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Citymaut in Stockholm zu Ende

Die Maut, die Anfang des Jahres in Stockholm eingeführt wurde, wurde hier schon zweimal erwähnt. Was ich damals allerdings vergaß zu erwähnen, ist, dass sie von vornherein als zeitbegrenzter Versuch angelegt war.

Dieser ist jetzt vorbei, und am Montag werden die Kameras, die an bestimmten Ein- und Ausfahrtstraßen Nummernschilder erfassen, abgeschaltet. Mitte September gibt es dann eine Volksabstimmung, bei der die Stockholmer entscheiden können, ob sie die Citymaut behalten wollen, oder nicht.

Das Projekt war wohl insofern erfolgreich, als dass der Verkehr in der Innenstadt um rund 20% abnahm. Auch die Akzeptanz hat sich erhöht und es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Kameras nach der Abstimmung wieder aktiv werden. Dass die Bürger die Wahl haben, ist natürlich eine gute Sache, es dürfen aber meines Wissens nur die teilnehmen, die direkt in Stockholm wohnen und somit vom verminderten Verkehr profitieren. Die ebenfalls betroffenen Pendler der Vororte bleiben außen vor.

Auch frage ich mich gerade, ob es schlau ist, den Versuch zu beenden, bevor abgestimmt wird. Falls es zu einem merkbaren Wiederanstieg des Verkehrs kommt, ist wohl ein Votum für die Maut wahrscheinlicher. Falls nicht kann es andererseits passieren, dass die jetzigen Befürworter sehen, dass es ohne auch nicht viel schlechter ist.

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Störfall im Kernkraftwerk

Vorgestern kam es im Reaktor 1 des schwedischen Kernkraftwerks bei Forsmark (in Uppland) zu einer Störung, die die automatische Abschaltung einleitete. Insofern funktionierte zwar das Sicherheitssystem gut genug, aber es wurde in diesem Zusammenhang z.B. entdenkt, dass die Hälfte der Reservegeneratoren nicht funktionierte. Auf einer Skala von 0 bis 7 wird dieser Unfall mit 2 bewertet und ist damit der schwerste dieses Kraftwerks bisher. Es wird abgeschaltet bleiben, bis die Ursachen geklärt sind.

Trotz eines hohen Anteils Wasserkraft ist Kernenergie in Schweden wieder populär. In diesem Zusammenhang fand ich heute auch eine Meldung aus Deuschland interessant:

Wegen der Hitzewelle ist Ökostrom [...] derzeit billiger als Strom aus Kohle- und Atomkraftwerken.

Update (3.8.): Ich bin gerade aus dem Urlaub zurück und erfahre, dass der Unfall schwerer war als am Anfang angenommen. Es wurde mittlerweile auch der andere Reaktor von Forsmark abgeschaltet und ebenso die beiden in Oskarshamn, die ähnlich gebaut sind. Ein weiteres Kernraftwerk ist routinemäßig zur Wartung vom Netz. Mehr an dieser Stelle, sobald ich durch meine schwedischen Nachrichten gelesen habe…

Update (4.8.): Es scheint, als ob obige Darstellung immer noch richtig ist und sich nicht mehr ereignet hat, das erst später herauskam. Ein Kurzschluss außerhalb des Kraftwerks sorgte für einen Stromausfall und weil die Notstromversorgung versagte, waren Bildschirme und interne Kommunikation im Kontrollraum tot. Erst nach zwanzig Minuten “blindem” Betrieb wurde endgültig abgeschaltet.

Die Notstromaggregate kamen übrigens aus Deutschland und laut Greenpeace sind deren Probleme lange bekannt. Sie fordern (E) natürlich eine sofortige Abschaltung aller schwedischen Kernkraftwerke.

Wie nahe man an einer Überhitzung des Reaktors und einer echten Gefahr war, darüber streitet man (S). Den Vorfall mit Tschernobyl zu vergleichen ist lächerlich, weil keine radioaktive Strahlung austrat, und dass es der “schwerste Unfall seit Tschernobyl” war, klingt auch nicht ganz glaubwürdig. Nichtsdestotrotz darf so etwas natürlich nicht passieren und das Medienecho, das nach über einer Woche auch in Deutschland in Gang kommt (SpOn, Telepolis), sorgt hoffentlich für den nötigen Druck, Missstände zu beseitigen.

Noch ein Update (4.8. 18:20): Es wurde im Laufe des Tages entschieden, keine weiteren Reaktoren stillzulegen. Das Thema hält sich auf den Titelseiten und wird wohl Wahlkampfthema der in sechs Wochen anstehenden Parlamentswahlen werden. Die Zentrumspartei, die lange gegen Kernkraft war und erst kürzlich auf den langsamen Ausstiegskompromiss der anderen bürgerlichen Parteien eingeschwenkt ist, dürfte sich gerade schwarz ärgern. Die deutsche Redaktion des Schwedischen Radios diskutiert die politischen Auswirkungen etwas ausführlicher.

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Wort der Woche: Personnummer

Als Ausländer merkt man spätestens nach einigen Wochen in Schweden, dass einem etwas fehlt, nämlich eine personnummer. Das Wort bedeutet genau das, was man leicht errät, und bezeichnet die Identifikationsnummer, die der schwedische Staat an seine Einwohner vergibt. Sie fungiert gleichzeitig als Ausweis-, Steuer-, Einwohnermelde- und Krankenversicherungsnummer und wird noch bei einer Vielzahl anderer Zwecke benötigt.

Die Nummer besteht aus dem sechsstelligen Geburtsdatum und vier weiteren Ziffern, die meist durch einen Bindestrich von den ersten sechs abgetrennt werden: JJMMTT-XXXX. Schweden bekommen ihre personnummer seit 1947 bei ihrer Geburt und bis 1990 konnte man anhand der ersten beiden Extraziffern sehen, in welchem län eine Person geboren war. Heute sind die ersten drei Stellen nach dem Bindestrich eine laufende Nummer.

Die letzte Stelle ist eine Kontrollziffer, die sich aus allen vorherigen nach dem Luhn-Algorithmus berechnet. Dazu multipliziert man zuerst alle Ziffern der personnummer abwechselnd mit Zwei und Eins und summiert die Ergebnisse auf, wobei aus eventuellen zweistelligen Multiplikationsergebnissen zuerst die Quersumme gebildet wird. Das Ergebnis der Summe zieht man zuletzt von der nächsthöheren Zehnerzahl ab, um die endgültige Kontrollziffer zu bekommen. Ein Beispiel: Um zur Nummer 780323-114X das letzte X zu füllen, rechnet man (2*7 → 14 → 5) + (1*8) + 0 + (1*3) + (2*2) + (1*3) + (2*1) + (1*1) + (2*4) = 34 und weil 40 – 34 = 6, ist die Kontrollziffer die Sechs.

Wenn man als EU-Bürger dem Einwanderungsamt (_migrationsverket_) glaubwürdig versichert, dass man länger als ein Jahr in Schweden leben wird, bekommt man über das Steueramt (_skatteverket_) gleich eine richtige personnummer, anstatt einer temporären, die einem etwas anderen Schema folgt. Diese Nummer ist erstaunlich wichtig im Alltag und man tut gut daran, sie schnell auswendig zu lernen.

Man könnte als Außenstehender daran zu Recht kritisieren, dass es dem Staat mit dieser Nummer recht leicht gemacht wird, seine Bürger zu überwachen oder dass der Einzelne sogar zu einer Nummer erniedrigt wird. Vielleicht äußert sich darin, dass kein Schwede die personnummer seltsam findet, ein etwas weitergehendes Vertrauen in den Staat als beispielsweise in Deutschland, wo sogar ich mich noch vage an die Volkszählungsdebatte erinnere. Datenschutz gibt es natürlich trotzdem in Schweden und ein weiteres Plus des schwedischen Staates, das die mögliche Überwachung zumindest teilweise aufwiegt, ist seine Transparenz. Durch das Öffentlichkeitsprinzip kann jeder bis auf wenige Ausnahmen dem Staat auf die Finger schauen und Einblick in Unterlagen erhalten.

Nachtrag: Für über Hundertjährige wird der Bindestrich eigentlich durch ein Plus-Zeichen ersetzt, um dem unwahrscheinlichen Fall einer Zweideutigkeit vorzubeugen. Das Trennzeichen wird aber oft weggelassen und so kam es wohl auch zu dieser Geschichte, in der eine 104-jährige Frau in die Vorschule gerufen wurde.

Nachtrag, 24.02.07: An der vorletzten Stelle kann man außerdem das Geschlecht der jeweiligen Person ablesen: Frauen haben gerade Zahlen, Männer ungerade.

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Almedalsveckan

Almedalen ist ein Park im mittelaterlichen Visby, der Stadt auf Schwedens größter Insel – Gotland. Die Almedalswoche ist eine politische Veranstaltung in ebendiesem Park, die jede erste Juliwoche stattfindet.

Je ein Tag dieser Woche ist einer der sieben Parteien des schwedischen Parlaments gewidment, mit den Reden der Parteichefs als Höhepunkte. Da im September die Parlamentswahl ansteht, ist das Interesse dieses Jahr höher als sonst. Den Auftakt machten gestern die regierenden Sozialdemokraten und deren Chef und schwedischer Premierminister Göran Persson griff erwartungsgemäß die bürgerliche Allianz an, indem er vor deren geplantem Sozialabbau warnte.

Außerdem stellte er die Umweltpolitik als zentrales Anliegen dar, denn ohne Erfolge in diesem Bereich sei vieles andere kurzsichtig. Das ist ein passendes Thema, denn bei Gotland hat gerade die Algenblüte begonnen, die in den letzten Jahren besonders stark ausfiel und die Ostsee vielerorts in eine unangenehme braune Suppe verwandelte.

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Die Themen zur Wahl in Schweden

Die Tageszeitung DN untersucht (S) die Wahlthemen vor der Parlamentswahl am 17. September. Trotz der im Vergleich mit Europa geringen Arbeitslosigkeit von 4.8% (S) rangiert das Thema an vorderster Stelle im Ergebnis einer Umfrage, die danach fragte, welche gesellschaftlichen Fragen bei der Wahlentscheidung am wichtigsten sind.

Gleichauf mit ebenfalls 29% der Antworten liegt das Gesundheitssystem, dann folgen das Schulsystem, die Altenfürsorge und die Familienpolitik mit je über 20% der Nennungen. Danach kommt lange nichts und die eben genannten Hauptthemen stehen hoch auf der Agenda quer durch die etablierten Parteien, die gleichzeitig Schwierigkeiten haben, sich voneinander zu unterscheiden. Das bürgerlich-konservative Lager ist laut Wahlbarometer gleichauf mit den regierenden Sozialdemokraten und es ist unklar ob Premierminister Göran Persson seine über zehnjährige Regierungszeit noch einmal verlängern kann.

Zurück zur Umfrage mit den Wahlthemen: Bei 10% liegt die Umweltpolitik und unter den Themen, die zwischen einem und fünf Prozent der Befragten nannten, tauchen Einwanderung, Gleichberechtigung und die Energiepolitik auf. Vielleicht liegt es an der Fragestellung, aber die EU und andere außenpolitische Fragen scheinen für Schweden nicht sehr interessant zu sein – nur jeweils 1% nannten diese.

Die neugegründete Piratenpartei, die sich neben einer Reform des Urheberrechts auch für den Schutz der Privatsphäre und gegen Überwachung einsetzt, hat zwar durch die Schlagzeilen um die PirateBay einigen Aufwind bekommen, aber sie taucht weder im Wahlbarometer auf, noch werden ihre Themen als wichtig empfunden. Schutz der Privatsphäre und der Überwachungsstaat wurden nur in 1% der Antworten genannt.

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Die Kulturflatrate

Tauschbörsen, in denen Privatpersonen untereinander Musik und Filme tauschen, erfreuen sich ungebrochener Beliebtheit. Dass das den Rechteinhabern nicht passt, ist verständlich, schließlich wollen diese, dass man dafür bezahlt. Am liebsten wäre es ihnen, wenn wir nicht die Musik selbst, sondern nur das Nutzungsrecht kaufen würden, fein säuberlich geregelt per DRM.

Ich kaufe gern Musik online, wenn die Bedingungen stimmen, und will auch gar nicht in die DRM-Debatte einsteigen, sondern die am häufigsten diskutierte Möglichkeit anschneiden, wie man privates Dateitauschen legalisieren könnte: die Kulturflatrate.

Dabei würde es sich schlicht um eine Pauschalabgabe handeln, die jeder Benutzer entrichtet und deren Einnahmen an die Künstler weiterverteilt werden. Da es schwierig wäre, die Einhaltung anderweitig zu kontrollieren, soll die Abgabe automatisch auf alle Breitband-Internetanschlüsse erhoben werden. Die Kulturflatrate wird von einigen in Deutschland als Königsweg aus der Illegalität und der DRM-Misere gesehen und scheint sogar rechtlich machbar, doch die deutsche Politik und die Lobbyisten sträuben sich.

Logo der PiratenparteiNach der Beschlagnahme der PirateBay vor wenigen Wochen in Stockholm hat nicht nur die schwedische Piratenpartei einen sprunghaften Mitgliederzuwachs erfahren, sondern das Thema wird auch in den etablierten Parteien diskutiert und könnte bis zur Parlamentswahl in acht Wochen aktuell bleiben.

Jetzt diskutiert sogar Justizminister Thomas Bodström, der bisher eher für die Verfolgung von Dateitauschern steht und maßgeblich an der Strafverschärfung von 2005 beteiligt war, über die Kulturflatrate und hält sie für möglich, sofern sich die Parteien darauf einigen. Auch wenn es vereinfacht ist, die Situation auf zwei Lager zu beschränken, die Produzenten und Rechteinhaber auf der einen, die Verbraucher und deren Aktivisten auf der anderen Seite, so kann man annehmen, dass letztere in Deutschland eine ähnliche Entwicklung begrüßen würden.

Das gilt erstaunlicherweise nicht für die Piratenpartei in Schweden. Mag sein, dass sie nur ihr Profil nicht verlieren wollen, aber sie sind entschieden gegen die Kulturflatrate. Die Gegenargumente sind natürlich auch den Befürwortern bekannt und das hier sind wohl die wichtigsten:

  • Die Verteilung der Einnahmen ist entweder ungerecht (kleine Künstler werden benachteiligt) oder mit Kontrolle und hohem Verwaltungsaufwand verbunden.
  • Die Abgabe ist ungerecht gegenüber Internet-Nutzern, die keine Dateien tauschen.

  • Der Staat darf nicht Preise diktieren, die eingentlich vom Markt geregelt werden sollten.

    Die Piratenpartei ist allerdings nicht stumpf gegen alle aufkommenden Vorschläge, sondern hat einen eigenen Vorschlag zur Reform des Urheberrechts. Der Basisgedanke ist, dass das Urheberrecht schleichend über Jahrzehnte immer weiter verstärkt wurde und dass es an der Zeit ist, gegenzusteuern, um Kultur nicht durch zu viele Einschränkungen zu gefährden. Der Vorschlag der Piraten geht also weit über das hinaus, was sich Realpolitiker üblicherweise vorstellen:

  • Das Urheberrecht soll zwar nicht abgeschafft werden, aber sich ausschließlich auf die kommerzielle Nutzung beschränken. Uneigennützige Weitergabe von Kopien wird generell erlaubt, also auch Tauschbörsen.

  • Techniken, die nur dazu da sind, die freie Weitergabe zu verhindern (DRM), werden verboten.
  • Auch die kommerzielle Nutzung soll eine Reform erfahren, v.a. indem die Zeit, die ein Werk geschützt ist, drastisch verkürzt wird.

    Das ist nur ein Teil deren Programm ([pdf](http://www.piratpartiet.se/documents/Principles%203.0.pdf), englisch), aber der im Zusammenhang wichtigste. Der erste Punkt würde die Musikindustrie wohl endlich dazu zwingen, ein attraktives Angebot zum Download von Musik anzubieten. Wer wäre nicht bereit, für den Zugang zu einem umfassenden und einfach zu nutzenden Musikarchiv zu zahlen, anstatt sich durch Tauschbörsen zu wühlen? Zum letzten Punkt kann ich mich mangels Einblick in die Szene kaum äußern, aber das Argument, dass sich ein Großteil neuer Musik sowieso entweder innerhalb kurzer Zeit rechnet oder nie, leuchtet in gewisser Weise ein. Man darf auf jeden Fall gespannt sein, ob Schweden bald in einem weiteren Bereich für viele Miteuropäer das gelobte Land wird. *Nachtrag*: Im heutigen [Leitartikel der DN](http://www.dn.se/DNet/jsp/polopoly.jsp?d=576&a=553865&previousRenderType=2) (S) wird als erster Schritt die Rücknahme der Verschärfung von 2005 gefordert und auf die Arbeitserschwernisse für Bibliotheken, Museen und Universitäten hingewiesen.
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Was Frauen in Schweden verdienen

In Schweden ist der Anteil der Frauen, die arbeiten, tradtionell viel höher als in Deutschland und auch sonst gilt Schweden als vorbildlich für andere Länder, wenn es um Gleichberechtigung geht. In Schweden selbst ist die Diskussion ein Dauerthema, denn natürlich herrscht auch hier noch keine völlige Gleichberechtigung. Manchmal wird es auch übertrieben.

Einer der oft erwähnten Missstände, die noch bestehen ist, dass Frauen für gleiche Arbeit weniger verdienen als Männer – von 17% Gehaltsunterschied war immer die Rede. Eine neue Studie zeigt jetzt aber, dass der Unterschied nur bei 7% liegt, Frauen verdienen also durchschnittlich 93% eines Männergehalts. Das dürfte der höchste Wert in Europa sein. In Deutschland liegt dieser Wert bei unter 80%, also über ein Fünftel weniger Lohn für Frauen, verglichen mit einem Mann, der die gleiche Arbeit tut. Diese Seite zeigt einen Graphen, der die europäischen Länder in dieser Hinsicht vergleicht.

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Weniger Ryanair-Flüge nach Schweden?

Schweden denkt gerade darüber nach, eine neue Flugsteuer einzuführen. Falls das durchkommt, droht Ryanair (S) die Hälfte seiner Flüge von und nach Schweden einzustellen, weil mehrere Linien sich nur knapp rentieren.

Ich persönlich fände das zwar einerseits schade – schließlich habe ich Ryanair schon oft genug genutzt, um mal schnell für ein paar Tage zurück nach Deutschland zu kommen. Andererseits ist es nicht gut, wenn Firmen versuchen, den Staat über die Sparwut der Bürger zu erpressen und auf die Gesetzgebung Einfluss zu nehmen. Außerdem zahlen meines Wissens Fluggesellschaften immer noch viel weniger Steuern als z.B. die Bahn und wenn man mal von der eigenen Sparsamkeit und Bequemlichkeit absieht, kann man sich zu Recht fragen, warum Flugverkehr eigentlich subventioniert werden sollte.

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Neues von den Piraten

Dass letzten Mittwoch die Server von thepiratebay.org beschlagnahmt wurden und sie damit aus dem Netz verschwand, habe ich ja schon geschrieben und auch versucht die ersten Reaktionen aufzufangen. Seitdem haben sich die Wogen zwar etwas geglättet, aber das Thema hält sich in den hiesigen Medien. Deswegen hier ein Update zu einigen Punkten:

  • Die Webseite thepiratebay.org ist schon seit Samstag wieder online. Die Betreiber hatten Backups ihrer Daten und nutzten die zahlreichen Hilfsangebote Außenstehender, um den Betrieb schon nach drei Tagen wieder aufzunehmen – diesmal auf mehrere Orte und Länder verteilt. Ganz im Stile früherer Frechheiten gegen juristische Androhungen zerschießt das Piratenschiff im Logo jetzt das Hollywood-Schild.
  • Die Interessenvertretung der amerikanischen Filmindustrie, die MPAA, soll nämlich Druck auf Schweden ausgeübt haben, die PirateBay zu schließen. Der schwedische Justizminister Thomas Bodström wurde beim Verfassungsausschuss angezeigt, der klären soll, ob dieser Einfluss auf die Polizeiaktion ausgeübt hat.
  • Am Samstag fanden unter anderem in Stockholm und Göteborg Demonstrationen gegen die Razzia statt. Es nahmen jeweils mehrere Hundert Menschen teil. Das klingt wenig, kann aber im demonstrationsfaulen Schweden durchaus als Erfolg gewertet werden.

  • Die Piratenpartei, die im Herbst zur Parlamentswahl antritt und sich neben einer Reform des Urheberrechts auch für den Schutz der Privatsphäre und gegen Überwachung einsetzt, hat starken Aufwind bekommen. Innerhalb weniger Tage verdreifachte sich die Mitgliederzahl auf über 6000, sie ist somit die stärkste Partei außerhalb des Parlaments und hat mehr Mitglieder als die meistem Jugendorganisationen der großen Parteien und fast so viele wie die hiesigen Grünen. Wenn das Thema während der rund 100 Tage bis zur Wahl aktuell bleibt, kann man auf das Abscheiden der Pirtatenpartei gespannt sein.

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Die schwedischen Rechtsradikalen

Das Thema Integration hat in letzter Zeit viel Aufmerksamkeit in Deutschland erfahren. In Schweden ist die Situation wieder einmal besser: Es wird viel für die Integration der Ausländer getan und es zahlt sich z.B. insofern aus, als dass die Kinder von Einwanderern in ihren schulischen Leistungen lange nicht so weit zurückliegen wie ihre “Kollegen” in Deutschland und somit weniger häufig Probleme auf dem Arbeitsmarkt haben werden. Auch die gefühlte Integration ist stärker und es kommt beispielsweise kaum vor, dass eine “ausländisch aussehende” Gruppe, die man auf der Straße trifft, nicht schwedisch miteinander spricht.

Erst heute morgen las ich (S) über das diesjährige Einwanderungsbarometer: 80% der Schweden finden es vorteilhaft für das Land, dass Menschen unterschiedlicher Kulturen miteinander gemischt werden, und neun von zehn Schweden wollen in Schweden lebenden Menschen die gleichen Rechte wie Schweden geben. Obwohl die Integration oft als unzureichend angesehen wird, geht der Trend zu mehr Akzeptanz von Ausländern. Der frisch zum Feiertag erhobene Nationaldagen am 6.Juni wird unter anderem dazu benutzt, neu eingebürgerte Willkommen zu heißen.

Also alles in Butter? Leider nein.

Denn es gibt sie auch in Schweden: Nationalisten, Xenophobe, Rassisten und, ja, auch Neonazis. Ein Professor an der hiesigen Uni Uppsala, der sich mit Integrationsfragen beschäftigt, wurde erst neulich Opfer eines rassistisch motivierten Angriffs. Es gibt auch Gruppen, die es gar nicht gern sehen, wozu der Nationalfeiertag genutzt wird (s.o.), und so gab es am Dienstag in Stockholm eine Demo der Rechtsextemisten. Es gab zwar eine Gegendemonstation der Linken, diese war aber kleiner. Die Polizei verhinderte Zusammenstöße der beiden Gruppen und nahm einen der Rechten wegen Volksverhetzung fest.

Die politische Partei der Nationalisten nennt sich Sverigedemokraterna, die “Schwedendemokraten”. Auf deren Agenda steht, wer hätte es gedacht, eine Rückbesinnung auf nationale Qualitäten, Begrenzung der Einwanderung, und so weiter – eben Schweden den Schweden in vielerlei Form. Obwohl sie in der wirklichen Politik eine sehr kleine Rolle spielen – sie kamen 2002 mit 1.4% der Stimmen nicht ins Parlament und sind nur in drei Kommunalvertretungen beteiligt – schaffen sie es regelmäßig in die Schlagzeilen.

Neulich wollten sie an Schulen Propaganda verteilen, was meines Wissens verhindert wurde. Entsprechende Postwurfsendungen wurden vorübergehend von Briefträgern boykottiert (S) und es gibt Aktivisten, die Aufkleber verteilen, die man sich an den Briefschlitz kleben kann, um keine solche Reklame zu bekommen und ein Zeichen zu setzen. Leider scheint es, als ob die Schwedendemokraten gerade bei (v.a. männlichen) jungen Menschen hinzugewinnen können und eine nicht-repräsentative, internetbasierte Testwahl (S) unter 15- bis 21-jährigen, die heute bekannt wurde, sah die Schwedendemokraten mit über 10% als drittstärkste Partei.

Dass die Wahl im Herbst so ausgeht ist zwar sehr unwahrscheinlich, trotzdem ist die Existenz und Sichtbarkeit der schwedischen Rechten betrüblich. Erfreulich ist es andererseits, dass ihr Rückhalt in der breiten Bevölkerung gering ist und viele ansonsten unpolitische Schweden aktiv und böse werden, wenn man sie auf die Schwedendemokraten anspricht.

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