Noch ist es nicht vorbei, das halbe Jahr schwedische
EU-Ratspräsidentschaft. Doch für die
Weihnachtswoche steht so gut wie nichts mehr auf dem Programm und es ist
Zeit, die Arbeit der Regierung Reinfeldt zu bewerten.
Das Urteil Europas, sowohl in Medien als auch unter Politikern und
Staatswissenschaftlern, scheint einhellig: Schweden hat gute Arbeit
geleistet. Man war vorbereitet, professionell und hat die Rolle des
ehrlichen Maklers mit Erfolg durchgehalten. Damit hat Schweden bewiesen,
dass auch kleine und recht junge Mitgliedsländer die Ratspräsidentschaft
effektiv ausfüllen können – nach den Turbulenzen mit dem Vorgänger
Tschechien und dem Aktivismus der Franzosen davor, war das eine
willkommene Beruhigung.
Wir erinnern uns an den Zustand Europas im Sommer. Das frisch gewählte
Parlament nahm gerade Platz, es galt eine neue Kommission aufzustellen,
der Vertrag von Lissabon war in der Schwebe und die Finanz- und
Wirtschaftskrise war akut.
Unter schwedische Regie sind in den letzten Monaten viele Puzzlesteine
an den rechten Platz gerückt worden. Dass der tschechische Präsident
Klaus den Lissabon-Vertrag unterschrieb, ist wohl der größte persönliche
Erfolg von Fredik Reinfeldt, denn jener drohte mit neuen Forderungen
nach Ausnahmeregeln für sein Land die Nachbarn zu brüskieren. “Ohne den
da hätte ich nicht unterzeichnet”, soll Klaus auf Reinfeldt deutend
gesagt haben, der sich nicht zu Anklagen und Drohungen hinreißen lies,
sondern zuhörte und eine Lösung fand.
Schweden hat einerseits Glück gehabt, dass keine unvorhergesehenen
Krisen eintrafen, wie etwa der Krieg in Georgien im letzten Jahr.
Andererseits nahmen die institutionellen Fragen so viel Platz in
Anspruch, dass man die eigene Agenda weniger weit vorantreiben konnte
als geplant. Ob man den Schweden deswegen Ideenlosigkeit vorhalten will,
oder lieber ihren Willen anerkennt, Eigeninteressen hinter denen der
Gemeinschaft zurückzustellen, ist Ansichtssache.
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Barroso und Reinfeldt
Bild: Gunnar Seijbold/Regeringskansliet
Dass die Besetzung der neuen EU-Kommission, angefangen mit der
Wiederwahl des Präsidenten Barrosos, und die Wahl der zwei wichtigen
Posten des permanenten Ratsvorsitzenden und des “Außenministers” im
neuen EU-System relativ reibungslos über die Bühne gingen, ist ebenfalls
ein Verdienst der schwedischen Ratspräsidentschaft, die damit
gleichzeitig die letzte ist, in der der jeweilige Regierungschef auch
den Ratsvorsitzenden stellt. Die Ernennung von Catherine Ashton und
Herman van Rumpuy wurde zwar kritisiert, weil sie hinter verschlossenen
Türen stattfand – unpassend für Schweden, das im Allgemeinen für
Offenheit plädiert. Doch Reinfeldt verteidigt das Vorgehen, weil
amtierende Staatschefs sonst nicht willig gewesen wären zu kandidieren.
Die Aufgabe der beiden hohen Beamten ist nicht, eigene Politik zu
machen, sondern der Kompromissmaschine EU zu dienen, weshalb die Wahl
von weniger bekannten Gesichtern eine kluge ist und ihre Ernennung durch
die EU-Staats- und Regierungschefs in keiner Weise undemokratisch.
Doch auch außerhalb der EU-Interna tat sich einiges. Die gemeinsame
Strategie für die Ostsee wurde angenommen. Ebenso neue Regeln für die
Finanzmärkte und Budgetregeln für die Mitgliedstaaten. Schweden sorgte
dafür, dass die EU mit einem gemeinsamen und weitreichenden Angebot zur
Klimakonferenz in Kopenhagen kam. Das Scheitern der Konferenz ist nicht
Reinfeldt anzulasten.
Das neue Stockholmer Programm setzt die Agenda für die justiz- und
innenpolitische Zusammenarbeit in den nächsten Jahren. Ziel ist unter
anderem eine einheitlichere Asylpolitik, bessere Behandlung von
Flüchtlingen und mehr Rechts- und Datenschutz. Die verstärkte
Zusammenarbeit in der Sicherheitspolitik ruft jedoch auch Kritiker auf
den Plan. Dazu im Detail ein andermal mehr. Missglückt ist Schweden die
Einigung bei grenzüberschreitender Gesundheitsversorgung. Ziel war es,
Patienten generell die Behandlung in Nachbarländern zu erlauben und
damit auch in diesem Bereich die Beweglichkeit innerhalb der EU zu
erhöhen.
Da die Probleme, die das alte System der auf 27 Länder gewachsenen EU
bereiteten, mit dem Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages aus der Welt
sind, nehmen auch Mitgliedsverhandlungen wieder Fahrt auf. Gleich zu
Beginn des Halbjahres nahm Schweden den Mitgliedsantrag von Island an;
zum Abschluss übergibt heute Serbien den seinigen in Stockholm. Die
EU-Visumspflicht für Reisende aus Serbien, Montenegro und Mazedonien
fiel dieser Tage weg.
Ein weiterer diplomatischer Erfolg Schwedens, unter der Regie des lange
auf dem Balkan aktiven Außenministers Carl Bildt, war der Vertrag
zwischen Slowenien und Kroatien, der deren Grenzkonflikt beilegte und
damit letzterem eine wichtige Hürde auf dem Weg in die EU aus dem Weg
räumte. Zusätzlich wurden mehrere Kapitel der Beitrittsverhandlungen mit
Kroatien abgeschlossen und ein neues wichtiges (Umwelt) mit der Türkei
eröffnet.
Dass Schweden jetzt respektvolles Schulterklopfen aus Europa und den
heimischen Medien erntet, scheint also berechtigt und man kann nur
hoffen, dass Nachfolger Spanien sich genauso gut schlägt. Fredrik
Reinfeldt kehrt zufrieden von der internationalen Bühne nach Hause
zurück und beginnt in seiner Weihnachtsrede gleich die Angriffe auf die
Opposition. Denn nach dem Super-EU-Jahr 2009 stehen im kommenden
schwedische Wahlen an und die Regierungskoalition steht in den Umfragen
nicht gut da.
Nachtrag 091231: Jetzt auch ein ähnlicher Artikel bei
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