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Verräterischer Fernsehkauf

Tipps von Lesern, worüber ich hier schreiben könnte, sind bisher eher eine Seltenheit, aber natürlich immer gern gesehen. Manfred aus Linköping hat mich auf folgende Eigenheit im Zusammenhang mit dem Radiotjänst, dem schwedischen Äquivalent zur GEZ, hingewiesen. Danke.

Im Prinzip gilt sowohl in Deutschland wie auch in Schweden, dass ein Gesetz bricht, wer die staatliche Radio- und Fernsehgebühr nicht bezahlt, obwohl er das Angebot nutzt beziehungsweise die Möglichkeit zur Nutzung hat, sprich ein Radio oder einen Fernseher sein Eigentum nennt. Nun ist aber die Mentalität, was den Datenschutz angeht, in Schweden etwas weniger staatsskeptisch ausgeprägt als in Deutschland und deshalb kann es Regelungen wie diese geben, dass Elektronikmärkte beim Kauf eines Fernsehers Name und Adresse des Käufers aufnehmen und an den Radiotjänst weiterleiten müssen. Wenn derjenige noch keine Gebühren bezahlt, wird er dann Post bekommen mit dem Hinweis auf den Kauf und der Aufforderung zu bezahlen.

Eingriff in die Privatsphäre, der einem die Haare zu Berge stehen lässt, oder effektive Methode zur Einhaltung bestehender Gesetze, die Steuergelder spart, weil weniger Kontrolleure angestellt werden müssen? Geschmacksache, nehme ich an, solange die erhobenen Daten nur zweckgebunden verwendet werden und nicht mit anderen Datenbanken zusammengeführt werden, die Verhaltensprofile erlauben.

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Geld abheben

Es ist möglich, dass es sich mittlerweile auch in Deutschland eingebürgert hat, aber ich habe es von Anfang an in Schweden gemocht, dass man sich immer auch Bargeld geben lassen kann, wenn man irgendetwas mit Karte bezahlt. Jedes Geschäft wird so zum Geldautomaten und muss am Ende des Tages weniger Geld auf die Bank bringen. Beide Seiten sind glücklich.

Was ich jedoch nicht verstehe, sind die Beträge, die sich Leute bar auszahlen lassen. Die meisten, die man zu beobachten Gelegenheit hat, runden nämlich den Kaufbetrag auf eins der nächsten Vielfachen von Hundert auf. Zum Beispiel: Jemand kauft etwas für 166 Kronen, lässt seine Karte mit 400 Kronen belasten und bekommt 234 zurück.

Warum ist es besser, einen “runden” Betrag auf dem Kontoauszug zu haben oder warum lässt man sich freiwillig Kleingeld geben? Ich weiß es nicht. Ich nutze diese Art des Geldabhebens auch häufig, aber lasse mir nie Kleingeld, sondern Hundert-Kronen-Scheine ausbezahlen.

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Wort der Woche: Gallimatias

Es war einmal im antiken Rom, dass ein Richter über einen Hühnerdieb zu entscheiden hatte. Er wollte von Matthias’ Hahn reden, versprach sich aber und sagte galli matthias anstatt gallus matthiae. Und da das stattdessen “des Hahns Matthias” bedeutet und wenig Sinn ergibt, wurde es zum sprichwörtlichen Ausdruck für einen unsinnigen Satz.

So geht zumindest die Legende und egal ob sie wahr ist (wahrscheinlich nicht) und ob das Latein überhaupt stimmt, ist gallimatias ein schwedisches Wort und bedeutet “unzusammenhängendes Geplapper”, “sinnlose Rede”, “Kauderwelsch”. Letzteres steht im Deutschen zwar eher für Geschwafel, aus dem man nicht einmal einzelne Wörter versteht, während gallimatias eher für inhaltlichen Unsinn steht, der grammatikalisch durchaus korrekt sein kann. Trotzdem ist es nicht weit entfernt.

Näher an “Kauderwelsch” und nicht weit von gallimatias liegt übrigens das Lehnwort rappakalja aus dem Finnischen, das wohl eigentlich so viel wie “gepanschte, schwach alkoholische Limonade” bedeutet.

Quellen: Hörensagen und ein Blick in die Wikipedia und auf susning.nu.

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Wort der Woche: Raggarrunda

Raggarrunda steht fast seit Beginn von Fiket auf der Liste, Wort der Woche zu werden. Es hat wohl so lange warten müssen, weil es nicht ganz einfach zu erklären ist und ein Text dem Leser nur einen blassen Eindruck vermitteln kann im Vergleich dazu, einen Freitagabend in einer schwedischen Kleinstadt zu verbringen.

Ragga ist zunächst einmal eines jener Verben, die man eher selten geschrieben sieht, und bedeutet “jemanden aufreißen” oder “anmachen”. Abgeschwächt, seiner rein sexuellen Bedeutung beraubt und halb ironisch kann man es auch für “mit jemandem anbandeln” verwenden.

Dann gibt es Raggare. Raggare fahren amerikanische Straßenkreuzer aus den Fünfzigern. Raggare sehen ein wenig aus wie Elvis. Sie fahren amerikanische Straßenkreuzer aus den Fünfzigern. Raggare hören Rock’n Roll. Raggare fahren amerikanische Straßenkreuzer aus den Fünfzigern und Sechzigern. Raggare und ihre Subkultur gibt es schon lange in Schweden und nach einem Tief in den Achtzigern und Neunzigern scheint sie wieder an Popularität zuzulegen. Raggare fahren amerikanische Straßenkreuzer aus den Fünfzigern und verwenden sie als Hilfe bei der namensgebenden Tätigkeit (siehe oben). Raggare hören Rockabilly. Sie waren in den Siebzigern der Antipol zu Punks. Und das Wichtigste: Raggare fahren amerikanische Straßenkreuzer aus den Fünfzigern.

Damit patrouillieren sie am Wochenende die Runde zwischen Marktplatz, Folkets Hus, Tankstelle, Würstchenbude und zurück. Das ist die sogenannte Raggarrunda.

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Wort der Woche: Nollning

Mit der Endung -ning können im Schwedischen Verben substantiviert werden. Zum Beispiel gehört zu forska (“forschen”) die forskning (“Forschung”). Nollning kommt also von nolla, das wiederum mit der Zahl “Null” zu tun hat und entweder als Verb “nullen” oder als Substantiv die “Null” bezeichnet. Das “Nullen” beziehungsweise das “Nullstellen” sind demnach passende Übersetzungen für nollning.

Nollning

Diesen Begriff verwendet man auch die Einführungswoche für neue Studenten. Gemeint ist sowohl, dass die Neuen ja erst ab nächster Woche, wenn die Kurse anfangen, Erstsemester sind, als auch, dass sie bisher noch Null Punkte im System haben, in dem in Schweden Studienleistungen gerechnet werden. Die Leute als “Nullen” zu bezeichnen, hat in der schwedischen Sprache jedoch die gleiche negative Intonation wie im Deutschen.

In der Tat hat die ganze Veranstaltung den Beigeschmack von Autorität seitens der Organisatoren und von Erniedrigung der neuen Studenten, der für Initiationsrituale typisch ist. Es werden Spiele gespielt und Aufgaben müssen erledigt werden. Die neuen Technik- und Naturwissenschaftsstudenten in Uppsala bekommen beispielsweise ein orangefarbenes Papier-Ei um den Hals gehängt, das durch ein immer größeres ersetzt wird, je mehr jemand “falsch” gemacht hat. Wenn einem dann jemand im Gebäude begegnet, der eine fast mannshohe runde Papierscheibe um den Hals trägt, entbehrt das nicht einer gewissen Komik, gleichzeitig fragt man sich aber, warum Menschen so viel mit sich machen lassen, bloß weil ihnen jemand mit fester Stimme gesagt hat, dass das so zu sein hat. Die älteren Studenten, die das Ganze organisieren, sind nicht weniger lächerlich anzusehen, haben sie doch lange bedruckte Umhänge, bunte Kleider, große dunkle Sonnenbrillen und Haare nach Vorbild von Punks.

Nichtsdestotrotz ist der Sinn des nollning meist ein harmloser und sinnvoller, nämlich Berührungsängste abzubauen und Leute miteinander bekannt zu machen. Die Veranstaltungen sind je auf einen Fachbereich begrenzt und nicht selten finden sich schon in diesen Tagen die Leute zusammen, die dann mehrere Semester lang miteinander lernen.

Die seltsame Kleiderordnung und dass die Einführungsveranstaltung nollning genannt wird, kommt meines Wissens von den technischen Hochschulen und ist auf die klassischen Universitäten übergeschwappt. Echte Traditionalisten rümpfen deshalb wohl die Nase über diese Art der Veranstaltung. In Verbindung mit der negativen Presse wegen Mobbing und Erniedrigungen gibt es immer wieder Rufe, das nollning abzuschaffen.

Ich war gerade vor der Tür und habe ein paar Bilder gemacht:

NollningNollning

NollningNollning

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Seltenheitswert

Ist es nicht erstaunlich, dass Leute in Scharen herbeiströmen, sobald es etwas Seltenes zu sehen gibt? Zum Beispiel die Riesenseerose victoria cruziana, die im Botanischen Garten von Uppsala in einem eigenen Anbau des Gewächshauses lebt. Die Pflanze blüht nur kurze Zeit im Jahr, jede Blüte zwei Nächte lang; die erste Nacht weiß, die zweite rot. Das Haus hat wegen dieses “Spektakels” jedes Jahr längere Öffnungszeiten.

Ob die Allgegenwart Linnés zu seinem 300. Geburtstag das Interesse am Grünen neu geweckt hat, weiß ich nicht, aber alleine gestern Abend waren über fünfzig Leute da, um vergeblich darauf zu warten, dass eine Blüte zwischen den riesigen Blättern auftaucht und sich öffnet.

victoria cruziana mit
Zuschauern

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Schwedische Vornamen

Asha erinnert mich daran, dass ich schon lange einmal etwas über schwedische Vornamen schreiben wollte. Hier meine Liste mit den persönlichen Favoriten, die mich einmal verwundert machten oder schmunzeln ließen.


Vorname Kjell Elin Sten Börje Aussprache Chell ... Stehn ... Bedeutung/He Kessel, Helm von Helena Stein Beschützer rkunft m w m m m/w 8 6 7 7 Häufigkeit


Man findet auch Verbindungen wie Kjell-Åke als Rufnamen und es ist wohl weniger selten als in Deutschland, dass der zweite (oder dritte) Vorname der Rufname ist. Natürlich sind Namen auch in Schweden Moden unterworfen und man kann nicht selten schon anhand des Vornamens das grobe Alter einer Person bestimmen. Die schwedische Namensstatistik findet man hier und warum Bo wie “Busse” ausgesprochen wird ist auch kein Geheimnis.

Nachtrag, 070808: Heute morgen las ich in der c’t einen Artikel über eine Namensdatenbank, aus der man Geschlecht und Häufigkeit eines Vornamens ablesen kann. Die Daten und das zugehörige Programm kann man herunterladen. Ich habe die Häufigkeiten in die Tabelle oben nachgetragen. Eine 10 entspricht mindestens zwei Prozent der Bevölkerung und wird in Schweden nur von Lars erreicht. Jeder Schritt ist eine Halbierung der Häufigkeit, eine 7 entspricht also 0,25 bis 0,5 Prozent der Bevölkerung, oder 22 bis 45 tausend Menschen in Schweden. Der Name “Moa” war nicht in der Datenbank, obwohl er eine 6 verdient hätte, wenn ich mich nicht verrechnet habe.

Hier auch noch die Namen aus den Kommentaren:


Name m/w Häufig Sverker m k. Torkel m 2 Lillemor w 1 Malin w 5 Bodil w 7 Helmer m 4 Linnéa w 4
Håkan


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Absolution?

Natürlich ist es traurig, aber ebenso ein klein wenig erleichternd, dass nicht nur ich, sondern auch die Schweden größtenteils ignorant sind, wenn es um Ingmar Bergman geht. Die gestrigen Sondersendungen und Filme zum Tod des Regisseurs erreichten jedenfalls nicht einmal 4% der Bevölkerung. Zum Vergleich: Allsång på Skansen schalten auch dieses Jahr jede Woche zwei der neun Millionen Schweden ein.

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Mörderschnecken

Es scheint, dass meine Anstengungen, Schnecken am Leben zu lassen, nicht von allen mitgetragen werden. Wegen des nassen Sommers hat sich in Schweden nämlich die aus Spanien eingeschleppte Mörderschnecke rapide vermehrt und stellt eine Plage für Gartenbesitzer und Landwirte dar.

Den widersprüchlich anmutenden Namen haben die “Mörderschnecken” daher, dass sie auf andere Weichtiere und auch Artgenossen Jagd machen. Außer Enten und angeblich auch Wacholderdrosseln haben die Tiere in Schweden keine natürlichen Feinde. Vielleicht erklärt das ja, dass man die Drosseln dieses Jahr sehr häufig sieht – nicht selten bis zu zwanzig Stück auf den nicht allzu großen Wiesen in meiner Wohngegend.

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Konungariket

Hat jemand eine gute Theorie, warum gestern Leute plötzlich anfingen, nach “Konungariket” zu googeln und auf diesem Artikel zu landen? Etwa zweihundert Besucher dort seit gestern – gegenüber vielleicht einem pro Tag in der Zeit davor. Gibt es einen aktuellen Anlass, den ich verpasst habe?

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