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Schweden drittbestes Land

Es gibt wieder einmal eine Statistik, die belegt, was viele Schweden insgeheim denken. Denn obwohl man oft eher bescheiden und mit wenig Aufhebens daherkommt, ist es eine weit verbreitete Attitüde unter Schweden, dass sich der Rest der Welt doch bitte hierzulande abschauen möge, wie man es richtig macht. Wobei “es” sich auf alles mögliche beziehen kann, das zu funktionierenden Staat und Gesellschaft alles dazugehört. Einigen geht dieses Selbstverständnis vom Vorbild für weniger entwickelte, weniger tolerante, weniger gleichberechtigte, weniger stabile Länder jedoch zu weit und ich habe schon einige Male Einspruch dagegen gehört.

Doch wenn man auf die nackten Zahlen schaut, ist es nicht selten Schweden, das – zusammen mit den anderen nordischen Ländern – die vorderen Plätze in allerlei Bereichen einnimmt und sich deshalb durchaus als Vorbild eignet. So auch in der letzten Rangliste von Newsweek (nett gemachte interaktive Grafik), die Noten für Gesundheit, Lebensqualität, politisches Klima, Ausbildung und die Wirtschaft vergeben hat und Schweden auf den dritten Platz von hundert Ländern stellt. Nur Finnland und die Schweiz sind nach diesen Kritieren besser. Als Ausreißer ist es das schwedische Schulsystem, das nicht besonders viel Lob erhält.

Deutschland landet übriges auf Rang 12, Österreich auf 18.

Nachtrag 100819: Neulich gab es schon einmal eine Studie, die “beweist”, dass Schweden am besten ist. Außerdem weißt Außenminister Bildt darauf hin, dass Schweden Exportweltmeister für Musik ist – zwar nicht in absoluten Zahlen, aber als Anteil an der Wirtschaftsleistung.

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Ulvaeus über religiöse Schulen in Schweden

Björn Ulvaeus, bekannt durch ABBA, ist auch engagierter Humanist – in der Bedeutung, dass er aktives Mitglied des für eine religionsfreiere Welt eintretenden Vereins Humanisterna ist und für dessen Zwecke gern seinen Namen, Gesicht und Geld hergibt.

In einem Artikel im englischen Guardian beschreibt Ulvaeus sehr schön die Situation mit den sogenannten “Freischulen” in Schweden und warum sie ein Problem sind, wenn sie von religiösen Gruppierungen zur Abschottung und Indoktrination verwendet werden.

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In aller Kürze

Was ist gerade aktuell in Schweden?

  • Freischulen. In Schweden können Firmen Schulen betreiben und bekommen pro Schüler das gleiche Geld wie kommunale Schulen. Das ist ein gutes Geschäft und die Diskussion darum ist nicht neu. Gerade handelt sie vor allem davon, inwieweit es gerechtfertigt ist, wenn auf diese Weise Steuergelder direkt an Aktieninhaber ausgeschüttet oder im Ausland investiert werden.
  • Schnellzüge. Die Regierung würde gerne Hochgeschwindigkeitszüge (Snälltåg) auf den Weg bringen, doch Kritiker meinen, das sei aus Umweltgesichtspunkten (Stichwort: klimatsmart) Unsinn.
  • Israel ist empört über einen schwedischen Zeitungsartikel, in dem behauptet wird, palästinensische Opfer würden für Organhandel missbraucht. Die Forderung nach einer Entschuldigung oder Distanzierung der schwedischen Regierung lehnt man hierzulande jedoch ab. Schließlich könne man nicht die Verfassung brechen und gegen die eigene Pressefreiheit vorgehen. Außenminister Bildt nutzt wie üblich sein Blog zur Stellungname (1 2) und fügt hinzu, dass eine Distanzierung von einem bestimmten Artikel eine Zustimmung zu all dem anderen Unsinn, der gedruckt werde, impliziere.
  • Schweinegrippe-Impfungen stehen auch in Schweden an und damit die Diskussion über Sinn und Unsinn derselben, samt welche Gruppen bevorzugt werden sollten.
  • Christer Fuglesang, der einzige schwedische Astronaut, wird – vorausgesetzt alles geht gut – morgen zu seiner zweiten Reise im Space Shuttle zur Internationalen Raumstation aufbrechen. Er twittert darüber: @CFuglesang (schwedisch und englisch).
  • Ein neuer Botschafter der USA ist in Stockholm eingetroffen und willkommen geheißen worden. Matthew Barzun ist mit 38 Jahren einer der jüngsten Botschafter und der Netz-Welt unter anderem von CNet bekannt. Der Posten ist Obamas Dank für Barzuns erfolgreiches Engagemang in seiner Wahlkampagne.

  • Die schwedische Wirtschaft hat ebenso wie die deutsche aufgehört zu schrumpfen, bis zu einem echten Aufschwung erwartet man aber weiter steigende Arbeitslosenzahlen. Die Regierung verspricht weitere Steuersenkungen zum Jahreswechsel und hält sich mit Konjunkturprogrammen zurück. Die Sozialdemokraten in der Opposition fordern mehr öffentliche Eingriffe in den Arbeitsmarkt. Da wirft die Parlamentswahl in einem Jahr schon ihre Schatten voraus. Gleichzeitig wird diskutiert, ob “die Krise” nicht maßlos überbewertet ist, schließlich habe die große Mehrheit der Bevölkerung nichts von ihr mitbekommen und durch die Zinssenkungen auf die Wohnungs- und Häuserkredite sogar mehr Geld in der Tasche. Politik solle den Wohlstand der Menschen und nicht das Bruttosozialprodukt optimieren.

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Wem gehört die Flagge?

“Bin ich Schwede?” fragt Maciej Zaremba den Parteichef der Schwedendemokraten, Jimmie Åkesson, als sie sich treffen. “Das weiß ich nicht, ich treffe dich zum ersten Mal”, antwortet dieser. Was meint er damit? Im vierten Teil der Artikelserie Warten auf Schweden versucht Maciej Zaremba, die Angst vor den Fremden zu verstehen und trifft auf die Trauer um das verlorene Folkhemmet^1^.

Die Kirche in Rinkeby steht meistens leer, die Moschee ist überfüllt. Aber nur erstere ist auf der Karte der Gemeinde eingezeichnet. Ich stelle mich mit einer jüdischen Kippa auf dem Kopf vor die Moschee, man sagt schließlich es sei unbehaglich für einen Israeli, sich in diesen Vierteln aufzuhalten. Stunden vergehen, Menschen gehen ein und aus, nichts passiert. Ich gehe weiter nach Tensta. Endlich, an der Bar kommt die Frage: “Was hast du auf dem Kopf?” Mir bleibt keine Zeit zu antworten bevor eine Stimme hinter mir “Symbol! Er ist Jude!” ruft. Zu der Stimme gehören breite Schultern, eine schwarze Lederjacke und ein schiefes Lächeln. “Du, ich bin zwar Moslem, aber wir sind wie Juden! Wir hassen auch Araber!”

Tun wir? Er ist irakischer Kurde. “Das Land, das es nicht gibt. Araber haben mein Land zerstört!” Aber jetzt, sage ich schnell, um das Thema Araber zu beenden, jetzt scheint ihr doch ein Kurdistan im Norden des Iraks zu bekommen. “Du”, sagt er, “jetzt sind es die Kurden, die sich selbst ihr Land kaputt machen. Zwei Banden mit Banditen, die um die Macht kämpfen. Pfui Teufel! Soll ich ehrlich sein? Soll ich?” Er sieht sich um, senkt die Stimme und beugt sich vor: “Du, wenn es Krieg gibt, kämpfe ich für Schweden. Viel besseres Land.”

Auf welche Stufe der Integrationstreppe sollen wir diesen Kejal stellen? Laut Integrationsministerin Nyamko Sabuni ist die Frage falsch gestellt. Nicht wir haben die Macht zum Beurteilen, findet sie und sagt “Integriert ist man wenn man ‘Ja, ich will leben, ich will sterben im Norden’^2^ sagt – nicht im Kongo – und wenn man das auch wirklich meint.”

Keine schlechte Antwort, denke ich mir. Dieses Gefühl setzt voraus, dass man die Bräuche des Landes mag und wie Kejal bereit ist, für sie einzutreten. Was kann man mehr verlangen?

Jimmie Åkesson verlangt viel mehr. Nach dem Programm der Schwedendemokraten soll die Staatsbürgerschaft im Prinzip ein Privileg für Schweden sein. Und “Schwede ist der, der sich selbst als Schwede sieht und von anderen als solcher wahrgenommen wird”. Ich fahre nach Kristianstad, um herauszufinden was das bedeutet.

“Man muss schwedische Werte haben”, sagt Åkesson. “Man braucht unsere Sichtweise auf Demokratie und Gleichberechtigung – nein, das war falsch – auf das Verhältnis zwischen Mann und Frau. Und wie wir uns um Tiere kümmern.”

Reicht das? “Nein, dazu kommt noch die Kombination aus Körpersprache und solchen Dingen. Dass man pünktlich ist und sich in die Schlange stellt, zum Beispiel.” Und dann die Äußerlichkeiten. “Eine Frau mit Kopftuch, die einem nicht die Hand gibt, kann keine Schwedin sein”, sagt er, “auch kein Sikh mit Turban”.

Die Schwedendemokraten haben eine Kulturtheorie. Menschen geht es am besten unter ihresgleichen. Ein hoher Grad an ethnischer und kultureller Gleichheit ist Voraussetzung für eine funktionierende Gesellschaft. (Deshalb war es ein Fehler, die Staatskirche abzuschaffen.) Also hat jede Kultur das Recht, ihre “ursprüngliche” Eigenheit zu beschützen. Hier bedienen sich die Schwedendemokraten beim Weltnaturschutzbund: Jede Kultur muss wie eine bedrohte Art bewahrt werden, der Vielfalt zuliebe. Bewahrt wird, indem man Vermischung mit anderen vermeidet. Deshalb sollte jede Kultur in einem eigenen Staat wohnen. Ein Volk, eine Nation, ein Staat.

Ich verstehe, dass vor diesem Hintergrund die ethnische Säuberung auf dem Balkan ein Fortschritt für die Vielfalt der Kulturen war, auch wenn ein paar Leute bei dem Coup heimatlos wurden. Deshalb frage ich den Parteichef nach der Zigeunerkultur. Schließlich ist diese auch eine Kultur, oder? Ja, ist sie. Und unvereinbar mit der schwedischen sei sie. Und sie soll bewahrt werden, der Vielfalt zuliebe? “Ja, genau so wie alle anderen Kulturen.” Wo denn? Da weiß Åkesson keine rechte Antwort darauf, welchen Landstrich die Roma für sich beanspruchen. Vielleicht weiß ich es besser? Aber solange sie in Schweden wohnen sollen sie wie Schweden werden.

Wie muss man werden, um “von anderen als Schwede wahrgenommen” zu werden? Bin ich für dich Schwede? frage ich Åkesson. “Das könntest du sein.” Könntest? “Ich weiß es nicht, ich treffe dich zum ersten Mal… eine tiefere Analyse ist auf die Schnelle schwer. Ich helfe ihm ein wenig: Ich habe zehn Jahre länger als du in Schweden gelebt und kann die Kultur wahrscheinlich ein wenig besser, weil es mein Beruf ist. Schwede?

“Ich kann das nicht beurteilen”, sagt Åkesson, “weil es nicht selbstverständlich ist, mit welcher Kultur du dich identifizierst. Ich nehme an du kommst aus einem anderen Land.” Dann erklärt er, warum man als Schwede kein Durcheinander bei der Zugehörigkeit haben kann. Man hat sich hauptsächlich schwedisch zu fühlen, nichts anderes nebenher.

Deshalb bin ich schließlich als zweifelhaft einzuordnen, zusammen mit Cornelis Vreeswijk, Nyamko Sabuni und Zlatan Ibrahimovic^3^, zu dem es laut Åkresson so manche offene Frage gibt. Zlatan ist nicht in Schweden geboren. Er gibt sich individualistisch; das ist unschwedisch. Er hat gesagt, dass er für Bosnien spielen will! Und Jackie Arklöv^3^? “Ohne Zweifel Schwede. Er ist ja schwedisch erzogen worden und kennt keine andere Kultur neben der schwedischen.

Aha. Für Åkesson ist das “Schwedentum” eine warme Wertegemeinschaft, die dafür sorgt, dass man versteht und sich untereinander wohl fühlt. Und er empfindet dies offenbar mit Jackie Arklöv, aber nicht mit Vreeswijk, Sabuni oder mir. Ob er versteht, was er da sagt? Ich mache einen letzten Anlauf. Er hat gesagt, dass er Laila Freivalds als schwedisch wahrnimmt, obwohl sie aus Lettland eingewandert ist. Warum ist er dann nicht bereit, Nyamko Sabuni, die auch als Kind hierher kam, als genauso gute Mitbürgerin zu akzeptieren?

“Ich habe einfach keine Lust, das zu wollen.”

Das sagt er zwei Mal, es ist also kein Lapsus. Aber woher soll ich wissen, ob das Augenzwinkern den Rassisten oder den Folkhemmet-Nostalgikern gilt? Ist Sabunis Fehler, schwarz zu sein – oder vielleicht dass sie zu den Liberalen gehört – und so markant urban ist?

Das “Folkhemmet” ist für die Schwedendemokraten nämlich genauso positiv aufgeladen wie in den Leitartikeln des Dala-Demokraten. Und wenn man nachschaut, findet man kaum Unterschiede zwischen ihrem Programm und dem der Sozialdemokraten aus den dreißiger Jahren; abgesehen von Details wie einem Weltkrieg, 80 vergangenen Jahren und einer von Grund auf anderen Welt. Heutzutage muss man Leute ja von den Dingen überzeugen, die man diesmal nicht mit ins Parteiprogramm geschrieben hat, weil sie so selbstverständlich sind: Dass Schweden ein Volk mit dem selben Glauben, Bräuchen und Aussehen ist und gerade deswegen sind sie untereinander solidarisch. Und halten sich natürlich fern von Europa, das von unvernünftigen und fremden Elementen bevölkert wird.

Es ist in diesem Zusammenhang nicht wichtig, ob der Mythos vom Folkhemmet wahr ist oder nicht. Er ist der einzige schwedische Mythos mit Wirkung. Und wer ihn geschickt ausnutzt zieht die Stimmen der Frustrierten an, egal ob sie von links oder rechts kommen. Falsch oder nicht, der Mythos sagt, dass es einmal ein Gemüt, eigentlich eine richtige Kultur, hier im Lande gab, die uns umeinander kümmern ließ, jeden sein Scherflein beitragen, nicht schmarotzen, die Obrigkeit respektieren, einander trauen, das Fahrrad unverschlossen abstellen… Dann passierte etwas, eine äußere Kraft (Ausländer laut Åkesson, Neoliberale laut einigen Sozialisten, jüdische Liberale laut den Antisemiten) kam und zerstörte alles.

Åkessons Partei sagt von sich, für Religionsfreiheit zu sein, warum also Moscheen verbieten? “Die stellen einen Fremdkörper im Stadtbild dar”, antwortet Åkesson. Er kann ganz kleine Moscheen gut heißen, solange sie rot sind und weiße Kanten haben. “Mal im Ernst, Jimmie”, sage ich, “schau mal aus dem Fenster und antworte nicht als Parteichef sondern als echter Schone. Hättest du nicht lieber eine schöne Moschee oder ein Taj Mahal vor den Augen anstatt dem hier?”

Seine Aussicht ist die schmutzig-graue Plattenfassade der Regionalverwaltung mit hunderten gleicher Gucklöcher, eine Kopie des Kronoberg-Gefängnisses.

“Nein”, antwortet Jimmie Åkesson, “das hier… damit ist man doch aufgewachsen, das fühlt sich eher schwedisch an.”

“Schweden braucht die Erlaubnis, um seinen Verlust zu trauern”, sagt Luis Abascal. Er erntete in den 90ern viel Lob als Stadtteil-Direktor im Einwanderervorort Kista, indem er Firmen mit einbezog. Innerhalb von fünf Jahren sanken die Sozialleistungen von 250 auf 70 Millionen und die Arbeitslosigkeit von 25 auf 3 Prozent.

Welchen Verlust? “Den Verlust den Schwedentums”, antwortet Abascal. Des Schwedentums, von dem der Mythos Folkhemmet handelt.

Als er 1974 nach Schweden kam gab es zwei Fernsehkanäle, drei Radiosender, eine Staatskirche, eine staatstragende Partei und zwei paar Unterhosen zur Auswahl bei Epa oder Tempo^4^. Im Bus sahen Schweden Gesichter wie aus dem Spiegel, der Staat kümmerte sich um das meiste, Politiker logen nur selten und Direktoren hatten keine neunstellige Rente.

Abascal meint, dass wir die enormen Veränderungen, die Schweden durch die Aufnahme großer Flüchtlingswellen mitgemacht hat, nicht wirklich verstehen. Wenn man bedenkt wie natürlich das Unbehagen am Fremden ist, dann muss man die Geduld und Großzügigkeit der Schweden bewundern. Er findet man solle zuhören, wenn jemand murrt, weil er ein Fremder im eigenen Land geworden ist. Vielleicht ist er ja einer der letzten Schweden im Vorort, der zwischen Waschküche und Supermarkt versucht, Brücken zwischen dem alten und dem neuen Schweden zu schlagen; und der vielleicht sogar ein Held ist. Aber weil er seine Frustration nicht korrekt ausdrücken kann, wird er als Reaktionär oder schlimmeres abgestempelt.

Abascal fragt sich, warum die Dankbarkeit, die viele Flüchtlinge gegenüber Schweden empfinden, in der öffentlichen Debatte nicht vorkommt. Man hört vor allem Kritik und Vorhaltungen. Deshalb versteht er, wenn es manchen so vorkommt, als ob man den Fremden zum Essen eingeladen hat, dabei sein Bestes gegeben hat oder fast, aber vom Gast nur die Klage über den sparsamen Nachtisch zu hören bekommt, nachdem er das Mahl heruntergeschlungen hat.

Was ist mit der Integration? “Eine Katastrophe”, findet Abascal, aber nicht weil Schweden rassistisch ist, wie einige behaupten. “Rassisten vermischen biologische mit psychologischen Eigenschaften. Das tun Schweden nicht. Aber sie sind mit einer Partei aufgewachsen, die laufend wiederholte, dass man im besten Land der Welt lebe. Da bekommt man leicht den Eindruck, dass alle Hinzugekommenen Schmarotzer sind.”

Deshalb verstehe er die Verbitterung, die müsse ausheilen, Leute müssen loswerden können, was sie auf dem Herzen haben. Erst dann kann man von einem mehr harmonischen Verhältnis zwischen den “neuen Schweden” und den “ethnischen Schweden” sprechen.

Ich höre zu, werde immer mehr gefangen. Er spricht frei heraus, nennt Einwanderer nicht “sie”, auch nicht “wir”. Er senkt nicht die Stimme, wenn er dies und das kritisiert. Äußerst selten heutzutage. Außerdem nuanciert er seine Urteile, was noch seltener ist: Er schätzt Nyamko Sabuni (“Sie hat klar gemacht, dass die Stellung der Frau nicht verhandelbar ist; man braucht die Arbeit von Ottar^5^ nicht noch einmal von vorne zu machen”), aber er rümpft die Nase über die “Politik mit dem Schlagstock” ihrer liberalen Partei, die andeutet, dass alles Schuld der Einwanderer sei. “Die wollen sich wohl für die nächste Wahl aufstellen.”

“An der verunglückten Integration sind weder die Schweden noch die Einwanderer schuld”, sagt Abascal. “Es liegt am System.” Nämlich daran, dass unsere Bürokraten als gegeben annehmen, dass “der Einwanderer” Probleme hat. Wenn er nicht gleich selbst das Problem ist. Will ich Beispiele? Man bot in Kista einen Computer-Kurs für somalische Frauen an. Als sie kamen schlugen die Sozialarbeiter Alarm. Diese Frauen können keine männlichen Lehrer bekommen, so eingewickelt von Kopf bis Fuß wie sie waren. “Wir haben keine anderen Lehrer”, erwiderte Abascal bestimmt. Und siehe da – es ging gut, der Kulturschock war nur in den Köpfen der Sozialarbeiter. Doch die kamen gleich auf etwas Neues: Diese Frauen konnten unmöglich die Laptops mit nach Hause nehmen. Denn dort würden sie entweder gestohlen oder ihre Männer würden sich herabgesetzt fühlen, weil die Frauen ein Gerät haben, das sie selbst nicht beherrschten. “Reine Projektion”, lacht Abascal.

Ich nehme an, dass es die selben Leute waren, die vorschlugen, die Flagge vom Rathaus zu nehmen. Die nackte Stange, so der Gedanke, würde weniger ausgrenzend wirken.

Ich habe Lius Abascal so viel Platz gegeben, weil seine Haltung selten in der öffentlichen Debatte vorkommt, die einem Minenfeld gleicht: Auf der einen Seite die, die bei jeder Gelegenheit wiederholen, dass in Schweden schwedische Regeln gelten. Auf der anderen die “Multikultis” (mit Erlöser-Allüren, allergisch auf Nuancen), die die “Mehrheitskultur” demontieren wollen, damit sich keiner außen vor fühlt.

Erstere wollen Moscheen loswerden – letztere wollen die Flagge einziehen, wenn sie nicht gerade gegen Psalmgesang kämpfen. Erstere erklären die havarierte Integration damit, dass Einwanderer nicht hinein passen, letztere damit, dass Schweden auf “rassistischen Strukturen” beruht. Die Schimpfworte fliegen und mittendrin ducken sich die Schulrektoren, die erwarten, dass ihnen der Vielfaltsberater erklärt, wofür blau-gelb, Psalme, das Kreuz, der Handschlag oder der Schleier stehen. Sie haben nicht verstanden, dass kein Ratgeber der Welt ihnen da aus der Patsche helfen kann. Wofür die Symbole stehen wird dadurch definiert, wie sie die Rektoren selbst anwenden.

Es begab sich auf dem Markt von Nora vor ein paar Jahren, dass eine Gruppe junger Männer mit rasierten Köpfen sich ihren Weg zu einem Stand bahnten, an dem ein paar Ausländer standen. Keine Polizei vor Ort, keiner wusste wohin, die Fäuste schon in der Luft, Blicke machtlos abgewendet. Da hörte man plötzlich Gesang. Er kam scheinbar von nirgendwo, ein Sopran, hoch und mächtig. Es wurde immer ruhiger, die Menschenmenge wurde dichter, nur der Gesang war zu hören. Da brachen die Angreifer ein, sahen unsicher um sich und zogen sich gen Ausgang zurück, erzählt man. Auch dass die Stimme ihnen durch die Dunkelheit folgte und sie den Markt verließen.

Belehrenderweise war es der Psalm “Blott en dag, ett ögonblick i sänder”, der die nationale Sturmtruppe so effektiv vertrieb. Einer der Psalmen also, der laut dem Diskriminierungsbeauftragten ungeeignet für Schulabschlussfeiern ist, weil er auf Einwanderer “ausschließend” wirken kann.

Ich finde die Stimme. Sie gehörte Maria Langefors, Pastorin der Missionskirche und ausgebildete Sängerin. “Ich sang aus vollem Hals, à la Nilsson”, erinnert sich Langefors. Warum versuchtest du es nicht mit “We shall overcome”?

“Alles ging so schnell, ich sang was mir am Herzen lag.”

Kejal heißt in Wirklichkeit anders.
Ottar – Elise Ottesen-Jensen

Maciej Zaremba

Übersetzt aus dem Schwedischen. Für mehr Information dazu, zur Lizenz und zu den fünf anderen Teilen der Artikelserie bitte hier entlang.

Svenska originalet publicerades i DN, 2009-03-10. Jag tackar Maciej Zaremba för tillstånd att publicera min översättning.

Fußnoten:
^1^Wörtlich übersetzt “Volksheim”. Der Begriff beinhaltet mehr als in einer Fußnote Platz hat und sollte aus dem weiteren Text klarer werden.

^2^Das ist einer der Refrains aus der schwedischen Nationalhymne.

^3^Vreeswijk ist schwedisch-holländischer Troubadour und eine Ikone in Schweden (siehe auch hier). Sabuni (ursprünglich aus Burundi) ist Integrationsministerin der Regierung Reinfeldt. Zlatan ist der schwedische Fußballstar schlechthin (bosnisch/kroatische Herkunft). Arklöv ist in Liberia geboren und verurteilter schwedischer Kriegsverbrecher und Mörder. Freivalds ist sozialdemokratische Politikerin und war seit Ende der 80er mehrmals Justiz- und Außenministerin.

^4^Tempo und Epa sind alte schwedische Warenhausketten, die mittlerweile in Åhlens aufgegangen sind. Siehe auch Epa-traktor.

^5^Ottar ist der Spitzname von Elise Ottesen-Jensen, norwegisch-schwedische Sexualaufklärerin. Eine Zeitschrift mit den Themen Sexualiät und Gesellschaft nennt sich nach ihr auch Ottar.

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Einkommensungleichheit und -mobilität

Einen guten Kommentar zur aktuellen Studie der OECD, die zeigt, dass die Ungleichheit in der Verteilung der Einkommen in Deutschland mehr wächst als in allen anderen Industriestaaten, kann man beim Spiegelfechter lesen.

Die Grafik in der Mitte zeigt auch für Schweden wie ungleich Einkommen verteilt sind und wie mobil sie sind, das heißt wie sehr das Einkommen der nächsten Generation von der vorigen abhängt. Was die Gleichverteilung angeht steht Schweden sehr gut da – nur Dänemark ist noch egalitärer. Etwas überraschend fand ich dagegen, dass die Einkommensmobilität hier nicht viel besser ist als in Deutschland, wo bekanntermaßen der Erfolg in Schule und Beruf sehr vom Bildungsstand der Eltern abhängt. Schweden liegt hier ein gutes Stück hinter den anderen skandinavischen Ländern sowie Australien und Kanada.

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Vad har hänt?

Nach zwei Wochen Blog- und Nachrichtenabstinenz meinerseits ist es Zeit für einen Rückblick darüber, was unterdessen in Schweden so passiert ist und in den Medien war. Ich gehe dazu chronologisch durch die Schlagzeilen von Radio Schweden und gebe meinen Senf zu einigen davon ab.

29. 09. Bildt besorgt über Rechtsruck in Österreich. Der schwedische Außenminister Carl Bildt hat den Ausgang der Parlamentswahlen in Österreich als Alptraum bezeichnet. Natürlich gibt keiner offen zu, sich über den Unfall zu freuen, aber ich glaube dass viele dem verunglückten Heider keine Träne nachweinen.

29. 09. Weitere Entlassungen bei Volvo. Das Thema hält sich seitdem in den Nachrichten und es ist von gesamt fast 5000 Entlassungen die Rede. Volvo will sich (endlich) mehr auf die Zukunft ausrichten und Hybrid- und Elektroautos entwickeln.

Generell sind die Wirtschaftsnachrichten aus Schweden etwas schlechter geworden. Die Zahl der freien Stellen sinkt und die Arbeitslosenzahlen steigen wieder leicht. Die schwedische Krone wurde gegenüber dem Euro abgewertet und die Börse verlor massiv, wie überall anders auch. Die Krise am Finanzmarkt scheint jedoch zumindest keine schwedische Bank Pleite gemacht zu haben. Genauso wie Deutschland hat garantiert der Staat für private Spareinlagen bis zu einer gewissen Summe. Die Auswirkungen sind also weniger dramatisch als in Island, aber natürlich sind auch hier Fondsparer betroffen und (baldige) Rentner, weil mit nicht geringen Teilen der schwedischen Rentengelder am Finanzmarkt gehandelt wird. Sie sind also in Fonds und Ähnliches investiert, die in den letzten Wochen viel an Wert verloren haben.

01. 10. Steuergelder für Scientology. Es kam heraus, dass mehrere schwedische Kommunen Aufträge an Scientology-eigene Firmen und deren sehr fragwürdige Antinarkotikaprogramme vergeben haben. Ich hoffe wirklich, dass das gründlich aufgearbeitet wird und in Zukunft wissenschaftliche Kriterien bei der Vergabe die Hauptrolle spielen.

02. 10. Kameraüberwachung an Schulen meist gesetzeswidrig. Das einzige Mal das ich bisher in einer schwedischen Schule war, haben mich die Überwachungskameras ziemlich abgeschreckt. Eine Prüfung des Datenschutzamtes hat jetzt gezeigt, dass die Überwachung in vielen Fällen unzulässig ist.

02. 10. Die Jäger mal wieder. Natürlich wollen sie mehr Bären und Wölfe schießen. Schließlich sind das nicht selten Menschen, die eine seltsame Freude am erschießen von Tieren finden, anstatt die Jagd als notwendiges Übel anzusehen. Das gilt natürlich auch und im besonderen für die hunderten Amateurjäger, die jeden Herbst auf Elche anlegen und sich dabei nicht selten gegenseitig treffen.

06. 10. Grüne geben Forderung nach EU-Austritt auf. Darüber hatte ich schon einmal geschrieben und jetzt scheinen sich die EU-Befürworter endlich durchgesetzt zu haben. Das macht die schwedischen Grünen wählbarer und regierungsfähiger. Tatsächlich gab es dieser Tage, also zwei Jahre vor Ende der Legislaturperiode, schon die Ankündigung, dass Sozialdemokraten und Grüne auf eine zukünftige Koalition hinarbeiten. Zur Erinnerung: Die letzte Regierung war eine von Grünen und Linken geduldete Minderheitsregierung der Sozialdemokraten, keine Koalition. Der Linkspartei wurden erst in den letzten Tagen von den Sozialdemokraten Gespräche über eine Mögliche Zusammenarbeit angeboten.

Ansonsten ist natürlich die Bekanntgabe der verschiedenen Nobelpreise in Schweden immer Schlagzeilen wert. Die haben allerdings schon ihren eigenen Artikel auf Fiket.

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Bitte keine diskriminierenden Einladungen!

Ich durfte gestern schon auf Englisch schmunzeln, jetzt steht es auch auf Tagesschau.de: In Schweden darf man Einladungen zum Kindergeburtstag nur in der Schule austeilen, wenn man alle Klassenkameraden einlädt.

Beim zweiten Mal lesen finde ich das noch weniger übertrieben oder gar lächerlich als beim ersten Mal. Mobbing und Ausschluss der “Uncoolen” zu demotivieren, ist gut.

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Wort der Woche: Sportlov

Das schwedische Wort lov hat vier Bedeutungen: Erlaubnis, Lob, Versprechen und Ferien.

In Verbindung mit Sport ist es die letztgenannte, die zählt. Es handelt sich beim sportlov also um eine Woche Schulferien, die in dieser Zeit des Jahres liegen. Ursprünglich (in den 1940ern) ging es darum, Heizmaterial in den Schulen zu sparen und man nannte die Woche noch kokslov. Heutzutage wird die Gelegenheit vielerorts für wintersportliche Aktivitäten genutzt. Als Nicht-Schüler und Nicht-Elter bekomme ich davon zugegebenermaßen wenig mit, die spätnachmittäglich eh schon überfüllten Pendlerzüge zwischen Stockholm und Uppsala müssen jedoch während des sportlov zusätzlich die Familien mit Kindern aufnehmen, die von diversen Ausflügen heimkehren.

Nicht zuletzt um Verkehr und Wintersportorte nicht zu konzentriert zu fordern, sind diese Ferien nicht überall zur gleichen Zeit, sondern sind übers Land auf mehrere Wochen verteilt. Uppsala hatte beispielsweise letzte Woche sportlov, Stockholm diese.

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Wort der Woche: Friskola

Wer in den letzten Wochen in Schweden unterwegs war, dem dürfte sie nicht entgangen sein, die Werbung für Gymnasien. Zum Beispiel ist die U-Bahn in Stockholm voll davon. Werbung für Schulen ist auch in Schweden noch nicht alt und hat doch schon ihre eigenen zweifelhaften Methoden hervorgebracht. Das Ködern von Schülern mit Versprechen von Reisen oder eigenen Laptop-Computern wurde für nicht legitim erklärt und auch die direkte Werbung per SMS an Schüler erntete harte Kritik.

Wie kam es dazu und warum sind Schüler plötzlich so heiß begehrte Kunden? Der Hintergrund sind private, von Firmen geführte Schulen, euphemistisch als “freie Schulen”, schwedisch friskolor, bezeichnet. Diese gibt es prinzipiell schon eine ganze Weile in Schweden, aber erst unter der aktuellen bürgerlichen Regierung erfahren sie einen regelrechten Boom (mehrere hundert Schulen) mit Schwerpunkt Stockholm, weil die Politik die Gründung von Schulen und die Privatisierung von kommunalen Schulen ermuntert. Letzteres ist zunächst einmal ärgerlich, weil Schulen oft unter Wert abgegeben werden und so effektiv ehemalige Steuergelder in die Privatwirtschaft fließen und vom Bürger bezahlte gemeinschaftliche Ressourcen verschwendet werden.

Das System mit freien Schulen funktioniert dann folgendermaßen. Jeder Schüler bestimmt über die Wahl der Schule, wohin das staatliche Geld für seine Ausbildung fließt. Freie und kommunale Schulen bekommen gleich viel Geld pro Schüler – es geht also zunächst einmal nicht um Schulen wo Eltern zusätzlich bezahlen müssen. Das mag gerecht klingen, allerdings haben die kommerziellen Schulen den nicht zu unterschätzenden Vorteil, sich ihre Schüler aussuchen zu können. Das führt nicht nur zu einer Abgrenzung von reich und arm – entsprechend für Deutschland sehr schön beschrieben in diesem ZEIT-Artikel – sondern benachteiligt zusätzlich die kommunalen Schulen, die ihre Ressourcen verstärkt auf die Unterstützung schwächerer Schüler aufwenden müssen anstatt sie fürs Anwerben und Verhätscheln der “Elite” zu benutzen. Aus eben diesem Grund bekamen kommerzielle Schulen bis zum Regierungswechsel noch weniger Geld pro Schüler.

Nun behaupten Verfechter der freien Schulen, dass diese mehr leisten fürs gleiche Geld. Schließlich geht es für sie mit der Schüleranzahl ums Überleben und angeblich setzen sich dann beim Kunden Schüler diejenigen durch, die Qualität bieten. Statistiken, die das belegen sollen, zeigen, dass im Durchschnitt die Noten auf freien Schulen besser sind und dass mehr Abgänger dann auf die Uni gehen. Ersteres lässt sich aber schon alleine durch die Auswahl der Schüler erklären und dazu kommt noch, dass Freischulen im Verdacht stehen, gerade wegen des Erfolgsdrucks eine mildere Benotung anzulegen, um gut dazustehen. Zentralabitur gibt es in Schweden nicht.

Die allgemeine Schule, inklusive Schulpflicht, ist eine Errungenschaft der Zivilisation und sicherlich eines der Dinge für die die meisten gerne bereit sind, Steuern zu zahlen. Was Schweden jetzt also tut, ist, diese Steuergelder immer mehr an gewinnorientierte Firmen zu vergeben anstatt eigene Schulen unterhalten zu wollen. In gewisser Weise ist es also Staatswirtschaft ohne die Vorteile derselben, nämlich der Kontrolle. Natürlich müssen sich die kommerziellen Schulen auch an die vom Staat vorgegebenen Lehrpläne halten und es gibt eine Schulaufsicht (schw. Skolverket). Diese hat jedoch nur Ressourcen für sporadische, zudem meist angekündigte Kontrollen, die auch nur selten ernsthafte Konsequenzen haben. Die Politik ist sich des Problems bewusst und es gibt Pläne für härtere Kontrollen. Das gilt insbesondere, wenn geschlossene Interessensgruppen Schulen betreiben wollen. Beim Gedanken, was Schüler auf einer Schule der Nationaldemokraten oder einer religiösen Sekte, die die Bibel für wortwörtlich wahr hält, lernen, graust es nicht wenigen. Als Beispiel ein kurzes Zitat aus dem Bericht des Skolverket von 2002 über die Schule von Livets Ord:

Es ist sehr schwer, eher unmöglich, bei einem Betrieb, der so stark von Autoritätsglauben und subtilen Strafandrohungen bei Zweifeln geprägt ist, zu behaupten, dass es wirklichen Platz für die schiere Möglichkeit gäbe, eine von der Glaubensgemeinschaft abweichende Ansicht zu haben. (Übersetzung von mir)

Und diese Ansicht beinhaltet unter anderem Kreationismus oder dass Homosexualität eine Sünde ist. Die Schule von Livets Ord unterrichtet bis heute ungestört; es sind jedoch öfter Schulen von und für Muslime und die Angst vor deren Radikalisierung, an die man denkt, wenn man religiöse Weltanschauungen im Unterricht verbieten will.

Es dürfte nicht schwer zu erraten gewesen sein, dass ich “freie” Schulen für eine schlechte Idee halte. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Kommerzialisierung des Bildungssystemes langfristig sehr negative Konsequenzen auf die Gesellschaft haben wird.

Wer weiterlesen möchte, findet im Anschluss eine Liste mit Links zu Artikeln und Webseiten, die ich im Laufe der Zeit gesammelt habe.

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Wort der Woche: Komvux

Komvux steht für kommunal vuxenutbildning, zu Deutsch “kommunale Ausbildung für Erwachsene”.

Dabei handelt es sich, wie der Name vermuten lässt, um ein System von Schulen auf Kommunalniveau, die sich an Erwachsene richten, die entweder den Grundschul- oder Gymnasiumsabschluss nachholen oder sich weiterbilden wollen. Nun muss man zum schwedischen Schulsystem wissen, dass an die neunjährige Grundschule, für die die Schulpflicht gilt, ein dreijähriges Gymnasium anschließt, das zwar im Prinzip freiwillig ist, aber von so gut wie jedem besucht wird. Da es “Sitzenbleiben” in Schweden nicht gibt, kommt es durchaus vor, dass Schüler ihr “Abitur” insofern nicht bestehen, dass nicht genug Kurse während der drei Jahre erfolgreich abgeschlossen wurden. Dann darf derjenige zwar nicht studieren, hat aber natürlich immer noch bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt, als wenn er gar nicht aufs Gymnasium gegangen wäre.

Komvux bietet diesen Leuten dann eine “zweite Chance”, die Schulbank zu drücken und Versäumtes nachzuholen. Im Unterschied zum deutschen Zweiten Bildungsweg ist man hier aber so flexibel, dass Leute zum Beispiel einzelne Fächer, die zum Abitur fehlten, nachholen oder sogar die Noten von eigentlich bestandenen Kursen aufbessern können. Das mag für deutsche Ohren seltsam klingen, aber ich sehe nichts grundlegend Falsches darin, mit zusätzlicher Arbeit seine Abiturnote nachträglich anheben zu können.

200.000 Schweden gingen letztes Jahr zu komvux. Das sind 10% weniger als im Vorjahr, denn die konservative Regierung hat den Kommunen das Geld gekürzt und damit sinkt die Anzahl der verfügbaren Plätze bei komvux. Kritiker sehen darin eine kurzfristige Politik, denn auch wenn wie jetzt in Zeiten einer Hochkonjunktur die meisten Arbeit finden, wäre es unglücklich, wenn sich das hohe Ausbildungsniveau der Schweden, gerade auch der nichtakademischen, langfristig verschlechtern würde.

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