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Gesucht: Vier mutige Abgeordnete

Die Initiative Stoppa FRA-lagen (“Stoppt das FRA-Gesetz”) hatte heute morgen eine nicht zu übersehende ganzseitige Anzeige in Schwedens größter Tageszeitung, Dagens Nyheter.

Dabei geht es natürlich um die geplante Überwachung von Internet und Telefon, über die das Parlament Dienstag nächste Woche entscheidet. Die Anzeige richtet sich direkt an Abgeordnete und ermutigt sie, von der Parteilinie abzuweichen und gegen das Gesetz zu stimmen. Schließlich gehe es um die Grundfesten der offenen Gesellschaft. Vier Abweichler aus der regierenden Vierparteienkoalition würden ausreichen, das Gesetz zu kippen.

Als Argumente stehen neben der kurzen Zusammenfassung auch Zitate aus den Empfehlungen, die zu diesem Thema abgegeben wurden, darunter vom Polizeivorstand, dem Justizministerium und dem Nachrichtendienst SÄPO. Diese stimmen darin überein, dass dieses Gesetz unverhältnismäßig ist und dass es weder zur schwedischen Staatsform noch zur europäischen Menschenrechtskonvention passt.

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Verräterischer Fernsehkauf

Tipps von Lesern, worüber ich hier schreiben könnte, sind bisher eher eine Seltenheit, aber natürlich immer gern gesehen. Manfred aus Linköping hat mich auf folgende Eigenheit im Zusammenhang mit dem Radiotjänst, dem schwedischen Äquivalent zur GEZ, hingewiesen. Danke.

Im Prinzip gilt sowohl in Deutschland wie auch in Schweden, dass ein Gesetz bricht, wer die staatliche Radio- und Fernsehgebühr nicht bezahlt, obwohl er das Angebot nutzt beziehungsweise die Möglichkeit zur Nutzung hat, sprich ein Radio oder einen Fernseher sein Eigentum nennt. Nun ist aber die Mentalität, was den Datenschutz angeht, in Schweden etwas weniger staatsskeptisch ausgeprägt als in Deutschland und deshalb kann es Regelungen wie diese geben, dass Elektronikmärkte beim Kauf eines Fernsehers Name und Adresse des Käufers aufnehmen und an den Radiotjänst weiterleiten müssen. Wenn derjenige noch keine Gebühren bezahlt, wird er dann Post bekommen mit dem Hinweis auf den Kauf und der Aufforderung zu bezahlen.

Eingriff in die Privatsphäre, der einem die Haare zu Berge stehen lässt, oder effektive Methode zur Einhaltung bestehender Gesetze, die Steuergelder spart, weil weniger Kontrolleure angestellt werden müssen? Geschmacksache, nehme ich an, solange die erhobenen Daten nur zweckgebunden verwendet werden und nicht mit anderen Datenbanken zusammengeführt werden, die Verhaltensprofile erlauben.

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Anklage der Pirate Bay

Am Donnerstag soll endlich die Anklage gegen die Betreiber der schwedischen Dateitausch-Seite The Pirate Bay erhoben werden. Zur Erinnerung: Vor mehr als anderthalb Jahren wurden deren Server von der Polizei auf Drängen des Interessenverbands der amerikanischen Filmindustrie beschlagnahmt. Die Seite war zwar schon nach wenigen Tagen wieder online und ist es noch heute, die Untersuchung hat jedoch bis heute nicht zu einer Anklage geführt. Das und die zahlreichen Rechtsbrüche seitens Polizei und Staatsanwaltschaft, die man bei einem der Betroffenen nachlesen kann, lassen einen stark an der Legitimität des Ganzen zweifeln.

In einem verwandten Thema hat gestern ein EU-Gericht entschieden, dass die bestehende Direktive zum Urheberrecht nicht von den Mitgliedsstaaten verlangt, Gesetze zu schaffen, die der Film- und Musikindustrie Zugang zu den Daten von Internetanbietern (und damit von Internetnutzern) erlauben. Der Schutz der Privatsphäre geht also vor und das ist auch gut so.

Nichtsdestotrotz wird das Thema teilweise so berichtet, als ob das Gericht ebendies erst erlaubt hätte und dass Länder jetzt solche Gesetze schaffen könnten. Ein “man braucht nicht” wird da zu einem “man darf endlich” schöngeredet und gleichzeitig impliziert, dass eine Privatpolizei der Medienindustrie wünschenswert wäre. Ist sie aber nicht, Frau Ask.

Update, 070131: Letzter Link gegen ausführlicheren ausgetauscht. Außerdem kam heute tatsächlich die Anklage gegen die vier Leute der Pirate Bay wegen “Beihilfe zum Urheberrechtsbruch”. Man darf gespannt sein wie das ausgeht.

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Wort der Woche: JO, JK

Es gibt nicht viele Wörter, die es aus dem Schwedischen in andere Sprachen geschafft haben. Ombudsman ist eines davon und existiert neben dem Deutschen und Englischen auch in zahlreichen anderen europäischen Sprachen. Das Wort bedeutet “Bevollmächtigter” oder “Stellvertreter” und es geht bei Ombudsmännern genauer darum, die Bevölkerung und bestimmte Gruppen darin gegenüber gesetzeswidrigen Maßnahmen – nicht zuletzt von Behörden – zu beschützen.

In Schweden gibt es zahlreiche mächtige Ombudsmänner, unter anderem für Gleichberechtigung (JämO), ethnische und sexuelle Diskriminierung (DO und HomO), Verbraucherschutz (KO) und Kinder (BO). Dahinter verbirgt sich meist nicht, wie der Name vermuten lässt, eine einzelne Person sondern mehrere, beziehungsweise eine ganze Behörde.

Besonders hervorzuheben für die schwedische Staatsform sind der justitieombudsmannen (JO, sprich “Jih-Uh”) und der justitiekanslern (JK, “Jih-Koh”) – beides Abkürzungen, die jedem Schweden ein Begriff sind und in den Nachrichten nur selten ausgeschrieben werden.

Logo des
JK

Der JK (mitsamt seiner Behörde) wird wie die meisten Ombudsmänner von der Regierung besetzt. Er ist der höchste Ombudsmann derselben und seine Aufgabe ist, dafür zu sorgen, dass staatliche und kommunale Behörden ihre Aufgaben nach geltenden Regeln erfüllen. Das Amt gibt es seit Beginn des 18. Jahrhunderts, allerdings mit unterschiedlichen Rollen, zu denen zeitweise der Justizminister und der oberste staatliche Ankläger gehörten. Beides sind heute eigene Ämter, aber der JK ist immer noch der einzige, der bei Verletzungen der Meinungs- und Druckfreiheit als Ankläger auftreten kann. Ferner obliegt die Aufsicht über die schwedische Anwaltschaft dem JK und er hat das Recht, einen Fall vor das oberste schwedische Gericht (den Högsta Domstolen) zu bringen, ohne dass zuerst geprüft wird, ob sich dieses damit zu befassen hat.

Logo des
JO

Letzteres darf als einzige andere Instanz auch der justitieombudsmannen (eigentlich Riksdagens ombudsmän). Dieser ist der Vertreter des Parlaments und als solcher natürlich von diesem und nicht von der Regierung ernannt. Der JO besteht aus vier Personen plus Personal und seine Aufgaben als staatliches Kontrollorgan decken sich insofern mit dem JK, als dass es darum geht, Behörden zu überwachen. Hauptaufgabe des JO ist, ungerechte Behandlung von Bürgern und Machtmissbrauch seitens des Staates zu ahnden.

Er darf also Personen innerhalb von Behörden und aus der Regierung anklagen, wenn sie Fehler begehen, und zwar nicht nur aus eigener Initiative, sondern auch aufgrund Klagen von Privatpersonen, die den JO anrufen. Dazu braucht es nicht einmal die schwedische Staatsbürgerschaft.

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Weiterhin keine Anklage

Anderthalb Jahre ist die Razzia bei der Pirate Bay jetzt her. Eine Anklage gibt es immer noch nicht und der Staatsanwalt hat gerade weiteren Aufschub angekündigt. Immerhin werden jetzt die meisten Server zurückgegeben, darunter viele, die nicht das geringste mit der Pirate Bay zu tun hatten.

Warum man 18 Monate brauchte, die Festplatten zu kopieren, erfährt man nicht und die Vermutung, dass wie erwartet nichts illegales gefunden wird, bleibt noch eine Weile unbestätigt.

Nachtrag: Fast hätte ich es vergessen. Vor kurzem ist eine große Menge Email-Korrespondenz an die Öffentlichkeit gelangt, die zu belegen scheint, dass Platten- und Filmfirmen aktiv Hacker angeheuert haben, um die Pirate Bay zu sabotieren. Diese hat deswegen eine eigene Klage eingereicht. Die Liste mit beschuldigten Firmen hinter diesem Link liest sich wie das “Who’s who” der Industrie.

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Staatliche Filmzensur

In Deutschland werden die Altersfreigaben bei Filmen von der FSK bestimmt. Es handelt sich also um eine Filmwirtschaft “freiwillig” durchgeführte Kontrolle, die bei Filmen die Indizierung durch den Staat ersetzt hat.

In Schweden gibt es noch die staatliche Filmzensur. Die zuständige Behörde, Statens biografbyrå, ist die weltweit älteste solche und existiert seit 1911. Die frühere Praxis, dass Szenen aus Filmen geschnitten wurden, ist jedoch heutzutage die äußerst seltene Ausnahme und man beschränkt sich auf die Festsetzung der Altersgrenzen. Trotzdem muss immer noch jeder Film vor Veröffentlichung von der Behörde beurteilt und freigegeben werden.

Die Diskussion, die Zensur abzuschaffen, wird wohl seit längerem immer wieder geführt, so auch jetzt. Im Sinne der freien Meinungsäußerung und weil das Gesetz so veraltet ist, sei dies längt überfällig. Auch wenn zwei der vier schwedischen Regierungsparteien für die Abschaffung sind, wird es wohl nicht dazu kommen, weil die Christdemokraten wieder einmal blockieren.

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Missstände im Baugewerbe

Radio Schweden schreibt:

Das Amtsgericht Stockholm verkündete an diesem Dienstag ein mit Spannung erwartetes Urteil. Nach dem bisher gröβten schwedischen Kartellbildungs-Prozess muss eine Reihe namhafter Baufirmen nun Strafen in Millionenhöhe zahlen.

und befasst sich außerdem mit der weit verbreiteten Schwarzarbeit.

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Urteil zum Dateitausch

Radio Schweden schreibt:

Das Oberlandesgericht in Göteborg hat am Dienstag in zweiter Instanz das Urteil gegen einen Mann bestätigt, der Musik-Titel ins Internet gestellt und sie somit anderen kostenlos zugänglich gemacht hatte.

Meines Wissens handelt es sich um den gleichen Fall wie letzten Oktober. 80 Tagessätze à -2100- 250 Kronen (zusammen etwa 2100 Euro) sind zwar kein Pappenstiel, aber durch die Bestätigung des Urteils und der “geringen” Strafe gilt auch weiterhin, dass das Strafmaß unterhalb der Grenze liegt, ab der Internetdienstleister gezwungen werden können, Nutzerdaten preiszugeben, und ab der die Polizei Hausdurchsuchungen durchführen darf. Deshalb können sich Dateitauscher in Schweden auch weiterhin recht sicher fühlen.

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En svensk tiger

alttext Aus der Rubrik “Worüber ich schon lange schreiben wollte” heute: ein schwedischer Tiger.

En svensk tiger ist die Bildunterschrift unter dem schwedisch blau-gelb gestreiften Tiger (siehe Bild), der auf dem noch heute sehr bekannten Propagandaplakat aus der Zeit des zweiten Weltkrieges zu sehen war. Der Witz und Sinn erschließt sich einem erst, wenn man die andere Bedeutung des Slogans kennt. Neben “ein schwedischer Tiger” kann die Aussage des Satzes nämlich ebenso “ein Schwede schweigt” sein. Die Schweden sollten also ermuntert werden, vorsichtig im Umgang mit Fremden zu sein und keine militärischen Geheimnisse zu verraten.

Der Tiger wurde 1941 von Bertil Almqvist gezeichnet und das Bild ging nach seinem Tod 1972 an seine Töchter, die es wiederum dem Beredskapsmuseet schenkten. Als dieses jedoch anfing, den Tiger auf Anstecknadeln und Tassen zu drucken, wurde es vom schwedischen Militär verklagt, das die Figur als Markenzeichen registriert hatte. In zweiter Instanz wurde jetzt zugunsten des Museums entschieden (S) und festgestellt, dass das Militär nur die Verwertungsrechte zur Öffentlichkeitsarbeit in Kriegszeiten habe.

(Auf meine Nachfrage hin erfuhr ich vom Museum, dass man das Bild verwenden darf, solange man dies im Zusammenhang mit seiner Geschichte tut.)

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Schweden gegen europäisches Scheidungsrecht

Europa will das Scheidungsrecht vereinheitlichen. Oder besser gesagt gerade nicht. Die vorgeschlagene Regelung sagt, dass das Recht eines anderen Landes gelten kann, wenn eine Scheidung zum Beispiel in Schweden angestrebt wird. Die Mehrheit der europäischen Länder, allen voran die Deutschen mit der Ratspräsidentschaft, sind für die Regelung.

Nur Finnland und Malta stimmen mit Schweden darüber überein, dass die eigenen Gerichte nicht nach ausländischem Recht urteilen können. Das Justizministerium legt den Vorschlag so aus, dass sich beispielsweise eine schwedische Frau, die in den Iran gezogen und einen Iraner geheiratet hat, sich nach der Heimkehr nach Schweden nicht scheiden lassen könnte.

Schweden lehnt sich also kategorisch gegen die Neuregelung (S) auf, auch wenn damit einiger Gegenwind der anderen EU-Mitglieder verbunden ist.

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