Das schwedische Wort skatt hat zwei Bedeutungen: “Schatz” und
“Steuer”. Um letztere soll es hier gehen, schließlich hört man immer,
Schweden habe so hohe Steuern. Wie also funktioniert das hiesige
Steuersystem?
Fangen wir mit der Inkomstskatt an, der Einkommensteuer. Die gliedert
sich in drei Teile, die Kommunalskatt, die Landstingskatt und die
Statlig inkomstskatt. Die ersten beiden zahlt jeder auf sein
verdientes Geld (die ersten 18.000 Kronen sind jedoch steuerfrei), wobei
die für die Kommunen bei etwa 20% liegt und an die kleinsten der
schwedischen Verwaltungseinheiten geht. Jede Region hat ein Landsting
(etwa “Provinzparlament”), das unter anderem für das Gesundheitswesen
zuständig ist und dafür etwa 10 (in Stockholm 12) Prozent Steuern
bekommt. Das macht zusammen also gut 30% Einkommensteuer, wobei das
regional um ein paar Prozent variiert
(Liste).
Für Einkünfte aus Kapital gibt es eine platte Steuer von 30% und auch
Unternehmer zahlen auf ihren Gewinn sogenannte Egenavgifter
(Eigenabgaben), die in ihrer Höhe auf diesem Niveau liegen.
Den dritten Teil der Einkommenssteuer, die “staatliche”, zahlt nur wer
mehr als 330.000 Kronen brutto pro Jahr verdient. Auf alles was über
diesen Betrag hinausgeht, kommen zusätzlich 20% Steuern; nochmal 5% mehr
zahlt man auf alles über 490.000 Kronen. Wer also mehr als eine halbe
Million Kronen im Jahr verdient, zahlt auf von jedem weiteren verdienten
Hunderter knapp 60 Kronen Steuern. Das nennt man dann die
Marginalskatt, die heutzutage niedriger ist als sie Ende der Siebziger
war. Damals zahlte man auf den zuletzt verdienten Hunderter bis zu 87%
Steuern. Wohlgemerkt ist die durchschnittliche Steuer auf die gesamten
Einkünfte weit geringer als die Marginalskatt, weil man auf die ersten
330.000 Kronen ja nur die 30% zahlt.
Ein Beispiel: Jemand verdient 30.000
Kronen brutto im Monat, also 360.000 pro Jahr. Darauf minus die 18.000
Grundavdrag zahlt man erst einmal die 30% Kommunal- und
Landstingskatt; das macht 102.600 Kronen. Auf alles über 330.000 kommt
noch die staatliche Einkommensteuer, also 20% auf 30.000 Kronen gleich
6000. Der Mensch zahlt also 108.600 Kronen Steuern, weniger als ein
Drittel des Gesamteinkommens.
Das war es im Prinzip mit der Einkommenssteuer. Steuerklassen gibt es
keine. Etwas komplizierter wurde es dadurch, dass die Regierung
Reinfeldt nach der Wahl den Jobbskatteavdrag (wörtlich
“Arbeitssteuerabzug”) eingeführt hat, dessen
Berechnung nicht ganz einfach ist,
einem aber vom Finanzamt abgenommen wird. Diese Steuererleichterung ist
gerade in der zweiten von vier Ausbaustufen und so angelegt, dass
prozentual Niedrigverdiener stärker begünstigt werden. In absoluten
Zahlen sind es jedoch die Besserverdiener, denen der Staat das meiste
Geld “schenkt”. Der Mensch im obigen Beispiel zahlt jetzt nur noch
90.000 Kronen Steuern, ab der vierten Stufe nur noch 80.000.
Was kann man von der Steuer absetzen? Für Privathaushalte gibt es drei
mögliche Avdrag: Wenn man mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit
fährt, kann man die Kosten, die 8000 Kronen im Jahr übersteigen,
absetzen. Dann kann man Zinsen absetzen, die man für seine Kredite
bezahlt (das macht die zur Zeit eh schon niedrigen
Zinsen
effektiv noch einmal um ein Drittel niedriger). Außerdem kann man
“haushaltsnahe Dienstleistungen” (Babysitter, Putzhilfen) und
Arbeitskosten für Handwerker absetzen, was diesen Branchen einen Boom
beschert hat, seit es diese Steuererleichterungen gibt.
Was gibt es neben der Einkommens- sonst noch für Steuern?
Die Kirchensteuer wurde 2000 abgeschafft, es gibt jedoch eine
Begravningsavgift (Beerdigungsabgabe) von knapp einem Prozent, die
zusammen mit der Kommunalsteuer abgeführt wird. Bis auf wenige Ausnahmen
erledigt die schwedische Kirche noch diese Aufgabe.
Mit der Mervärdesskatt oder Moms von 25% liegt Schweden am oberen
Ende der europäischen Skala, andererseits gelten die reduzierten Sätze
(12% bzw. 6%) auf recht viele Branchen/Produkte (z.b. Bücher), so dass
sich Schweden schon Kritik von der EU eingefangen hat, einen zu großen
mehrwersteuerfreien Markt zu haben.
Dann gibt es natürlich noch alle möglichen Verbrauchsteuern auf
bestimmte Dinge, so genannte Punktskatter. Dazu gehören Energie-,
Immobilien-, Vermögens-, Abfall-, Kohlendioxid-, Auto-, Tabak-,
Glücksspiel- und die Alkoholsteuer, deren jeweilige Höhe ich jetzt nicht
nachschlagen will.
Und was ist jetzt dran an der Behauptung, Schweden habe hohe Steuern? Um
das zu messen, gibt man meist den Prozentsatz an, den die
Steuereinnahmen im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt haben. Da liegt
Schweden mit 48% tatsächlich am oberen Ende der internationalen Skala.
Nur Dänemark liegt knapp darüber. In Österreich entsprechen die
Steuereinnahmen 42% des BNP, in Deutschland nur 36%.
Aus dem Jahrbuch der Steuerstatistik 2009
(PDF)
erfährt man auch, welche Steuern wie viel einbringen. Etwa ein Drittel
aller Steuereinnahmen kommen aus der kommunalen Steuer (die 30% aufs
Einkommen oben). Gut ein Fünftel kommen aus den Abgaben der Arbeitgeber,
die bisher noch gar nicht genannt wurden. Aus der Mehrwertsteuer kommt
fast genauso viel in die Staatskasse. Das restliche Viertel verteilt
sich auf die “kleineren” Steuern. Die staatliche Einkommenssteuer trägt
beispielsweise 3% aller Einnahmen bei, die Alkoholsteuer die Hälfte
davon.
Was halte ich persönlich voll alldem? Ich bin gern bereit, hohe Steuern
zu zahlen, wenn ich den Eindruck habe, dass alle davon profitieren.
Natürlich läuft im Detail auch in Schweden nicht alles hundertprozentig
und es wird auch Steuergeld verschwendet, doch ich finde nicht, dass
einzelne Missstände das eher positive Gesamtbild trügen können. Was das
Steuersystem angeht, so halte ich es nicht für einen “Dschungel”, den
man als Laie nicht durchblicken kann. Mit ein wenig Lesen und
Beschäftigung mit der Materie kann man das durchschauen. Deswegen gibt
es meines Wissens keinen großen Bedarf an Steuerberatern in Schweden.
Dazu kommt, dass das Skatteverket (Finanzamt) eine vorbildliche
Webseite hat und auch per Telefon
kompetente Auskünfte gibt. Ich höre eher selten Klagen von Schweden in
diese Richtung.
Disclaimer: Ich bin mir zwar recht sicher, oben keinen allzu
großen Unsinn erzählt zu haben, bin aber auch kein Steuerexperte. Zahlen
sind gerundet und nicht notwendigerweise aktuell bzw. alle aus dem
selben Jahr.