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Rationierung von Diesel in spätestens zehn Jahren

Von Kjell Aleklett und seiner Forschungsgruppe Global Energy Systems in Uppsala war an dieser Stelle schon einmal die Rede. Heute hat er wieder einmal einen Artikel in DN (in seinem Blog auch auf Englisch) zum Thema Peak Oil, der These dass die globale Ölproduktion ihren Höhepunkt erreicht hat.

Seine wichtigsten Punkte:

  • Die Vorraussagen seiner Gruppe von vor zehn Jahren, die damals als superpessimistisch verlacht wurden, haben sich im Gegenteil als optimistisch herausgestellt. Die letzten fünf Jahre wurden etwa konstant 82 Millionen Barrel Öl pro Jahr produziert.
  • Durch das Wirtschaftswachstum der ölexportierenden Länder sinkt die exportierbare Menge Öl schon heute und wird 2020 nur noch die Hälfte des 2005 verfügbaren Volumens betragen, selbst wenn die Produktion weiterhin konstant bleibt.
  • Historisch gibt es einen engen Zusammenhang zwischen Wohlstand und Ölverbrauch. Die aktuelle Wirtschaftskrise kann sehr wohl mit dem verringerten Ölnachschub zu tun haben.
  • Etwa ein Drittel allen Rohöls wird zu Diesel, ein Viertel zu Benzin, der Rest zu anderen Produkten. Bei Benzin sind die europäischen Lager übervoll, während es bei Diesel an Raffineriekapazität mangelt.
  • Die politischen Weichenstellungen gehen an der Realität vorbei und fördern höheren Verbrauch an Diesel, zum Beispiel indem man Benzin Biokraftstoff beimischt, der mit Dieselmaschinen erlandwirtschaftet wird. Oder indem man aus Umweltgründen Schiffe von Schweröl auf Diesel umstellt. Oder sparsamere Diesel-PKW mit Steuererleichterungen fördert.
  • All dies wird die Rationierung von Diesel notwendig machen, um Warentransporten (Essen!), öffentlichem Verkehr und gesellschaftlich wichtigen Diensten Priorität zu geben. Wann ist unklar, aber wahrscheinlich innerhalb von zehn Jahren.
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Kulturresan

Wie schon einmal erwähnt wird Schweden in ein paar Jahren neues Geld bekommen. Heute wurde der Gewinner des Designwettbewerbs bekannt gegeben: Göran Österlunds Vorschlag mit dem Titel Kulturresan.

So werden sie also aussehen, die neuen schwedischen Geldscheine, die ab 2015 in Umlauf kommen sollen.

die neuen
Scheine

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Schwedische Waffen an Saudi-Arabien

Wusstet ihr, dass Schweden für etwa zwei Prozent des globalen Waffenhandels steht? Das ist ein knappes Viertel des deutschen Anteils (\~9%) und macht – auf Bevölkerung oder Gesamtwirtschaftsleistung umgerechnet – Schweden zum Weltmeister im Pro-Kopf-Waffenexport.

Die eigene starke Rüstungsindustrie wird oft mit der schwedischen Neutralität und Allianzfreiheit begründet; man wolle sich eben nicht abhängig machen. Doch der Bedarf des eigenen Militärs ist bei weitem zu klein für Eigenentwicklungen, nicht nur bei Großprojekten wie den Kampfflieger JAS-Gripen. Also exportiert man. Und zwar auch an zweifelhafte Länder, denn Schweden hat sich zum Beispiel kein Demokratie-Kriterium für Waffenexporte auferlegt.

Die moralische Diskrepanz zwischen dem Auftreten und Selbstbild als internationaler Saubermann und Vorbild, das in vielen Bereichen nicht einmal unberechtigt ist, und den Waffengeschäften rückt nur selten ins öffentliche Interesse, denn der Einblick in diese ist durch weitgehende Geheimhaltung erschwert.

Vor ein paar Wochen deckte der schwedische Rundfunk jedoch auf, dass das Forschungsinstitut der schwedischen Streitkräfte FOI den Saudis eine Waffenfabrik bauen will. Dies hat zu einem mittelgroßen Aufschrei geführt, nicht zuletzt, weil die Konstruktion des Geschäfts so angelegt ist, dass keiner so richtig die Verantwortung trägt. Radio Schweden erklärt es so:

der schwedische Militärgeheimdienst [hat] das Startkapital für die Firma SSTI zur Verfügung gestellt. Diese war eigens für den Bau der Fabrik gegründet worden. SSTI ist zwar rechtlich ein privates Unternehmen, wurde aber stets von Vertretern des militärischen Forschungsinstituts FOI geführt, das seit 2005 im Auftrag der Regierung sämtliche Waffengeschäfte mit Saudi-Arabien betreut hatte. Laut Rundfunkinformationen hat zunächst der Geheimdienst dem Forschungsinstitut das Geld in bar ausgelegt. Damit habe das Institut dann SSTI gegründet.

Die Regierung, insbesondere Verteidigungsminister Sten Tolgfors, geriet in starke Kritik und beteuerte einerseits, nichts von den Details gewusst zu haben, und schob die Verantwortung aufs FOI, andererseits, dass das alles im Rahmen des Zusammenarbeitsvertrages mit Saudi-Arabien abgedeckt sei und keineswegs illegal. Dieser Vertrag kommt aus den Zeiten früherer sozialdemokratischer Regierungen – die einheimische Waffenindustrie zu unterstützen ist breiter Konsens.

Nichtsdestotrotz, heute Mittag ist Tolgfors zurückgetreten, offiziell jedoch nicht wegen dieser Affäre.

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Estelle

Estelle Silvia Ewa Mary Bernadotte, Herzogin von Östergötland. So wurde heute der Name der gestern geborenen Tochter von Kronprinzessin Viktoria bekannt gegeben.

Nun interessieren mich die Geschichten um das schwedische Königshaus ja herzlich wenig. Doch der starke Kontrast zur alten Heimat, wo gerade schon wieder ein Präsident zurückgetreten ist, macht es einen Gedanken wert, nämlich dass dieses Kind voraussichtlich irgendwann um 2060 Königin wird und damit Schweden für den Großteil des Jahrhunderts seine Staatsoberhäupter vorbestimmt hat. Ob das nun gut oder schlecht ist, bleibt Ansichtssache.

Außerdem kann man sich anhand des Medienrummels, auch abseits des Boulevards, ausmalen, was in den nächsten Jahren auf einen zukommt, wenn man hierzulande Zeitung liest. Das gesamte Heranwachsen wird zur Nachricht werden und wer sich daran stört, wird es schwer haben, sich alldem zu entziehen. Ein Ausweg ist vielleicht, sich stattdessen zu entscheiden, die Art der Berichterstattung, nicht deren Inhalt, spannend zu finden. Immerhin gehören das kollektive Interesse am Königshaus und die diesbezüglich auseinandergehenden Meinungen zu Schweden dazu.

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Wort der "Woche": Juholtare

Am Samstag war es dann endlich soweit. Håkan Juholt, seit letzten April Parteichef der schwedischen Sozialdemokraten, ist zurückgetreten, nachdem die Diskussionen um ihn und seine Fehler nicht abrießen und die Partei immer mehr in Mitleidenschaft zogen. Von Woche zu Woche sanken die Umfragewerte auf immer neue historische Tiefstände, zuletzt unter 25 Prozent.

Die Affäre um die Wohnungszuschüsse hat sicherlich zum Vertrauensverlust in Juholt beigetragen, aber der Tropfen, der schließlich das Fass zum überlaufen brachte, war ein weiterer Juholtare. Dieses Wort hat es in die Liste der neuen Worte des vorigen Jahres geschafft und bedeutet förhastat uttalande som man snart tvingas backa på, also eine übereilte Aussage, die man bald darauf zurücknehmen muss. Die letzte solche in einer langen Reihe machte Juholt in einer Rede zur Verteidigungspolitik, die eigentlich seine Stärke darstellte; er saß jahrelang im entsprechenden Ausschuss. Juholt behauptete, die Regierung habe zusammen mit den Schwedendemokraten – wir erinnern uns: die rechtsextreme Partei sitzt seit der letzten Wahl im Reichstag und die Regierung hat dort keine eigene Mehrheit – die Reform der schwedischen Streitkräfte durchgesetzt. In Wirklichkeit geschah dies vor der letzten Parlamentswahl.

Ob solche Fehler oder widersprüchliche Aussagen zu Libyen-Einsatz, Schatten-Budget oder EU-Stabilitätspakt Juholts Rücktritt objektiv rechtfertigten, ist schwer zu beurteilen. Unbestritten ist, dass Juholts Hin und Her, Entschuldigungen und Zurückrudern zur unendlichen Geschichte wurden und in der Öffentlichkeit zu Juholts Markenzeichen. Ich kann mir vorstellen, dass so etwas schwer zu reparieren ist.

Eine weitere Person hat übrigens ihren Namen in den Neologismen hinterlassen: Nach Terje Hellesø bedeutet das Verb terja, ein Foto in betrügerischer Absicht zu manipulieren.

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Kopimisten als Religion anerkannt

Kopiere und teile! Alles Wissen für alle! Das was Technik und Naturgesetze erlauben, soll nicht durch weltliche Gesetze begrenzt werden!

Soweit die Kurzversion der Botschaft der Kopimisten, die Kirche für deren Mitglieder Information heilig ist und das Kopieren ihr Sakrament.

Nach einigen Anläufen ist der Kopimismus jetzt anerkannte Religion in Schweden und genießt damit im Prinzip dieselben Privilegien wie andere Glaubensrichtungen. Bis sich einmal jemand vor Gericht darauf beruft, handelt es sich dabei vor allem um gelungenes Trollen – von Religion sowie von Urheberrechtsverbänden, die auf immer restriktivere Gesetze gegen “illegales” Tauschen von Information drängen.

Nachtrag 120105: Jetzt hat auch die ZEIT was dazu.

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Deutsche-Bahn-Tochter übernimmt Teile des Stockholmer Schienen- und Busverkehrs

Der Titel sagt eigentlich schon alles. Arriva, die der Deutschen Bahn gehört, hat eine große Ausschreibung gewonnen und wird ab nächstem Jahr Teile des lokalen Schienenverkehrs in Stockholm übernehmen – abseits von U- und S-Bahn. Ebenso die Buslinien in den angrenzenden Gebieten, so dass sie die Fahrpläne abstimmen können.

Tagesschau.de berichtet, ich frage mich aber, was sie da für ein Bild ausgegraben haben. Die gezeigte Straßenbahn macht Webung für die Europawahl 1999, das Bild ist also zwölf Jahre alt. ~~Außerdem fahren hier erst seit kurzem wieder nicht-historische Straßenbahnen und ich vermute, dass das Bild nicht Stockholm, sondern Malmö zeigt.~~ Es ist doch Stockholm, Norrmalmstorg. Dass die gewonnene Ausschreibung gar nichts mit Straßenbahnen zu tun hat, macht da fast gar nichts mehr.

Zitate wie dieses

DB betreibt Stockholms Straßenbahn – Bock auf Katastrophentourismus im nächsten Winter, anyone?

sind zwar lustig, werden sich aber wahrscheinlich nicht bewahrheiten. Alle strategischen Entscheidungen werden weiter vom staatlichen Verkehrsverbund SL getroffen und Arriva wird “lediglich” die ausführende Kraft sein, die empfindliche Strafen zahlen muss, wenn die Ziele nicht erreicht werden. Dieses Prinzip ist auch nicht neu, vor bald drei Jahren wechselte zum Beispiel der Betreiber der U-Bahn, ohne dass es irgendwem aufgefallen wäre.

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Die Affäre Juholt

Als die schwedischen Sozialdemokraten im April ihre an der letzten Wahl gescheiterte Parteichefin gegen den bis dato wenig bekannten Håkan Juholt austauschten, hielt sich die Begeisterung in Grenzen. Und sie wuchs auch nicht sonderlich mit der Zeit, denn Juholt machte sich einen Namen besonders dadurch, Unüberlegtes – vom Afghanistaneinsatz bis zum Schattenbudget – von sich zu geben, das er dann auf Druck aus der Partei hin wieder zurücknehmen musste.

Dazu kommt jetzt eine Affäre, die ihn stürzen könnte. Juholt hat nämlich über lange Zeit mehr Zuschuss zu seiner Zweitwohnung in Stockholm einkassiert, als ihm als Parlamentariker zugestanden hätte, weil er diese Wohnung mit seiner Lebensgefährtin teilt. Auf dem entsprechenden Formular gibt es wohl ein deutliches Kreuzchen für genau diese Unterscheidung, doch Juholt beteuert, die Regeln schlicht nicht gut genug gekannt zu haben, und hat sich deutlich für diesen Fehler entschuldigt und Geld zurückgezahlt. Dass die Sache damit nicht erledigt war, liegt daran, dass ernste Zweifel daran aufkamen, ob er wirklich nicht bewusst täuschte. Denn es gibt mehrere Hinweise, dass ihm dieses Thema angetragen wurde, sowohl von der parteiinternen Revision als auch von Assistenten.

Es wurde eine Voruntersuchung wegen Betrugs eingeleitet; das Erschleichen staatlicher Hilfen kann mit bis zu zwei Jahren Gefängnis bestraft werden. Sollte die Voruntersuchung tatsächlich zu einer Anklage führen, war es das für Håkan Juholt als Parteichef, sind sich Beobachter einig.

Doch ungeachtet des formellen Ausgangs ist der Vertrauensverlust in Partei und bei den Wählern schon da. Es wird Juholt in Zukunft sehr schwer fallen, glaubwürdig gegen Egoismus zu schimpfen und für die Verantwortung des einzelnen zu plädieren, das kollektive nicht auszunutzen. Die bürgerliche Minderheitsregierung muss sich bis auf absehbare Zeit nicht mit einem starken Oppositionsführer herumschlagen.

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Nobel 2011

Ich spare mir heuer die Zusammenstellung der Nobelpreise, die ich sonst immer gemacht habe. Schließlich findet man alles auf nobelprize.org und alle Welt schreibt ja darüber.

Natürlich freue ich mich, dass der Physikpreis wieder einmal der Astronomie gewidmet wurde. Die Messungen, die zeigen, dass sich das Universum nicht nur permanent ausdehnt, sondern dies immer schneller tut, kennt jeder Astronom, auch wenn man wie ich nicht direkt auf diesem Gebiet arbeitet.

Dass einer der Medizinpreisträger kurz vor der Bekanntgabe verstarb, ist ein wenig peinlich fürs Nobelkommittee, denn es verstößt mit der posthumen Verleihung lieber gegen die eigenen Statuten als die öffentliche Aufregung auszustehen, die eine Zurücknahme der Bekanntgabe verursacht hätte.

Gerade wurde auch der Literaturpreis verkündet und seit fast 40 Jahren (Harry Martinson und Eyvind Johnson 1974) wird er wieder einmal einem Schweden verliehen. Thomas Tranströmer ist Poet und ich muss zugeben, dass ich bis eben noch nicht von ihm gehört hatte.

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Krisenmeisterer Schweden

Die Washington Post beschreibt, warum Schweden so gut durch die Finanz- und Wirtschaftskrise kam und jetzt wieder einmal als Vorbild herumgereicht wird. (via Fabian)

Dazu kann man hinzufügen, dass die unglaublich geringen Zinsen den Wohnungsmarkt weiter befeuert hatten, so dass hier keine Blase platzte. Und weil so viele Schweden einen Kredit auf ihrer Wohnung oder dem Haus haben, hat die Zinssenkung den Leuten viel Geld zum ausgeben in die Taschen gespült.

Allerdings kosten Kredite wegen des Aufschwungs mittlerweile wieder mehr und es wurden strengere Regeln für deren Vergabe eingeführt. Das dämpft die Nachfrage an Immobilien und in den letzten Monaten zeigt die Entwicklung nicht mehr steil nach oben, sondern die Preise fallen. Wenn der Wohnungsmarkt tatsächlich überbewertet ist, dann ist es vielleicht sogar sehr schlau, auf diese Weise eine langsame Anpassung zu erreichen, anstatt die Preise weiter anzuheizen und einen plötzlichen Absturz zu provozieren.

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