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Irre viele Eier

Radio Schweden schreibt:

Am Osterwochenende [...] verzehren die gut neun Millionen Einwohner Schwedens voraussichtlich sechs Millionen Eier pro Stunde. Damit verdoppelt sich der Eierkonsum an diesem Wochenende im Vergleich zu einem ganz normalen Tag.

Das ist natürlich hanebüchener Unsinn. Bei zweidrittel Ei pro Stunde das ganze Osterwochenende lang, müsste jeder Schwede im Schnitt 50 Eier in diesen drei Tagen essen. Und wenn das lediglich eine Verdoppelung der sonstigen Zahlen wäre, würden Schweden das ganze Jahr über 16 Eier pro Tag essen. Tun sie nicht, glaubt mir.

Die Verwirrung kommt daher, dass Radio Schweden ungenau aus einem von vornherein fragwürdigen Artikel in DN abschreibt. Dort kommt man auf die sechs Millionen Eier pro Stunde, indem man nur die heutigen Abendstunden betrachtet, also die Essenszeit. “Im Schnitt isst jeder zwei Eier am Ostersamstag”, sollte es ehrlicherweise lauten. Das ist aber keine Nachricht, deshalb der Trick mit den Stunden. Immerhin schrieb man in DN noch, dass die hohe Zahl nur für wenige Stunden gilt; bei Radio Schweden fiel dieses Detail weg. Ob es jedoch besser ist, Leute ganz offen für dumm zu verkaufen, oder ihnen gleich Falschmeldungen zu liefern, sei dahingestellt.

Frohe Ostern!

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Eritrea, Hühnchenglas und die Homoehe

Neben den täglichen “Schreckensmeldungen” aus der Wirtschaft, die in Schweden genauso klingen wie in Deutschland, gibt es noch andere Themen, die die schwedischen Nachrichten gerade dauerhaft beschäftigen.

Zum einen ist da Dawit Isaak. Der ist Schwede und sitzt seit über sieben Jahren ohne Anklage in Eritrea im Gefängnis, weil er in einer Zeitung mehr Freiheit und Demokratie in Eritrea für nötig hielt. Das Thema ist in Anbetracht der langen Zeit natürlich nicht neu und wurde auch schön öfter aufgegriffen, aber letzte Woche gab es einen neuen gemeinsamen Anlauf der schwedischen Presse. Unter dem Aufruf Free Dawit (auch auf Englisch) und zahlreichen begleitenden Artikeln wurde die Geschichte ausführlich aufgerollt und die Unterdrückung der Menschen in Eritrea beschrieben. Gleichzeitig wurde die Strategie der schwedischen Regierung, durch stille Diplomatie etwas zu erreichen, als gescheitert befunden. Die Diskussionen, ob mit Druck mehr erreicht werden kann, um Entwicklungshilfe für Eritrea und wie man generell mit Diktaturen am besten umgeht, halten an. 135.000 Schweden, immerhin anderthalb Prozent der Bevölkerung, haben “Free Dawit” mitunterzeichnet.

Dann ist da das Glas im Essen. In den letzten Wochen sind an mehreren Orten im Land kleine Glassplitter in Lebensmitteln aufgetaucht. Zuerst nur in tiefgekühlter Hühnchenbrust des hierzulande größten Produzenten Kronfågel, der tonnenweise seine Produkte zurückrief. Jetzt fand man auch Glas in anderen Lebensmitteln, inklusive der Nationalwurst Falukorv, und bei anderen Herstellern. Die Vermutungen reichen von einem frustrierten Angestellten, über Erpressungsversuche bis zu Nachahmungstätern in den letzteren Fällen. Es kam zwar bisher keiner durch die kleinen Splitter zu Schaden, aber angeblich sind viele besorgt und stellenweise wird kein Hühnchen mehr serviert.

Und zuletzt: Die “Homo-Ehe” ist beschlossene Sache; wörtlich übersetzt spricht man vom “geschlechtsneutralen Ehegesetz”. Nach dem gestrigen Parlamentsbeschluss kann das neue Ehegesetz, das einfach keine Referenz mehr zum Geschlecht der Eheleute macht, ab Mai in Kraft treten. Bisher konnten homosexuelle Paare nur eine “registrierte Partnerschaft” eingehen. Der Widerstand der mitregierenden Christdemokraten wurde von der Breiten Mehrheit aller anderen Parteien überstimmt.

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Kampf den Boni

Wer glaubte, die “Neidgesellschaft” sei typisch deutsch, dem sei erzählt, was sich gerade hierzulande abspielt. Argwöhnisch wird zur Zeit von den Medien bewacht, welche Firmen- oder Bankenchefs welche Gehälter und Bonuszahlungen bekommen. Der Unterton ist, dass es in Zeiten der Krise “unmoralisch” sei, so viel Geld zu bekommen und dass es geboten sei, freiwillig zu verzichten. Und diese Stimmung kommt laut Umfragen “im Folk” an.

So haben zum Beispiel angeblich 63% der Kunden der Bank SEB ihr Vertrauen in eben diese verloren, weil die Chefin zuerst auf ihren Bonus verzichtete und dann eine Gehaltserhöhung von 7 auf 9 Millionen Kronen bekommen sollte.

Ein anderes Beispiel betrifft den Rentenversicherer AMF. Obwohl man dort aufgrund des medialen Drucks schon auf Boni verzichtete, werden gerade zwei der Chefs angegriffen, weil sie ihre privaten Rentengelder aus der AMF-Versicherung in Fonds überführten, bevor erstere ihre Rendite verschlechterte. (mehr zum schwedischen Rentensystem übrigens hier)

Täglich liest man von irgendwelchen Firmen, die entweder auf Boni verzichten oder eben nicht. Beides ist eine Nachricht wert und ich habe den Eindruck, dass sich das Ganze durch die verschreckten Rückzieher der “Beschuldigten” aufgeschaukelt hat.

Ich finde es ungerecht, Leute an den Pranger zu stellen, wenn sie sich an die Regeln gehalten haben. Ändert die Regeln, wenn sie zu Missständen führen, aber hetzt nicht gegen die, die sie anwenden. Warum soll eine Firma ihre Chefs nicht entlohnen, wenn sie glaubt sie haben gute Arbeit geleistet? Letztes Jahr war das beste in der SEB-Firmengeschichte. Und warum sollte der AMF-Chef nicht über seine eigene Rente entscheiden können wie jeder andere auch? (Solange keine Insider-Informationen für die Entscheidung maßgeblich war, aber darauf gibt es keinen Hinweis.)

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Aftonbladet und SvD

Ich bekam kurz einen Schreck, als ich die Nachricht las, dass die seriöse, eher konservative Tageszeitung Svenska Dagbladet und das Boulevardblatt Aftonbladet zusammenziehen. Dass beide zum gleichen Konzern, Schibsted aus Norwegen, gehören, wusste ich nämlich bisher nicht. Beim genaueren Lesen stellte sich die genannte “Nachricht” des Konkurrenten Dagens Nyheter jedoch als übertrieben heraus, denn die Redaktionen sollen freilich weiter eigen bleiben. Bei der Verwaltung und den IT-Abteilungen will man durch die Zusammenarbeit jedoch sparen.

Zu Schibstedt gehören auch zwei der meistbesuchten schwedischen Internetseiten, die hier neulich Erwähnung fanden: hitta.se und blocket.se.

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Oh je

15 der 16 ersten Seiten, die Hälfte der gesamten heutigen Ausgabe von Dagens Nyheter, Schwedens größter seriöser Tageszeitung, widmete sich der Verlobung der schwedischen Thronprinzessin. Unglaublich.

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Daniel Westling verlobt

Diese Überschrift ist heute eher selten. Man liest stattdessen Dinge wie

  • Victoria endlich mit ihrem Daniel verlobt.
  • “Jetzt heiraten wir!”
  • Victoria: Jetzt wollen wir eine eigene Familie.

    Es geht also um die schwedische Kronprinzessin, die bald unter die Haube kommt. Klatsch und Königshaus interessieren mich zwar eigentlich nicht die Bohne. Trotzdem kann man anhand des Zirkus, der darum gemacht wird, sicherlich noch einiges über die Einstellung der Schweden zu ihren Monarchen lernen und schreiben.
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Pirate Bay vor Gericht

Lange hat es gedauert, heute fängt er an, der Prozess gegen die Betreiber der Pirate Bay. Bald drei Jahre ist es nämlich her, dass die schwedische Polizei die Computer beschlagnahmte, auf denen die beliebte Seite zum Auffinden von Dateien im Internet lief. ThePirateBay.org war schon wenige Tage nach der Razzia wieder online und ist bis heute der wahrscheinlich größte Dorn im Auge der internationalen Musik- und Filmindustrie.

Im Prozess geht es darum, ob das Bereitstellen eines Suchdienstes – denn nichts anderes ist die Piratenbucht im Grunde – strafbar ist im Sinne der “Beihilfe zum Urheberrechtsbruch”. Weil das Urteil dementsprechend weite Bedeutung haben wird, sowohl für andere Suchmaschinen wie Google als auch für die allgemeine Balance zwischen der freien Kommunikation der Netzbenutzer und den Kontrollwünschen von großen Interessensverbänden, wird seit Tagen das Für und Wider in den schwedischen Tageszeitungen aufgerollt.

Auch auf Deutsch gibt es mittlerweile einiges zu lesen, zum Beispiel bei netzpolitik.org, heise.de oder tagesschau.de. Alles was bisher auf Fiket zum Thema Pirate Bay zu lesen war, findet sich hier.

Die Piraten geben sich zum Prozessauftakt siegessicher und haben den Betrieb der Seite mittlerweile ins Ausland verlagert und dezentralisiert, so dass das Urteil keine direkte Auswirkung auf die Pirate Bay haben dürfte – wohl aber natürlich auf die angeklagten Gründer. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird sich der Prozess über mehrere Instanzen und Jahre hinweg ziehen, so dass dies wohl nicht der letzte Beitrag zum Thema bleiben wird.

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SVT und die Katholiken

Wer in den letzten Tagen Nachrichten gelesen hat, dem dürfte die Diskussion um die ultrakonservative katholische Bruderschaft SSPX, die der Papst rehabiliert hat, nicht entgangen sein. Das schwedische Fernsehen (SVT) spielte dabei eine beachtenswerte Rolle. Es war nämlich das Programm Uppdrag granskning (“Auftrag Überprüfung”), das das Interview mit dem SSPX-Bischof ausgestrahlt hat, in dem er seine 20 Jahre alten Aussagen zur Leugnung des Holocausts bereitwillig wiederholt – mit dem Hinweis, doch bitte nicht die Polizei zu rufen, weil das in Deutschland (wo das Interview stattfand) ja illegal sei.

Die ganze Sendung kann im Netz angesehen werden. Man kann zu 35:45 Minuten vorspulen, da fängt das Interview (auf englisch) an. (Nachtrag: Es gibt auch die ganze Sendung englisch untertitelt. Danke für den Hinweis per Email.)

Der Rest des Programms dreht sich um einen Priester, der die schwedische Kirche verlassen hat und der SSPX beigetreten ist und jetzt “Schweden katholisch machen” will. SSPX darf hiesige katholische Kirchen nicht mitbenutzen, aber bei den Protestanten fand man unwissende Priester, die SSPX die Türen ihrer Kirchen öffneten.

Außerdem werden die Verbindungen von SSPX zu rechtsextremen Gruppen, sowohl in Schweden wie in Frankreich, ausführlich behandelt. Auch in diesen Teilen des Programms bekommt man Dinge zu hören, die jeden halbwegs vernünftigen Menschen vor Wut schäumen lassen.

Und was ist die Reaktion des Vatikans auf Uppdrag granskning? Man vermutet ein Komplott und greift den Boten an, anstatt sich um das eigentliche Problem zu kümmern: die Botschaft. Links: 1, 2, 3, 4, 5.

Nachtrag: SpOn hat jetzt noch etwas mehr Hintergründe

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NO WE CAN'T

Seit gestern ist Barack Obama Präsident der USA und natürlich ist die heutige Ausgabe von Dagens Nyheter, Schwedens größter Tageszeitung, davon dominiert. Passend zu Obamas Wahlslogan “Yes, we can” hat die Republikanska Föreningen heute die ganze Seite drei mit dieser Anzeige geschaltet.

Sie zeigt einen eher düster dreinblickenden Schwarzen in schwedischer Uniform unter der Überschrift “NO WE CAN’T”. Die Botschaft ist eindeutig: Schweden hat eine völlig veraltete Methode, sein Staatsoberhaupt zu bestimmen und es ist an der Zeit, die Monarchie abzuschaffen.

Aus Schweden eine Republik zu machen, ist erklärtes Ziel der Republikanska Föreningen

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Wirtschaftskrise hier und da

Ich habe gerade zum Frühstück einen interessanten Artikel in DN gelesen, der sich leider nicht online finden lässt. Darin ging es um die unterschiedliche Berichterstattung über die “Finanzkrise” im Vergleich zwischen Schweden und Deutschland.

Der Autor Stefan Jonsson stellt fest, dass in Schweden eine typische Schlagzeile “Erhöhte KFZ-Steuer trifft Autoindustrie hart” lautet, während man in Deutschland viel öfter “Kaptialismus in der Krise” liest. Hierzulande stehen also die Geldbeutel der Bürger und die Beschwerden für schwedische Firmen im Vordergrund, in Deutschland eher die Hintergründe, Ursachen und mögliche Auswege – die große Idee eben. Karl Marx ist dort kein Tabu, während hierzulande keine Wirtschaftsredaktion sich je einer grundlegenden Ideen-Diskussion widmet.

Jonsson meint weiter, dass das vermittelte Bild der aktuellen “Krise” in beiden Ländern damit grundlegend anders ist: In Schweden nimmt man eine Verteidigungshaltung gegenüber der “Krise” ein und sieht sie fast als “Naturkatastrophe”, die außerhalb der eigenen Kontrolle liegt. In Deutschland schafft man dagegen die Voraussetzungen für einen vernünftigen politischen Dialog, indem alternative Weltordnungen diskutiert werden.

Soweit zur im Artikel vertetenen Meinung. Ich bin geneigt zuzustimmen, was die Medienkritik angeht; dass der Beitrag im Kultur- und nicht im Wirtschaftsteil von DN erscheint, ist symptomatisch. Dennoch vergleicht Jonsson Äpfel mit Birnen, sprich Die ZEIT mit Dagens Nyheter. Es fällt nicht schwer zu behaupten, dass es in Schweden (und wohl in vielen anderen Ländern) kein gleichwertiges Pendant zur ZEIT gibt. Hochwertiger Journalismus ist in Deutschland leichter zu finden als in Schweden. Wenn man allerdings wie neulich von dramatischen Kürzungen bei der Süddeutschen liest, kommt die Frage nicht auf, wie lange das noch der Fall sein wird.

Die generelle Frage, ob die eher ideologische Debatte der Deutschen dem Pragmatismus der Schweden wirklich vorzuziehen ist, kann ich mir derweil selbst nicht eindeutig beantworten.

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