Wie schon mehrmals vorab erwähnt, hat Schweden mit der Regierung hinter Premierminister Fredrik Reinfeldt vorgestern die EU-Ratspräsidentschaft für das kommende halbe Jahr übernommen. Zur Feier im Stockholmer Freilichtmuseum Skansen kam Kommissionspräsident Barroso und natürlich auch seine schwedische Vize Margot Wallström.
Nicolas Sarkozy und Fredrik Reinfeldt (Foto: Gunnar Seijbold/ Regeringskansliet)
Heute ist Frankreichs Präsident Sarkozy zu Gast und die Pressekonferenz
mit ihm und Reinfeldt kann man auf der Homepage der schwedischen
Ratspräsidentschaft ansehen: www.se2009.eu
Ich wurde den Eindruck nicht los, dass sich Sarkozy immer noch als der
heimliche Chef sieht.
Die Erwartungen an Schweden sind hoch nach der turbulenten tschechischen Präsidentschaft. Auf der Agenda der nächsten Monate stehen sowohl Themen, die Schweden gern selbst vorantreiben möchte, als auch solche, um die man nicht herumkommt:
Der Dorschbestand in der Ostsee ist in Schweden immer eine Nachricht wert und wurde ja auch an dieser Stelle schon öfter erwähnt. In den letzten Tagen las man allenthalben, dass sich der Bestand erholt hat und wieder auf dem Niveau der 60er Jahre liegt. Man brauche also kein schlechtes Gewissen mehr zu haben, im Supermarkt zuzugreifen.
Die Journalistin Isabella Lövin, die für ihr Buch zur Überfischung der
schwedischen und angrenzender Gewässer den Großen Journalistenpreis
bekommen hat, relativiert jedoch die
Erfolgsmeldung:
Die Senkung der Fangquoten und die bessere Kontrolle illegaler Fischerei
hätten zwar sicherlich ihren Beitrag geleistet, aber man habe vor allem
Glück gehabt. Denn die Vermehrung des Ostseedorschs hänge stark von
Zuflüssen mit Salzwasser in die
Ostsee ab und 2003 und 2005 fanden eben diese statt, so dass es jetzt
wieder mehr erwachsene Fische gibt. Dorsch wird bis zu 20 Jahren alt.
In den 90ern gab es nur einmal einen solchen Zufluss und damit viele Jungfische. Dieser Jahrgang war mit den damaligen Quoten aber innerhalb weniger Jahre wieder weggefangen. Jetzt gilt es also, die Chance zu nutzen und den Bestand auch langfristig auf sicherem Niveau zu halten, was eigentlich auch im Interesse der Fischindustrie sein sollte, die jedoch immer den Eindruck erweckt, nur ans kurzfristige Geld zu denken.
Als Randnotiz sei noch die bizarre Geschichte erwähnt, wie deutsche Touristen vor ein paar Wochen eine dreiviertel Tonne (!) Dorschfilet aus Norwegen über Schweden schmuggeln wollten und vom Zoll erwischt wurden. Etwa drei Tonnen Fisch mussten für so viele Filets gefangen werden und die Polizei glaubte ihnen nicht wirklich, dass die illegale Fracht für Freunde zu Hause bestimmt war.
Sie ist nicht völlig vergessen in den schwedischen Medien, aber viel hat man in letzter Zeit nicht von der Ostseepipeline gehört. Nord Stream, das russische Konsortium mit Ex-Kanzler Schröder im Vorstand, hatte bei der schwedischen Regierung beantragt, die Gas-Pipeline am Grund der Ostsee durch die schwedische Wirtschaftszone und nah an Gotland vorbei bauen zu dürfen.
Anfang des Jahres wurde der erste Antrag als mangelhaft abgelehnt und letzten Monat reichte Nord Stream einen neuen ein, der dann ganz nach schwedischer Art an die betroffenen Ministerien und Behörden zu Begutnachtung weitergereicht wurde. Laut einer kurzen Notiz in DN stellen sich drei Viertel dieser “Remissinstanzen” wiederum kritisch gegen den Antrag. Die darin enthaltenen Informationen seinen immer noch unvollständig, vor allem was die Konsequenzen für die schon stark belastete Natur in der Ostsee angeht.
Unterdessen hat man auf Gotland mit dem Bauen angefangen. Nord Stream bezahlt nämlich den Ausbau des Hafens von Slite im Nordosten der Insel mit 100 Millionen Kronen. Ganz uneigennützig, versteht sich.
Wie wahrscheinlich ein endgültiges schwedisches Nein zur Pipeline ist, kann man als Laie kaum beurteilen – zu viele europa-, welt- und machtpolitische Interessen spielen dabei eine Rolle. Außerdem ist zu vermuten, dass das Projekt mittlerweile ein ganz anderes Problem hat: Der Niedergang der Finanzwirtschaft hat Russland stark getroffen und die niedrigen Rohstoffpreise wirken sich wohl nicht sonderlich gut auf die zu erwartende Rentabilität der Pipeline aus.
Zwei gute Nachrichten von letzter Woche:
Die Wölfe in Schweden haben sich dieses Frühjahr kräftig vermehrt und das offizielle vorläufige Ziel von 200 Tieren ist überschritten. Das ist natürlich prima, aber alte irrationale Ängste (es kam seit Jahrhunderten kein Mensch mehr durch Wölfe zu Schaden, im Gegensatz zu jährlichen Unfällen mit Bären) und schießwillige Jäger, inklusive des schwedischen Königs, bringen auch gleich wieder die Diskussion in Gang, ob Wölfe gejagt werden dürfen. Weil der Bestand jedoch nicht nur durch die Anzahl sondern auch durch Inzucht bedroht ist, wird man das wohl aber bleiben lassen.
Der Dorsch/Kabeljau in der Ostsee ist auch wieder zahlreicher geworden, zumindest im Osten. Dieses Thema ist seit langem so aktuell in Schweden, dass hierzulande kaum noch jemand Dorsch isst. Das ist natürlich gut gemeint und ein positives Beispiel für die “Macht des Verbrauchers”, allerdings zeigen die meisten anderen Europäer in dieser Sache weniger Umweltbewusstsein und kaufen weiter fleißig Dorsch, auch den schwedischen, der legal im Rahmen der Quoten gefangen wurde. Schweden essen also von weither importierten Fisch und verschmähen den eigenen, der stattdessen gewinnbringend exportiert wird. Es lebe die Globalisierung. Mittel der Wahl gegen die Ausrottung des Dorschs ist also nicht das Kaufverhalten, sondern die weitere Verringerung der Fangquoten auf EU-Ebene – worauf Schweden seit Jahren hinarbeitet und offenbar damit Erfolg hat.
Der schwedische Umweltminister hat den Antrag von Nord Stream, das die Pipeline von Russland durch die Ostsee, inklusive der schwedischen Wirtschaftszone, nach Deutschland bauen will, zurückgewiesen. Dieser sei unvollständig und ungenau und deshalb unmöglich nach schwedischem Recht und internationalen Konventionen zu prüfen.
Es bedürfe einer Beschreibung der Umweltfolgen entlang der gesamten Strecke und einer Studie über Munitionsreste und geologische Beschaffenheiten am Ostseeboden. Auch die Bedenken anderer Ostseeanrainer sollen bedacht werden und warum Nord Stream sie nicht berücksichtigt hat. Außerdem soll die Alternative auf dem Landweg dargelegt und verglichen werden, eine Forderung, gegen die sich Nord Stream sträubt und die Polen erfreuen dürfte.
Der Bau der Pipeline am Russischen Ende hat bereits begonnen und man erhoffte sich die Zustimmung Schwedens Anfang nächsten Jahres. Daraus dürfte nichts werden, denn erst wenn Nord Stream den neuen, stark ergänzten Antrag einreicht, kann die schwedische Regierung die zuständigen Behörden diesen prüfen lassen. Und ab dann wären weitere anderthalb Jahre eine realistische Untergrenze für diesen Prozess.
Nachtrag: Was Nord Stream dazu sagt, liest man hier.
Deutschland gewinnt Ostseeverschmutzungswettbewerb. Gratuliere.
Wer gerade in Stockholm ist, kann sie kaum übersehen, die Boote der diesjährigen Tall Ships’ Races. Die großen und kleineren Segelboote mit meist jugendlicher Besatzung füllen seit Freitag die Anlegestellen der Innenstadt und es gab dieses Wochenende ein Rahmenprogramm dazu, das wohl gerade jetzt mit einem Feuerwerk endet.
Zufälligerweise haben wir am Dienstag in Mariehamn auf Åland schon einige der Großselger sehen können, darunter die norwegische Christian Radich, die russische Sedov, die deutsche Alexander von Humboldt und die mexikanische Cuauhtémoc. Die stattliche Pommern liegt da auch, allerdings permanent als Museum.
Wenn das Wetter morgen gut ist, werde ich aber vielleicht noch einmal nach Stockholm kommen, um Fotos zu machen, wenn die Schiffe aus der Stadt segeln, um dann das Rennen fortzusetzen.
Mehr Bilder, wenn ich mit der Nachbearbeitung fertig bin…