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Die Faulbaumfresser

Eingesponnenes FahrradHier in der Gegend von Uppsala, sind Faulbäume keine Seltenheit. Jeden Frühling, gerade wenn sie fertig ausgeschlagen haben, werden sie allerdings von Tausenden Larven völlig kahlgefressen und eingesponnen. Das Bild links zeigt ein Fahrrad, das unglücklich unter einem solchen Baum geparkt war und gleich mit eingesponnen wurde. Die Bäume erholen sich wohl recht gut nach dem Kahlfraß, aber viele Menschen finden dieses Schauspiel eklig, wenn es vor ihrer Haustür oder einem Fenster passiert. Anstatt diese eine Woche auszuhalten, fällt man jetzt aber die Faulbäume in einigen Wohngebieten.

Mehr Bilder vom letzten Jahr gibt es hier.

Nachtrag 090516: Die heißen gar nicht Faulbäume, sondern Traubenkirschen. Keine Ahnung, wie ich damals zu Faulbaum kam.

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Livets Ord

Gestern wurden drei jungen Schweden zu Haftstrafen verurteilt, weil sie einen Anschlag auf das Gebäude von Livets Ord verüben wollten.

Aus diesem Anlass hier ein paar Worte über diese Organisation, deren Hauptsitz Uppsala zu zweifelhafter Ehre gereicht. Der Name bedeutet “Wort des Lebens” und es handelt sich dabei um eine dieser neuapostolischen christlichen Vereinigungen mit charismatischen Predigern, wie sie in den USA stark verbreitet sind. Ein Überbegriff ist wohl Wort-des-Glaubens-Bewegung.

Natürlich geht es dabei um Geld und kräftige Spenden der Kirchgänger werden vorausgesetzt und wenn nötig per Gruppenzwang durchgesetzt. Jegliche Kritik ist selbstverständlich Satans Werk persönlich und wenn man nur macht, was der Leithammel sagt, wird alles gut. Nun könnte es einem ja prinzipiell einerlei sein, was andere Menschen glauben, solange sie einen damit in Ruhe lassen. Das Problem ist aber, dass solche Gruppen nach gesellschaftlichem Einfluss streben und diesen auch erreichen. Livets Ord unterhält zum Beispiel eigene Schulen und eine selbsternannte “Universität”. Wer mehr wissen will. kann hier weiterlesen, oder sich hier auf Schwedisch weiter abschrecken lassen.

Ich habe schon mehrere Male erwähnt, dass ich Schweden generell für säkularer und atheistischer halte als Deutschland. Ich weiß aber nicht, ob Vereine wie Livets Ord diesen Zustand ernsthaft gefährden oder nur die Ausnahme der Regel sind.

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Wort der Woche: Tredubbel

Das schwedische Verb- und Adjektivpaar dubbla und dubbel bedeutet verdoppeln bzw. doppelt. Da tre schlicht die Zahl Drei ist, bedeutet tredubbel also dreidoppelt.

Dreidoppelt? Wenn man darüber nachdenkt, fallen einem mehrere Möglichkeiten ein, welches Vielfache denn damit gemeint sein könnte. Dreimal verdoppelt, also achtfach, ist naheliegend, ebenso verdreifacht und dann verdoppelt, eine Versechsfachung. Oder handelt es sich um eine schnöde Verdreifachung?

Letzteres ist der Fall. Tredubbel wird eher im gesprochenen als im geschriebenen Schwedisch verwendet und entstand wohl aus der Not, dass es keine kurze Form wie X-fach im Deutschen gibt, um Vielfache auszudrücken, sondern nur die Formulierung “X Mal so viele”. Dubbel wird in tredubbel also wie die deutsche Endung -fach benutzt und gelegentlich, aber seltener, hört man diese Konstruktion auch mit anderen Zahlen.

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Handyfrei in der U-Bahn

Schweden war, genauso wie Finnland, Vorreiter in der massenhaften Verbreitung von Mobiltelefon und schon lange hat so gut wie jeder eins^1^. Eigentlich dachte ich, dass sich keiner daran stört, wenn in öffentlichen Verkehrsmitteln telefoniert wird. Warum auch? Der einzige Unterschied für Außenstehende zu einem Gespräch zwischen zwei Anwesenden besteht doch darin, dass man nur die Hälfte mitbekommt – und das spielt nur eine Rolle, wenn man heimlich zuhört…

Nichtsdestotrotz gibt es wohl in schwedischen Zügen Wagons, die handyfrei sein sollen, auch wenn mir das noch nie aufgefallen ist. Jetzt sollen auch in der U-Bahn in Stockholm 15 bis 30% der Plätze handyfrei werden (S). Wahrscheinlich hat eine kleine Lobbygruppe da lange genug genörgelt. Die Nachfrage wird wohl, wie schon bei den Zügen, verschwindend sein.

[1] Ich selbst hatte nur mal vor 5-6 Jahren eins und seitdem lebe ich glücklich ohne. :-)

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Wort der Woche: Bostadsrätt

Zur Miete leben oder ein eigenes Haus oder eine Eigentumswohnung besitzen – das sind die die Wohnmöglichkeiten, die es in Deutschland gibt. Bei einer Eigentumswohnung besitzt^1^ man auch wirklich den Teil des Hauses, zusammen mit einem Teil des Grundstücks, auf dem es steht.

In Schweden kann man natürlich auch Hauseigentümer sein oder in Miete wohnen, es gibt aber auch eine Mischform zwischen Miete und Eigentum, das sogenannte Bostadsrätt, zu Deusch Wohnrecht. Große Wohnhäuser in Städten gehören in der Regel Gesellschaften (Bostadsrättsföreningar) und um in einer solchen Wohnung zu leben, muss man das Wohnrecht kaufen. Die Preise variieren stark je nach Lage und Beschaffenheit der Wohnung, liegen aber auf dem Niveau von Eigentumswohnungen und somit ohne weiteres in Millionenhöhe^2^.

Das Bostadsrätt kauft man (über Makler) vom Vorbesitzer, es ist also Handelsware und unterliegt den Schwankungen des Wohnungsmarktes. Wenn man ein Wohnrecht gekauft hat, hat man genau das, nämlich das Recht, dort unbegrenzt zu Wohnen. Man zahlt aber trotzdem noch Miete an die Gesellschaft, der die Immobilie gehört. Davon werden ein Teil der Nebenkosten (in der Regel Wasser, Müll, Heizung) und der Unterhalt des Hauses abgedeckt, also z.B. auch der Hausmeister. Diese “Mieten” sind geringer als in einer gleichwertigen Mietwohnung, liegen aber über den laufenden Kosten einer ähnlichen Eigentumswohnung in Deutschland.

Bisher sind “richtige Eigentumswohnungen” wie in Deutschland üblich hierzulande nicht erlaubt. Viele haben keine andere Wahl als ein Wohnrecht zu kaufen, weil ein sehr viele Stadtwohungen Bostadsrätter sind und man auf Mietwohnungen oft lange in der Warteschlange stehen muss.

Der Vorteil des Wohnrecht gegenüber Eigentumswohnugen ist, dass man sich nicht selbst um Reparaturen und dergleichen kümmern muss und auch sonst liegt die Verantwortung für alles, was nicht nur die eigene Wohnung betrifft bei der Genossenschaft. Dort hat man auf der Jahresversammlung Stimm- und Motionsrecht und kann so Einfluss nehmen. Andererseits muss man Entscheidungen des (aus den Eignern gewählten) Vorstandes auch akzeptieren und so kann es passieren, dass man auch größere Reparaturen über sich ergehen lassen muss.

In der Regel nimmt man für den Kauf eines Wohnrechts natürlich einen Kredit auf und solange die die Preise kontinuierlich steigen, macht man beim Verkauf nach einigen Jahren einen Gewinn. Wenn man es durchrechnet, kann es durchaus sein, dass die Zinsen plus Abgabe an die Genossenschaft in der Summe geringer sind als eine vergleichbare Mietwohnung, so dass sich der Kauf auch lohnt, wenn man (bis zum Wiederverkauf) gar nichts vom Kredit zurückzahlt.

Es ist finde ich ein wichtiger Vorteil für den Markt, dass durch dieses System der einzelne Wohnungseigentümer an weniger denken muss. Das Kaufen und Verkaufen wird einfacher, was den Markt belebt. Natürlich geht es in der Summe um sehr viel Geld und Maklerbüros gibt es zuhauf.

Die wohl größte Einschränkung bei Wohnrechten ist, dass man nicht weitervermieten darf. Man muss sein Wohnrecht selbst nutzen. In Ausnahmefällen, zum Beispiel wenn man vorübergehend ins Ausland geht, kann man beim Genossenschaftsvorstand die Erlaubnis zum Untervermieten einholen.

-Ich wohne zur Miete in einer Siedlung mit Studentenwohnungen und finde Bostadsrätter immer noch etwas seltsam.-

Ich habe obigen Text gerade (090501) leicht überarbeitet, weil ich mittlerweile selbst ein solches Wohnrecht besitze.

[1] Es gibt ja einen Unterschied zwischen besitzen und Eigentümer sein, aber ich verwende in diesem Artikel ersteres in der Bedeutung des letzeren, aus Gründen der Einfachheit und weil es zu Eigentum kein gutes Verb gibt.

[2] Eine Krone sind etwa 11 Euro-Cent.

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Werbung mit Deutschlandklischees

schuhplattler
Siba, das schwedische Pendant zum Media Markt, versucht gerade, den Leuten Großbildfernseher zur Fußball-WM anzudrehen. Die Werbespots, die hier im Fernsehen laufen, kann man auch online anschauen:

  • [Film 2](http://www.siba.se/archive/Movies/film2.wmv)

    Darin wird das platteste aller Klischees breitgetreten: Man sieht Menschen in Lederhosen und Trachten, die zu Volksmusik tanzen. Nach einer Weile sagt ein Sprecher > Es gibt viele Gründe, nicht nach Deutschland zu fahren. Kauf deinen > Fußballfernseher bei Siba und bleib zu Hause. Zur Untermauerung dieser Aufforderung, versprechen sie, dass man sein Geld zurückbekommt, falls Schweden die WM gewinnen sollte. Das ganze könnte man als Beleidigung verstehen, wenn man nicht wüsste, dass sich die Schweden sehr wohl bewusst sind, wie albern dieses Bild von Deutschland ist. So ist es aber einfach nur lustig. Einen Artikel mit mehr Klischees, die in Schweden über Deutsche kursieren, gibt es [hier](http://www.fiket.de/2006/05/30/schweden-ueber-deutsche/).
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Wort der Woche: Snus

Snus ist eine Art Kautabak, es wird aber nicht gekaut sondern sich unter die Oberlippe gesteckt. Das Nikotin geht dann über die Mundschleimhäute ins Blut und man sagt, dass der Effekt sehr stark sein kann. Damit das Nikotin schneller eindringen kann, sind dem Tabak Salze beigemischt und angeblich früher auch kleine Glassplitter. Snus gibt es in kleinen runden Dosen, die entweder kleine Päckchen enthalten, oder den losen feuchten Tabak, den man selbst portioniert.

Wenn man aufmerksam ist, erkennt man viele Menschen in Schweden, v.a. Männer, an einer ausgebeulten Oberlippe oder der runden Dose in der Gesäßtasche als Snusbenutzer. Snus ist nach dem europäischen Tabakgesetz eigentlich verboten, aber in Schweden eben noch so wichtig, dass es sich eine Sonderregelung erkämpft hat.

Die Frage nach der Gesundheitsgefährdung ist nicht einfach zu beantworten. Anders als beim Rauchen wird die Lunge ja nicht gefährdet, aber Snus steht im Verdacht Mund- und Halskrebs hervorzurufen und schädigt zumindest das Zahnfleisch. Neuere Meldungen (S) gehen aber eher dahin, dass das Krebsrisiko überschätzt wurde.

Wer mehr wissen möchte, lese den erstaunlich guten deutschen Wikipedia-Artikel Snus. Meine persönliche Meinung zu Snus: eklig.

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Explosives entsorgen

Heute flatterte eine Broschüre ins Haus, die einem erklärt, was man mit Sondermüll im Haushalt tun sollte, also z.B. mit Batterien, Farb- oder Kleberresten. Auf der letzten Seite fasst eine Tabelle die Entsorgungsmöglichkeiten verschiedener Dinge zusammen und eine Zeile fiel mir darin besonders ins Auge. Zwischen Elektrogeräten und Fernissa (Lacke) standen nämlich explosive Materialien. Und die nimmt auch nicht der Recyclinghof an, sondern man möge doch bitte mit der Polizei Kontakt aufnehmen.

Wer hätt’s gedacht.

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Wort der Woche: Flogstavrål

Flogsta
HochhäuserBei weitem nicht alle Schweden werden wissen, was der “Flogstavrål” ist. “Vrål” bedeutet “Schrei” und “Flogsta” (sprich: Fluhgsta) ist der Name des Stadtteils hier in Uppsala, in dem ich wohne. Also der Flogstaschrei? Genau! Und zwar hat das damit zu tun, dass Flogsta fast ausschließlich von Studenten bewohnt wird, seit am Anfang der 70er das Viertel mit hässlichen Hochhäusern (siehe Bild) hochgezogen wurde.

Noch während der 70er hat es sich eingebürgert, abends um Punkt 10 Uhr die Fenster aufzumachen und seinen Stress und seine Ängste in die Nacht zu schreien – soviel die Stimmbänder hergeben. Und es gibt diesen Schrei heute noch, manchmal kaum hörbar, manchmal auch richtig laut, besonders an Wochenenden und in der Klausurenzeit. Erst vor zwei Wochen wurde auf Initiative des Studentenradios ein (angeblich erfolgreicher) Rekordversuch (S) unternommen. Alternative Namen dieser netten Tradition sind “Tioskriket” (“der Zehn-Uhr-Schrei”) oder “Flogstaskriket”.

Zum Abschluss darf natürlich die Audioprobe nicht fehlen: [audio:http://www.fiket.de/audio/flogstaskriket.mp3]
(mp3 von hier).

Nachtrag 30. Nov 2006: Das Ganze als Video

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