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Wahltag!

Heute ist Wahl in Schweden, sowohl auf Kommunal- als auch auf Parlamentsebene. Die letzten Umfragen sehen die vier Oppositionsparteien in der Allianz für Schweden vorne. Ich werde heute abend über die ersten Hochrechnungen schreiben und bis dahin kann man den passenden Artikel der aktuellen ZEIT lesen, oder in dem stöbern, was ich bisher zur Wahl zu sagen hatte.

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Kurz vor der Wahl

Ein paar kurze Punkte zur schwedischen Parlamentswahl am Sonntag:

  • Das TV-Duell der Parteichefs von Sozialdemokraten und Moderaten hatte keinen klaren Gewinner (E) und die Umfragen sehen weiterhin keinen der beiden Blöcke abgeschlagen. Der Ausgang ist also offen.
  • Der Skandal um den Einbruch der liberalen Folkpartiet im Computernetz der Sozialdemokraten wird mit immer neuen Details am Leben gehalten. Die Liberalen wollten die Schuld auf einen Journalisten abschieben, der diese aber der Lüge bezichtigt. Ausserdem wussten die Sozialdemokraten möglicherweise schon langer davon, haben es aber erst jetzt zum richtigen Zeitpunkt an die große Glocke gehängt. Großes Kino.
  • Überraschenderweise kommt auch das Thema Piratebay wieder auf die Tagesordnung. Nach der Beschlagnahmung der Server Ende Mai wurde vom Innenministerium bestritten, dass Druck aus den USA ein entscheidender Faktor war, und es wurde versichert, dass alles zu diesem Thema offengelegt wird – schließlich gibt es das Öffentlichkeitzprinzip. Das ist nicht passiert und Innenminister Bodström kommt unter Druck. Gleichzeitig zeigt er sich bereit, das vor einem Jahr verabschiedete Verbot des Dateitauschens wieder abzuschwächen (S).
  • Die [Piratenpartei](http://www.piratpartiet.se) (S) steht laut Umfragen bei einem, wie ich finde beachtlichen, Prozentpunkt, erwartet nach eigenen Angaben aber, die 4%-Sperre zu überschreiten und in den *Riksdag* einzuziehen. Sie begründen das damit, dass viele junge Menschen, die keinen Festnetzanschluss mehr haben, [von den Umfragen ausgelassen werden](http://www.dn.se/DNet/jsp/polopoly.jsp?d=2390&a=571935&previousRenderType=6) (S, siehe auch [hier](http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,,OID5900910_REF1,00.html) zu diesem generellen Problem). Nebenbei: Der [deutsche Spross der Piratenpartei](http://piratenpartei.de/) ist geboren.

    [Alle Artikel zur schwedischen Wahl am 17. September](http://www.fiket.de/tag/wahl2006).
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Unsauberer Wahlkampf

Der SR schreibt:

Wahlkampf in Schweden galt lange als relativ saubere Angelegenheit. Selbstzufrieden schüttelte man hier den Kopf, wenn wieder einmal von politischen Schlammschlachten in anderen Ländern zu hören war. Doch vor den Wahlen am 17. September ist das anders. Längst hat auch Schweden seine Skandale – der jüngste, nämlich umfassende Spitzelei gegen die regierenden Sozialdemokraten, wurde jetzt aufgedeckt.

Weiterlesen beim SR.

Nachtrag: Das Thema ist mittlerweise richtig groß geworden und hält sich in den schwedischen Medien. Es werden empörte Reden gehalten und es gab den ersten Rücktritt. Auch Tagesschau und Spiegel schreiben darüber, ich habe aber gerade keine Zeit, das alles zusammenzufassen. Der SR hat aber einen weiteren Artikel auf Deutsch.

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Haarlänge entscheidet

Ein Antidiskriminierungsgesetz, wie es europäische Richtlinien fordern und wie es in Deutschland gerade in Kraft getreten ist, gibt es in Schweden seit etwas mehr als einem Jahr. Unter anderem dürfen Frisöre ihre Preise jetzt nicht mehr nach Männern und Frauen unterscheiden. Die Folge? Die Preise richten sich (S) stattdessen nach der Haarlänge. Man mag das als lächerlichen Auswuchs und als staatliche oder europäische Regulierungswut sehen, aber wenn man kurz darüber nachdenkt, ist die neue Regelung doch in der Tat sinnvoller und gerechter.

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Wahlhäuschen

Gute drei Wochen bleiben bis zur Wahl und so langsam gewinnt der Wahlkampf an Fahrt. Man sieht zwar (noch?) erstaunlich wenige Wahlplakate in den Straßen, aber die beiden rivalisierenden Seiten, sozialdemokratisch-links-grün und die oppositionelle bürgerlich-christdemokratisch-liberale “Allianz”, haben auf dem Marktplatz in Uppsala (und sicher auch anderswo in Schweden) kleine Holzhäuser (_valstugor_) aufgeschlagen, die täglich bis zur Wahl bemannt sind. Dort kann man sich nicht nur Information und Parteiprogramme beschaffen, sondern auch die Position der jeweiligen Partei zu bestimmten Themen erfragen und diskutieren.

Ich ging da gestern Nachmittag einmal vorbei, habe ein paar Fotos gemacht und auch kurz an zwei Ständen geplaudert. Mit meiner nicht gerade kleinen Kamera und dem T-Shirt mit Radio Paradise Aufdruck, das ich zufällig anhatte, wurde ich doch glatt gefragt, ob ich fürs Radio arbeite, ungeachtet der Tatsache, dass Radiosender mit Fotos recht wenig anfangen können.

Die regierenden Sozialdemokraten treten trotz schlechter Prognosen selbstbewusst auf und ein Plakat lautet “Es läuft prima für Schweden. Jetzt kommen die Arbeitsplätze. Warum also die Steuern senken und jeden fünften Lehrer, Polizist und Krankenschwester abschaffen?” (Bild). In der Tat wächst die schwedische Wirtschaft weit über EU-Durchschnitt und Schweden werden immer reicher (S).

Trotzdem hat die Opposition natürlich allerhand auszusetzen und in der kurzen Rede, die Erik Ullenhag (Bild) von der Folkspartei (liberal) hielt, ging es um Mängel bei der (laut Regierung erfolgreichen) Integration von Einwanderern und bei der Bereitstellung von Altenwohnungen. Auf seinem Plakat (Bild) heisst es “Ja zu früheren Noten in Schulen” und der Hintergrund der Debatte ist, wieviel Anforderungen man an Schüler stellen darf. Teilweise herrscht die etwas seltsame Einstellung, dass man so gut wie nichts von Schülern verlangen darf, aber trotzdem jeder durchkommen muss. Das Niveau leidet dadurch nicht nur auf Schul- sondern auch auf Universitätsebene.

Die konservativen Moderaten setzen auf Recht, Ordnung und Sicherheit, wie man es von ihnen erwartet: “Worte, bei denen man sich geborgen fühlen muss: Nachtkino, Nachtbus und Nachtspaziergang” (Bild). Hat da jemand Angst vor Dunkelheit?

Die Christdemokraten (KD) schießen meiner Meinung nach den Vogel ab und stellen eine der echten Errungenschaften des schwedischen Staates in Frage, nämlich die guten Möglichkeiten für Frauen (und Männer!) Kinder und Beruf zu vereinen. Hier ist Schweden Deutschland weit voraus und es ist wohl nicht abwegig, darin einen der Gründe für die deutlich höhere Geburtenrate (1.7 Kinder pro Frau gegen 1.4 in Deutschland) zu sehen. Die Christdemokraten hätten aber lieber die Frauen am Herd (S) und wollen mehr Förderung für daheimbleibende Elternteile. Der Mensch am Stand von KD (Bild) rechnete mir doch tatsächlich vor, was existierende Kindergärten so alles kosten.

Der Störfall in Forsmark, zu dem immer mehr Details bekannt werden, wie viel da eigentlich schief lief, spielt erstaunlicherweise keine Rolle im Wahlkampf und man hört sehr wenig Protest gegen Atomkraft. Im Gegenteil. Die Allianz will, sollte sie denn die Wahl gewinnen, den status quo beibehalten, also zwar keine neuen Kernkraftwerke bauen, aber die bestehenden so lange wie möglich weiterlaufen lassen.

Noch weniger hat sich der Skandal um die Razzia bei der Pirate Bay als Wahlkampfthema halten können und auf meine Nachfrage beim Stand der Regierungspartei, was denn aus dieser Geschichte um Justizminister Bodström geworden sei, konnte ich keine Antwort bekommen. Auch der Überwachungsaspekt, den ich versuchte anzuschneiden, wurde allenfalls mit Platitüden abgespeist.

Alle Artikel zur schwedischen Wahl am 17. 9. 2006.

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Wahlupdate

Weniger als vier Wochen bleiben bis zu den schwedischen Wahlen. Nach aktuellen Zahlen liegt die bügerlich-rechte “Allianz” knappe drei Prozent vor dem linken Block, der allerdings insofern hypothetisch ist, dass die Linkspartei auf 3.6% abgefallen ist und damit erst gar nicht ins Parlament einziehen würde.

Vier Wochen sind zwar ausreichend, das Ergebnis zu kippen, aber im Moment sieht es so aus, als ob Premier Göran Persson abgewählt würde. Das könnte durchaus mit ihm selbst zu tun haben und ich habe Stimmen gehört, die sich nach seiner über zehnjährigen Amtszeit vor allem einen Regierungswechsel wünschen.

Alle bisherigen Artikel zur Wahl.

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Wort der Woche: Offentlighetsprincipen

Das Öffentlichkeitsprinzip ist zentral für das schwedische Staatsverständnis. Es besagt, dass alle Dokumente (auch in elektronischer Form), die einer Behörde oder einem Amt zukommen, und alle von diesen erstellten Dokumente öffentlich sind und damit von jedem Bürger einsehbar.

Der Zweck ist die Kontrolle des Staates durch seine Bürger, die diesen errichtet haben, und das hat eine lange Tradition in Schweden. Schon im 16. Jahrhundert findet sich das Öffentlichkeitsprinzip und seit 1766 steht es im Grundgesetz. Zentral ist, dass Öffentlichkeit die Regel ist, nicht die Ausnahme. Letztere gibt es, sie müssen aber begründet werden und sind gesetzlich geregelt. Zum einen ist hier das Datenschutzgesetz zu nennen, denn die Auskunftspflicht darf nicht die Privatsphäre eines anderen verletzen. Dann gibt es noch das Geheimhaltungsgesetz, das die Bereiche regelt, in denen man glaubt, dass Geheimhaltung nötig ist (z.B. geheimdienstliche Aktivität).

Ein paar interessante Modalitäten in der Praxis:

  • Man hat das Recht, persönlich und ohne Gebühr Einsicht zu erhalten und Abschriften oder Fotografien anzufertigen und auch das Recht auf Zustellung von Kopien, dann aber eventuell gegen eine festgeschriebene Gebühr.
  • Eine Anfrage muss eilig bearbeitet werden, natürlich im Rahmen normaler Arbeitszeiten, und die Behörde muss so organisiert sein, dass schnell Auskunft gegeben werden kann.
  • Der Fragende muss keinen Grund angeben und kann anonym bleiben.
  • Wenn eine Auskunft verweigert wird, muss stattdessen Information bereitgestellt werden, wie man gegen die Entscheidung Einspruch erheben kann.

    Vorbereitende Arbeitsunterlagen und Diskussionen in Komitees sind nicht automatisch öffentlich, sobald etwas archiviert wird, wird es das aber. Selbst wenn eine Akte begründet als nicht öffentlich deklariert wird, so darf zumindest deren Existenz nicht verschleiert werden. Es ist leicht vorzustellen, wie stark dieser Grundsatz und er funktioniert auch wirklich in der Praxis. Offensichtliche Schwierigkeiten gibt es bei der Interaktion mit der EU, der Schweden 1995 beitrat und die weit weniger offen ist. Dass EU-Dokumente in Schweden automatisch öffentlich werden, passt nicht allen Nachbarn. Im Beitrittsvertrag wurde dieses schwedische Grundrecht aber bestätigt. Wie hier die Praxis aussieht, weiß ich leider nicht. Zum Vergleich Deutschland mit seinem Amtsgeheimnis: Das Prinzip war bis Anfang des Jahres genau umgekehrt und alles war zuerst einmal unter Verschluß. Jetzt hat auch Deutschland sich ein [Informationsfreiheitsgesetz](http://de.wikipedia.org/wiki/Gesetz_zur_Regelung_des_Zugangs_zu_Informationen_des_Bundes) gegeben, aber die Einschränkungen sind ungleich höher als in Schweden. Außerdem werden hohe Gebühren erhoben, was sogar eine [Sammelstelle](http://www.befreite-dokumente.de/) für “befreite Dokumente” nötig macht. Abschließend bleibt zu sagen, dass Schweden zu Recht stolz auf sein Öffentlichkeitsprinzip ist, dass es hohe Anforderungen an Staatsdiener stellt und ungemein zum Vertrauen in den Staat beiträgt. Natürlich wird nicht jeder Bürger regelmäßig Auskunft verlangen, aber die Möglichkeit ist nicht nur prinzipiell, sondern auch real gegeben und wird nicht nur von Journalisten genutzt. Wer noch mehr wissen möchte, lese den [ausführlichen Artikel auf sverige.de](http://www.sverige.de/lexi/lexi_oeff.htm).
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Start einer Bewegung?

Die schwedische Piratenpartei (S), die hier ja schon des öfteren Erwähnung fand, hat internationale Nachahmer auf den Plan gerufen, darunter auch Deutschland.

Ob sich daraus eine bleibende Bewegung entwickelt – die Grünen fingen ja auch so an – wird sich zeigen. Wenn die schwedischen Piraten nicht wenigstens einen Achtungserfolg bei den anstehenden Parlamentswahlen erzielen, könnte sich auch schnell Ernüchterung breitmachen.

Andererseits ist der Vergleich mit den Grünen vielleicht gar nicht so weit hergeholt, die Piratenpartei hat sogar schon mehr Mitglieder (E) als die schwedischen Grünen. Das Internet hat in wenigen Jahren mehr Einfluss auf das Leben der Menschen gewonnen als Umweltschäden während des Aufkommens der Umweltbewegung. Auch hier geht es um Parteien mit thematisch begrenztem Programm, aber die Ausweitung auf allgemeinere Fragen der Netzkultur und des Datenschutzes in einer vernetzten Welt ist naheliegend. Auch hier geht es um Themen, die von den etablierten Parteien stiefmütterlich behandelt werden, was für Unmut bei Menschen sorgt, denen diese wichtig sind.

Man darf gespannt sein…

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Baldiger Regierungswechsel?

Die in gut fünf Wochen anstehende Wahl in Schweden war ja schon gelegentlich Thema hier. Eine heute veröffentlichte Umfrage sieht die regierenden Sozialdemokraten um drei Prozent zurückgefallen und damit die selbsternannte “Allianz für Schweden” aus den bürgerlich-konservativen Parteien mit 4% vorne.

Als Grund wird die Ankündigung der Allianz, die Immobiliensteuer abzuschaffen, gesehen. An Wahlthemen dominiert weiterhin die Innenpolitik, allem voran der Arbeitsmarkt. Das finde ich persönlich etwas seltsam, weil es der schwedischen Wirtschaft gerade sehr gut geht und die Arbeitslosenzahlen sinken. Die Opposition beschwört zwar eine Staatskrise herauf, aber die Zahlen sagen das Gegenteil.

Fünf Wochen sind eine lange Zeit für Wahlkampf und man darf gespannt sein, ob Göran Persson seine über zehnjährige Amtszeit noch einmal verlängern kann. Ich hatte kurze Zeit mit dem Gedanken gespielt, die erfolgreiche Idee des Wahl-O-Mat für die Schweden zu übertragen, aber für so viel politisches Engagement fehlt mir leider die Zeit.

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Schweden und der Nahe Osten

Der aktuelle Konflikt im Nahen Osten ist auch in Schweden tägliches Thema in den Zeitungen und man verfolgt das Geschehen aufmerksam. Für die Zeit danach, hat Premier Göran Persson jetzt schon einmal die Welt zu einer Wiederaufbaukonferenz für den Libanon eingeladen (S). Da ist nicht viel gegen einzuwenden.

Ich glaube aber, dass es berechtigt ist zu sagen, dass in Schweden die Berichterstattung häufig einseitig ist. Es werden Opfer und Einzelschicksale auf der libanesischen Seite gezeigt und Israel wird scharf für sein hartes Vorgehen kritisiert. Das ist konsequent in Linie mit der langjährigen Haltung im Konflikt mit den Palästinensern, zu dem man viel häufiger die Seite der vermeintlichen Underdogs als die des mächtigen und unterdrückenden Israel zu hören bekommt.

Sind Schweden antisemitisch? Manche vielleicht, aber normalerweise weiß man schon zwischen berechtigter Kritik und blinder Hetze zu trennen. Ich würde mir allerdings doch wünschen, dass die sehr verständliche Position Israels weniger kurz käme.

Nachtrag: Es kommt Kritik am schwedischen Vorstoß:

Persson habe die Initiative nicht mit dem aussenpolitischen Sprecher der EU Javier Solana diskutiert, sagte Solanas Pressesprecherin. Vorerst sei zudem an eine internationale Geberkonferenz nicht zu denken. Einer solchen Konferenz müsse eine UN-Resolution über das Ende der Kampfhandlungen und die Entsendung einer Friedenstruppe vorausgehen.

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