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Was gibts Neues?

Ich bin wieder online und habe gerade mein Nachrichtenpensum abgearbeitet. Ein paar erwähnenswerte Dinge daraus:

  • Mona Sahlin war schon seit Anfang des Jahres zur neuen Vorsitzenden der schwedischen Sozialdemokraten auserkoren, aber jetzt ist sie es schließlich und tritt damit die Nachfolge von Göran Persson an. Das heißt jedoch nicht, dass sie von den Parteimitgliedern gewählt wurde, sondern der Prozess der Ernennung geschieht im Hinterzimmer. Interessant ist, dass der ehemalige Außenminister -Lars- Jan Eliasson und EU-Komissarin Margot Wallström Sahlin zur Seite stehen sollen. Beide sind nämlich eigentlich nicht verfügbar. Wallström ist noch bis 2009 bei der EU und Eliasson ist Sonderbeauftragter der UNO im Sudan. Akut werden solche Fragen wohl aber erst zur Wahl 2010.
  • Nachdem homosexuelle Paare schon eine Weile den Segen der schwedischen Kirche für ihre weltliche Hochzeit erhalten konnten, kamen die schwedischen Bischöfe jetzt darüber überein, ihnen auf die gleiche Weise wie heterosexuellen Paaren die kirchliche Hochzeit zu erlauben (E). Weltpremiere.
  • Eine neue Regelung zu “Kampfhunden” in Schweden wird angestrebt (E). Es soll Leuten verboten werden können, Hunde zu halten. Anders als in der damaligen Debatte in Deutschland geht es also um die Halter und nicht um bestimmte Hunderassen. Sinnvoll.
  • Da sage noch einer, der erste Schwede im Weltraum, Christer Fuglesang, hätte nichts bewirkt: Das “Raumfahrtgymnasium” in Kiruna hat 44% mehr Bewerber (S) als im Jahr davor.

  • Der IKEA-Hacker (E) ist ein Blog, das sich ausschließlich damit beschäftigt, was man mit den Möbeln aus Schweden denn noch so alles machen kann. Seit Anfang des Monats gibt es ein deutsches Pendant, das die Idee übernimmt.

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Härtere Regeln für Abiturienten

Der schwedische Ausbildungsminister Lars Lejonborg (auch Chef der liberalen Folkpartiet) will die Regeln ändern (S), welche Voraussetzungen man für ein Studium an einer Universität erfüllen muss. Ausreichende Noten in Schwedisch, Englisch und Mathematik am Ende des Gymnasiums sollen Bedingung werden und gute Leistungen in Mathe und Sprachen sollen beim Auswahlverfahren extra berücksichtigt werden.

Wer jetzt eine Augenbraue hebt und fragt, was denn bisher verlangt war, dem sei gesagt, dass Schüler in Schweden während der letzten drei von zwölf Schuljahren (schwedisches Gymnasium) meist große Freiheiten in der Fächerwahl haben. Das ist per se auch gut, denn fast jeder geht aufs Gymnasium und es gibt Linien, die auf handwerkliche Berufe ausgerichtet sind, anstatt auf ein Hochschulstudium.

Es ist in vielen Fällen jedoch auch möglich, die Berechtigung fürs Studium zu erlangen, ohne genügend “harte” Fächer besucht zu haben. Das führt dazu, dass die Universitäten sich auf das niedrigere Anfangsniveau der Studenten einstellen müssen und verschulte Studiengänge geschaffen werden, damit es auch genügend schaffen. Professuren in den Naturwissenschaften klagen regelmäßig über mangelhafte Vorkenntnisse der Studienanfänger und ich habe den Eindruck, dass viele im Universitätsumfeld mit der etwas härteren Schulpolitik der konservativen Regierung sympathisieren.

Auch wenn ich hier regelmäßig etwas an der Regierung Reinfeldt auszusetzen habe, bin ich bei diesem Thema geneigt, ihnen beizupflichten.

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Schweden lernen Deutsch

Man begegnet erstaunlich vielen Schweden, die Deutsch sprechen, zumindest rudimentäres. Im Vergleich zu vor einigen Jahrzehnten hat Deutsch als Fremdsprache an schwedischen Schulen heute jedoch an Bedeutung verloren. Dennoch wird es in der Regel mit Wahlmöglichkeit als zweite oder dritte Sprache unterrichtet und das Weilburger Tageblatt hat einen netten Artikel darüber, wie junge Schweden Deutsch lernen, inklusive Dialekten.

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Kinderfreundliches Schweden

Das ist doch mehr als einen Kommentar wert. Tagesschau.de schreibt:

Die Situation der Kinder in Deutschland ist im Vergleich zu anderen Industrienationen nur durchschnittlich. Das geht aus einer vom UN-Kinderhilfswerk Unicef in Auftrag gegebenen Studie hervor, die in Berlin vorgestellt wurde. Erstmals wurde die Lage der Kinder anhand von sechs Dimensionen verglichen: materielle Situation, Gesundheit, Bildung, Beziehungen zu den Eltern und Gleichaltrigen, Lebensweise und Risiken sowie eine eigene Einschätzung der Kinder und Jugendlichen. [...] Dagegen stünden Schweden, Norwegen und Finnland an der Spitze der Statistik, aber auch die Niederlande und Tschechien schnitten sehr gut ab.

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Nur Schwedisch in Schulen?

Die liberale Folkpartiet ging mit ihrer Schulpolitik in den Wahlkampf und dementsprechend werden in der heutigen Allianzregierung sowohl Schul- als auch Ausbildungsministerium von ihr besetzt, letzteres von Parteichef Lars Lejonborg. In Malmö, wo einige Schulen hohe Einwandererquoten haben, hat die Folkparti gerade vorgeschlagen (S), Schwedisch im Klassenzimmer verbindlich zu machen, vor allem mit dem Gedanken, dass Lehrer mehr Handhabe haben, wenn Schüler ihre Sprachkenntnisse nutzen, um den Lehrer zu umgehen und den Unterricht zu stören.

Im Gegensatz zur letztjährigen Diskussion in Deutschland um die Berliner Schule, in der sich die Schüler freiwillig eine Deutsch-Pflicht auferlegten, geht es wohlgemerkt nicht um den Pausenhof, sondern um die Unterrichtszeit selbst.

Der Vorschlag hat viel Kritik auf den Plan gerufen. Der Partei Rassismus vorzuwerfen und sie mit der NSDAP zu vergleichen (S), halte ich jedoch für übertrieben. Völlig richtig ist dagegen, das dieser Vorschlag undurchführbar ist. Denn die eigentliche Ursache ist wohl, dass Lehrer in Schweden ihren Schülern sehr wenig zu sagen haben und dass oft das grundlegende Maß an Ordnung im Unterricht fehlt. Daran wird ein Gebot, Schwedisch zu sprechen, nicht viel ändern.

Abschließend sei hinzugefügt, dass ich bei diesem Thema Halbwissen verbreite – ich habe noch kaum eine schwedische Schule von innen gesehen, geschweige denn eine besucht.

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Notizen aus Schweden beim HPD, Folge 1

Ich wurde angesprochen, ob ich mein Interesse, über Schweden zu schreiben, nicht mit meiner Skepsis gegen Religionen verbinden und eine Kolumne für den neulich eröffneten Humanistischen Pressedienst (HPD) schreiben wolle. Wer könnte da Nein sagen?

Hier also die erste Ausgabe von “Notizen aus Schwedenbeim HPD:

Dom in
Uppsala

Einkommensauskunft per Internet.
In Schweden gilt das Öffentlichkeitsprinzip, das heißt, dass die Unterlagen von Behörden im Allgemeinen von jedermann einsehbar sind. Das gilt auch für die Steuererklärungen aller Schweden. Eine neue Seite im Internet vereinfacht das Auffinden solcher Informationen. Es ist also möglich, das Einkommen und die Schulden eines jeden Schweden im Internet zu erfragen. Der Ansturm auf die Seite kurz nach ihrer Eröffnung war sehr groß.

Die Kirche in Schweden
Die evangelisch-lutherische Kirche Schwedens war seit Jahrhunderten Staatskirche. Bis 1860 war ein Austritt unmöglich und erst seit 1951 kann man nicht nur in eine andere Religionsgemeinschaft wechseln, sondern ganz austreten. Noch bis 1996 wurde jeder Schwede von Geburt an Mitglied der Kirche, seitdem ist die Taufe ausschlaggebend. Erst vor sieben Jahren wurde der Status der Staatskirche aufgehoben und die Trennung der schwedischen Kirche vom Staat vollzogen.

Trotz dieser vermeintlich späten Säkularisierung ist Schweden eines der ungläubigsten Länder der Welt. Nur 23 Prozent der Bevölkerung geben an, an einen Gott zu glauben – Platz drei in Europa hinter Estland und der Tschechischen Republik.

Als Relikt aus der Zeit der automatischen Mitgliedschaft sind noch 7 der 9 Millionen Schweden Mitglied der Kirche, 65.000 treten pro Jahr aus. Zwei Drittel aller Neugeborenen werden heutzutage getauft, jedoch nur gut die Hälfte davon wird konfirmiert. 50 Prozent aller Eheschließungen finden in der Kirche statt und laut Umfragen ist der traditionelle Aspekt für Schweden oft ein wichtigerer Grund, in der Kirche zu bleiben, als der Glaube an Gott.

Im schwedischen Alltag und in der Politik spielt Religion eine geringe Rolle. Schweden ist ein säkular-rational eingestelltes Land und wird in einer Studie des Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung als Vorreiter der kulturellen Entwicklung gesehen.

Von "Mariä Verkündigung" zum Waffeltag
Ein Beispiel, wie christliche Traditionen in Schweden ihren religiösen Charakter verlieren und in den säkularen Alltag übergehen, ist der Waffeltag. Durch die sprachliche Ähnlichkeit des alten Namens des christlichen Feiertages (vårfrudagen, "Tag unserer Frau") mit "Waffeltag" (våffeldagen) ging der Übergang vonstatten, so dass man heute lieber Waffeln isst, anstatt religiösen Praktiken nachzugehen.

Kirchliche "Hochzeit" für Homosexuelle
Die Akzeptanz und Gleichberechtigung von Homosexuellen ist in Schweden weit fortgeschritten und gleichgeschlechtliche Partnerschaften sind rechtlich emanzipiert. Sogar die schwedische Kirche hat sich mit diesem Gedanken angefreundet, und erteilt seit Kurzem den Segen für homosexuelle Paare. Schwulenfeindliche Äußerungen von Tradionalisten, auch innerhalb der Kirche, schaffen es nur noch gelegentlich in die Medien und werden dort hart kritisiert.

Björn Ulvaeus erhält Humanismuspreis
Der Musiker Björn Ulvaeus, bekannt durch die Pop-Gruppe ABBA, ist aktiver Autor und Religionskritiker. Der schwedische Verband der Humanisten hat ihm wegen seines Engagements für eine humanistische Basis der Gesellschaft den Hedeniuspreis 2006 verliehen.

Abgetriebene Embryonen beerdigen?
Abtreibung bis zur 18. Schwangerschaftswoche ist in Schweden erlaubt und steht alleine im Ermessen der Frau. Die Kirche sieht Seelsorgebedarf in solchen Situationen und plant deshalb, bald Beerdigungszeremonien für abgetriebene Föten anzubieten. Kritiker befürchten jedoch, dass dies zu einer Aufwertung von Embryonen führt, was wiederum Abtreibungskritikern Argumentationshilfen liefern könnte.

Scientology betreibt Vorschule
In Schweden sind nicht-staatliche Schulen erlaubt. Diese so genannten "freien Schulen" werden nicht selten von religiösen Organisationen betrieben und unterliegen staatlicher Kontrolle. Als Extrembeispiel kann sicherlich ein Kindergarten in Stockholm gelten, der von Scientology betrieben wird. Kritik richtet sich vor allem dagegen, dass das Menschenbild und die Ziele der Organisation nicht mit einer offenen und modernen Gesellschaft vereinbar sind. Der Kindergarten sei ein Versuch, sich als "normal" zu etablieren. Bei muslimischen Schulen werden offen die Gefahren der Ausgrenzung und des Extremismus diskutiert.

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Nyamko Sabuni

Nyamko Sabuni ist Integrationsministerin. Sie ist außerdem afrikanischer Herkunft, nicht-praktizierende Muslimin und umstritten, weil sie sich nicht scheut, Meinungen zu vertreten, die in gewissen gesellschaftlichen Gruppen unpopulär sind. Sie setzt sich unter anderem für ein Kopftuchverbot von Mädchen unter 15 Jahren ein und für die Abschaffung von religiösen Schulen. Bei letzterem Punkt denke ich zwar eher an Livets Ord als an die Rekrutierung von muslimischen Selbstmordattentätern, wie Sabuni es tut, aber die Richtung stimmt.

Ob sie mit dem Vorschlag, Mädchen zu einer gynäkologischen Untersuchung zu zwingen, um Fälle von Genitalverstümmelung aufzudecken, zu weit ging, sei dahingestellt. Für eben diesen Tatbestand kann man übrigens in Schweden belangt werden, auch wenn es im Ausland durchgeführt wurde. Und zwar nicht nur theoretisch, sondern auch wirklich: Die erste diesbezügliche Verurteilung war vor kurzem.

Etwas mehr über Sabuni hier.

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Rapport

Rapport ist die wichigste Nachrichtensendung im schwedischen Fernsehen (S). Die erste Sendung war 1969 und das macht Rapport (S) zwar ganze zwölf Jahre jünger als die Tagesschau – dafür hat es zur wichtigsten Sendezeit die doppelte Länge, von 19.30 bis 20.00. Ich schaue kaum fern, aber vorhin habe ich seit langem wieder einmal Fernsehnachrichten geguckt.

Nichts weltbewegendes scheint passiert zu sein (das hätte ich ja auch schon übers Internet erfahren). Trotzdem eine kleine Themenauswahl:

  • Die Zentrumspartei, die auch ein starkes Umweltprofil hat, will “Umweltautos” für Privatpersonen mit 10.000 Kronen je Neukauf fördern. Umweltauto heißt, dass es mit Ethanol oder Gas fährt. Abgesehen von der geplanten Subvention sind Umweltautos steuerlich besser gestellt und auch von der Citymaut in Stockholm befreit. Die Förderung könnte aber mit 600 anstatt 20 Millionen Kronen pro Jahr deutlich teurer werden als gedacht, weil die Verkaufsprognosen sehr gut sind. Außerdem sind die alternativen Kraftstoffe immer noch teurer als Benzin oder Diesel, weswegen Hybridautos, die beides können und auch als Umweltautos durchgehen, oft mit Fossilem betankt werden. Sollte man folglich mit dem Geld nicht lieber die Steuer auf die entsprechenden Kraftstoffe senken?
  • 1944, als klar wurde, dass die Russen die Macht in den baltischen Ländern übernehmen würden, flohen viele Estlandschweden von dort über die Ostsee ins Mutterland. Sie nahmen unter anderem einen Kirchenschatz mit, der jahrelang verheimlicht im Keller eines hiesigen Museums lag und jetzt zurückgegeben wird.
  • Die Vorsitzende des Jugendverbandes der Sozialdemokraten (SSU), Anna Sjödin, muss sich seit heute vor Gericht dafür verantworten, betrunken in einer Bar den Türsteher angegriffen zu haben und ihn mit rassistischen Äußerungen beschimpft zu haben. Mehr beim SR.
  • Das Vermögen der schwedischen Kirche ist seit ihrer Trennung vom Staat im Jahr 2000 um über eine Milliarde Kronen gewachsen und es werden die ersten Rufe laut, das Geld in den Gemeinden auszugeben.

    Generell finde ich *Rapport* nicht schlecht. Es ist nicht sensationslüstern und bringt Themen recht ausführlich. Aber: es menschelt. Damit meine ich, dass zu oft Leute zu Wort kommen, die nicht das Geringste zu sagen haben. Zum Beispiel gab es heute auch einen Bericht über eine Essensstudie, in der Mangel an Vitamin D bei einer Mehrzahl Schüler festgestellt wurde. Der Reporter sagt, dass heute weniger Milch zum Essen in den Schulen ausgeschenkt wird. Zum Ende kommt ein Kind vor die Kamera und wird gefragt, ob es Milch bekommt. Es verneint. Dann kommt noch die Mutter zu Wort und darf drei Mal sagen, dass sie das nicht gut findet. Das ist überflüssig und leider kein Einzelfall.
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