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Schwedische Waffen an Saudi-Arabien

Wusstet ihr, dass Schweden für etwa zwei Prozent des globalen Waffenhandels steht? Das ist ein knappes Viertel des deutschen Anteils (\~9%) und macht – auf Bevölkerung oder Gesamtwirtschaftsleistung umgerechnet – Schweden zum Weltmeister im Pro-Kopf-Waffenexport.

Die eigene starke Rüstungsindustrie wird oft mit der schwedischen Neutralität und Allianzfreiheit begründet; man wolle sich eben nicht abhängig machen. Doch der Bedarf des eigenen Militärs ist bei weitem zu klein für Eigenentwicklungen, nicht nur bei Großprojekten wie den Kampfflieger JAS-Gripen. Also exportiert man. Und zwar auch an zweifelhafte Länder, denn Schweden hat sich zum Beispiel kein Demokratie-Kriterium für Waffenexporte auferlegt.

Die moralische Diskrepanz zwischen dem Auftreten und Selbstbild als internationaler Saubermann und Vorbild, das in vielen Bereichen nicht einmal unberechtigt ist, und den Waffengeschäften rückt nur selten ins öffentliche Interesse, denn der Einblick in diese ist durch weitgehende Geheimhaltung erschwert.

Vor ein paar Wochen deckte der schwedische Rundfunk jedoch auf, dass das Forschungsinstitut der schwedischen Streitkräfte FOI den Saudis eine Waffenfabrik bauen will. Dies hat zu einem mittelgroßen Aufschrei geführt, nicht zuletzt, weil die Konstruktion des Geschäfts so angelegt ist, dass keiner so richtig die Verantwortung trägt. Radio Schweden erklärt es so:

der schwedische Militärgeheimdienst [hat] das Startkapital für die Firma SSTI zur Verfügung gestellt. Diese war eigens für den Bau der Fabrik gegründet worden. SSTI ist zwar rechtlich ein privates Unternehmen, wurde aber stets von Vertretern des militärischen Forschungsinstituts FOI geführt, das seit 2005 im Auftrag der Regierung sämtliche Waffengeschäfte mit Saudi-Arabien betreut hatte. Laut Rundfunkinformationen hat zunächst der Geheimdienst dem Forschungsinstitut das Geld in bar ausgelegt. Damit habe das Institut dann SSTI gegründet.

Die Regierung, insbesondere Verteidigungsminister Sten Tolgfors, geriet in starke Kritik und beteuerte einerseits, nichts von den Details gewusst zu haben, und schob die Verantwortung aufs FOI, andererseits, dass das alles im Rahmen des Zusammenarbeitsvertrages mit Saudi-Arabien abgedeckt sei und keineswegs illegal. Dieser Vertrag kommt aus den Zeiten früherer sozialdemokratischer Regierungen – die einheimische Waffenindustrie zu unterstützen ist breiter Konsens.

Nichtsdestotrotz, heute Mittag ist Tolgfors zurückgetreten, offiziell jedoch nicht wegen dieser Affäre.

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Skandal um privatisierte Altenbetreuung

Seit ein paar Wochen bringt Dagens Nyheter (DN) fast täglich etwas zu Missständen, die sie in privat geführten Stockholmer Altenheimen aufgedeckt haben; alle Artikel zum Thema hier.

Dazu muss man vorab wissen, dass in Schweden die Altenversorgung zwar in der Regel vom Staat bezahlt wird, aber die Ausführung der Tätigkeiten und der Betrieb der Einrichtungen “dem Markt geöffnet” wurde, so dass Firmen mit den kommunalen Anbietern konkurrieren. Die Idee war vorrangig, dass die Angestellten selbst Einrichtungen übernehmen können und so der staatliche Apparat geschrumpft wird. Außerdem verprach man sich mehr Effektivität und Qualität im Pflege- und Gesundheitsbetrieb; als eine Studie neulich keine Bestätigung dafür fand, wurde versucht, sie verschwinden zu lassen, was wiederum ein Skandälchen für sich war.

Kritiker der Privatisierung in Pseudomärkten, die ganz vom Staat finanziert werden – bei schwedischen Schulen ist das ganz ähnlich – können sich von DNs Enthüllungen bestätigt sehen. Der private Pflegedienstleister Carema ist einer größten Firmen in diesem Bereich und macht anscheinend das Senken von Kosten zur obersten Priorität – ich erspare euch die Details der Zustände. Kurz gesagt scheffelt Carema Millionengewinne aus Steuergeldern, anstatt seinen Auftrag ordentlich auszuführen.

Außerdem gehört Carema einer Investmentfirma, die alles versucht, um in Schweden keine Steuern zu zahlen, inklusive Zuhilfename von Steuerparadiesen. Einmal abgesehen von der Frage, was Risikokapital in einem risikofreien, weil staatsfinanzierten Markt verloren hat, ist eine besondere Perversion an dieser Geschichte, dass schwedische Pensionsgelder über Fonds in Caremas Mutterkonzern angelegt sind. In anderen Worten: Heutige Pensionssparer verdienen (zum geringen Teil, aber dennoch) daran, dass die jetzigen Rentner länger in ihren nassen Windeln liegen.

Weil dieser Skandal mitten ins Herz der Regierung und ihrer Ideologie trifft, tut sie sich schwer damit. Und DN spielt das Spiel sehr gut, das Thema lange am Leben zu halten, indem man Stück für Stück immer mehr preisgibt (heute zum Beispiel, dass IKEA-Gründer Ingvar Kamprad auch kräftig investiert hat). Gestern kam dann endlich die politische Reaktion. Man will die Kontrollen verschärfen, sowohl im praktischen Betrieb als auch in den Regeln zum Geldfluss. Und die gesetzlichen Möglichkeiten, Missstände öffentlich zu machen, sollen auch verbessert werden, denn die Mitteilungsfreiheit gilt erst einmal nur für staatlich angestellte.

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Aufruhr unter Naturfotografen

Vor knapp zwei Wochen schrieb Gunnar Glöersen einen Blogeintrag beim Jägerverband, in dem er die Echtheit einiger Naturbilder von Terje Hellesø anzweifelte, die Luchse und andere Raubtiere zeigten. Sein Argument basierte nicht auf technischen Details in den Bildern, sondern auf seiner eigenen Erfahrung aus jahrelanger Arbeit mit Raubtieren, aufgrund derer er es für so gut wie unmöglich erachtete, dass der Fotograf an den angegebenen Orten so viel Glück hatte, die Tiere so oft vor die Linse zu bekommen.

Der Beitrag entpuppte sich als Stich ins Wespennest, denn Terje Hellesø ist einer der bekannteren Naturfotografen im Land, hat lange in dem Metier gearbeitet, wurde 2010 zum Naturfotograf des Jahres ernannt und ist einer der wenigen, die davon leben können. So kam es zu heftigen Reaktionen von anderen Fotografen, die Terje Hellesø zur Seite sprangen. Schließlich gehört Bildmanipulation ohne darauf hinzuweisen zu den schlimmsten Vergehen in diesen Kreisen und dass eine der Frontfiguren bewusst und systematisch täuschen würde, konnte sich keiner vorstellen.

Eine Rolle in der Debatte mit hunderten Kommentaren spielte auch, dass die Fälschungsvorwürfe von Jägern kamen und es wurden dabei allerlei Vorurteile zwischen vermeintlich naturliebenden Fotografen und schießwütigen Jägern sichtbar. Doch handfeste Beweise gab es zunächst keine und mit den Aussagen von Frau Hellesø und anderen, die bezeugten, die rohen Bilder in der Kamera gesehen zu haben, war die Naturfotogemeinschat kurz davor, die Sache beiseite zu legen, als Leute aus dem Internetforum Flashback sich detektivisch auf die Suche machten und in den Weiten des Netzes die Originale der Tierfotos fanden, die Hellesø in seinen Montagen verwendet hatte – Beispiel hier, mehr Links in der Zusammenfassung auf Flashback.

Damit war plötzlich glaubhaft bewiesen, dass Terje Hellesø nicht nur seine Fotos manipuliert hatte, inklusive eines der Gewinnerbilder des Naturfotograf 2010, sondern dazu recht plump die Bilder von anderen verwendet hatte. Es folgten Geständnis, tragische Radiointerviews und Schock unter Freunden und Fotografen. Schadenfreude und Parodien, die Luchse in allerei Bilder hineinmontierten, ließen auch nicht auf sich warten. Zusätzlich wurde die Geschichte von den Medien aufgegriffen und war eine Schlagzeile wert.

Mittlerweile erwägen diverse Naturfotovereine, Hellesø auszuschließen, und er ist wegen Betrugs angezeigt, denn seine behaupteten Sichtungen, nicht zuletzt des als Schadtier geltenden Marderhunds, führten zu unnötigen Maßnahmen der Regionalverwaltungen, die Bestände neu zu vermessen.

Über Hellesøs Motive kann man nur mutmaßen. Dass der Druck auf einem erfolgreichen Fotografen, sich selbst immer wieder zu übertreffen, hoch ist, kann ich mir jedoch schon vorstellen und sehe ihn eher als tragische denn verachtenswerte Figur in diesem Drama. Was mir dagen nicht ganz einleuchtet ist die Leichtgläubigkeit mit der die Naturfotogemeinschaft die Fälschungen jahrelang akzeptiert hat, denn im Nachhinein erscheinen sie ziemlich amateurhaft ausgeführt. Reputation schützt scheinbar vor Kritik – bis jemand von außerhalb des gewohnten Kreises daherkommt und nachfragt.

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