitimiert. Aber lieber Edward, sage ich, du bist doch völlig fehl am Platz. Hat dir niemand erzählt, dass es Spezialkurse für Leute wie dich gibt?

Ich rufe seinen Sachbearbeiter an. “Intensivkurs Schwedisch für ausländisches Pflegepersonal? Haben wir nicht in der Gemeinde.” Nein, aber den gibt es in Göteborg, sage ich. “Das war mir wirklich nicht bewusst.” Sollte sie das nicht wissen, wenn sie Ärzte integriert? “Ich hatte noch nie eine solche Anfrage.”

Seltsam, Issa sagt, dass er gefragt hat, aber nein als Antwort bekam. Vielleicht fragte er auf die falsche Art? Ich hege den Verdacht, dass Issas Kontakt mit der Integration Ähnlichkeiten mit dem Kauf von Flugtickets bei Aeroflot zu Sowjetzeiten aufweist: “Gibt es Flüge nach Krasnojarsk? Ja. Wann? In einer Stunde. Und morgen? Ja. Wann denn? Um drei Uhr. Nur um drei? Nein, auch um sieben Uhr. Und übermorgen? Ja. Um wieviel Uhr? Um drei. Kann es sein, dass es tägliche Flüge nach Krasnojarsk um drei und um sieben Uhr gibt? Ja. Warum sagen sie das nicht gleich? Sie haben nicht gefragt.”

Hatte Edward Issa nur kein Glück? Nina Haddad ist Narkoseärztin aus Bagdad. Schwedische Krankenhäuser suchen solche händeringend, aber Haddad sitzt zuerst sechs Monate in Lund, wo sie Schwedisch für Analphabeten besucht und Bilder auf Papier malt (“das war obligatorisch, war man nicht da, bekam man keine Sozialhilfe”), danach ein Monat in einem Lager in Vetlanda (“man tat nichts”). Als sie endlich Schwedisch lernen darf, stellt sie einen SFI-Rekord auf. Sie hofft, das medizinische Examen im Februar 2009 abzulegen und ein Jahr später mit der Arbeit anzufangen. Dann sind fast vier Jahre vergangen seit sie nach Schweden kam. Auch ihr Sachbearbeiter hat ihr nicht gesagt, dass sie es in Stockholm und Göteborg in der Hälfte der Zeit schaffen kann.

Issa und Haddad hatten trotz allem Glück. Einen dritten irakischen Arzt wollten die Integrierer zum Lampen zusammenschrauben schicken. “Erfahrung im schwedischen Arbeitsleben ist wichtig”, bekam er zu hören. (Im Integrationsbüro hat dieses Praktikum einen anderen Namen: Er bekommt “eine Nah-Arbeits-Erfahrung”, gackern die Sachbearbeiter). Sollte er sich weigern, würde das Geld gestrichen. Dass er sein Praktikum stattdessen im kommunalen Zahnarztbetrieb macht, ist dem beherzten Eingreifen seines SFI-Lehrers zu verdanken. Der seinen Namen nicht in der Zeitung haben wollte. “Als ich den Zahnarztbetrieb kontaktierte, übertrat ich meine Befugnisse.”

Sollen wir glauben, dass sämtliche “Integrationssekretäre” in Kristianstad, die “den bestmöglichen Service auf dem Weg” geben sollen, nicht wissen, dass es Intensivkurse für medizinisches Personal gibt? Oder dass sie nicht genug Energie haben, “Gesundheitsschwedisch” zu googlen, wo man alle Information findet? Eine Beamtin bittet mich zu bedenken, dass es sich für die Gemeinde mehr lohnt, wenn diese Doktoren in der Putzbranche arbeiten. Dann kassiert Kristianstad 20.000 Kronen vom Staat, weil dem Flüchtling Arbeit verschafft wurde. Sollen sie dagegen zum Kurs in Göteborg geschickt werden, müssen die Integrierer das vom staatlichen “Schablonenbeitrag” bezahlen, der die Einführungen bezahlt. Und damit ihre eigenen Löhne. So sinnvoll ist das ganze angelegt.

Ich solle auch nicht den Alltagsrassismus in Schonen vergessen, sagt sie. Dann verbessert sie sich: “Rassismus ist das falsche Wort, aber wie soll man das nennen, was diese Beamten fühlen, wenn sie merken, dass diese dunkelhäutigen Wilden, auf die sie immer herabgeblickt haben, bald doppelt so viel verdienen wie sie und mit Frau Doktor angeredet werden?”

“Dreieinhalb Jahre, das ist viel zu lange für einen Arzt, aus dem Beruf heraus zu sein”, seufzt Nina Haddad in ihrem roten Sofa. Schauen wir, ob man es anders machen kann.

Wir befinden uns in Warschau, im schicken Viertel “die rote Schweinebucht”, wo bis vor kurzem das Luxusghetto für die Parteioberen war. Die Sprachschule Paragona versorgt schwedische, dänische und britische Praxen mit medizinischem Personal. Hier holte sich Lars Wigren seine polnische Ärztin.

“Liebe Frau Larsson,
Sie haben einen Termin am 15. August, aber ich kann Sie am diesem Tag leider nicht empfangen, weil ich nach Stockholm auf einen medizinischen Kongress fahre. Ich kann Sie stattdessen am 22. oder 23. August empfangen, aber ich bitte Sie, einen neuen Termin mit meinem Sekretär auszumachen … Ich bitte um eine schriftliche Antwort, damit ich weiß, dass wir einig sind. Herzliche Grüße. Ihre Ärztin Agniezka.”

Das bemerkenswerte an diesem Brief (der eine Prüfung ist zum Thema: Schreib einen Brief an einen Patienten) ist nicht der Grammatikfehler im ersten Satz. Sondern dass er am 24. Juli von einer Person geschrieben wurde, die am 7. Januar noch kein Wort Schwedisch konnte.

Das Konzept von Paragona ist es, in höchstens sieben Monaten so viel Sprache zu lehren, dass ein polnischer Arzt, der in Härnösand, Edbjerg oder Leeds landet, vom ersten Tag an genauso gute Versorgung erbringen kann wie ein einheimischer Arzt. (Für Psychiater dauert es acht Monate.) Seit 2003 hat Paragona Dänemark, Norwegen, England, Frankreich und Schweden mit über 500 Doktoren versorgt. Es scheint also als ob das größte Problem bei der Integration (dass der Einwanderer zu schlecht Schwedisch kann, um eine vernünftige Stelle zu bekommen) vielleicht gar nicht so groß zu sein braucht.

“Hallo, wie geeeeht es euch? Worüber sollen wir heute reden?” Mit gekünstelter Mädchenstimme macht Paragona-Lehrerin Lisa nach, wie SFI klingen kann. Kindergarten für Erwachsene, versteht man, Gruppenarbeit, Tätscheln. Völlig fehl am Platz, findet Lisa. Sie hat selbst nichts gegen Demokratie im Klassenzimmer, aber “die meisten, die nach Schweden kommen, seien es Usbeken, Iraker oder Polen, sind Lehrer gewohnt, die einen Plan haben und wissen, was sie mit jeder Unterrichtsstunde wollen. Mit diesem Stil lernen sie schnell. Das schwedische Modell verwirrt sie, weil nichts von ihnen erwartet wird. Dann gewöhnen sie sich leider daran.” Ihre polnischen Studenten verlangen, jeden Freitag eine Prüfung zu schreiben. Soll der Sprachkurs effektiv sein, sagt Lisa, muss er an den Schüler angepasst werden. Trichter für die Polen, freiere Formen für Amerikaner, Spiele mit Worten für die, die nie in der Schule waren. (Siehe da, ein Beitrag zur Integrationsdebatte. Wenn wir als gegeben voraussetzen, dass eine Schulform, die an schulüberdrüssige Teenager aus Täby angepasst ist, die beste für den irakischen Gefreiten und den Arzt aus Ethiopien ist – zeugt das dann von unserer Leidenschaft zur Gleichbehandlung – oder vielleicht unserer Arroganz?)

Lisa will nicht, dass ich SFI mit Paragona vergleiche, das sei ungerecht. Paragonas Schüler sind auf gleichem Niveau, ans Studieren gewöhnt, haben ein klares Ziel und arbeiten gegen eine Deadline. Nichts von alldem trifft auf die Mehrheit der SFI-Klassen in Schweden zu. Doch zugleich regt sie sich über ihre Erinnerung an die träge Stimmung im Klassenzimmer auf. “SFI sollte klarmachen, dass die Sprache das Leben bestimmt, der Schlüssel zu ihrer Zukunft, dass die Chance nicht wiederkommt, wenn sie diese eine vergeigen.” Aber es ist als ob Schweden weder sich selbst noch die Einwanderer wirklich Ernst nimmt.

Der Ernst in Warschau: acht Stunden Unterricht, zwei Stunden Hausaufgaben an fünf Tagen die Woche. Die Ärzte wohnen auf dem Campus, schalten sie den Fernseher ein, laufen schwedische Nachrichten, wollen sie Filme sehen läuft “Raus aus Åmål” oder gleich Ingmar Bergman. Ein Psychiater fragt sich, ob “Das Schweigen” ein realistischer Film ist. Er schaut lieber den schwedischen “Landarzt”.

Ich darf bei einer Übung der ärztlichen Untersuchung dabei sein. “Sag was ich tun soll”, sagt der Lehrer, “aber ich befolge nur perfektes Schwedisch”.
“Geh drei Schritten vor. Lege die Handflachen gegen den Wind.”
“Hier bläst kein Wind.”
“Wand. Ziehe bitte die Zunge heraus.” (Der Lehrer führt die Hand zum Mund.)
“Nein, nicht so! Ich meine … reich mir die Zunge?”

Die Schwedischklasse verbiegt sich vor Lachen. Auch ich trockne eine Träne und erinnere mich, dass das so war als ich vor 40 Jahren Schwedisch lernte. Unser Lehrer Jonas Wall meinte, dass Wörter am besten hängenbleiben, wenn man sie an Gefühlen festmacht. Wenn wir also Grammatik übten, provozierte er Drama in unserem Keller: “Die da drängelt sich in der Schlange vor, was sagst du?” Nach drei Monaten konnten ein Pole und ein Libanese miteinander über den Sinn des Lebens streiten – auf Schwedisch. Aber das war eine andere Zeit. Heute muss man nach Warschau fahren, um so etwas zu finden.

“Sie setzten mich vor einen Computer und sagten ich solle nach Wissen suchen. Ich wollte Grammatik lernen, sie sagten das sei nicht nötig. Sie gaben mir Aufgaben, für die sie keine Zeit zum Korrigieren hatten. An einigen Tagen hatten wir gar keinen Lehrer. Ich habe fünf Monate meines Lebens vergeudet.”

Das erzählt Katarzyna, die im Frühling versuchte, in Rosengård Schwedish zu lernen. Die Firma Meritausbilung AG, an die sie von der Gemeinde verwiesen wurde (nein, sie durfte die Schule nicht selbst wählen), betreibt auch in Sjöbo und Tomelilla SFI-Kurse. Dort unterrichtete man im Frühling 2007 kurdische Analphabeten und iranische Akademiker in der gleichen Gruppe. 2,8 Lehrer sollten den 90 Schülern “individuell angepassten Unterricht” geben, für 30 Stunden pro Woche und einen Lohn knapp über dem der Müllmänner der Gemeinde.

Ich behaupte nicht, dass diese Schule typisch ist. Aber sie ist gut genug für unsere Behörden. Ein frischer “Beurteilungsbericht” (25.09.08) fand nichts zu beanstanden.

Selbst gerechnet komme ich auf 250 Stunden Privatunterricht, die sich Katarzyna mit zwei anderen Schülern hätte teilen können, wenn das Geld der Steuerzahler nicht stattdessen an die Meritausbildung AG verschenkt worden wäre.

Lisa, Edward Issa, Nina Haddad und Katarzyna heißen in Wirklichkeit anders.

Maciej Zaremba

Übersetzt aus dem Schwedischen. Für mehr Information dazu, zur Lizenz und zu den fünf anderen Teilen der Artikelserie bitte hier entlang.

Svenska originalet publicerades i DN, 2009-03-01. Jag tackar Maciej Zaremba för tillstånd att publicera min översättning.

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Capetown - Mr. Telephone

[Videolink](http://www.youtube.com/watch?v=W9QqCrhm3KA), [via](http://www.swedesplease.net/2009/03/27/swedish-video-roundup-hello-saferide-the-late-call-capetown-niels-nelson-go-cart-system-marit-bergman/), [schonmal](http://www.fiket.de/2008/06/25/capetown-let-it-go/)

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bob hund - Tinnitus i hjärtat

[Videolink](http://www.youtube.com/watch?v=-bIeYeiUqjk) zum Herztinnitus; bob hund [schon einmal hier](http://www.fiket.de/2007/09/04/bob-hund/).

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Immanu El - Kosmonant

[Videolink](http://www.youtube.com/watch?v=puMDYwEu8d0), [Band-Webseite](http://www.immanu-el.com)

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