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Cecilia Malmström wird EU-Kommissarin

Es passiert viel in der EU während der andauernden Ratspräsidentschaft Schwedens. Neben dem neuem Parlament und dem endlich von allen Mitgliedern ratifizierten Vertrag von Lissabon läuft auch das Mandat der Kommission aus und eine neue wird zusammengesetzt. Darauf dass Barroso weiterhin der Vorsitzende bleibt, hat man sich schon geeinigt und heute hat Schweden die neue Besetzung seines Sitzes bekannt gegeben – jedes Mitgliedsland stellt einen Vertreter in der EU-Kommission.

Für die letzten zehn Jahre hatte Margot Wallström dieses Amt inne. Die in der Heimat sehr beliebte Sozialdemokratin war die letzten fünf Jahre auch Vizevorsitzende unter Barroso. Ihre Nachfolgerin wird Cecilia Malmström. Sie gehört der Folkpartiet (liberale) an war von 1999 bis zum schwedischen Regierungswechsel 2006 EU-Parlamentarierin und ist seitdem EU-Ministerin in Schweden. Damit ist sie sehr gut für den Posten als Kommissarin geeignet und qualifiziert. Anders als Deutschland schickt Schweden also eine Top-Besetzung.

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Vattenfall in der Kritik

Täglich ist zur Zeit etwas über Vattenfall in den schwedischen Zeitungen zu lesen. Der Energiekonzern ist im schwedischen Staatsbesitz und hat in den letzten zehn Jahren viel auf dem Kontinent investiert, nicht zuletzt in Kohle und Kernkraft in Deutschland. Und der dortige Aufruhr um Krümmel hat nicht wenig zum Vertrauensverlust in die Führung des Konzerns beigetragen.

Nicht nur dass nicht laufenden Kraftwerke viel Geld kosten und die Bilanz verhageln; auch dass Schweden durch die Verträge indirekt haftbar für Unfälle in Deutschland ist, sorgt für Unmut. So lustig wie Fefe finde ich das zwar nicht, andererseits sind eben solche Staatsgarantien eine übliche Subvention der Kernindustrie – denn eine normale Versicherung gegen einen GAU wäre unbezahlbar. Hat jetzt Deutschland einen Deal gemacht, das finanzielle Risiko auf Schweden abzuschieben, oder Schweden, indem es das reale Risiko eines Unfalls lieber ins Ausland trägt als daheim zu haben? Ansichtssache.

Als dann vorige Woche Pläne an die Öffentlichkeit kamen, dass Vattenfall das schwedische Stromnetz verkaufen wolle, um mehr in Kernenergie in Großbritannien zu investieren, war das Maß voll. In Schweden funktioniert die Trennung von Netzabgabe und Stromproduktion eigentlich recht gut: Man zahlt die Rechnung für den Transport an den Netzbetreiber (meist Vattenfall) und sucht sich seinen Stromproduzenten aus übersichtlichen Vergleichen wie elprisguiden aus und kann mit 10 Minuten Aufwand den Anbieter wechseln. Vattenfall hat in Schweden also die Doppelrolle als Netzbetreiber und Stromproduzent und ersteres ist ein gutes Argument für den Staat als Besitzer der Infrastruktur, genauso wie das Banverket als Betreiber des Schienennetzes in Staatsbesitz ist, während allerlei private Zugbetreiber auf den Gleisen fahren.

Kurz und gut: Vattenfall hat einiges an Vertrauen verspielt und die schwedische Regierung sah sich entgegen ihrer Maxime, staatliche Firmen nicht im Detail zu Steuern, gezwungen zu agieren. Und was tut man, um Kritik loszuwerden? Man wechselt den Chef aus. Der bisherige Geschäftsführer Lars G Josefsson wird vom Norweger Øystein Löseth abgelöst.

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Schweinegrippeimpfung

Heute morgen bin ich zum vierten Mal bei einer der extra für die Schweinegrippe eingerichteten Impfstellen vorbei gegangen und unverrichteter Dinge wieder weg. Nichteinmal einen Kölapp bekam man mehr für den Rest des Tages, so groß ist der Andrang.

Wie gesagt ist die Schweinegrippe schon länger ein wichtiges Thema in Schweden und wird generell ernst genommen. Der Staat hat die Ambition, die ganze Bevölkerung zu impfen und seit letzter Woche läuft das Programm, wenngleich nicht immer genug Impfstoff zur Verfügung steht. Die Logistik hinter einem solchen Unterfangen ist ja auch nicht ganz einfach.

Der Andrang deutet darauf hin, dass man sich hierzulande nicht von suspekten Behauptungen, dass der Impfstoff ein höheres Risiko sei als die Krankheit, oder von Verschwörungstheorien bezüglich der Pharmaindustire irritieren lässt, sondern lieber den staatlichen Institutionen vertraut. Der kürzliche Tod wegen H1N1 eines davor gesunden kleinen Jungen mag auch eine Rolle spielen.

Zu früh kommt die Impfkampagne nicht, denn die Grippewelle ist angerollt:

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Nachtrag 091107: Die Organisation und das Setzen von Prioritäten ist Aufgabe der Regionalverwaltungen (landsting). Deshalb gibt es einige Unterschiede, wie weit man schon mit dem Impfen ist: Von unter 10% bis zu einem Viertel der Bevölkerung reicht die Spanne auf der Karte.

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Neue EU

Nach dem deutlichen Ja aus Irland zum Lissabon-Vertrag und der Ohrfeige, die das tschechische Verfassungsgericht den dortigen Gegnern erteilt hat, hat Tschechiens Präsident Klaus jetzt als letzter den Vertrag unterzeichnet und er wird zum Monatswechsel in Kraft treten. Das ist ein Erfolg für die schwedische EU-Präsidentschaft und man hört von vielen Zeiten Lob für den schwedischen Regierungschef Reinfeldt, der die Verhandlungen leitete.

Eine der zahlreichen Neuerungen betrifft das EU-Parlament. Es bekommt mehr Einfluss und wird größer. Schweden erhält zwei zusätzliche Mandate und aufgrund des Wahlergebnisses vom Sommer gehen diese an einen Sozialdemokraten und einen Piraten. Die Piratenpartei bekommt damit ein zweites Mandat, das Amelia Andersdotter in Anspruch nehmen wird. Mit ihren 22 Jahren wird sie mit Abstand die jüngste EU-Parlamentarierin.

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Europäische Entwicklungstage

Gestern, heute und morgen finden hier in Stockholm die European Development Days statt. Dabei handelt es sich um das größte internationale Treffen unter dem Dach der schwedischen EU-Präsidentschaft und es geht, wie der Name schon sagt, um Entwicklungszusammenarbeit. Auch die Allgemeinheit hat Zugang, ohne Voranmeldung muss man jedoch mit länglichen Sicherheitskontrollen rechnen.

Zusammen mit weiteren Ministertreffen (Fischfangquoten, Klimaziele) war diese Woche die selbst ausgerufene Super-Woche für die Ratspräsidentschaft Schwedens.

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Globalisierungsrat totgeschwiegen

Weil der Regierung der Schlussbericht des selbst eingesetzten “Globalisierungsrates”, der die letzte zwei Jahre lang eine Vision für “Ein erfolgreiches Schweden in der neuen globalen Wirtschaft” ausgearbeitet hat, anscheinend nicht passt, wird er eben totgeschwiegen. Das macht ihn andererseits besonders interessant.

Ich habe den Bericht (PDF) gerade ausgedruckt und werde berichten…

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Nach der Wahl ist vor der Wahl

Deutschland hat gewählt und schwedische Medien haben es ausführlich verfolgt. In den letzten beiden Wochen gab es zum Beispiel alleine in Dagens Nyheter fast täglich einen oder zwei kompetente Artikel vom Deutschlandkorrespondenten Jan Lewenhagen. Es scheint, als ob das Interesse sogar größer ist, als für die Nachbarn im Norden. Dass die Norweger kürzlich auch gewählt haben, war zwar auch zu lesen, aber weniger ausführlich.

Wie auch man auch aus anderen Ländern hört, ist der Tenor aus Schweden, dass es gut für Deutschland ist, keine große Koalition mehr zu haben, sondern eine “klarere Richtung”. Wollen wir hoffen, dass es nicht die falsche ist.

Das letzte Mal schwarz-gelb – 16 Jahre Helmut Kohl – ist mittlerweile fast so lange her wie es lang war. Ist man pessimistisch, erwartet man für die nächsten vier Jahre Steuergeschenke an “die Wirtschaft”, einen weiter wachsenden Graben zwischen Arm und Reich, “Entfesselung” der Heuschrecken, einen Außenminister, der sich mit mangelndem Englisch international blamiert, und weitere Angriffe aufs Grundgesetz von Schäuble und Co.

Andererseits bekommt die FDP die Gelegenheit zu zeigen, ob ihr ihr Profil als Bürgerrechtspartei noch am Herzen liegt. Und die Aufteilung von Regierung und Opposition in rechts und links sorgt wenigstens für klare Feindbilder.

Für die Piraten hat es wie erwartet nicht für 5% der Stimmen gereicht, aber 850.000 Stimmen (knapp 2%, Karte) sind mehr als ein Achtungserfolg und sollten zum Weitermachen anspornen.

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Zur Bundestagswahl

Wie gesagt habe ich schon gewählt und es ist an der Zeit, zu erzählen was und warum. Schließlich ist übermorgen Wahl!

Wie soll man sich entscheiden? Man kann zum Beispiel Tests wie den Wahl-O-Mat oder, besser, Wen wählen? machen, um die eigenen Ansichten mit denen der Parteien zu vergleichen. Mein Ergebnis passte zu dem, was in meinen Briefwahlumschlag liegt: In der wichtigeren Zweitstimme habe ich die Piratenpartei gewählt.

alttextAus mehreren Gründen. Zum einen habe ich hier im Ursprungsland der mittlerweile in vielen Ländern existierenden Piratenparteien den Aufstieg der schwedischen recht aufmerksam verfolgt und gesehen, wie erfolgreich sie ihre Themen in die öffentliche Diskussion gebracht und damit die anderen Parteien gezwungen haben, sich damit zu beschäftigen und ihre bisherige Haltung zu überdenken.

Die prinzipiell richtige Kritik an einer Partei mit sehr schmalem Programm wiegt deshalb weniger schwer. Man wird mit seiner Stimme für die Piraten ihnen keine eigene Mehrheit geben, sondern mit einem guten Ergebnis, auch wenn es unter der Fünf-Prozent-Hürde bleibt, dafür sorgen, dass die Forderungen der Piraten mehr Gewicht bekommen. Und verdient haben sie das allemal.

  • Der Abbau der Grundrechte, um für mehr falsche Sicherheit zu sorgen, bereitet mir seit Jahren echte Sorgen. Vorratsdatenspeicherung, Bundestrojaner, Videoüberwachung, biometrische Pässe, geheime Zensur durch das BKA und aktuelle Forderungen, immer weiter in diese Richtung zu gehen, brauchen endlich mehr Widerspruch.
  • Hinter die Forderung einer transparenten Regierung kann ich mich voll und ganz stellen. Jeder Schritt in Richtung des schwedischen Öffentlichkeitsprinzips ist zu begrüßen.
  • Open Access, also das mit öffentlichen Geldern finanzierte Forschungsergebnisse auch allen frei zugänglich sein sollen, anstatt dem Urheberrecht der wissenschaftlichen Verlage zu unterliegen, liegt mir als Teil der Forschungswelt auch sehr am Herzen.

  • Und dass das Urheberrecht wegen der neuen Kommunikationsmöglichkeiten über das Internet einer Reform bedarf, kann ich auch unterschreiben.

    Dazu kommt, dass sich die etablierten Parteien ziemlich ohne Ausnahme so kritikresistent erweisen, wenn es um Themen der Informationsgesellschaft geht, dass man nicht umhin kommt, eine gewisse Unehrlichkeit zu unterstellen. “Zensursula” der letzten Monate ist das beste Beispiel.

    Deshalb habe ich die Piraten gewählt und vielleicht tut es mir übermorgen der ein oder andere Leser ja gleich.

    Zum Abschluss, nach dem Klick, noch ein paar Links zu Texten und Videos zum Thema.

  • Die österreichische Sicht aufs seltsame Deutschland.

  • Andere persönliche Wahlbegründungen: eins, zwei, drei
  • Videos: Wahlwerbespot, Du bist Terrorist, Warum ich die Piraten wähle

  • Zu den Vorwürfen gegen die Piraten, rechts zu sein

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Das schwedische Herbstbudget

Jedes Frühjahr und jeden Herbst legen schwedische Regierungen feierlich ihr Budget fürs kommende halbe Jahr vor. Dazu trägt es der Finanzminister in einer Prozession^^ vom Finanzministerium zum Reichstag, dem es vorgelegt wird und in einer Parlamentsdebatte auseinander gepflückt wird.

Gestern war die Zeit des Herbstbudgets gekommen. Im Frühling hieß es noch, es gäbe wegen der Wirtschaftskrise so gut wie keinen Platz für Reformen. Ganz so schlimm ist es dann doch nicht gekommen und jetzt stehen einige Milliarden für Ausbildungs- und Arbeitsmarktmaßnahmen auf dem Programm. Die Kommunen bekommen auch einiges mehr Geld, um dort Entlassungen entgegenzuwirken.

Am meisten Widerstand regt sich gegen die geplanten Steuersenkungen. Für rund 15 Milliarden sollen Steuern für Arbeitnehmer, Rentner und Selbständige gesenkt werden. Das alles auf Pump: das Budget weist ein Defizit von knapp 80 Milliarden Kronen aus. Die Opposition hält die Senkungen für unverantwortlich und hätte das Geld lieber zur Krisenbekämpfung verwendet. Schließlich erwartet man für das nächste Jahr über 11 Prozent Arbeitslose.

Diese Grafik fasst die Zahlen zusammen.

Zur Verschuldung ist zu sagen, dass Schweden im Vergleich zu den meisten entwickelten Ländern sehr gut dasteht. Die Staatsverschuldung wächst zwar von 33 auf gut 40 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, aber das liegt nicht zuletzt daran, dass letzteres 2009 um 5 Prozent schrumpft. Zum Vergleich liegt die deutsche Staatsverschuldung bei über 60 Prozent und einen Haushaltsüberschuss in besseren Zeiten wie in Schweden sucht man dort vergeblich.

^★^ Dazu war heute ein sehr lustiges Foto in der Zeitung, das Finanzminister Anders Borg auf dem Weg zeigt – vor einem Tax Free-Schild

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Kyrkoval

Radio Schweden hat einen netten Artikel über die Kirchenwahl, die am Sonntag schwedenweit stattfindet.

An sich ist es ja eine gute Sache, auch in solchen Organisationen demokratische Strukturen zu haben. Andererseits ist das Ganze ein Relikt aus der Zeit als die schwedische Kirche noch Staatskirche war (bis 2000) und dass dabei die gleichen Parteien, die auch im Parlament vertreten sind, eine Rolle spielen, ist irgendwie fehl am Platz. Außerdem gibt eine Wahlbeteiligung weit unter 20 Prozent keine wirkliche Legitimation und stärkt gleichzeitig den konservativen Flügel mit den strenggläubigen Schäfchen, die sich einfacher zur Wahl führen lassen.

Nachtrag: Siehe auch Fabians Artikel zum Thema.

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