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Staatliche Imamausbildung

Weil ich Religionen jeglicher Art skeptisch skeptisch betrachte, fand ich die Meldung, dass der schwedische Hochschulminister Lars Leijonborg Beitragsgelder für die Ausbildung von Imamen bereitstellen will, natürlich skandalös. Aus dem Gebot, alle Religionen gleich zu behandeln, würde ich stattdessen ableiten, dass man den Priestern und Pastoren das Ausbildungsgeld streichen sollte.

Andererseits. Wir werden uns noch ein paar Jahre lang mit Religionen abfinden müssen und auf die Frage, vom wem ich meine jungen Mitmenschen lieber beeinflusst hätte, von einem frisch importierten Wahhabiten oder einem in Schweden ausgebildeten und integrierten Muslim, der die Vorzüge einer offenen Gesellschaft zu schätzen gelernt hat, muss ich zähneknirschend zugeben, dass letzteres. Der Radikalisierung des Islam entgegenzuwirken, ist offizielles Ziel der Gründung der schwedischen Imamschule.

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Wort der Woche: Lunginflammation

Man kann es wohl erraten, dass lunginflammation das schwedische Wort für “Lungenentzündung” ist. Keine Sorge, ich habe keine, sondern René Descartes – vor gut 350 Jahren. Er starb daran im Februar 1650 in Stockholm. Und das kam so.

Königin Kristina, die Tochter des schon mindestens einmal hier erwähnten Gustav II. Adolf, des Architekten des Großreichs Schweden im 17. Jahrhundert, war an der Macht. Sie förderte die Uni Uppsala – unter anderem landete die Unibibliothek von Würzburg als Beute nach dem Dreißigjährigen Krieg hier in Uppsala – und ihren verschwenderischen Hof schmückte sie mit Künstlern und Gelehrten.

Nach einem längeren Briefwechsel mit Descartes lud sie ihn im Herbst 1649 zu sich nach Stockholm ein. Ob er bei dieser “Einladung” so viel Wahl hatte, sei dahingestellt. Auf jeden Fall bekamen ihm die kalte Umgebung und die von ihr geforderten frühmorgendlichen Sitzungen mit der Königin nicht. Nach nur wenigen Monaten starb Descartes an der erwähnten Lungenentzündung.

Dass sie im protestantischen Schweden später die Krone niederlegte, um sich mitsamt Staatskasse im Rom dem Papst zu unterwerfen, dafür ist sie jedoch allemal mehr bekannt, als dafür, Descartes auf dem Gewissen zu haben.

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Neuigkeitenblitz

Was hat die schwedischen Nachrichten zuletzt beschäftigt?

  • Die Wohnungskosten in Innenstädten sinken nach jahrelangem starkem Anstieg zum ersten Mal wieder.
  • Die Regierung will endlich etwas gegen religiöse Schulen tun, die mit staatlicher Finanzierung Kinder indoktrinieren. Dazu später mehr.
  • Eheschließung ist in Schweden keine rein staatliche Sache, sondern die Kirche hat auch das Recht dazu. Und weil mit breiter Mehrheit wohl bald ein neues Gesetz zur gleichgeschlechtlichen Ehe kommt, muss sich die Kirche entscheiden, ob sie dieses Recht abgeben will, oder ob Priester gegen ihren Willen Homosexuelle trauen müssen. Die Diskussion ist lang und zur Zeit scheint es, als ob die Erhaltung des Privilegs schwerer wiegt.
  • Ein Elch ist ins Schwimmbad gefallen.

  • Schwedische Schulen haben Mängel im Unterricht über die EU. Das Thema ist zweifelsohne wichtig und verdient einen guten Platz in der Schule, andererseits kann ich mir kaum vorstellen, dass es hier mehr im Argen liegt als an meiner ehemaligen Schule. Als ich diese vor zehn Jahren verließ, hatte sich mein Geschichtsunterricht kaum über die Gründung der Bundesrepublik hinaus erstreckt. Bayerisches Abitur, ja ja.

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Rondellmohammed

Die Geschichte vom letzten Jahr um die Mohammedkarikaturen aus Dänemark wiederholt sich in Schweden. Jemand zeichnet einen bärtigen Rondellhund, andere regen sich auf, ein paar Grüppchen, die so fotografiert werden, dass sie viel größer aussehen, verbrennen selbstgemalte Flaggen, das auswärtige Amt warnt Schweden in gewissen Ländern und hohe Politiker versuchen, die Wogen zu glätten.

Es wird viel diskutiert, ob die Karikaturen zulässig sind (natürlich!) oder ob sie bewusste Provokation und tendenziell fremdenfeindlich sind, so dass man sich nicht unbedingt hinter deren Aussage stellen möchte (ebenso!).

Wahrscheinlich sind solche Konflikte schlicht unvermeidbar oder sogar notwendig, solange nicht allgemein akzeptiert ist, dass jede öffentlich geäußerte Überzeugung kritisiert und lächerlich gemacht werden darf. Dass Menschen dabei zu Schaden kommen, ist deshalb nicht weniger traurig.

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Bald keine Sektenschulen mehr?

Staat und Gesellschaft haben ein berechtigtes Interesse daran, für eine gute Schulbildung aller zu sorgen. Dazu gehört auch die Erziehung zum selbständigen Denken, weltanschauliche Neutralität und vernünftiger Unterricht in den Naturwissenschaften. Genau diese Punkte sehen nicht wenige, mich eingeschlossen, in religiösen “freien” Schulen unzureichend erfüllt.

Denn solche gibt es auch im ansonsten recht atheistischen Schweden und obwohl sie staatlichen Kontrollen unterliegen, sind Kontrollen sporadisch und angekündigt. Das beste Beispiel ist hier in Upppsala: Livets Ord, die extremchristliche Freikirche. Es gibt glaubwürdige Berichte, dass in deren Schule Kinder stark indoktriniert werden und jede Kritik von außen (und innen) buchstäblich verteufelt wird.

Es ist zwar wahrscheinlich, dass schwedische Politiker eher muslimische Schulen meinen, wenn sie laut darüber nachdenken, das Schulgesetz zu verschärfen, trotzdem ist der Vorschlag sehr zu begrüßen:

Der Minister [will] sektiererischen Religionsgemeinschaften aller Konfessionen die Möglichkeit nehmen eigene Schulen zu gründen. Bei einer Abstimmung im Parlament über eine solche Gesetzesänderung hätte Björklund neben den Stimmen seiner eigenen Partei, den Liberalen, auch die der Sozialdemokraten hinter sich.

Nachtrag 070802: DN widmet heute auch einen Leitartikel dem Thema und argumentiert ebenso gegen die freien Schulen. Die zugehörige Karikatur findet sich leider nicht online: Sie zeigt ein Klassenzimmer, in dem die Lehrerin fragt, wer denn das Leben auf der Erde erschaffen hat – ein Kind antwortet “Ulf?”. Damit ist Ulf Ekman gemeint, Gründer und von den Mitgliedern verehrter Chef von Livets Ord. Gleichzeitig wird natürlich auf die dort verbreitete kreationistische Weltsicht hingewiesen.

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Kristdemokraterna

Die gegenwärtige schwedische Regierung besteht aus der bürgerlichen Moderatpartiet, der Zentrumspartei, der liberalen Folkpartiet und den Kristdemokraterna (kd). Letztere sind im Gegensatz zum deutschen Pendant keine große Volkspartei, sondern eine kleine ultrakonservative Partei, in der sich die “religiöse Rechte” inklusive evangelikaler Vereinigungen wie Livets Ord versammelt.

Aber die anderen drei brauchen (kd) zum Regieren und immer wieder hört man von Vorhaben, gegen die sich der kleinste der Koalitionsteilnehmer sträubt. Zwei aktuelle Beispiele:

  • Die Regierung will den Schulbeginn im Alter von sechs Jahren obligatorisch machen und damit die Grundschule auf zehn Jahre verlängern. Bisher war das Vorschuljahr freiwillig. Die Christdemokraten zweifeln.
  • Alle Partien des Reichstags, also auch die Oppositionsparteien, sprechen sich mittlerweile für eine geschlechtsneutrale Gesetzgebung beim Thema Ehe aus. In praktischen Belangen sind gleichgeschlechtliche Partnerschaften zwar schon heute nicht mehr benachteiligt, der neue Gesetzestext würde die letzten semantischen Hürden beseitigen und Homosexuelle könnten in Zukunft “heiraten” und “Ehe schließen” anstatt ihre “Partnerschaft registrieren”. [(kd) bleibt hart dagegen](http://www.sr.se/cgi-bin/ekot/artikel.asp?Artikel=1429905), natürlich mit dem gleichen Nicht-Argument wie G. W. Bush, dass die Ehe als Institution zwischen Mann und Frau geschlossen wird. Das sei eine Regelung wie sie sich hunderte von Jahren lang in Schweden bewährt habe. Richtig viele Freunde scheinen sie sich damit nicht zu machen. Wenn heute Wahl wäre, würden die Christdemokraten [unter der 4%-Sperre](http://www.sr.se/cgi-bin/ekot/artikel.asp?Artikel=1430123) landen und nicht mehr ins Parlament einziehen.
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Ehrendoktoren II

Nach der ersten Runde mit Vorträgen am Morgen, hörte ich gestern nachmittag noch zwei weiteren Menschen zu, die heute ihre Linné-Ehrendoktoren verliehen bekommen.

Da war zuerst der deutsche Kardinal Walter Kasper, laut Begründung einer der international meistbekannten Theologen. Von meiner Ablehnung gegenüber Religion einmal ganz abgesehen, kann ein Theologe natürlich prinzipiell schon Interssantes von sich geben. Leider war dem nicht so bei Herrn Kasper. Neben Name-Dropping von berühmten Philosophen war seine Hauptaussage lediglich, dass es der heutigen Zeit an Vision und Hoffnung mangelt und dass Religion, vor allem natürlich das Christentum, dazu einiges beitragen kann. Das Ganze wurde äußerst verschwurbelt und in fast unverständlichem Englisch über eine Stunde lang vorgetragen. Leute verließen den Saal vorzeitig und ich gönnte mir zwischenzeitlich ein paar Minuten Schlaf. Kasper war der einzige der Redner gestern, der sich nicht für die Einladung und die Möglichkeit zu reden bedankte.

Auch der Ehrendoktor der juristischen Fakultät geht übrigens an einen Deutschen: Christian von Bar, der an der Uni Osnabrück lehrt.

Am späteren Nachmittag gab es dann das schon erwähnte Gespräch zwischen Kofi Annan und Jan Eliasson, die nach beiderseitiger Aussage eine besonders enge Zusammenarbeit aus der Zeit verbindet, als Eliasson Vorsitzender der UN-Vollversammlung war. In dieser Runde war es verzeihlich, dass sich alle gegenseitig Honig um den Mund schmierten. Sinn der Veranstaltung war kein Streitgespräch und auch nicht die Vermittlung von sonderlich viel Information, sondern die Möglichkeit, die entscheidenden Personen selbst ihre Sicht der Dinge erzählen zu lassen.

Die
Gesprächsrunde
(v.l.n.r: Peter Wallensteen, Professor für Friedens- und Konfliktforschung in Uppsala und Moderator des Gesprächs; Kofi Annan; Jan Eliasson; Anna Kläppe, Studentin)

Ein Schwerpunktthema war die von Annan initiierte “responsibility to protect”, die einerseits die internationale Gemeinschaft dazu anhält, nicht tatenlos Verbrechen gegen die Menschlichkeit zuzusehen, und gleichzeitig Regierungen ermahnt, dass sie sich nicht auf ihre staatliche Souveränität berufen können, wenn sie ihr Volk misshandeln, sondern dass sie mit Einmischung von außen zu rechnen haben. Bis dieses Prinzip konsequent angewandt werde, wird jedoch noch einige Zeit vergehen, bedauerte Annan.

Ich habe das Gespräch aufgenommen (MP3, 24MB), mit dem internen Mikrophon des MP3-Players und der vollbesetzten Aula wurde die Audioqualität jedoch leider ziemlich mies. Ich habe wenig Ahnung von Audiobearbeitung, aber wenn sich jemand, der sich damit auskennt, an der Originaldatei (WMA, 33MB) versuchen würde und mir das verbesserte Ergebnis zukommen ließe, würde ich (und alle späteren Hörer) mich natürlich freuen.

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Wort der Woche: Våffeldagen

In Schweden ist heute Waffeltag, Våffeldagen, und es werden vielerorts die Waffeleisen hervorgeholt. Ein Blick in einen deutschen Kalender zeigt, dass heute auch “Mariä Verkündigung” ist, und die Vermutung, dass es da einen Zusammenhang gibt, ist in der Tat richtig. Denn eine alte schwedische Bezeichnung für diesen Feiertag ist “Vårfrudagen”, was “Tag unserer Frau” bedeutet.

Ein schlichtes Missverständnis oder Verschleifung hat dann aus dem “Vårfrudagen” den “Våffeldagen” gemacht und man fing an, mehr Waffeln zu essen.

Das macht den 25. März, finde ich, zu einem schönen Beispiel, wie christliche Traditionen in Schweden ihren religiösen Charakter verlieren und in den Alltag übergehen, in dem Religion für die meisten Schweden eine sehr geringe Rolle spielt.

(Faulheitsoffenlegung: Diesen Text gab es in leicht anderer Form schon letztes Jahr.)

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Hölle Schweden

Einen größeren reaktionären Schwachsinn als das hier habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Meine Religionsfeindlichkeit kommt nicht von ungefähr.

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Religiöse Feiertage "abschaffen"

Das finde ich einen tollen Vorschlag (E): religiöse Feiertage in bewegliche umwandeln, die sich jeder an die Tage legen kann, die seinem Glauben wichtig sind. Das zeugt von mehr Toleranz gegenüber Andersgläubigen und für die vielen Atheisten würden die 10 schwedischen Feiertage mit christlichem Ursprung einfach zu Urlaubstagen werden.

Wo kann ich unterschreiben?

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