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Kurz notiert

Ein kleiner, wie immer subjektiv ausgewählter, Überblick über die schwedischen Nachrichten der letzten Tage:

  • Fredrik Robelius hat gestern seine Doktorarbeit hier in Uppsala verteidigt. Sein Thema: Peak Oil, also die Frage bis zu welchem Zeitpunkt die weltweite Ölproduktion mit dem steigenden Bedarf mitwachsen kann und wann das Maximum erreicht wird, ab dem die Produktion zwangsläufig wieder abnimmt. Robelius’ Ergebnis, dass dieses Maximum schon nächstes Jahr erreicht wird, schaffte es in die schwedischen Medien. Ich hatte vorgestern die Gelegenheit, dem Vortrag seines Opponenten zum gleichen Thema zuzuhören. Wichtig bei der Diskussion ist, sich bewusst zu sein, dass das Öl nicht zu Ende geht, sondern “lediglich” die Produktion nicht mehr gesteigert werden kann. Auch wenn also erst in etwa die Hälfte des weltweiten Öls gefördert wurde, können die Auswirkungen verheerend sein, wenn die Produktion mit dem weiter wachsenden Bedarf nicht mehr mithalten kann.
  • Nur England^1^ geht noch fahrlässiger mit der Privatsphäre seiner Bürger um als Schweden. Dass gerade Deutschland Schweden in dieser Hinsicht einiges voraus hat (oder eben glücklicherweise dem Trend zur Überwachung hinterherhinkt), ist bekannt, aber auch in Schweden scheinen die Datenschützer wieder mehr Gehör zu finden. Eine Untersuchungskommission des Parlaments hat ihren Bericht vorgelegt und äußert harte Kritik an den Gesetzesvorlagen und Reformen der letzten Jahre. Der Schutz der persönliche Integrität der Bürger spiele in vielen Fällen eine untergeordnete Rolle. Weiter bei Radio Schweden.
  • Forschungspolitik. Entgegen vollmundiger Ankündigungen einer Erhöhung der Forschungsgelder, stellt sich jetzt heraus, dass stattdessen weniger Geld (S) zur Verfügung steht. Angesichts eines Haushaltsüberschusses und massiver Steuersenkungen ist das schwer verständlich. Zusätzlich sollen die Regeln zur Geheimhaltung von Forschungsergebnissen gelockert werden, damit Firmen, die sich an Forschungsprojekten beteiligen, vorrangige Verwertungsrechte eingeräumt werden können. Wissen unter Verschluss zu halten, gerade wenn es aus Steuergeldern finanziert wurde, ist aber grundsätzlich problematisch. Man sieht an beiden Punkten, dass die nicht-angewandte Grundlagenforschung, die vom Staat finanziert werden muss, bei der bürgerlichen Regierung keine sehr hohe Stellung einnimmt.
  • Bei der Hochtechnologie ist Schweden jedoch weiterhin ganz vorne. In einer neuen Rangliste zu Vernetzung, Informations- und Kommunikationstechnologien sind mehrere Länder am letztjährigen Spitzenreiter USA vorbeigezogen. Dänemark und Schweden findet man jetzt auf den ersten beiden Plätzen. Deutschland liegt auf Platz 16. Mehr bei Heise.
  • Im schwedischen Handel wird zu Ostern [doch nicht gestreikt](http://www.sr.se/Ekot/artikel.asp?artikel=1284166) (S). Obwohl es zunächst hieß, der Dachverband der Arbeitgeber [wehre sich gegen](http://www.fiket.de/2007/03/28/streik-an-ostern/) den ausgehandelten Vertrag, wurde er jetzt doch unverändert unterschrieben und bringt den Angestellten in den kommenden drei Jahren durchschnittlich 12,6% mehr Lohn. ^1^Wer mehr über die Situation in Großbritannien wissen will, lese [das entsprechende Dossier der ZEIT](http://www.zeit.de/2007/03/Big-Brother?page=all).
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Pfui!

Radio Schweden schreibt:

In einer Umfrage des norwegischen Institutes Sentio erzielt die rechtspopulistische Partei 4,3 Prozent, gegenüber 2,9 Prozent bei den Wahlen im vorigen September.

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Schweden und Kuba

Man sollte meinen, dass zwei sozialistische Länder wie Kuba und Schweden eigentlich gut miteinander auskommen sollten. Seit fast zwei Wochen herrscht zwischen den beiden allerdings diplomatische Kälte. Was ist passiert?

Der schwedische Außenminister Carl Bildt hielt eine Rede vor dem UN-Menschenrechtsrat und sprach dabei auch einzelne Krisengebiete und weltweite Missstände bei der Achtung der Menschenrechte an. Ohne jeweilige Details nannte er dann auch eine kurze Liste mit Ländern, in denen es diesbezügliche Mängel gäbe. Darunter war auch Kuba. (Video der Rede: Englisch, 9min, Real-Format)

Das passte dem kubanischen Gesandten überhaupt nicht, zumal das Lager der USA in Guantanamo Bay auf Kuba in Bildts Rede unerwähnt blieb. In seiner kurzen Antwort (Englisch, 3min, Real-Video) griff er Schweden wegen der Unterdrückung seiner Nachbarstaaten an und es fiel der Satz:

Im Gegensatz zu Schweden verfolgt Kuba keine Einwanderer oder führt ethnische Säuberungen durch, die nur denen erlauben, im Land zu bleiben, deren Haut- und Haarfarbe mit den Rassenmerkmalen der früheren Wikinger übereinstimmt. (Übersetzung von mir)

Der Schwede hätte doch lieber zu Hause bleiben sollen.

Bildt fand das – ich finde zu Recht – unerhört und kommentierte den Ausbruch später damit, es sei ein “verzweifelter Angriff eines verzweifelten Regimes”. Auch in seinem Blog kommt es zur Sprache.

Mittlerweile wurden die jeweiligen Botschafter in Stockholm und Havanna zu den Regierungen zitiert und Schweden hat eine Erklärung und Entschuldigung verlangt. Kuba lehnt das weiterhin ab und die Beziehungen der beiden Länder sind in der Krise. Bis auf weitere Details ist das der aktuelle Stand der Dinge.

Quellen und weiterführende Artikel: V, S, E, S, S, E

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Persson teilt aus

Kurz nachdem Göran Persson, Ex-Ministerpräsident und bis vor wenigen Tagen Vorsitzender der schwedischen Sozialdemokraten, endgültig von der politischen Bühne verschwunden ist, wird in einer Fernsehserie Material ausgestrahlt, das er in den letzten zehn Jahren einem Journalisten anvertraute. Darin finden sich unter anderem persönliche Angriffe auf seine Nachfolgerin und damalige Konkurrentin Mona Sahlin und auf Carl Bildt, heute Außenminister und damals Chef der bürgerlichen Moderatpartiet.

Dieser tut Perssons Aussagen in seinem Blogs als schlicht falsch ab und auch sonst scheint es, als würden Perssons alte Aussagen nicht gerade ein positives Bild auf ihn werfen. Mehr dazu bei Rainer und dem SR.

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Zu früh gefreut?

Neulich kam die Meldung, dass die Überwachungspläne der schwedischen Regierung vorerst vom Tisch seien, weil die Sozialdemokraten mit Hilfe der Minoritätsklausel im Parlament das Gesetz um ein Jahr auf Eis legen lassen wollten. Das war überraschend, war doch Thomas Bodström, der ehemalige Innenminister der Sozialdemokraten, seinerseits für Einschränkungen der Freiheitsrechte zugunsten der “Sicherheit” bekannt.

Diese Meldung hat vor allem eines bewirkt: dass die öffentliche Diskussion zu dem Thema abflaute. Was schon vermutet wurde (S), wurde jetzt bestätigt, nämlich dass die Sozialdemokraten sich nicht prinzipiell gegen die Pläne sträuben, sondern auf eine Einigung mit der Regierung (S) aus sind, deren Ergebnis schon im Sommer in Kraft treten könnte. Sie schlagen ein unabhängiges Kontrollgremium vor, das den Missbrauch der Überwachungsmöglichkeiten verhindern soll.

Das ist zu wenig, schließlich ändert es nichts an der Tatsache, dass ohne Verdacht im Einzelfall erst einmal alles abgehört und damit massiv in die Privatsphäre der Bürger eingegriffen werden soll. Einmal erhobene Daten wecken Begehrlichkeiten von anderen Behörden und einmal eingeführte Maßnahmen wird man schwer wieder los.

Wie Oberpirat Rick Falkvinge anmerkt (S) bräuchte es jedoch nur vier Parlamentarier die ihre Karrieren aufs Spiel setzen und aus der Regierungskoalition dissertieren, um die grundlegenden Freiheiten in der offenen und demokratischen Gesellschaft zu verteidigen. Eine leider ziemlich unwahrscheinliche Hoffnung.

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Wie die virtuelle Botschaft entsteht

Schweden plant wie gesagt eine Botschaft in der virtuellen Welt von Second Life. Stefan Geens vom Svenska Institutet ist verantwortlich für den “Bau” und er bloggt darüber (E).

Man kann nur hoffen, dass der Hype um Second Life nicht schon vor der Eröffnung der Botschaft vorbei ist.

(via)

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Was gibts Neues?

Ich bin wieder online und habe gerade mein Nachrichtenpensum abgearbeitet. Ein paar erwähnenswerte Dinge daraus:

  • Mona Sahlin war schon seit Anfang des Jahres zur neuen Vorsitzenden der schwedischen Sozialdemokraten auserkoren, aber jetzt ist sie es schließlich und tritt damit die Nachfolge von Göran Persson an. Das heißt jedoch nicht, dass sie von den Parteimitgliedern gewählt wurde, sondern der Prozess der Ernennung geschieht im Hinterzimmer. Interessant ist, dass der ehemalige Außenminister -Lars- Jan Eliasson und EU-Komissarin Margot Wallström Sahlin zur Seite stehen sollen. Beide sind nämlich eigentlich nicht verfügbar. Wallström ist noch bis 2009 bei der EU und Eliasson ist Sonderbeauftragter der UNO im Sudan. Akut werden solche Fragen wohl aber erst zur Wahl 2010.
  • Nachdem homosexuelle Paare schon eine Weile den Segen der schwedischen Kirche für ihre weltliche Hochzeit erhalten konnten, kamen die schwedischen Bischöfe jetzt darüber überein, ihnen auf die gleiche Weise wie heterosexuellen Paaren die kirchliche Hochzeit zu erlauben (E). Weltpremiere.
  • Eine neue Regelung zu “Kampfhunden” in Schweden wird angestrebt (E). Es soll Leuten verboten werden können, Hunde zu halten. Anders als in der damaligen Debatte in Deutschland geht es also um die Halter und nicht um bestimmte Hunderassen. Sinnvoll.
  • Da sage noch einer, der erste Schwede im Weltraum, Christer Fuglesang, hätte nichts bewirkt: Das “Raumfahrtgymnasium” in Kiruna hat 44% mehr Bewerber (S) als im Jahr davor.

  • Der IKEA-Hacker (E) ist ein Blog, das sich ausschließlich damit beschäftigt, was man mit den Möbeln aus Schweden denn noch so alles machen kann. Seit Anfang des Monats gibt es ein deutsches Pendant, das die Idee übernimmt.

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Undurchsichtige Waffengeschäfte

Bei Le Monde Diplomatique gibt es einige interessante Karten zu verschiedenen globalen Themen. Gleich in der ersten Grafik dort, die sich mit dem globalen Waffenhandel beschäftigt, kommt Schweden nicht sehr gut weg.

Im unteren Teil sieht man nämlich, wie transparent unterschiedliche Länder ihre Waffengeschäfte handhaben. Spitzenreiter der Offenheit sind hier ausnahmsweise die USA, Deutschland und Großbritannien. Schweden kommt nur auf einen Mittelplatz an der Grenze zur Undurchsichtigkeit.

Dafür liegen Schweden und den anderen skandinavischen Ländern Flüchtlinge mehr am Herzen. Anteilsmäßig am Bruttoinlandsprodukt zahlt Schweden etwa zwanzig Mal so viel wie Deutschland an das UNHCR. Das sollte auch in absoluten Zahlen mehr sein als der deutsche Beitrag.

(via)

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Überwachung vertagen?

Es tut sich etwas bei den Überwachungsplänen der schwedischen Regierung. Ein der eigenen IT-Experten der Regierung meldet sich zu Wort und zweifelt (S) die technische Trennung von In- und Auslandskommunikation an. Die FRA, die Radioanstalt der schwedischen Armee, die die geplanten Überwachungen durchführen soll, darf aber nicht im Inland abhören. Sowohl bei Internet- als auch Telefonverbindungen sei wegen der globalen Vernetzung die Trennung von In- und Ausland schlicht unmöglich.

Außerdem besteht die reelle Chance (S), dass die Opposition eine Vertagung des geplanten Gesetzes um ein Jahr erzwingt. Sechzig der 349 Parlamentarier sind dazu nötig und die Linkspartei strebt dies zusammen mit den Grünen an. Auch Thomas Bodström von den Sozialdemokraten spricht sich für den Aufschub der Abhörpläne aus, damit das Thema mehr Leuten bewusst werde. Das ist insofern überraschend, dass Bodström als ehemaliger Innenminister bei vielen Synonym für die Einschränkung von Freiheitsrechten war – ganz ähnlich Herrn Schily in Deutschland.

Nachtrag: Der Nachbar Finnland zeigt sich ebenfalls besorgt (S) über die schwedischen Abhörpläne, schließlich geht viel von der finnischen Kommunikation mit dem Rest der Welt via Schweden. In Finnland ist die Vertraulichkeit von Kommunikation stark geschützt und die Netzbetreiber sind sogar gesetzlich verpflichtet, sicherzustellen, dass die angebotenen Fernmeldedienste nicht abgehört werden.

Schade, dass Finnisch so schwer ist.

Nachtrag, 12.3.07, 23:40: Die Sozialdemokraten sind auf die Linie der Grünen und der Linkspartei eingeschwenkt (S) und streben die einjährige Vertagung an, um eine ordentliche Prüfung zu ermöglichen, bevor per Gesetz Tatsachen geschaffen werden. Gute Neuigkeiten.

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