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Piraten auf der Straße

Die schwedische Piratenpartei, die sich für eine radikale Reform des Patent- und Urheberrechts und für den Schutz der Privatsphäre einsetzt, organisiert wieder wieder einmal Demonstrationen. In Stockholm und in Lund geht man heute zum Anlass der Razzia gegen die Pirate Bay vor einem Jahr auf die Straße.

Das Motto ist Respekt vor dem Büger – Hört auf, uns zu bespitzeln und die Kritik richtet sich sowohl allgemein gegen mehr Überwachung als auch konkret gegen die damals wie heute schlecht begründete Beschlagnahme der Server, inklusive unbeteiligter Hardware von anderen Firmen und Vereinen, die nie zurückgegeben wurde. Die Razzia hat bis heute nicht zu einer Anklage geführt.

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Sozialismus lebt

Die sozialistischen Anleihen im schwedischen System sind legendär. Auch in Mitteleuropa hat sich mittlerweile jedoch herumgesprochen, dass der schwedische Fürsorgestaat durch die drastischen Einschnitte seit den neunziger Jahren löchrig geworden ist. Die Wirtschaft ist sowieso marktorientiert und zur Zeit in einem regelrechten Boom. Wenig Sozialistisches erkennbar.

Deshalb ist es – zumindest für mich – erstaunlich, dass die neue Parteichefin der Sozialdemokraten, Mona Sahlin, jetzt wieder vom

“Recht auf Vollzeitarbeit”

redet, das bei einem Wahlsieg 2010 kommen soll. Ich finde, das klingt nach DDR. Verwirklicht werden soll das durch neue Gesetze, die zum Beispiel Firmen verpflichten, einer Teilzeitkraft eine Vollzeitstelle anzubieten, wenn diese das will.

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Second House of Sweden

Das “Second House of Sweden”, die schwedische Botschaft in der virtuellen Welt von Second Life, wurde gestern eröffnet. Wegen der langen Zeit seit der Ankündigung im Januar wurde die schwedische nicht wie geplant die erste Botschaft dort. Die Malediven waren schneller.

Außenminister Bildt hielt bei der Einweihung zuerst eine kleine Rede auf einer Videowand und schlüpfte dann in die Rolle seines Avatars, um das blau-gelbe Band vor dem Haus durchzuschneiden. Das ging nicht ganz reibungslos und er versank erst einmal im Boden. Video nach dem Klick.

([YouTube DirektLink](http://www.youtube.com/watch?v=mhR43Yt9Pcs), [via](http://carlbildt.wordpress.com/2007/05/31/you-tube-invigningen/))

Das ist das erste Video, das ich aus Second Life gesehen habe. Ich bin nicht gerade beeindruckt. Wegen der Medienaufmerksamkeit auch außerhalb Schwedens war das investierte Geld wahrscheinlich nicht einmal verschwendet.
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Ausländerfeindlichkeit wächst

Es wurde an dieser Stelle ja schon einige Male erwähnt und jetzt schreibt auch Spiegel Online darüber:

[Schweden] nahm 2006 rund 9000 irakische Flüchtlinge auf – über 40 Prozent der 22.000 Iraker, die ihren Weg nach Europa gefunden haben. Und Schweden stellt sich auf einen deutlichen Anstieg in diesem Jahr ein: 2007 rechnet man europaweit mit insgesamt weit über 40.000 Asylsuchenden aus dem Irak. Und die meisten von ihnen werden wohl auch in Schweden landen.

So großzügig das klingt und im Vergleich zum restlichen Europa wohl auch ist, steht das im starken Gegensatz zur Kritik, die Amnesty International erst vor kurzem an Schweden äußerte. Dabei geht es sowohl um die Behandlung von Asylbewerbern als auch um die Abschiebung in Länder, in die nicht abgeschoben werden sollte.

Parallel dazu kam heute die traurige Nachricht, dass drei von zehn Schweden die Diskriminierung von Ausländern gut findet. Schweden mögen doch bitte Vorzug haben, wenn es um Arbeitsplätze und Wohnungen geht. 23 Prozent der im Rahmen des jährlichen Integrationsbarometers befragten können sich sogar vorstellen, eine Partei zu wählen, die eine solche Politik vertritt.

Es ist wohl nicht weit hergeholt zu vermuten, dass die öffentlichen Debatten Anfang des Jahres mit der rechtsextremen Partei “die Schwedendemokraten” dazu beigetragen haben, solche Ansichten gesellschaftsfähiger zu machen. Die Chancen, dass diese es bei den nächsten Wahlen 2010 ins Parlament schafft, stehen gut… äh, ich meine schlecht. Und wenn man dann soweit ist, Eingeborene auf dem Arbeitsmarkt zu bevorzugen, hat man auch gleichzeitig mehr Grund, darüber zu klagen, dass die Ausländer zu viel staatliche Leistungen beziehen. Praktisch.

(via, via)

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Google gegen schwedische Überwachungspläne

Auch wenn Google selbst großer Datensammler ist und ich immer ein wenig skeptisch bin, wenn Firmen der Politik sagen wollen, was sie zu tun habe, haben die Leute von Google natürlich recht, wenn sie sagen, dass die schwedischen Überwachungspläne eher zu Diktaturen passen, als zu einer Demokratie. Google werde keine Server in Schweden betreiben, wenn der Vorschlag Wirklichkeit werde, um die Privatsphäre der Benutzer nicht zu gefährden, indem Daten an schwedische Behörden weitergegeben werden, die diese nicht einmal betreffen müssen.

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Reinfeldt bei Merkel

Der schwedische Regierungschef Fredrik Reinfeldt trifft morgen in Berlin Frau Merkel. Es geht um den neuen EU-Vertrag, vormals “Verfassung” genannt. Interessant ist, welche Punkte Schweden dabei wichtig sind. Nicht nur die schwedische Regierung, sondern alle Parteien im Parlament lehnen zum Beispiel härtere Bedingungen für die Aufnahme von Ländern in die EU kategorisch ab.

Auch wenn die sogenannten Kopenhager Kriterien mit funktionierender Demokratie, Wirtschaft und Behörden eigentlich Selbstverständlichkeiten forderten, sehe man sie in Schweden lediglich als einen Versuch, die zukünftige Aufnahme zu erschweren. Das ist in Linie mit der erweiterungsfreundlichen Politik Schwedens, das zum Beispiel als einziges (!) EU-Land keine Arbeits- und Wohnortsbeschränkungen gegen die beiden jüngsten Mitglieder Rumänien und Bulgarien verhängt hat.

Außerdem lehnt man hierzulande eine Klausel zur illegalen Einwanderung im EU-Vertrag ab. Die Wortwahl berge ein Risiko für Menschenrechtsverletzungen. In den kommenden Wochen trifft Angela Merkel die Regierungschefs der Mitgliedsländer, um dann einen Vorschlag vorzulegen, was der EU-Vertrag beinhalten soll.

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Überwachung vom Tisch - vorerst

Was ist eigentlich aus den Überwachungsplänen der schwedischen Regierung geworden? Zur Erinnerung: Man will der Radioanstalt der Streitkräfte (Försvarets Radioanstalt, FRA) erlauben, jegliche Telekommunikation über die schwedischen Grenzen hinweg abzuhören. Kritik daran ist zahlreich. Weder kann man im Internet Inland und Ausland trennen, noch sollen die gewonnenen Informationen ausschließlich geheimdienstlich verwendet werden, noch hat es Konsequenzen, dass laut Politikeraussagen schon ohne Rechtsgrundlage abgehört wird, noch ist überhaupt der Bedarf für mehr Überwachung gut motiviert, noch sollte man den im internationalen Vergleich schon sehr schlechten Schutz der Privatsphäre in Schweden weiter aushöhlen.

Initiiert wurde das fragliche Gesetz von der vorigen sozialdemokratischen Regierung und deren Innenminister Bodström, dessen Name ähnlich wie in Deutschland Schily und heute Schäuble sprichwörtlich für den Abbau von Freiheitsrechten verwendet wird. Dass ausgerechnet Bodström und seine Partei Bedenken wegen der Verletzung der Privatsphäre anmeldeten und sich jetzt dazu durchgerungen haben, die Verhandlungen mit der Regierung abzubrechen und ihre Sperrminorität im Parlament zu nutzen, um das Gesetz für ein Jahr auf Eis zu legen, ist seltsam.

Vielleicht sieht man in der Opposition ja die Gefahren klarer und gönnt den Machthabern diese Möglichkeiten nicht. Die bürgerliche Regierung prangert diesen Sinneswandel verständlicherweise an. Der Aufschub ist – unabhängig von der Motivation dahinter – natürlich gut, bedeutet er doch ein Jahr mehr Zeit für die Überwachungsgegner, Bewusstsein in der Bevölkerung für dieses Problem zu wecken. Selbiges ist nach einer neuen Studie unter schwedischen Jugendlichen trotz hoher Technikkompetenz leider nicht sehr ausgeprägt.

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Ehrendoktoren II

Nach der ersten Runde mit Vorträgen am Morgen, hörte ich gestern nachmittag noch zwei weiteren Menschen zu, die heute ihre Linné-Ehrendoktoren verliehen bekommen.

Da war zuerst der deutsche Kardinal Walter Kasper, laut Begründung einer der international meistbekannten Theologen. Von meiner Ablehnung gegenüber Religion einmal ganz abgesehen, kann ein Theologe natürlich prinzipiell schon Interssantes von sich geben. Leider war dem nicht so bei Herrn Kasper. Neben Name-Dropping von berühmten Philosophen war seine Hauptaussage lediglich, dass es der heutigen Zeit an Vision und Hoffnung mangelt und dass Religion, vor allem natürlich das Christentum, dazu einiges beitragen kann. Das Ganze wurde äußerst verschwurbelt und in fast unverständlichem Englisch über eine Stunde lang vorgetragen. Leute verließen den Saal vorzeitig und ich gönnte mir zwischenzeitlich ein paar Minuten Schlaf. Kasper war der einzige der Redner gestern, der sich nicht für die Einladung und die Möglichkeit zu reden bedankte.

Auch der Ehrendoktor der juristischen Fakultät geht übrigens an einen Deutschen: Christian von Bar, der an der Uni Osnabrück lehrt.

Am späteren Nachmittag gab es dann das schon erwähnte Gespräch zwischen Kofi Annan und Jan Eliasson, die nach beiderseitiger Aussage eine besonders enge Zusammenarbeit aus der Zeit verbindet, als Eliasson Vorsitzender der UN-Vollversammlung war. In dieser Runde war es verzeihlich, dass sich alle gegenseitig Honig um den Mund schmierten. Sinn der Veranstaltung war kein Streitgespräch und auch nicht die Vermittlung von sonderlich viel Information, sondern die Möglichkeit, die entscheidenden Personen selbst ihre Sicht der Dinge erzählen zu lassen.

Die
Gesprächsrunde
(v.l.n.r: Peter Wallensteen, Professor für Friedens- und Konfliktforschung in Uppsala und Moderator des Gesprächs; Kofi Annan; Jan Eliasson; Anna Kläppe, Studentin)

Ein Schwerpunktthema war die von Annan initiierte “responsibility to protect”, die einerseits die internationale Gemeinschaft dazu anhält, nicht tatenlos Verbrechen gegen die Menschlichkeit zuzusehen, und gleichzeitig Regierungen ermahnt, dass sie sich nicht auf ihre staatliche Souveränität berufen können, wenn sie ihr Volk misshandeln, sondern dass sie mit Einmischung von außen zu rechnen haben. Bis dieses Prinzip konsequent angewandt werde, wird jedoch noch einige Zeit vergehen, bedauerte Annan.

Ich habe das Gespräch aufgenommen (MP3, 24MB), mit dem internen Mikrophon des MP3-Players und der vollbesetzten Aula wurde die Audioqualität jedoch leider ziemlich mies. Ich habe wenig Ahnung von Audiobearbeitung, aber wenn sich jemand, der sich damit auskennt, an der Originaldatei (WMA, 33MB) versuchen würde und mir das verbesserte Ergebnis zukommen ließe, würde ich (und alle späteren Hörer) mich natürlich freuen.

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Nyamko Sabuni

Die britische Times hat einen lesenswerten Artikel über die schwedische Integrations- und Gleichberechtigungsministerin Nyamko Sabuni. Eine bewundernswert mutige Frau, die sich laut für wichtige Themen einsetzt.

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Was war?

Bevor es hier im normalen Takt weitergeht ein kurzes Update, was in Schweden so alles in den Nachrichten war während meiner Abwesenheit:

  • Die rechtsextremen Schwedendemokraten hielten ihren Parteitag in Karlskrona und parallel dazu wurde bekannt, dass jeder dritte derer Kommunalpolitiker von Sozialhilfe lebt, ein Vorwurf, den die Ausländerfeinde üblicherweise gegen Einwanderer vorbringen.
  • Die Buchbranche boomt. Das ist nicht neu, aber trotzdem erfreulich.
  • Der Verkauf von Alkohol im Systembolaget wächst ebenso. Zehn Prozent Steigerung gegenüber dem Vorjahr findet das Gesundheitsamt aber eher weniger gut.
  • Auch vom Arbeitsmarkt hört man nur Erfolgsmeldungen. 4% mehr Angestelle im Vergleich zum Vorjahr und 23% mehr offene Stellen.
  • An Busfahrern mangelt es schon und man will deshalb die Altersgrenze von 21 Jahren aufweichen. Wie wäre es mit Import aus Deutschland? Bei Ärzten scheint das ja gut zu funktionieren.
  • Schweden hat einen Terrorverdächtigen an Deutschland ausgeliefert.
  • 56 Prozent ihrer Zeit im Internet oder durchschnittlich sieben Stunden pro Woche surfen Schweden zum Privatvergnügen vom Arbeitsplatz aus, ergab eine Untersuchung.
  • Die Anzeige gegen Außenminister Bildt wegen volksverhetzender Kommentare in seinem Blog liegt mittlerweile beim Staatsanwalt.
  • Gefriertrocknung als Bestattungsmethode. Warum nicht?
  • Das größte schwedische Rockfestival in Hultsfred streitet sich mit der Gemeinde um die Lärmbelästigung und droht, das Ganze abzublasen.
  • Ich dachte ja bisher, dass der Spaß am Jagen ein Defekt auf dem Y-Chromosom sei, aber der Anteil der Frauen unter den Jägern in Schweden wächst. Außerdem wird das Jagen wegen einer Regeländerung des Jagdscheins für viele teurer. Gut so.

  • In Uppsala ist diese Woche die Linné-Woche mit zahlreichen Veranstaltungen zum 300. Geburtstag des Botanikers. Am hiesigen Bahnhof hat man deswegen sogar Palmen gepflanzt. Mehr zu den Feierlichkeiten im Laufe der Woche.

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