Vielleicht, dann lieber nicht. Oder doch?
Vielleicht, dann lieber nicht. Oder doch?
Es folgt die Teil 3 der Liste (PDF) mit neuen Gesetzen und veränderten Regeln in Schweden, samt meinem Senf dazu. Teil 1, Teil 2.
Die in Deutschland seit langem umstrittene Vorratsdatenspeicherung kommt aus Schweden. Es war der Justizminister der vorigen Regierung, Thomas Bodström, der die entsprechende Direktive in der EU vorangetrieben hat.
In Schweden ist die Direktive, die eine Protokollierung jeglicher moderner Kommunikation vorschreibt, noch nicht in ein nationales Gesetz geflossen, aber man arbeitet daran. Gleichzeitig kommt die Diskussion über die Gefahren dieser Art der Überwachung in Gang, die bisher im Schatten des FRA-Gesetzes stand.
Interessanterweise wird gerade Deutschland als abschreckendes Beispiel angeführt. Laut einer Studie hat dort bereits jeder Zehnte bestimmte Telefonnummern (Beratungsstellen u.ä.) wegen der Vorratsdatenspeicherung lieber nicht angerufen. Nicht kriminelle Menschen ändern also ihr Verhalten, weil sie sich beobachtet fühlen und negative Konsequenzen fürchten. Die Parallele zur Stasi liegt nahe und wird in den verlinkten Artikeln auch direkt gezogen.
Der damalige Justizminister hat es mit seiner Politik immerhin geschafft, seinen Namen zu verewigen: Anstatt “Überwachungsgesellschaft” (övervakningssamhället) sagt man auch gern bodströmsamhället.
Mitte Januar öffnet das “Jumbo Hostel” seine Pforten. Die ausrangierte Boeing 747 am stockholmer Flughafen Arlanda wurde in den letzten Monaten zu einem Vandrarhem (Jugendherberge) umgebaut und soll sowohl Attraktion als auch eine billigere Übernachtungsalternative für Durchreisende sein. Tausend Kronen (93 Euro) soll ein (wahrscheinlich winziges) Dreibettzimmer kosten.
Es folgt die Fortsetzung dieser Liste, die die wichtigsten Veränderungen an Gesetzen und Regeln auflistet.
- Finanzministerium – Es werden einige Steuersenkungen umgesetzt,
mit denen die bürgerliche Allianz schon zur Wahl gegangen ist. Vor
allem Geringverdiener sollen profitieren.
- Senkung der Lohnsteuer.
- Senkung der Steuern für Rentner.
- Senkung der Sozialabgaben.
- Kräftigere Senkung der Sozialabgaben für junge Leute.
- Änderungen der 3:12-Regeln.
Dabei geht es um die Anpassung einiger Freibeträge.
- Gesenkte Firmensteuer und Steuer für Expansionsfonds.
- Grenzen für die Absetzbarkeit von Zinszahlungen.
- Erhöhung der Grenze für die Absetzbarkeit von Pendelkosten.
In Zukunft kann man Reisekosten von und zum Arbeitsplatz erst
ab 9000 Kronen (bisher 8000) absetzen.
- Verstärkung der Stabilität des schwedischen Finanzsystems.
Das ist natürlich ein topaktuelles Thema und das Gesetzt, das
schon ab Ende Oktober gilt, regelt die staatlichen Garantien und
Kapitalzuschüsse für Banken.
- Garantieprogramm für Banken.
Hier ist das EU-gemeinsame gemeint.
- Ausweitung der Einlagengarantie.
Der schwedische Staat garantiert seit 1. Oktober Sparguthaben
bis zu einer halben Million Kronen.
- Elektronischer Informationsaustausch zwischen Behörden.
Das soll die Anzahl Fehler verringern.
Ich habe gerade zum Frühstück einen interessanten Artikel in DN gelesen, der sich leider nicht online finden lässt. Darin ging es um die unterschiedliche Berichterstattung über die “Finanzkrise” im Vergleich zwischen Schweden und Deutschland.
Der Autor Stefan Jonsson stellt fest, dass in Schweden eine typische Schlagzeile “Erhöhte KFZ-Steuer trifft Autoindustrie hart” lautet, während man in Deutschland viel öfter “Kaptialismus in der Krise” liest. Hierzulande stehen also die Geldbeutel der Bürger und die Beschwerden für schwedische Firmen im Vordergrund, in Deutschland eher die Hintergründe, Ursachen und mögliche Auswege – die große Idee eben. Karl Marx ist dort kein Tabu, während hierzulande keine Wirtschaftsredaktion sich je einer grundlegenden Ideen-Diskussion widmet.
Jonsson meint weiter, dass das vermittelte Bild der aktuellen “Krise” in beiden Ländern damit grundlegend anders ist: In Schweden nimmt man eine Verteidigungshaltung gegenüber der “Krise” ein und sieht sie fast als “Naturkatastrophe”, die außerhalb der eigenen Kontrolle liegt. In Deutschland schafft man dagegen die Voraussetzungen für einen vernünftigen politischen Dialog, indem alternative Weltordnungen diskutiert werden.
Soweit zur im Artikel vertetenen Meinung. Ich bin geneigt zuzustimmen, was die Medienkritik angeht; dass der Beitrag im Kultur- und nicht im Wirtschaftsteil von DN erscheint, ist symptomatisch. Dennoch vergleicht Jonsson Äpfel mit Birnen, sprich Die ZEIT mit Dagens Nyheter. Es fällt nicht schwer zu behaupten, dass es in Schweden (und wohl in vielen anderen Ländern) kein gleichwertiges Pendant zur ZEIT gibt. Hochwertiger Journalismus ist in Deutschland leichter zu finden als in Schweden. Wenn man allerdings wie neulich von dramatischen Kürzungen bei der Süddeutschen liest, kommt die Frage nicht auf, wie lange das noch der Fall sein wird.
Die generelle Frage, ob die eher ideologische Debatte der Deutschen dem Pragmatismus der Schweden wirklich vorzuziehen ist, kann ich mir derweil selbst nicht eindeutig beantworten.
Ich würde ja sehr gerne einmal so ein Ding fahren: das selbststabilisierende Zweirad, das sich Segway nennt. (Bilder)
Und bald wird es hierzulande auch erlaubt sein, damit herumzukurven. Die schwedische Verkehrsbehörde Vägverket hat sich nämlich dazu durchgerungen, Segways als “Fahrräder Klasse II” einzustufen und nicht wie bisher als Moped. Das heißt, dass Registrierung und Helmpflicht in Zukunft wegfallen.
Man mag meinen, dass die Ähnlichkeit zu Fahrrädern eher gering ist, aber immerhin haben sie auch nur zwei Räder – im Gegensatz zu elektrischen Rollstühlen, die auch als “Fahrrad Klasse II” gelten.
Heute am frühen Morgen gab es zwischen Malmö und Ystad das stärkste Erdbeben in Schweden seit über hundert Jahren. Klingt dramatisch, nicht? Schweden ist aber, was Erdbeben angeht, eines der am wenigsten aktiven Länder der Welt und es kam niemand zu Schaden.
Nachtrag: Ich erinnerte mich gerade, dass es vor zweieinhalb Jahren auch ein Erdbeben in Stockholm gab. Das war zwar schwächer, dafür näher an der Oberfläche.
Die schwedische Regierung gibt jedes Jahr ein Dokument (PDF) heraus, das die wichtigsten Änderungen an Gesetzen und Verordnungen zum Jahreswechsel beschreibt. Ich übersetzte im folgenden einmal das Inhaltsverzeichnis und kommentiere einzelne Punkte. Eine ähnliche Zusammenfassung sucht man auf der Seite der deutschen Regierung übrigens vergeblich.
Dass in den letzten Jahren einige Kritik laut wurde, dass mehr und mehr Mietwohnungen in Städten, vor allem in Stockholm, zu Eigentumswohungen (bostadsrätter) umgewandelt wurden, hielt ich für berechtigt. Geldscheffelei zugunsten der Wohlhabenden und die Verdrängung von Geringverdienern aus den zentraleren Vierteln waren die Argumente.
Jetzt da der Boom der Wohnungspreise vorbei ist, versucht man aber, es wieder gutzumachen. Zum Beispiel die kommunale Wohnungsfirma Stockholmshem. Mit den Verkäufen aus den letzten Jahren hat man ein paar Milliarden Kronen auf der hohen Kante, die man jetzt, wenn Wohnungen teils unverkäuflich sind, nutzt um aufzukaufen. DN berichtet von einem Neubaugebiet in Årsta, das vom Bauherren als Eigentumswohnungen gedacht war, jetzt aber noch vor Fertigstellung von Stockholmshem billig übernommen wird, um daraus Mietwohnungen zu machen.
Ich bin ja generell eher skeptisch, wenn marktwirtschaftliche Interessen zu sehr in die Politik hineinspielen, aber das finde ich zur Abwechslung einmal ein positives Beispiel. Es ist nicht nur schlau auf die offensichtliche Weise, in Zeiten hoher Preise zu verkaufen und in der Krise wieder zuzukaufen, sondern man wirkt gleichzeitig auch noch abschwächend auf die Konjunkturzyklen, indem man im Boom die hohe Nachfrage bedient und sie in der Krise selbst schafft.