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Das unnötige Blog

Ich erspare mir und Euch, liebe Leser, normalerweise bewusst Meta-Diskussionen über Blogs und die “Bloggosphäre”; ein Dauerbrenner ist zum Beispiel das Verhältnis der “alten” Medien gegenüber neuen wie Blogs. Ich denke mir meist “Macht doch einfach, anstatt drüber zu schwätzen! Was gut ist, findet Leser.” Gleichzeitig setzt das eigene Publizieren, egal in wie kleinem Stil das geschieht, neue Gedanken bei Nicht-Medien-Menschen frei und die meisten Blog-Schreiber können deshalb den Diskussionsbedarf zu diesen Themen nachvollziehen.

Heute morgen war in der Zeitung ein Artikel mit dem Titel Das unnötige Blog zu lesen, der der deutschen Blog-Welt so fremd erscheinen dürfte, dass ich nicht umhin komme, ihn aufzugreifen.

Schwedische Medien zollen Blogs und Bloggern einen Respekt, der oft nur schwer nachzuvollziehen ist – besonders in der Zeitungswelt. Die Chefredakteure des Aftonbaldet und des Expressen wetteifern frustriert, wer besser vor der Bloggosphäre zu Kreuze kriecht. [...] Sobald ich in einer Diskussion über soziale Medien teilnehme, bekomme ich Varianten des Modesatzes “Blogs bestimmen die Agenda für die traditionellen Medien” zu hören und die meisten scheinen darin überein zu stimmen, dass dem so sei.

(Übersetzung von mir)

Das ist aus deutscher Sicht unerhört. Dort geht das Klagelied in die andere Richtung, nämlich dass die klassischen Medien die Themen der Blogs weitgehend ignorieren. Natürlich gab und gibt es Ausnahmen, aber ich halte es für keine Übertreibung, dass Blogger in Schweden mehr beachtet sind und sich damit auch mehr Einfluss erkämpft haben; dass Zeitungen Blogs zitieren ist zum Beispiel an der Tagesordnung. Vielleicht hatten es Blogger auch leichter hier, schließlich sind Rangordnung und elitistisches Denken in Schweden weniger ausgeprägt (siehe Jantelagen) als in Deutschland (siehe Untertan).

Zurück zum Artikel, dessen Autor Alex Schulman durch sein Blog bekannt wurde, das er 2007 mit einer Million Besuchern pro Monat (das entspräche etwa dem zehnfachen in deutschen Maßstäben) beendete. Im Artikel fährt er fort, dass der Einfluss von Blogs von den “alten” Medien selbst überschätzt wird und dass Blogs eigentlich recht irrelevant seien. Es fallen die üblichen Argumente, die man auch aus Deutschland kennt: Es gibt sehr wenige aktive Blogs und 95% der Menschen lesen keine Blogs; die meistgelesenen Blogs sind über “seichte” Themen wie die Modeblogs junger Frauen; Blogs sind selbstreferenziell und drehen sich um sich selbst; der Mehrheit der Bevölkerung sind die Themen egal, die in Blogs groß werden.

Schulman endet mit einem Plädojer dagegen, dass die klassischen Medien sich so sehr von Blogs beeinflussen lassen, denn damit bekämen diese erst ihren Einfluss verliehen, der ihnen nicht zustünde.

Das mag so sein. Ob man ihm bei der Bewertung zustimmt oder die Hellhörigkeit der “Altmedien” auf Blogs stattdessen gut findet, ist jedoch Geschmacksache. Eine Folge des Ganzen ist das aufkommen der Piratenpartei mit den Themen zur Überwachung, die erfolgreich von Blogs in die Zeitungen wanderten und somit die Partei erst bekannt und wählbar machten. Der Erfolg der Piraten bei den EU-Wahlen vor ein paar Wochen hat den Stein ja auch in Deutschland ins Rollen gebracht. Und “Schuld” daran sind die schwedischen Zeitungen, die dem Internet zu sehr zugehört haben.

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Schweden hat EU-Vorsitz inne

Wie schon mehrmals vorab erwähnt, hat Schweden mit der Regierung hinter Premierminister Fredrik Reinfeldt vorgestern die EU-Ratspräsidentschaft für das kommende halbe Jahr übernommen. Zur Feier im Stockholmer Freilichtmuseum Skansen kam Kommissionspräsident Barroso und natürlich auch seine schwedische Vize Margot Wallström.

![alttext](/pic/sarkoreinf.jpg)

Nicolas Sarkozy und Fredrik Reinfeldt (Foto: Gunnar Seijbold/ Regeringskansliet)

Heute ist Frankreichs Präsident Sarkozy zu Gast und die Pressekonferenz mit ihm und Reinfeldt kann man auf der Homepage der schwedischen Ratspräsidentschaft ansehen: www.se2009.eu
Ich wurde den Eindruck nicht los, dass sich Sarkozy immer noch als der heimliche Chef sieht.

Die Erwartungen an Schweden sind hoch nach der turbulenten tschechischen Präsidentschaft. Auf der Agenda der nächsten Monate stehen sowohl Themen, die Schweden gern selbst vorantreiben möchte, als auch solche, um die man nicht herumkommt:

  • Klimapolitik. Der Nachfolger des Kyoto-Protokolls soll Ende des Jahres in Kopenhagen verabschiedet werden und die Verhandlungen laufen schon. Diese Frage liegt Schweden sehr am Herzen und man möchte Europa von der CO~2~-Steuer überzeugen, die es in Schweden schon seit 1990 gibt.
  • Lissabon-Vertrag. In Deutschland dürfen Politiker erst einmal nachsitzen, bevor der Vertrag ratifiziert wird. Dann wären da noch das irische Referendum im Oktober und die fehlende Unterschrift des tschechischen Präsidenten. Man hofft, das alles unter Dach und Fach zu bringen, damit das verbesserte Funktionsweise der EU mit 27 Ländern endlich in Kraft treten kann.
  • Neue Komission und Parlament. Schweden möchte so schnell wie möglich die neue Kommission installiert sehen, weil sonst die Arbeit mit wechselndem Personal behindert wird. Barroso wird von allen Ländern, auch Schweden, für eine weitere Amtszeit als Kommissionspräsident gewollt, aber es ist noch unklar wie sich das dieser Tage gewählte neue EU-Parlament dazu verhält.
  • Island, wie gesagt.
  • Türkei. Schweden ist starker Befürworter von echten EU-Mitgliedsverhandlungen mit der Türkei, nicht nur eine “privilegierte Partnerschaft” wie Kanzlerin Merkel es möchte. Hier sind die Hoffnungen der Türken auf Schweden groß, das Problem ist dagegen die ablehnende Stimmung in vielen Ländern sowie der Widerstand der “beiden Großen” Deutschland und Frankreich. Wenn die Diskussion zu diesem Thema wieder in Gang kommt und versachlicht wird, ist das schon ein Erfolg.
  • Ostsee. Schweden will eine gemeinsame EU-Strategie zur Verbesserung der Situation in der Ostsee (Verschmutzung, Überfischung) erreichen.
  • Finanzkrise. Natürlich wird auch die Wirtschafts- und Finanzkrise weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Schweden will unter anderem bessere und strengere Kontrollmechanismen für die Finanzmärkte und mithelfen, die europaweit steigende Arbeitslosigkeit zu bekämpfen.
  • Außenpolitik. Aktuell ist die Situation im Iran, die man von gesamter EU-Seite aus für unhaltbar hält. Auch in anderen Fragen ist der jeweilige Ratspräsident das Gesicht der EU nach außen und viel Unerwartetes kann in der Welt passieren.
  • Schweden [vertritt](http://www.dn.se/fordjupning/europa2009/acta-avtalet-sverige-fortrader-eu-under-forhandlingar-i-juli-1.892679) außerdem die EU bei den Verhandlungen zum [ACTA](http://en.wikipedia.org/wiki/Anti-Counterfeiting_Trade_Agreement). Und eine Neuverhandlung des Anfang Juni überraschend [gescheiterten](http://www.dn.se/kultur-noje/nyheter/beslut-om-telekompaketet-drojer-1.888882) Telekompaketes steht auch an. Diese Liste ist natürlich unvollständig, zeigt aber, finde ich, dass Reinfeldt und Co alle Hände voll zu tun haben werden. Mehr an dieser Stelle zu passender Zeit.
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Grüne Frauen zwitschern:

Die beiden Länder, die mehr als 50 Prozent Frauen ins EP schicken: Schweden 56%, Finnland 62% Frauen. #EP09

und:

Länder die ungefähr im EP-Frauenanteil mit D gleichauf liegen, sind: Ungarn , Rumänien, Slowakei, Spanien (um die 36% Frauenanteil) #EP09

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Island bald in der EU?

Wer erinnert sich noch an die Nachrichten vom “Staatsbankrott” in Island von vor ein paar Monaten? Seitdem gab es dort einen Regierungswechsel und ein gründliches Überdenken der Einstellung zur EU.

Gestern trafen sich die nordischen Außenminister in Reykjavik und heute liest man in der Zeitung (leider nicht online), dass Island schon nächsten Monat den Antrag zur Mitgliedschaft einreichen will. Dass Schweden dann die EU-Ratspräsidentschaft innehat, ist wohl ein Glücksfall und Außenminister Bildt will diesem Thema hohe Priorität einräumen und Island so schnell wie möglich in die Gemeinschaft holen.

Und es kann wohl wirklich schnell gehen mit Island. Das Land ist zum Beispiel schon in der europäischen Wirtschaftszone und beim Schengen-Abkommen zur Reisefreiheit dabei. Man hofft also, dass Island auf der “Überholspur” beitritt und an den Wartenden Kroatien und Türkei vorbeizieht. Mit der Bevölkerung einer mittleren Großstadt dürfte die Integration nicht allzu schwer fallen und bei den restlichen Mitgliedern auf wenig Widerstand stoßen. Nichtsdestotrotz stehen bei Themen wie dem Fischfang schwierige Verhandlungen an.

Nicht zuletzt durch den Euro, den Island nach den Turbulenzen mit der eigenen Krone jetzt als Landeswährung anstrebt, kann die EU Island Stabilität bieten. Im Ausgleich bringt Island unter anderem die Präsenz in der Arktis mit. Außerdem munkelt man, dass erfolgreiche Verhandlungen mit Island, gerade beim Thema Fischfang, die Stimmung in Norwegen zum kippen bringen könnte, so dass kurz nach der isländischen vielleicht auch die norwegische Mitgliedschaft in der EU ansteht.

Freuen würde mich natürlich beides.

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Kurz notiert

Der Wahlerfolg der Piratenpartei war am Montag die Nachricht, die es auf alle Titelseiten schaffte. TAZ und Tagesspiegel berichten gut, viele andere so schlecht, dass sie die Piratenpartei mit der Pirate Bay gleichsetzen. Das große internationale Interesse ist wiederum eine Nachricht für sich in Schweden.

Die Auszählung der Personenstimmen, die entscheiden, wer die schwedischen Sitze im neu gewählten Europaparlament bekommt, geht voran und an einigen Stellen wird wie vermutet die von den Parteien aufgestellte Reihenfolge durcheinander geworfen. Zum Beispiel wird der eine Sitz der Christdemokraten nicht von der Listenersten Ella Bohlin, sondern vom ehemaligen Parteichef Alf Svensson eingenommen werden. Anna Maria Corazza Bildt, die italienischstämmige Frau von Außenminister Carl Bildt, wurde auch nach vorne gewählt.

Dass das Wahlresultat durchgängig pro-EU ausfiel, gibt den Wahlverlierern und EU-Ablehnern der Linkspartei zu denken. Die ersten innerparteilichen Rücktrittsforderungen für Parteichef Lars Ohly werden laut.

Dagens Nyheter, die wichtigste schwedische Tageszeitung, hält heute ihren “Auslandstag” im stockholmer Konzerthaus. Dazu werden alle Korrespondenten nach Hause geholt und ein interessantes Programm auf die Beine gestellt. Höhepunkt am Nachmittag wird Premierminister Fredrik Reinfeldt sein, der zur schwedischen EU-Ratspräsidentschaft sprechen wird, die in drei Wochen beginnt. Ich werde es wohl nicht schaffen, dort vorbei zu schauen, aber man kann auch im Netz zusehen. Hierzulande ist man auch so fortschrittlich, ganz offiziell das Twitter-Hashtag #utrikes als Nachrichtenkanal zu dieser Veranstaltung zu empfehlen.

Die anstehende schwedische Ratspäsidentschaft löst derweil nahtlos die EU-Wahl als Top-Thema in den Medien ab – der Begriff “EU-Jahr” scheint gerechtfertigt. Auf eu2009.se ist mittlerweile einiges zu lesen und erst gestern erklärte Reinfeldt in Brüssel die schwedischen Prioritäten.

Gud finns nog inte Der Verein Humanisterna, der sich gegen den Einfluss von Religionen auf die Gesellschaft einsetzt und bei dem ich halb-aktives Mitglied bin, hat seine bisher größte Kampagne gestartet: Gud finns nog inte, übersetzt: “Gott gibt es wahrscheinlich nicht”. Die Inspiration kommt sicher von den Bus-Kampagnen in vielen Ländern, aber da Schweden schon eines der säkularsten Länder der Welt ist, widmet sich die hiesige Kampagne eher der Auklärung darüber, wie man als Nicht-Gläubiger trotzdem noch von Religionen negativ beeinflusst wird. Das nebenstehende Bild ist derzeit in U-Bahn-Stationen und ganzseitigen Zeitungsannoncen kaum zu übersehen.

Und zuletzt: das Wetter. Es ist kalt hier seit Montatsbeginn, es werden sogar Kälterekorde für Juni gebrochen. Nachtfrost im südlichen Linköping ist um diese Jahreszeit ungewöhnlich. Man nennt diese kalten Nächte übrigens Järnnätter (“Eisennächte”), was angeblich von einer falschen Übersetzung aus dem Deutschen kommt: “Eis” und “Eisen”.

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Sitze verteilen

Das gestrige Wahlergebnis bestimmt, wer die 18 schwedischen Sitze im Europaparlament einnehmen wird: Die Sozialdemokraten bekommen 5, die Moderaten 4, die liberale Folkpartiet 3, die Grünen 2 und die Piraten, Zentrumspartei, Linke und Christdemokraten jeweils einen Platz.

Was noch unklar ist, sind die Namen. Ein Großteil der Wähler hat nämlich von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, auf den Stimmzetteln Personen anzukreuzen, und das kann die Reihenfolge der Liste durcheinander werfen. Die Personenstimmen werden zentral ausgezählt und das hat gerade erst begonnen. Der Prozess kann auf der Webseite der Wahlbehörde live mitverfolgt werden.

Auch noch wichtig zu erwähnen ist, dass Schweden zwei zusätzliche Sitze im EU-Parlament bekommen wird, wenn der Lissabon-Vertrag in Kraft tritt, hoffentlich noch dieses Jahr. Aus dem Wahlergebnis folgt, dass diese beiden Sitze den Sozialdemokraten und der Piratenpartei zufallen. Letztere bekommt dann also einen zweiten Sitz. Etwas unklar ist jedoch noch, ob diese beiden Parlamentarier in spe auch schon vor Inkrafttreten des Vertrages als Beobachter ohne Stimmrecht mit nach Brüssel dürfen, oder nicht.

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Schweden wählt EU-freundlich

Wahlresultat

Fast alle Wahllokale sind ausgezählt und obiges Bild zeigt das Ergebnis aus Schweden bei der EU-Wahl. In grau dahinter die letzte Wahl 2004.

Ein paar Kommentare dazu:

  • Die beiden großen Parteien, Sozialdemokraten (S) und die regierenden Moderaten (M) bleiben fast unverändert, beide hatten sich aber einen Zuwachs erhofft. M wollte sogar stärkste Partei werden.
  • Die Linkspartei (V) verliert mehr als die Hälfte ihrer Stimmen. Es liegt nahe zu vermuten, dass ihre Forderung zum Austritt Schwedens aus der EU etwas damit zu tun hat. Vielleicht ist Schweden ja in der EU angekommen.
  • Dass die Grünen (MP), die ihre EU-skeptische Haltung letztes Jahr geändert haben, jetzt stark hinzugewinnen, passt in dieses Bild; ebenso, dass die EU-freundlichste Partei, die liberale Folkpartiet (FP), auch zu den starken Gewinnern gehört.
  • Und natürlich auch, dass die Juni-Liste (JL), die als Hauptprogrammpunkt ein Nein zur EU hat, ihre bisherigen drei Mandate alle verliert.
  • Die auch international, gerade aus Deutschland, viel beachtete neue Partei ist die Piratenpartei (PP), die mit 7,1% ihr eines Mandat (von total 18 schwedischen) im EU-Parlament sicher hat. Das könnte Signalwirkung für andere Länder haben, dass Überwachungs- und Internet-Themen nicht auf Dauer ignoriert werden wollen.

    Schweden ist eines der wenigen Länder, in denen die Wahlbeteiligung gewachsten ist: um 6,7%. Zwar sind 44% eigentlich kein Grund zur Freude, aber es ist auch innerhalb Schwedens ein Bruch des bisherigen Trends. Wie kommt es? Ich glaube es lag am echten Wahlkampf, den sowohl Parteien als auch die Medien geboten haben. Es wurde sich ausführlich mit EU-Themen auseinander gesetzt, die EU nicht als Sündenbock missbraucht, sondern wirklich hinterleuchtet, was die Parteien und ihre Kandidaten im EU-Parlament erreichen wollen – im Gegensatz zu innenpolitischen Themen.
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Wort der Woche: Valvaka

Das schwedische Wort Val bedeutet “Wahl”, sowohl im politischen wie auch im allgemeineren Sinn. Außerdem bedeutet es auch “Wal”, aber davon soll hier nicht die Rede sein. Vaka ist als Substantiv eher ungebräuchlich, kommt aber vom gleichlautenden Verb, welches “wachen, bewachen, beobachten” bedeutet.

Die Valvaka ist also die Prozedur, auf das Wahlergebnis zu warten, und mit dem Wort werden sowohl die Wahlsendungen im Fernsehen als auch die Wahlparties der Parteien bezeichnet.

Die Valvakor zur heutigen EU-Parlamentswahl fangen in Schweden so um halb neun erst an. Schließlich sind die Wahllokale bis 21 Uhr geöffnet und erst danach beginnt die Zählung. Echte Zahlen dürfen europaweit erst ab 22 Uhr veröffentlicht werden, denn dann schließen die letzten Wahllokale in Portugal. Das hindert die ARD nicht daran, schon jetzt zu senden.

Ich werde hier im Laufe des Abends in meiner eigenen kleinen Valvaka Nachrichten aus Schweden nachtragen und meinen Senf dazu abgeben.


18:10 Wenn ich mir das ARD-Programm anschaue, will ich gleich mal anmerken, dass hier in Schweden wirklich EU-Wahlkampf gemacht wurde. Die nationalen Themen spielten zwar immer wieder einmal hinein, aber es wurde meist echte EU-Politik diskutiert. Außerdem war die Wahl ein starkes Thema in den hiesigen Medien – es fand also wirklich Wahlkampf statt, was ich von Deutschland nicht so mitbekommen habe. Deshalb erwarte ich hier auch eine deutlich höhere Wahlbeteiligung als die 43% in Deutschland. Schwedische Zahlen gibt es aber wie gesagt erst nach 21 Uhr.


19:50 Noch eine gute Stunde bis zu den ersten Prognosen. Aus Uppsala kommt die Nachricht, dass die Stimmzettel der rechtsextremen Schwedendemokraten in einigen Wahllokalen “verschwanden”. Wie das mit den Stimmzetteln in Schweden läuft, steht hier.


20:30 Das Interesse aus Deutschland für die schwedische Piratenpartei ist groß, schaut z.B. auf die Live-Suche bei Twitter. Gleich fängt hier die Wahlberichterstattung an und in einer halben Stunde schließen die Wahllokale.


20:40 Im Fernsehen wird berichtet, dass in einigen Wahllokalen die Stimmzettel der Piratenpartei versteckt oder weggeworfen wurden. Ansonsten bisher nur allgemeine Information bis um 21 Uhr die erste, noch recht unsichere Prognose kommt. Die Sendung ist erstaunlich wenig sachlich, man redet u.a. ausführlich mit einer Opernsängerin.


21:00 So, die erste Prognose (Exit-Poll) ist da.

  • Sozialdemokraterna: 25,1% (+0.5)
  • Moderaterna: 18.5 % (+0.3)
  • Miljöpartiet: 11.5 % (+5.5)
  • Folkpartiet: 11.4 % (+1.5)
  • Piratpartiet: 7.4 % (+7.4)
  • Centerpartiet: 5.8 % (-0.5)
  • Vänsterpartiet: 5.7 % (-7.1)

  • Kristdemokraterna: 5.1% (-0.6)

    Die Piraten also als fünftgrößte Partei. Das ist noch keine Hochrechnung, weil erst jetzt angefangen wird, auszuzählen.

    12% der Männer, 19% der 18-30-jährigen wählten offenbar Piratenpartei, was sie zur stärksten Partei in dieser Altersgrupe macht.


    21:20 Als erste Analyse kann man sagen, dass die Linken und die EU-kritische Juni-Liste, die 2004 14% bekam, klare Wahlverlierer sind. Eine klare Absage gegen EU-Neinsager also. Gewinner sind die Grünen, die mittlerweile pro-EU sind, und natürlich die Piraten.

    Wahlbeteiligung kommt erst um 22 Uhr, zusammen mit den ersten auf Auszählungen basierenden Hochrechnungen. Man rechnet aber mit einer höheren Beteiligung als die 35,2% von 2004.

    Die Wahlsendung ist auf irritierende Weise unsachlich. Man lässt die Gäste von ihren “wunderbaren Erlebnissen” aus dem Wahlkampf erzählen.


    22:00 Jetzt sind europaweit die Wahllokale geschlossen und die ersten wirklichen Zahlen kommen von der schwedischen Wahlbehörde:

  • Sozialdemokraterna: 27,4

  • Moderaterna: 16,6
  • Miljöpartiet: 9,9
  • Folkpartiet: 12,0
  • Piratpartiet: 7,1
  • Centerpartiet: 6,6
  • Vänsterpartiet: 5,9
  • Kristdemokraterna: 4,8
  • Junilistan: 3,8

    Die jeweils aktuellsten Zahlen findet man [hier](http://www.val.se/val/ep2009/valnatt/rike/index.html) Im Vergleich zur obigen Prognose ist überraschend, wie schlecht die regierenden Moderaten abschneiden. Die Wahlbeteiligung ist um 6,6% gewachsen, auf 43,6%.
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Wählen gehen

Ich war heute Morgen wählen und hoffe, dass alle, die das noch nicht getan haben und das hier lesen, sich auch noch ins Wahllokal aufmachen. Hier in Stockholm scheint sogar die Sonne, was sich hoffentlich gut auf die Wahlbeteiligung auswirkt.

Wie läuft der Wahlvorgang in Schweden ab? Man schnappt sich seinen Ausweis und die Wahlkarte, die man vor einigen Wochen per Post bekommen hat, und begibt sich damit zum auf eben dieser angegebenen Wahllokal – wenn man nicht schon vorab an einem der seit 20. Mai offenen Wahllokale abgestimmt hat. 12 Prozent Wahlbeteiligung (800.000 Stimmen) kamen auf diese Weise schon vor heute zusammen.

Vor dem Wahllokal erwarten einen die Helferlein der Parteien:

Wahl 090607

Diese dürfen ankommende Wähler nicht mehr beeinflussen, sondern ihnen lediglich sagen für welche Partei sie stehen und den entsprechenden Stimmzettel aushändigen.

Gewählt wird nämlich nicht, indem man eine Partei ankreuzt, sondern indem man das A6-große Papier der entsprechenden Partei in ein Kuvert steckt. Diese Zettel bekommt man auch noch im Wahllokal:

Wahl 090607

Auf dem Stimmzettel kann man, wenn man möchte, einen Kandidaten der jeweiligen Parteiliste ankreuzen, um ihm oder ihr in der Reihenfolge nach vorne zu helfen. Der leere Zettel in der Mitte erfüllt zwei Funktionen:

  • Zum einen ist dafur da, ungültig zu stimmen. Das nennt man hier “leer/blank abstimmen”. Dazu braucht man den Zettel, denn die Kuverts haben eine Aussparung, wo die Wahlhelfer sehen können, dass ein Zettel darin ist, aber naturlich nicht welcher.
  • Zum anderen kann es passieren, dass in einem Lokal die Stimmzettel einer Partei ausgehen oder dass eine kleine Partei es logistisch nicht hinbekommen hat, ihre Zettel in alle Lokale zu bringen. Dann kann man auf den leeren Zettel den Namen der Partei schreiben. Eine bestimmte Person kann man dann aber nicht ankreuzen, auch wenn man den Namen wüsste.

Dann geht man mit dem Kuvert und den Wahlzetteln hinter einen Schirm, steckt den Zettel seiner Wahl ins Kuvert, klebt es zu und geht zum Tisch mit den Helfern und der Urne. Dort zeigt man seinen Ausweis und die Wahlkarte, es wird der eigene Name im Wahlregister gestrichen und das Kuvert kommt in die Urne. Mit dem Lächeln der Helfer ist man dann fertig:

Wahl 090607

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Farbe bekennen

Die Wahl zum EU-Parlament hat begonnen. Holland hat schon gewählt (leider falsch ); in Deutschland, Österreich und Schweden ist Sonntag Wahltag, auch wenn hierzulande schon viele von der Möglichkeit Gebrauch gemacht haben, bei einem der Vorab-Wahllokale vorbeizuschauen, die seit gut zwei Wochen geöffnet sind.

Vorab für all die, die nicht bis zu Ende lesen wollen: Geht wählen! Wenn euch keine der Parteien passt, macht die Stimme ungültig. Das geht mit in die Rechnung ein – im Unterschied zur nicht abgegebenen Stimme.

Es folgen wie versprochen ein paar Gedanken zur wichtigen Frage, was man denn wählen soll – natürlich aus meiner eigenen Perspektive. Zuallererst muss man sich, finde ich, klarmachen, dass nicht die Politik zur Abstimmung steht, die die Parteien bezüglich des Verhältnisses zwischen dem eigenen Land und der EU vertreten. Stattdessen geht es darum, welche Politik man künftig von der EU sehen will. Dass sich, gerade in Schweden, viele Menschen und auch einige Parteien noch nicht damit abgefunden haben, dass Politik von der EU kommt, die jeden betrifft, sollte eigentlich keine Rolle spielen. Tut es aber natürlich doch, denn ich finde es widersinnig, eine Partei, deren Programm für “weniger EU” und mehr “Eigenständigkeit” der Nationen steht, ins EU-Parlament zu wählen. Es geht darum, bessere EU-Politik zu machen, nicht weniger.

Weiterhin ist wichtig zu bedenken, dass die europäischen Parteien sich zu Fraktionen zusammenschließen, die meist gemeinsam abstimmen. (Fraktionszwang gibt es jedoch keinen.) Folgende fünf Parteigruppen sind für die deutschen und schwedischen Parteien relevant.


Parteigruppe Sozialdemokraten Christdemokraten/Konserv schwedische Socialdemokraterna ative Partei(en) SPD Moderaterna, deutsche Partei(en) Kristdemokraterna CDU, CSU


Man stimmt also indirekt auch immer für die Parteien aus den anderen Ländern, die im gleichen Block sitzen wie die “eigene” Partei. Das bedeutet zum Beispiel, dass jeder, der konservativ (CDU/CSU bzw. Moderaterna oder KD in Schweden) wählt, auch für die italienische Popolo della Libertà von Berlusconi stimmt, bei der seit Kurzem auch die Neofaschisten dabei sind. Das ist für mich genauso ausgeschlossen wie andere rechtspopulistische Parteien.

Wenn es um Wirtschaftsfragen geht, bin ich im Grunde Sozialdemokrat. Mit der schwedischen SAP habe ich aber zwei Probleme. Zum einen waren die schwedischen Sozialdemokraten damals treibende Kraft bei der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung und haben aus meiner Sicht die falsche Haltung zu Urheberrechts- und Überwachungsfragen. Zum anderen gehören sie zu denen, die sich im Grunde unsicher sind, wie gut die EU für Schweden eigentlich ist. Frei bewegliche Arbeitskraft, einer der Grundpfeiler der europäischen Einigung, sehen sie als Bedrohung für das “schwedische Modell” der Tarifverträge.

Die hiesigen Linken wollen Schweden ganz aus der EU austreten lassen, stehen also außer Frage.

Was ist mit den Grünen? Wenn ich mich aus dem schwedischen Wählerregister aus- und ins deutsche eingetragen hätte, hätte ich wahrscheinlich grün gewählt. Die hiesigen Grünen haben sich aber gerade erst dazu durchgerungen, die schwedische EU-Mitgliedschaft überhaupt gutzuheißen. Sie sind gegen den Euro und den Vertrag von Lissabon, was zwar eigentlich keine für diese Wahl relevanten Fragen sind, sie mir aber extrem unsympathisch macht. Außerdem sind sie sehr links und eher mit dem Fundi-Flügel der deutschen Grünen zu vergleichen. Andererseits haben sie (neben den offensichtlichen Unweltfragen, in denen sich die schwedischen Parteien aber weitgehend einig sind) weniger Überwachung und eine Reform des Urheberrechts auf dem Programm, um privates Filesharing zu legalisieren.

Internetfragen scheinen in Deutschland gerade erst mit der “Zensursula”-Debatte in die Allgemeinheit durchzudringen. In Schweden ist man da etwas weiter. Die FRA-Debatte, das PirateBay-Urteil und das IPRED-Gesetz waren jeweils wochenlang Schlagzeilen wert und haben die Piratenpartei hervorgebracht, wie wohl den Einzug ins EU-Parlament schaffen wird (s.u.). Mit deren Programm stimme ich zwar völlig überein, habe aber trotzdem zwei Probleme mit ihnen. Zum einen ist es eine Ein-Fragen-Partei, die zu allem außer dem Schutz der Privatsphäre und der radikalen Reform der Urheber- und Patentsysteme keine Stellung beziehen. Auch wenn ich diese Fragen für lange vernachlässigt und wichtig halte, gibt auch andere wichtige Themen. Die Piraten wollen im Parlament entweder der Gruppe der Grünen oder den Liberalen beitreten und in allen anderen Fragen mit dieser Gruppe abstimmen, was ich wiederum für akzeptabel halte. Allerdings stellen sich die Piraten gegen den Lissabon-Vertrag, was erstens unnötig ist, weil das keine Frage des EU-Parlamentes ist und der Vertrag von Schweden schon ratifiziert ist, und zweitens die Piratpartei nach eigener Aussage als Nachfolger der EU-kritischen Juni-Liste platziert, die in der letzten EU-Wahl drittgrößte schwedische Partei wurde und für mich unwählbar ist.

Bleiben die Liberalen. Wenn man mit “liberal” die Stärkung der Bürgerrechte und Freiheiten meint, bin ich dafür zu haben. Wenn man damit die neoliberale Dereglierung der Märkte meint, dann nicht. Ich finde es ein wenig absurd, dass dieselbe FDP, die den Schlamassel der Banken- und Wirtschaftskrise mit ihrer Politik mitverursacht hat, in Deutschland immer bessere Umfragewerte bekommt. Das schwedische Pendant Folkpartiet ist jedoch weniger marktliberal und hat mit die beste EU-Politik.

Schweden hat noch eine zweite Partei, die in der liberalen Gruppe im EU-Parlament landen wird: Die Centerpartiet bezeichnet sich selbst als “sozial-liberale grüne Partei”. In der Tat kann man sie die zweite grüne Partei Schwedens nennen (auch gegen Kernkraft) und sie haben in den Fragen der Piratenpartei glaubwürdig ähnliche, wenn auch weniger radikale Positionen wie diese vertreten. Außerdem behauptet der EU-Profiler, sie liege mir am nächsten. Dass das Zentrum gegen die Einführung des Euro in Schweden ist, spielt ja wie gesagt bei dieser Wahl keine Rolle. Bei einer Wahl zum schwedischen Reichstag würde ich sie (wenn ich dürfte) nicht wählen.

Bei alldem ist noch gar nicht berücksichtigt, dass bei der Wahl die Direktstimmen auf dem Wahlzettel viel genutzt werden und man “seinen” Kandidaten ins Parlament schicken kann. In der Tat sind die EU-Parlamentariker recht frei und ein überzeugender Kandidat kann trotz “Fehlern” seiner Partei gute Arbeit leisten. Auf die einzelnen Kandidaten werde ich jetzt nicht noch eingehen, aber ich habe mit Interesse deren Antworten auf Bürgerfragen gelesen, die man im EU-Portal von DN findet.

Summa summarum bleiben mir zwei Möglichkeiten:

  • Piratenpartei wählen und die Kandidatin auf Platz Zwei ankreuzen. Ich habe Amelia Andersdotter vor einiger Zeit kurz getroffen und trotz ihres jungen Alters von 21 Jahren teilt sie die Torheit ihrer Partei und des Kandidaten auf Platz Eins nicht, den EU-Vertrag abzulehnen. Nebenbei würde ich die grüne Parteigruppe stützen (wenn die Piraten diese auswählen) ohne für die schwedischen Grünen stimmen zu müssen. Sollten sie bei den Liberalen landen, deckt sich das mit der zweiten Wahlmöglichkeit:
  • *Centerpartiet* oder *Folkpartiet* wählen, wahrscheinlich eher erstere. Die entscheidende Frage ist wohl, ob ich die Themen der Piraten für wichtig genug halte, für eine Ein-Frage-Partei zu stimmen (was ich an sich für problematisch halte), oder ob ich ihren ohne Frage existierenden Einfluss auf die etablierten Parteien schon ausreichend finde.

    Zuletzt noch zu den [aktuellen Umfragen](http://www.dn.se/polopoly_fs/1.884775!synovate.swf) in Schweden: Acht Parteien scheinen die 4%-Hürde zu nehmen. Die Sozialdemokraten (26%, 5 Sitze), die Moderaten (22%, 5 Sitze), Grünen und Folkpartiet mit je 11% (2 Sitze), Linke, Zentrum, Christdemokraten und Piraten mit je um die 6% und einem Sitz. Die Piraten werden also eher nicht drittstärkste Partei wie [einige behaupten](http://www.taz.de/1/politik/europa/artikel/1/piraten-werden-ins-eu-parlament-einziehen/), scheinen aber ihren Platz im EU-Parlament in der Tasche zu haben. Ich habe kurz nach einer Umfrage/Vorhersage für die Wahl in Deutschland gesucht, aber keine gefunden – seltsam. Wie wählt ihr und warum?
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