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Terroristen abhören

Der schwedische Verteidigungsminister (!) Mikael Odenberg will mehr abhören. Telefone und Internetverkehr – alles was über die Landesgrenzen hereinkommt oder hinausgeht. Ohne Gerichtsbeschluss und konkretes Verdachtsmoment. Und mit Nutzung der militärischen Infrastruktur. Natürlich nur, um Verbrecher und Terroristen zu fangen.

Ich kann hier nur wiederholen, was andere schon tausend Mal und viel besser formuliert haben. Der Paradigmenwechsel, dass jetzt jeder verdächtig ist und vorsichtshalber abgehört werden soll, ist abgrundtief falsch. Sonst ist “1984” bald nicht mehr gruselig.

Mehr auf deutsch, englisch oder schwedisch.

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Merkels geheimer Brief

Deutschland hat seit Anfang des Jahres den Ratsvorsitz der EU inne und man will, wie angekündigt, der EU-Verfassung neues Leben einhauchen. Zu diesem Zweck ging jetzt Schreiben an die Regierungschefs der EU, angeblich um die Vorgehensweise zu erläutern und die angestrebte Diskussion in Gang zu setzen.

Normalerweise dringt die direkte Kommunikation zwischen Staaten nicht an die Öffentlichkeit, in Schweden gibt es jedoch das Öffentlichkeitsprinzip. Dieses sorgt nicht zum ersten Mal für Irritationen beim schwedischen Umgang mit der EU. Wenn EU-Dokumente, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind, in Schweden öffentlich werden, ist man darüber andernorts nicht gerade glücklich.

Merkels oben genannter Brief wurde auf Nachfrage der Medien dann auch nicht ausgehändigt und soll von der Regierung als geheim eingestuft (S) werden, um die Herausgabe zu verhindern.

Ich finde das Öffentlichkeitsprinzip toll, sehe aber auch ein, dass man Politikern die Gelegenheit geben sollte, Dinge vorzubereiten, bevor sie sie der öffentlichen Diskussion preisgeben. Ob die Geheimhaltung dieses Briefen nun nötig ist, oder ob sie zur anhaltenden Skepsis der Schweden gegenüber der EU beiträgt, ist wohl schwer zu sagen.

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Margot Wallström bloggt auch

Da wir gerade bei Politikern und ihren Blogs sind…

Margot Wallström ist schwedische Sozialdemokratin und seit 2004 stellvertretende Vorsitzende der Europäischen Kommission unter José Manuel Barroso. Dort ist sie bis 2009 zuständig für internationale Beziehungen und für die Kommunikationsstrategie der EU.

Zu letzterem gehört für sie auch, zu bloggen (E). Ihre Motivation dafür und den eingeschlagenen Weg, die EU bürgernäher zu machen, erläutert sie in einem Interview auf SPON.

Sollten mehr Politiker ein Blog schreiben? Ich denke schon. Das Argument des nötigen Zeitaufwandes ist zwar nicht von der Hand zu weisen, besonders wenn man über die Kommentare einen echten Dialog zulässt, aber ein solches Blog müsste ja nicht täglich gefüllt werden, um seinen Zweck zu erfüllen. Ich bin gespannt, wer in Deutschland den mutigen Anfang macht.

Danke an Olli für den Tipp.

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Carl Bildt als Schüler und Blogger

Als Carl Bildt Anfang Oktober in die Politik zurückkehrte und schwedischer Außenminister wurde, schrieb er in seinem Blog:

Well, things do happen in life, as we know. On Friday I was appointed Foreign Minister of Sweden in a move that was widely seen as somewhat surprising. And in many ways it was. But when asked, while it wasn’t entirely easy to say yes, it would have been impossible to say no.

Daraufhin verstummte der Blog. Überraschenderweise hat Carl Bildt ihn seit Anfang des Jahres wiederbelebt und schreibt darin auf Englisch aus seinem Alltag. Kommentare sind zwar nicht erlaubt und verständlicherweise geht er nicht sehr in Detail, aber ich finde, dass es schon zur Bürgernähe beiträgt, wenn er schreibt, wo er gerade ist und mit wem er sich mit welchen Themen beschäftigt. Die gewählte Sprache jedoch deutet wohl eher gegen diese Motivation und lässt vielleicht nur Selbstdarstellung übrig.

Gibt es Blogs von hohen deutschen Politikern?
Angela Merkels Videocast gilt nicht, finde ich.

Zum Schluss noch ein Video von Bildt als siebzehnjähriger Aktivist in seiner Schule: ([Youtube Direktlink](http://www.youtube.com/watch?v=mA7yxpP02bI))

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Überall ist es besser...!?

Aus dem lesenswerten Mitschrieb einer Rede von Tomas Lundin, dem Deutschland-Korrespondenten der schwedischen Tageszeitung Svenska Dagbladet, zur Frage, warum sozialstaatliche Reformen in Schweden besser zu gelingen scheinen und welche Rolle dabei die jeweilige Perspektive spielt:

Ich erinnere mich gut an den letzten deutschen Wahlkampf. Göran Persson kam aus Schweden, um Gerhard Schröder zu unterstützen. Seine persönliche Botschaft an den Kanzler war die folgende: “Mach es, mach es schnell und trickse nicht!”. Also, wer reformieren will, muss nicht viel reden, sondern agieren – und das schnell. Er darf sich auch nicht dazu verleiten lassen, den politischen Gegner austricksen zu wollen. Parteitaktik verabscheuen die Wähler, meinte Persson. Schließlich gab er den Rat: Wirb massiv um öffentliche Unterstützung für deine Reformen. Bringe die Menschen hinter dich mit einfachen, glaubwürdigen Botschaften. Aber versprich nicht das Blaue vom Himmel.

(Zwei Rechtschreibfehler im Zitat korrigiert.)

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Podcasts beim SR

Die staatliche schwedische Radioanstalt Sveriges Radio (S) bietet löblicherweise einen Großteil ihrer Diskussions- und Informationssendungen auch als Podcast (S) an. Man kann sie sich also im MP3-Format herunterladen und zum Beispiel unterwegs hören, wann immer es einem passt.

Dort findet man hochwertige und differenziert informierende Sendungen, die auch einmal längere Zeit des Hörers in Anspruch nehmen. Im Lördagsinterview (S) wird zum Beispiel jede Woche ein hoher Politiker befragt – und zwar von einem exzellent vorbereiteten Reporter, der nicht scheut, nachzuhaken, unbequeme Fragen zu stellen und die Gäste ihren früheren Aussagen gegenüberzustellen.

Konflikt ist eine ebenfalls wöchentliche, zweistündige Sendung, die sich mit den Brennpunkten der Welt befasst. In der letzten Ausgabe von 2006 (S, mp3) ging es in der zweiten Stunde um Deutschland und den angeblichen Wandel des Selbstbildes der Deutschen während der Fußball-WM. Dieses Thema hatten wir zwar hier schon, aber ich kann jedem, der Schwedisch versteht, die Sendung empfehlen, weil sie es schafft, die unterschiedlichen Facetten der Diskussion auszuleuchten und eigentlich jeden interessieren sollte.

Einen 25-minütigen Wochenrückblick auf Deutsch mit den wichtigsten Nachrichten hat der SR auch, ebenso wie Inhalte auf Kurdisch, Russisch, Finnisch, Persisch, Englisch, Samisch, Bosnisch, Weißrussisch, Aramäisch, Arabisch, Albanisch und Rumänisch. Betreibt der deutsche öffentlich-rechtliche Rundfunk eigentlich auch so viel Aufwand für die Einwanderer im Sendegebiet?

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Der Wechsel bei den Sozialdemokraten

Nach der Wahlschlappe der Sozialdemokraten im Herbst, kündigte der Parteichef und nach zehn Jahren im Amt ausgeschiedener Ministerpräsident Göran Persson auch seinen Rücktritt von der Parteispitze an. Seitdem steht die Frage im Raum, wer ihn beerben und die Opposition für die nächsten knapp vier Jahre führen wird.

Wie sich in den letzten Wochen schon angedeutet hat, wird es wohl auf Mona Sahlin hinauslaufen. Gestern, am Abend nach dem Göran Persson seine letzte Debatte im Parlament gehalten hatte, sagte sie zu (S), dass sie das Amt übernehmen würde.

Sahlin war schon vor dem Aufstieg Göran Perssons vor elf Jahren Spitzenkandidatin und wäre wohl auch Ministerpräsidentin geworden, wenn sie nicht über die Toblerone-Affäre gestolpert wäre.

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Moglis Wahl

Für alle, die Schwedisch können:

Für alle anderen: Der kurze Film ist neu vertont und Balu ist ein “Blauer” von der Moderatpartei, der Mogli von seiner linken Einstellung bekehren will. :-) ([via](http://gudmundson.blogspot.com/2007/01/mowglis-val.html), [Direktsosse](http://www.youtube.com/watch?v=OWVSOvqlB_Q))
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Schwedenpolitik-Update

Sozialdemokraten suchen Vorsitzende. Das Ringen um die Nachfolge von Göran Persson im Parteivorsitz der Sozialdemokraten ist geht weiter. Mittlerweile ist es wahrscheinlich, dass Mona Sahlin das Rennen machen wird, weil die anderen, die im Gespräch waren, kein Interesse zeigen und weil Sahlin vom wichtigen Göteborger Landesverband der Sozialdemokraten unterstützt wird. Mona Sahlin war die Hauptperson in der sogenannten Toblerone-Affäre. Dazu ein Zitat aus Rainers Blog:

Ihr schnappte die Männergarde in der eigenen Partei anno 1995/96 den schon längst versprochenen Posten an der Parteispitze weg, weil sie mit der Kreditkarte des schwedischen Reichstags mal Toblerone und Windeln eingekauft hatte und eine Menge privater Rechnungen zu spät bezahlt hatte. Wochenlang veranstalteten die Medien eine Hetzjagd auf Mona, so dass sie letztlich klein beigeben musste, das war die Zeit, als das Wort “Time-Out” ins Schwedische kam. Männliche Politikerkollegen besuchten sogar Striplokale in Paris und zahlten mit der Kreditkarte der Steuerzahler und als sie von Journalisten darauf hingewiesen wurden, reagierten sie erstaunt, es sei so verraucht gewesen, dass sie damals nicht gesehen hätten, dass fast alle anwesenden Frauen nackt gewesen seien. Mona Sahlin musste ins zweite Glied zurücktreten und HSB wurde Ministerpräsident. Und nun hat Mona zehn Jahre gewartet und die Zeit ist gekommen.

Bildt unter Druck. Die Geschichte um den Gewinn des schwedischen Außenministers Carl Bildt aus Beteiligungen an einer russischen Ölfirma ist zwar nicht neu, aber jetzt wurde er wegen Korruptionsverdacht angezeigt und der oberste schwedische Ankläger ermittlelt (S). Eine gute Zusammenfassung auf Englisch hat The Local. Ich spekuliere einmal, dass eine Frau deswegen schon längst zum Rücktritt bewogen worden wäre, während Bildt sich sicher aus der Sache herausreden wird.

Schlamperei mit Entwicklungshilfegeldern? Anscheinend kam es noch zu Zeiten der sozialdemokratischen Regierung zu Unregelmäßigkeiten bei der Zahlung von 22 Millionen Kronen Entwicklingshilfe. Die damaligen Außen- und Entwicklungshilfeministerinnen Laila Freivalds und Carin Jämtin sollen den Betrag für ein Projekt in Südafrika bewilligt haben, bevor das schwedische Amt für Entwicklungshilfe, SIDA dies beschlossen hatte und klar war, wozu das Geld verwendet werden solle.

Nachtrag, 21:00: Jetzt schreibt auch der SR auf Deutsch über die Anklagen gegen Carl Bildt.

Und mir fällt noch etwas ein: Gewerkschaft blockiert Salatbar. Ich halte Gewerkschaften an sich ja für wichtig, aber ob das Verhalten der Hotel- und Restaurantgewerkschaft in Göteborg noch legitim ist, finde ich fraglich. Dort blockiert sie (S) seit Wochen eine Salatbar, weil sie sich weigert, dem Tarifvertrag beizutreten. Die Besitzerin des kleinen Geschäftes hat eine Angestellte, die mehr bezahlt bekommt, als nach Tarif vorgesehen. Die Blockade bedeutet, dass Gewerkschafter vor dem Eingang stehen und Kunden vom Besuch abhalten und dass der Müll nicht mehr abgeholt wurde. Für letzteres wurde zwar mittlerweile jemand zwangsbeordert, aber die ganze Geschichte ist eine ziemliche Farce. Mit Hilfe der langjährigen sozialdemokratischen Regierung ist ihr Gewerkschaftsbund LO sehr mächtig geworden. Nicht einmal der Arbeitsmarktminister der neuen bürgerlichen Regierung erkennt (S) jedoch ein Fehlverhalten bei den Gewerkschaften. Abgesehen davon, gibt es aber sehr wohl Proteste aus dem konservativen Lager gegen die Aktion der Gewerkschaft.

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Anna Sjödin tritt zurück

Der Jugendverband der schwedischen Sozialdemokraten (SSU) ist die größte politische Jugendvereinigung im Land und dient vielen als Sprungbrett in die “richtige” Politik. Die bisherige Vorsitzende des SSU, die 30-jährige Anna Sjödin, war das ganze Jahr in den Medien, weil sie im Januar in betrunkenem Zustand in Streit mit dem Rausschmeißer einer Stockholmer Bar geriet und ihn dabei tätlich angegriffen und mit rassistischen Äußerungen beleidigt haben soll.

Sie selbst streitet das ab und versucht, sich selbst als Opfer darzustellen. Das Gericht folgte jedoch nicht ihr, sondern den zahlreichen Zeugen, die die Version des Wächters bestätigten. Essprach sie im Oktober in allen Punkten schuldig und verurteilte sie zu einer Geldstrafe von umgerechnet 4000 Euro und zur Zahlung von 600 Euro Schmerzensgeld. Sjödin sah sich wieder als Opfer einer Hetzkampagne und Justizirrtums und “verlor ihr Vertrauen die schwedische Justiz”.

Sie legte Revision ein. Am Dienstag dieser Woche wurde diese jedoch abgelehnt und das Urteil ist rechtskräftig. Jetzt endlich wurde der Druck der lokalen Unterverbände so groß, dass Anna Sjödin zurücktrat (S). Sie hat dazu einen – meiner Meinung nach recht armseligen^1^ – Leserbrief geschrieben, in dem sie ihre Opferrolle wiederholt, eigene Verdienste aufzählt und behauptet, ohnehin nie SSU-Vorsitzende sein zu wollen.

^1^Ich hätte an dieser Stelle fast vergessen, dass das deutsche Wort “pathetisch” etwas ganz anderes bedeutet als das englische “pathetic” und das schwedische “patetisk” und damit hier völlig fehl am Platz wäre.

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