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Nicht einfach zusehen

Radio Schweden schreibt:

Schwedens Regierung bereitet ein Gesetz vor, das Zeugen von Straftaten zum Eingreifen verpflichtet. Hintergrund ist die zunehmende Zahl unprovozierter Gewalttaten, bei denen in vielen Fällen Zeugen nachgewiesenermaßen tatenlos zusehen. Mit der neuen Regelung sollen Menschen verpflichtet werden, Hilfe zu holen, ohne sich dabei jedoch selbst in Gefahr bringen zu müssen.

Es ist natürlich schade, dass man so etwas überhaupt per Gesetz regeln muss, aber vielleicht muss man den nicht vorhandenen inneren Impuls zu helfen ja wirklich durch eine Pflicht von außen ersetzen.

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Kreative Schweden

Schon wieder zwei Statistiken, in denen Schweden international vorne liegt. Im schwedischen Parlament sind 47.3 Prozent der Abgeordneten Frauen. Das ist das gleichberechtigste Parlament (E) der Welt, nach Ruanda.

Außerdem wird Schweden bescheinigt, die kreativsten und talentiertesten (S) Geschäftsmänner und -frauen zu haben. Es sei sogar ein Talentmagnet für die höchstausgebildeten Arbeiter der Welt und sorge dafür, dass es die kreative Klasse von vielen Ländern nach Schweden zieht. Wenn das keine Übertreibung ist, dann ist es ein starkes Indiz dafür, dass es Schweden auch in Zukunft sehr gut gehen wird.

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Ausverkauf von Staatsfirmen

Schon vor der Wahl hatte die Truppe aus Reinfeldts “Allianz für Schweden” angekündigt, dass sie plant, einige Staatsfirmen zu privatisieren. Das ist natürlich genau, was man von einer wirtschaftsliberalen Koalition erwartet, die eine sozialistisch angehauchte Mittle-Links-Regierung ablöst. Die Gründe sind sowohl Geld für die (sowieso gut gefüllten) Staatskassen als auch die rein prinzipielle Überzeugung, dass der Staat sich um nichts kümmern solle, was private Eigentümer genauso gut leisten können.

Jetzt liegt der Privatisierungsvorschlag (E) auf dem Tisch. Verkauft werden sollen

  • Vin & Sprit, die Firma hinter ABSOLUT Vodka und zahlreichen kleineren Marken,
  • Vasakronan, eine Immobilienfirma,

  • die Hypothekenbank SBAB

    und die staatlichen Beteiligungen an

  • TeliaSonera, dem schwedisch-finnischen Telekom-Riesen,

  • der Bankengruppe Nordea
  • und an der Börsenfirma **OMX**, die die Börsen in den skandinavischen und baltischen Hauptstädten betreibt. Der Verkauf soll insgesamt etwa 150 Milliarden Kronen (16 Mrd. Euro) eingringen. Die Schweden sind jedoch [mehrheitlich skeptisch](http://www.thelocal.se/6583/20070303/) (E) gegenüber dem Vorschlag. Nur 33% finden den Verkauf gut. Ich verstehe zwar von Volkswirtschaft recht wenig, aber finde, dass es auf den Einzelfall ankommt. Ich sehe keinen guten Grund, dass der Staat selbst Alkohol produziert. Die Kontrolle und Steuermöglichkeit ist durch das *Systembolaget* trotzdem gegeben. Anders sieht es bei der grundlegenden Infrastruktur des Landes aus. Eine Privatisierung des Straßennetzes würde ich zum Beispiel ablehnen und dass der privatisierte europäische Strommarkt mehr Missstände mit sich gebracht hat als gedacht, ist auch keine Neuigkeit. Deswegen ist der Verkauf der 45% Anteile an TeliaSonera wohl der am kritischsten zu beurteilende der obigen Posten.
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Unbeschränkte Überwachung

Ein kurzes Update zur geplanten Überwachung von Telekommunikation in Schweden.

Kritiker der Pläne hatten klare Regeln gefordert, wann abgehört werden darf, was abgehört werden darf und wer Zugang zu den erhobenen Daten bekommt. Die Regierung lehnt das jedoch ab und im aktuell diskutierten Gesetzesvorschlag kommen solche Beschränkungen nicht vor (S).

Wenn das durchgeht, darf also einfach alles abgehört werden. Die Einschränkung, dass nur Kommunikation mit dem Ausland betroffen sein soll, ist lächerlich, denn sogar Emails an das staatliche Fernsehen SVT werden erst einmal zu einem Dienstleister in England geschickt (S) zwecks Spamfilterung. Wer würde sich dann nicht zweimal überlegen, ob er auf sein Recht auf Anonymität vertraut und den Medien einen Skandal verrät?

Es gibt seit vorgestern eine Unterschriftensammlung gegen die Abschaffung des Privatlebens, die schon 1600 Schweden unterzeichnet haben.

Nachtrag, 14:45: Ich wurde darauf hingewiesen, dass die Unterzeichner der Petition vorwiegend Männer sind. Ich habe stichprobenartig gezählt und kam auf 14% Frauenanteil. Meines Wissens weichen die Anzahl männlicher und weiblicher Internetnutzer nicht mehr weit voneinander ab, das kann also nicht der Grund sein. Ist die Ablehnung des Überwachungsstaates typisch männlich? Ist es typisch männlich, solche Aufrufe zu unterzeichnen? Ist Frauen das Thema egal? Wird der Link dorthin über “männliche Netzwerke” weitergereicht?

Gilt diese Beobachtung auch für Deutschland? Es scheint so: Bei einer Stichprobe der Wahlmaschinenpetition vom Herbst kam ich auf 10% Frauenanteil.

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Reform der Län

Gerade fing ich an, darüber zu schreiben, dass in Schweden zur Zeit diskutiert wird (S), die 21 schwedischen Regionen (län) zu wenigen großen Verwaltungsregionen zusammenzufassen, als mich ein seltsames Gefühl des déjà-écrit beschlich. Eine Suche beförderte dann auch tatsächlich den entsprechenden kurzen Artikel vom Oktober zutage.

Die Diskussion scheint nur insofern vorangekommen zu sein, dass jetzt ein konkreter Vorschlag vorliegt. Das hiesige Uppsala län soll demnach zusammen mit den Regionen Stockholm, Västmanland, Södermanland und Gotland zur Großregion des Mälardalen vereinigt werden. Der Mälaren ist ein großes Seengebiet, das sich vor allem westlich von Stockholm erstreckt. Uppsala fürchtet dabei natürlich, endgültig zum Vorort von Stockholm degradiert zu werden und ich kann mir durchaus vorstellen, dass die Insulaner von Gotland etwas dagegen haben, zu einer Region zu gehören, die nach ein paar Inlandspfützen benannt ist.

Nachtrag: Man sollte immer erst alle Nachrichten zu Ende lesen. Radio Schweden hat heute auch einen längeren Beitrag auf Deutsch dazu.

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Die wahnsinnigen Schweden

Die Welt schreibt über die gestrige Sendung von Christiansen:

Geahnt haben wir es schon immer – schließlich hat Pipi Langstrumpf zwei verschiedenfarbige Socken an – dank Sabine Christiansen wissen wir es nun ganz genau: Die Schweden sind alle bekloppt. „Jedes dritte Kind in Schweden ist psychisch gestört", erzählte Soziologin Gabriele Kuby in der sonntäglichen Gesprächsrunde zum Thema „Ist die Familie noch zu retten?" mit ernstem Gesichtsausdruck. Schuld daran sei die flächendeckende Kinderbetreuung, das habe eine Studie ergeben. Da konnte selbst die (Ex)-Moderatorin Margarethe Schreinemakers nicht mehr an sich halten und prustete laut los.

Das Thema hatten wir zwar neulich schon, ich stoße aber seitdem immer wieder darauf.

Nachtrag, 27.02.07, 13:30: Obige Aussage hat es auch in die schwedischen Medien geschafft (S) und wird als falsch abgelehnt. Im Gegenteil würden Studien zeigen, dass sich Kinder, die im Kindergarten waren in der Schule und im Sozialleben besser zurechtkommen. Die “Gebärmaschinen” von Bischof Mixa kommen in dem Artikel genauso vor, wie ein Zitat eines deutschen Firmenchefs, der anmerkt, dass es Vaterschaftsurlaub bei ihm gar nicht gebe, schließlich hätten die Männer ja wichtige Aufgaben zu erfüllen und eine echte Mutter verdient doch gern weniger, wenn sie ganz in der Mutterrolle aufgehen kann.

Kein Wunder also, dass Deutschland für Schweden rückständig daherkommt.

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Großforschung in Schweden

Die European Spallation Source (ESS) ist ein geplantes physikalisches Großexperiment, in dem mit Hilfe eines Teilchenbeschleunigers Neutronen erzeugt und dann in verschiedenen Teilexperimenten verwendet werden sollen, um neue Erkenntnisse über Materialien für Informations-, Energie-, Gesundheits- und Nanotechnologien zu erlangen. Der Ort für den geplanten Bau steht noch nicht fest, aber Lund an der Südspitze Schwedens ist im Gespräch.

Wegen hoher Umweltgefahren hatte die vorige Regierung das Projekt gestoppt, der jetzige schwedische Forschungsminister Leijonborg scheint (S) jedoch bereit zu sein, drei Milliarden Kronen von schwedischer Seite in das Projekt zu investieren. Das einen Quadratkilometer umfassende Forschungsviertel soll 2018 fertig werden.

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Carl Bildt vs. SSU

Die schwedischen Jusos (SSU) haben wegen der neuen Vorwürfe gegen Außenminister Carl Bildt seinen Rücktritt gefordert (S).

Bildt kommentiert (S) das in seinem Blog mit dem Seitenheib, dass die Forderung ja nicht einmal von der SSU-Vorsitzenden kam, die sei nämlich zurückgetreten. (Hintergrund)

Der SSU revanchiert sich jetzt auf humorvolle Weise und bietet Bildt bei eBay zum Verkauf an (S, via). In der Produktbeschreibung heißt es:

Carl Bildt ist eine einmalige Anlagegelegenheit für alle, die auf zweifelhafte Weise Geld verdienen wollen. Er hat den Weg für Investitionen ins türkische Militär frei gemacht, eine Organisation, die Oppositionelle unterdrückt und die die Demokratie der Türkei bedroht. Er hat außerdem in Ölfirmen investiert, die Diktaturen in Afrika dabei helfen, die Bevölkerung zugunsten der Ölförderung zu vertreiben. Möchten Sie eine Gaspipeline durch die Ostsee von Russland nach Deutschland legen? Dann ist Bildt ihr Mann. Er bietet seine Dienste an, egal ob es russisches Gas, sudanesisches Öl oder eine völkerrechtswidrige Invasion des Irak ist. (Übersetzung von mir)

Da sage noch einer, Politik habe keinen Unterhaltungswert. Die Kritiker scheinen jedoch nicht einzusehen, dass in einem Rechtsstaat ein Gesetzesbruch und die Verurteilung den einzigen Ausschlag gibt. Deswegen ist eine nicht bezahlte Fernsehgebühr mehr Rücktrittsgrund als legale Finanzgeschäfte, selbst wenn sie dem Moralverständnis einiger Menschen zuwiderlaufen. Solange es nicht einmal eine rechtliche Anklage gibt, halte ich Rücktrittsforderungen für heiße Luft.

Unterdessen kommt genau die Diskussion um Carl Bildts Blog in Gang, die ich neulich schon angeschnitten hatte. Der Expressen beschwert sich (S), dass Bildt den Blog zur Selbstdarstellung benutzt und damit die wichtige Institution der kritischen Medien unterwandert. Diese Gefahr besteht wohl im Prinzip, aber dass sich allen voran die Boulevardpresse an dem Blog stört, ist leicht nachzuvollziehen. Erst wenn sich die seriösen Medien in gleicher Weise bedroht fühlen, sollte man wohl noch einmal nachschauen. Bis dahin ist es aber ein weiter Weg.

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Härtere Regeln für Abiturienten

Der schwedische Ausbildungsminister Lars Lejonborg (auch Chef der liberalen Folkpartiet) will die Regeln ändern (S), welche Voraussetzungen man für ein Studium an einer Universität erfüllen muss. Ausreichende Noten in Schwedisch, Englisch und Mathematik am Ende des Gymnasiums sollen Bedingung werden und gute Leistungen in Mathe und Sprachen sollen beim Auswahlverfahren extra berücksichtigt werden.

Wer jetzt eine Augenbraue hebt und fragt, was denn bisher verlangt war, dem sei gesagt, dass Schüler in Schweden während der letzten drei von zwölf Schuljahren (schwedisches Gymnasium) meist große Freiheiten in der Fächerwahl haben. Das ist per se auch gut, denn fast jeder geht aufs Gymnasium und es gibt Linien, die auf handwerkliche Berufe ausgerichtet sind, anstatt auf ein Hochschulstudium.

Es ist in vielen Fällen jedoch auch möglich, die Berechtigung fürs Studium zu erlangen, ohne genügend “harte” Fächer besucht zu haben. Das führt dazu, dass die Universitäten sich auf das niedrigere Anfangsniveau der Studenten einstellen müssen und verschulte Studiengänge geschaffen werden, damit es auch genügend schaffen. Professuren in den Naturwissenschaften klagen regelmäßig über mangelhafte Vorkenntnisse der Studienanfänger und ich habe den Eindruck, dass viele im Universitätsumfeld mit der etwas härteren Schulpolitik der konservativen Regierung sympathisieren.

Auch wenn ich hier regelmäßig etwas an der Regierung Reinfeldt auszusetzen habe, bin ich bei diesem Thema geneigt, ihnen beizupflichten.

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Ein Drittel weniger Museumsbesucher

Wie vor einem halben Jahr angekündigt, kosten schwedische Museen seit Jahresbeginn wieder Eintritt. Das Resultat (S): Im Schnitt haben Museen 35% weniger Besucher als letztes Jahr, einige haben sogar vier Fünftel der Besucher verloren.

Das Argument, lieber Steuern zu senken und den Leuten die Wahl zu lassen, ob ihnen ein Museum das Geld wert ist, halte ich für Unsinn, denn demnach müsste man alle staatliche Kulturförderung abschaffen.

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