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Steuerparadies Schweden?

Ganz so weit es noch nicht, aber größere Firmen könnten in Schweden bald massiv die Steuerlücke ausnutzen, die ein Gericht Anfang der Woche für legal erklärt hat. Mit Hilfe von Tochterfirmen, die nicht einmal eigene Angestellte zu haben brauchen, kann die Firmensteuer effektiv umgangen werden.

Man befürchtet Steuerausfälle von 60 Milliarden Kronen – das entspricht der gleichen Anzahl Euro, wenn man auf die Bevölkerung Deutschlands umrechnet – wenn das Gesetz nicht nachgebessert wird. Damit wäre es wohl vorbei mit dem Haushaltsplus Schweden der letzten Jahre.

Und wenn sich der Eindruck festsetzt, dass die Kürzungen beim Arbeitslosengeld und im Sozialsystem nur für Steuergeschenke an die Wirtschaft gut waren, dürfte die Popularität der Regierung Reinfeldt noch weiter fallen, als sie es seit der Wahl vor 15 Monaten schon getan hat.

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Weniger Län

Die schon länger angestrebte Reform der schwedischen Verwaltungsregionen (län) scheint voranzukommen. Die vier flächenmäßig großen, aber bevölkerungsarmen Regionen Norrlands (Norrbotten, Västerbotten, Västernorrland und Jämtland) diskutieren von sich aus darüber, eine oder zwei Großregionen zu bilden.

Ähnliches ist im Süden im Gange und vielleicht werden Skåne, Blekinge und Kronoberg ja bald zu Sydsverige. Dass die Verwaltungsgebiete sowieso nur noch teilweise mit den klassischen schwedischen Landschaften übereinstimmen, könnte dabei helfen, eventuellen regionalpatriotischen Widerstand zu umschiffen, denn wenn überhaupt dann sind es die landskapen, mit denen sich Leute identifizieren.

Vor längerem habe ich auch einen guten Artikel gelesen (wahrscheinlich in der ZEIT), der dafür argumentierte, die Anzahl der deutschen Bundesländer auf etwa 6 zu reduzieren, aber die Chancen dafür sind wohl sehr gering. Den Artikel finde ich leider nicht im Netz.

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Nobelpreise verliehen

Gestern war der 10. und deshalb die Preisverleihung der diesjährigen Nobelpreise und das zugehörige Bankett.

Übermorgen kommen die beiden Physikpreisträger wie jedes Jahr nach Uppsala, um noch einmal eine Vorlesung zu geben, nachdem sie morgens von der Stockholmer Lucia geweckt wurden. Im Gegensatz zum letzten Jahr wo der Preis an Astronomen ging und wir deshalb reservierte Plätze bekamen, gilt es dieses Jahr wohl wieder, rechtzeitig da zu sein, denn es wird üblicherweise sehr voll.

Die Rede der Literaturpreisträgerin Lessing (auf Englisch oder Deutsch) ist übrigens auch lesenswert, trotz ihrer negativen Bemerkung über das Internet und das Bloggen.

Nachtrag, 071213: Ich habe – trotz halber Stunde zu früh – nur auf den Stufen Platz gefunden und wie erwartet nicht viel verstanden. Erwähnenswert ist vielleicht noch der Pomp und das Formelle rund um die Preisträger. Vor dem Labor waren, den Nationalitäten der beiden entsprechend, französische und deutsche Flaggen gehisst und sie kamen in zwei schwarzen Stretch-Limousinen, natürlich von Volvo.

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Gute Nachrichten?

Keine Nachrichten sind gute Nachrichten. Und da in Schweden das meiste seinen geordneten Gang geht, hat man manchmal den Eindruck, als müssen die Medien mit Gewalt Nachrichten erfinden, um den vorhandenen Platz zu füllen.

Trotzdem erwähnenswert ist vielleicht, dass auch Schweden jetzt einen Skandal um falsch paketiertes Fleisch hat, der die Gemüter erregt, und dass die Nazis wohl auch dieses Jahr wieder am 9. Dezember in Salem südlich von Stockholm aufmarschieren werden (zum Anlass siehe letztes Jahr). Hier an der Uni tauchten diese Woche Aufkleber auf, die für den Protest gegen “schwedenfeindliche Gewalt” warben (und die ich mir erlaubte abzureißen). Von der dort angegebenen Webseite kommt man ganz schnell zu einschlägigen Magazinen, die von Antisemitismus über Hetze gegen Einwanderer und “Zigeuner” bis zu Ultranationalismus das Ganze Spektrum der Hässlichkeiten abdecken.

Zuletzt seit langem einmal wieder ein Hinweis auf das Blog des schwedischen Außenministers Carl Bildt, das er weiterhin fleißig füllt – über 600 Beiträge seit dem Start Ende Januar. Nicht alles dort ist wirklich interessant, aber es finden sich regelmäßig spitze Bemerkungen, wie zuletzt über das Wahlergebnis in Russland, das mit stellenweise über 100% vielleicht doch etwas zu schmeichelhaft für Putins Partei ausfiel.

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Ein Prozent besitzt ein Drittel von allem

Selbst wenn das Klischee des funktionierenden Sozialismus in Schweden schon lange nur noch eben ein solches ist und der Sozialstaat auch hier beschnitten wurde und wird, war mein Eindruck bisher immer, dass das schwedische System zumindest halbwegs gut darin ist, die Chancen für Menschen mit unterschiedlichen Voraussetzungen anzugleichen und die Unterschiede zwischen Reich und Arm – nicht zuletzt durch das generell hohe Niveau der Steuern – nicht zu groß werden zu lassen.

Dem scheint aber nicht so zu sein.

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PISA und Schweden

Nachdem die neueste Version der PISA-Studie schon letzte Woche in Deutschland für Diskussionsstoff gesorgt hat, wurden die Ergebnisse jetzt offiziell vorgestellt.

Bevor ich das Abscheiden von Schweden neben Deutschland und das Musterland Finnland stelle, muss gesagt werden, dass sich hierzulande kaum jemand darum schert. PISA ist nicht zum geläufigen Schlagwort geworden und Bildungspolitiker diskutieren lieber über mangelnde Ordnung, Mobbing und den Dauerbrenner “Freischulen”. Schon gar nicht ist PISA zum Inbegriff eines Problems im Bildungssystem geworden, was aber nicht wirklich am rosigen Abscheiden schwedischer Schüler liegen kann:


Platzierungen Naturwissenschaf Lesen Mathematik Finnland ten 2 2 Schweden 1 10 21 Deutschland 22 18 20 13


Laut dieser Grafik weist in Schweden der Trend – im Gegensatz zu Deutschland – zusätzlich in die negative Richtung.

Nachtrag, 071209: Die ZEIT schreibt auch darüber.

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Schröder, Schweden und das Gas

Erinnert man sich noch daran, dass Ex-Kanzler Schröder jetzt die Interessen des russischen Energieriesen vertritt? Ich wurde gerade daran erinnert als ich auf Radio Schweden las:

Der Geschäftsführer des Nord Stream-Konsortiums, Gerhard Schröder, hat den schwedischen Widerstand gegen die geplante Ostsee-Erdgasleitung kritisiert. [...] Mit der Änderung der ursprünglichen Trassenplanung habe Nord Stream die schwedischen Bedenken bereits berücksichtigt. Weiter sagte Schröder, im übrigen sei es wenig wahrscheinlich, dass Schweden andere EU-Länder wie Frankreich, Großbritannien, Deutschland und auch Dänemark daran hindern werde, mit Hilfe der Gasleitung ihre Energieversorgung zu sichern.

Provoziert man mit der Aussage “Ihr könnt da eh’ nichts dagegen tun” nicht erst recht eine ablehnende Haltung? Außerdem sind die Schweden aus geschichtlichen Gründen etwas skeptischer gegenüber Russland als es die heutige deutsche Politik zu sein scheint.

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Pengar från Vetenskapsrådet

Der schwedische Vetenskapsrådet (“Wissenschaftsrat”) ist die staatliche Behörde zur Förderung von Wissenschaft und in vieler Hinsicht das Äquivalent zur DFG. Wissenschaftler können dort also Anträge einreichen, um ihre Forschungsprojekte zu finanzieren. Das können Betriebs- und Reisekosten sein, aber auch ganze Stellen sprich Lohnkosten. Viele Universitätslehrer, die eigentlich zum unterrichten angestellt sind, nutzten Geld vom VR, um einen Teil ihrer Zeit zum Forschen “freizukaufen”. Das nennt man dann friköp.

Gestern wurde bekanntgegeben, welche Projekte aus der letzten Antragsrunde bewilligt wurden und die Liste ist natürlich öffentlich. Vom Versprechen der neuen Regierung, viel mehr Geld für Wissenschaft bereitzustellen, sieht man jedoch nicht sehr viel. Etwa eine Milliarde Kronen wird im nächsten Jahr innerhalb Naturwissenschaft und Technik ausgeschüttet und eine große Mehrheit der Anträge wurde abgelehnt.

Nichtsdestotrotz war unser astronomisches Institut mit vier Anträgen erfolgreich. Zusätzlich hat ein Kollege aus Stockholm, mit dem ich zusammenarbeite, eine Stelle für die nächsten vier Jahre ergattert. Sehr schön.

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Dänemark hat gewählt

Gestern war Wahl in Dänemark. Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen wird dieses Amt wohl auch in Zukunft innehaben, denn obwohl seine bürgerlich-liberale Partei mit dem irreführenden Namen Venstre (“links”) Stimmen eingebüßt hat, wird er mit etwas Hilfe weiterregieren können.

Das was viele in Schweden als Schandfleck im kleineren Nachbarn betrachten, nämlich die an der Regierung beteiligte ausländerfeindliche Dansk Folkeparti, hat jedoch sogar leicht Stimmen hinzugewinnen können. Allerdings kam auch eine neue Partei, die sich explizit als Gegenpol gegen den Rechtspopulismus gegründet hat, ins Folketing geschafft. Ihr Ziel, die Dansk Folkeparti zu entmachten, ist jedoch fehlgeschlagen und Rasmussen kann ohne die Hilfe der Ny Alliance auskommen. Zwei gegensätzliche Parteien als Koalitionspartner zu haben, wäre ihm wohl auch schwer gefallen.

Mehr hier, hier und hier.

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Überwachungsgegner von rechts und links

Heute morgen stand unter der Rubrik Brännpunkt im Svenska Dagbladet ein Artikel über die Gefahren des Überwachungsstaates, der etwas mehr Aufsehen als üblich erregt hat. Die beiden Autoren sind nämlich jeweils die Vorsitzenden des eher links orientieren Vereins Ordfront und der wirtschaftsliberalen Denkfabrik Timbro, also zwei Parteien, die ansonsten gegensätzliche Standpunkte vertreten.

Hintergrund ist nicht zuletzt die morgige Entscheidung im Parlament, verdachtsunabhängige (!) und heimliche Abhörmaßnahmen zu ermöglichen. Die ungewöhnlichen Partner heben hervor, dass Überwachung der Feind der Meinungsfreiheit und der offenen Gesellschaft ist, und warnen, dass es naiv ist davon auszugehen, dass bestehende Möglichkeiten nur von wohlwollenden Menschen und Regierungen genutzt werden.

Der vorhin erwähnte Supercomputer scheint übrigens in der Tat zur Überwachung gedacht zu sein (siehe Kommentare dort) und die Reaktion des Chefs der Piratenpartei, als ich ihn darauf hinwies, war: Holy fuck.

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