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Fight Club in Stockholm

Als Film mochte ich Fight Club.

In Stockholm gibt es auf einem Boot an Södermalm ein reales Pendant (E) dazu. Männer, die sich freiwillig mit blanken Fäusten auf die Rübe hauen bis einer blutend am Boden liegt. Andere Männer, die sich das gerne anschauen.

Natürlich ist das legal, schließlich geht es nicht um (verbotenes) Profiboxen, sondern um privat arrangierte Amateurkämpfe. Dass aus soetwas jedoch ein Event werden kann (inklusive prominenten Zuschauern), lässt die Frage aufkommen, ob die realweltliche Bedienung der morbiden Faszination an solchen Dingen die Grenze zur Barbarei überschreitet. Ich finde schon.

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Citymaut oder nicht?

Während die endgültige Auszählung (S) der Wahl am Sonntag noch andauert, scheint sich die Maut in Stockholm (wörtlich trängselskatt, Ballungssteuer) als erste Probe für die Wahlsieger herauszustellen. Wie bereits erwähnt haben die Leute aus Stockholm selbst zwar knapp für die Wiedereinführung der Maut gestimmt, die bis vor kurzem testweise eingeführt war und mit nummernschildlesenden Kameras an den Ein- und Ausfahrtstraßen der Innenstadt arbeitet.

Allerdings durften auch einige der angrenzenden Kommunen mit abstimmen und dort fiel das Votum negativ aus. Nimmt man alle Stimmen ungewichtet zusammen, landet man bei einer Ablehnung und es ist deshalb bei weitem nicht so sicher, dass die Maut wirklich kommt, wie die Tagesschau behauptet.

Die neue Chefin des Stadtrates – Bürgermeister gibt es nicht – von Stockholm, Kristina Axén Olin von den Moderaten, hat versprochen, dass sie dem Votum der Stockholmer folgen wird. Einige der neuen Regierungsparteien wollen (S) dagegen dem Gesamtergebnis Rechnung tragen. Es ist also nicht so einfach (S) und in der schwedischen Konsenskultur wird wahrscheinlich am Ende ein Kompromiss herauskommen.

Ganz nebenbei: Diejenigen, die Schwedisch können und die der Blick einer in Berlin lebenden Schwedin auf die vorgestrigen Wahlen dort und in Mecklenburg-Vorpommern interessiert, gehen bitte hier entlang.

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Schwedischer Impfstoff gegen AIDS?

Gestern präsentierten (S) schwedische Forscher vom Karolinska Institutet in Stockholm ihre Pilotstudie eines Impfstoffes gegen HIV, den Erreger der Immunschwächekrankheit AIDS. Es handelt sich um einen genetischen Impfstoff, der bei 34 von 38 gesunden Testpersonen eine Immunreaktion hervorrief, inklusive der Produktion von Zellen, die HIV-infizierte Zellen abtöten. Das ist ein großer Schritt vorwärts, denn bisher kann man AIDS lediglich eindämmen, nicht heilen.

Ein Impfstoff, der das menschliche Immunsystem auf eine HIV-Attacke vorbereitet und dagegen schützt, ist nobelpreisverdächtig. Bis es soweit ist, werden aber noch einige Jahre ins Land ziehen, denn dieses vielversprechende Resultat ist lediglich der Anfang einer Reihe von Studien, die u.a. in Tansania fortgesetzt werden sollen. Man kann noch nicht einmal sicher sein, ob der Impfstoff wirklich vor einer Neuinfektion mit HIV schützt, oder “lediglich” die Auswirkungen von AIDS mildert.

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Leiser Asphalt

Wenn man bewusst hinhört, stellt man fest, dass Straßenlärm zum Großteil aus dem Rollgeräusch der Reifen auf der Straße besteht. Was liegt also näher als “leiser Asphalt” anstatt Schallschutzwänden?

Ein entsprechender Versuch (S) auf einer Autobahn bei Stockholm wird sehr positiv bewertet. Neun Dezibel machen einen großen Unterschied und angeblich fühle man sich als Autofahrer wie plötzlich in Wolle eingepackt, wenn man auf den leisen Abschnitt kommt.

Technisch funktioniert das ganze durch eine zweilagige Struktur, die Eigenschaften einer Drainage haben und den Schall aufnehmen. Willkommener Nebeneffent ist, dass auch Wasser einfließen kann und zum Fahrbahnrand geleitet wird. Das verringert Aquaplaning und verbessert die Sicht bei Regen, weil es weniger Spritzwasser gibt.

Der Nachteil, wer hätte es gedacht, ist der Preis, sowohl im Aufbringen als auch im Unterhalt. Deswegen wird es auf absehbare Zeit keinen größeren Ausbau der leisen Strecken in Schweden geben. Holland ist da schon weiter: 70% des Wegenetzes sind schon heute leise und bis 2012 soll der Rest nachgeholt werden.

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Gratis drahtlos surfen in Stockholm

Ein ganz toller Service: In und um einen Park mitten in Stockholm (Kungsträdgården) wird man sehr bald umsonst drahtlos surfen (E) können. Die WiFi-Station soll 1Mbit Bandbreite haben und zunächst vorübergehend aufgebaut werden. Ich denke und hoffe aber, dass das sehr schnell ein Renner wird, nicht nur bei Einheimischen und Studenten, und dass das Gebiet ausgeweitet wird.

Anonym surft man aber nicht: Man muss sich im Netzwerk einloggen und den nötigen Zugangscode bekommt man, indem man eine SMS an eine bestimmte Nummer schickt. Außer dieser SMS kostet das Surfen nichts.

Umzugsgrund ist das für mich allerdings keiner, schließlich habe ich nicht einmal ein Handy. Außerdem habe ich in Uppsala vielerorts drahtloses Internet durch das Stundentennetzwerk.

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Bürgerliche Beerdigungen

Schweden ist säkularer und atheistischer als Deutschland. Das spiegelt sich auf viele Arten wider und ein Beispiel ist die Meldung (S), dass nichtreligiöse Beerdigungen immer häufiger werden. Seit 2001 hat sich die Zahl fast verdoppelt.

Im Großraum Stockholm ist der Anteil mit 10% am höchsten. Das ist natürlich noch keine Mehrheit, aber die Entwickling geht in die richtige Richtung. Kommunale Friedhöfe, die nicht an eine bestimmte Religion geknüpft sind, sind keine Seltenheit.

Kennt jemand den Prozentsatz nichtkirchlicher Beisetzungen in Deutschland?

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Stockholm Pride

Seit 1998 gibt es das Schwulen-, Bi- und Transsexuellen-Festival Stockhom Pride, das sich zu einem der größten Festivals in Stockholm gemausert hat und eine volle Woche andauert. Höhepunkt war die heutige Parade (S) quer durch die Innenstadt, an der rund 70 Wagen und 15.000 Menschen teilnahmen und weitere 100.000 zuschauten.

Ganz friedlich ging es jedoch nicht zu und es gab vereinzelte Meldungen von Gewalt (S) gegen Festivalbesucher, auch seitens rechter Gruppierungen. Das Thema Homophobie ist auch sonst in den schwedischen Medien: Probleme mit homophoben Lehrern (S) werden diskutiert und die Sozialdemokraten planen eine internationale Konferenz mit dem Thema “Hassverbrechen, Homophobie und Menschenrechte”.

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Citymaut in Stockholm zu Ende

Die Maut, die Anfang des Jahres in Stockholm eingeführt wurde, wurde hier schon zweimal erwähnt. Was ich damals allerdings vergaß zu erwähnen, ist, dass sie von vornherein als zeitbegrenzter Versuch angelegt war.

Dieser ist jetzt vorbei, und am Montag werden die Kameras, die an bestimmten Ein- und Ausfahrtstraßen Nummernschilder erfassen, abgeschaltet. Mitte September gibt es dann eine Volksabstimmung, bei der die Stockholmer entscheiden können, ob sie die Citymaut behalten wollen, oder nicht.

Das Projekt war wohl insofern erfolgreich, als dass der Verkehr in der Innenstadt um rund 20% abnahm. Auch die Akzeptanz hat sich erhöht und es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Kameras nach der Abstimmung wieder aktiv werden. Dass die Bürger die Wahl haben, ist natürlich eine gute Sache, es dürfen aber meines Wissens nur die teilnehmen, die direkt in Stockholm wohnen und somit vom verminderten Verkehr profitieren. Die ebenfalls betroffenen Pendler der Vororte bleiben außen vor.

Auch frage ich mich gerade, ob es schlau ist, den Versuch zu beenden, bevor abgestimmt wird. Falls es zu einem merkbaren Wiederanstieg des Verkehrs kommt, ist wohl ein Votum für die Maut wahrscheinlicher. Falls nicht kann es andererseits passieren, dass die jetzigen Befürworter sehen, dass es ohne auch nicht viel schlechter ist.

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Neues von den Piraten

Dass letzten Mittwoch die Server von thepiratebay.org beschlagnahmt wurden und sie damit aus dem Netz verschwand, habe ich ja schon geschrieben und auch versucht die ersten Reaktionen aufzufangen. Seitdem haben sich die Wogen zwar etwas geglättet, aber das Thema hält sich in den hiesigen Medien. Deswegen hier ein Update zu einigen Punkten:

  • Die Webseite thepiratebay.org ist schon seit Samstag wieder online. Die Betreiber hatten Backups ihrer Daten und nutzten die zahlreichen Hilfsangebote Außenstehender, um den Betrieb schon nach drei Tagen wieder aufzunehmen – diesmal auf mehrere Orte und Länder verteilt. Ganz im Stile früherer Frechheiten gegen juristische Androhungen zerschießt das Piratenschiff im Logo jetzt das Hollywood-Schild.
  • Die Interessenvertretung der amerikanischen Filmindustrie, die MPAA, soll nämlich Druck auf Schweden ausgeübt haben, die PirateBay zu schließen. Der schwedische Justizminister Thomas Bodström wurde beim Verfassungsausschuss angezeigt, der klären soll, ob dieser Einfluss auf die Polizeiaktion ausgeübt hat.
  • Am Samstag fanden unter anderem in Stockholm und Göteborg Demonstrationen gegen die Razzia statt. Es nahmen jeweils mehrere Hundert Menschen teil. Das klingt wenig, kann aber im demonstrationsfaulen Schweden durchaus als Erfolg gewertet werden.

  • Die Piratenpartei, die im Herbst zur Parlamentswahl antritt und sich neben einer Reform des Urheberrechts auch für den Schutz der Privatsphäre und gegen Überwachung einsetzt, hat starken Aufwind bekommen. Innerhalb weniger Tage verdreifachte sich die Mitgliederzahl auf über 6000, sie ist somit die stärkste Partei außerhalb des Parlaments und hat mehr Mitglieder als die meistem Jugendorganisationen der großen Parteien und fast so viele wie die hiesigen Grünen. Wenn das Thema während der rund 100 Tage bis zur Wahl aktuell bleibt, kann man auf das Abscheiden der Pirtatenpartei gespannt sein.

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Die schwedischen Rechtsradikalen

Das Thema Integration hat in letzter Zeit viel Aufmerksamkeit in Deutschland erfahren. In Schweden ist die Situation wieder einmal besser: Es wird viel für die Integration der Ausländer getan und es zahlt sich z.B. insofern aus, als dass die Kinder von Einwanderern in ihren schulischen Leistungen lange nicht so weit zurückliegen wie ihre “Kollegen” in Deutschland und somit weniger häufig Probleme auf dem Arbeitsmarkt haben werden. Auch die gefühlte Integration ist stärker und es kommt beispielsweise kaum vor, dass eine “ausländisch aussehende” Gruppe, die man auf der Straße trifft, nicht schwedisch miteinander spricht.

Erst heute morgen las ich (S) über das diesjährige Einwanderungsbarometer: 80% der Schweden finden es vorteilhaft für das Land, dass Menschen unterschiedlicher Kulturen miteinander gemischt werden, und neun von zehn Schweden wollen in Schweden lebenden Menschen die gleichen Rechte wie Schweden geben. Obwohl die Integration oft als unzureichend angesehen wird, geht der Trend zu mehr Akzeptanz von Ausländern. Der frisch zum Feiertag erhobene Nationaldagen am 6.Juni wird unter anderem dazu benutzt, neu eingebürgerte Willkommen zu heißen.

Also alles in Butter? Leider nein.

Denn es gibt sie auch in Schweden: Nationalisten, Xenophobe, Rassisten und, ja, auch Neonazis. Ein Professor an der hiesigen Uni Uppsala, der sich mit Integrationsfragen beschäftigt, wurde erst neulich Opfer eines rassistisch motivierten Angriffs. Es gibt auch Gruppen, die es gar nicht gern sehen, wozu der Nationalfeiertag genutzt wird (s.o.), und so gab es am Dienstag in Stockholm eine Demo der Rechtsextemisten. Es gab zwar eine Gegendemonstation der Linken, diese war aber kleiner. Die Polizei verhinderte Zusammenstöße der beiden Gruppen und nahm einen der Rechten wegen Volksverhetzung fest.

Die politische Partei der Nationalisten nennt sich Sverigedemokraterna, die “Schwedendemokraten”. Auf deren Agenda steht, wer hätte es gedacht, eine Rückbesinnung auf nationale Qualitäten, Begrenzung der Einwanderung, und so weiter – eben Schweden den Schweden in vielerlei Form. Obwohl sie in der wirklichen Politik eine sehr kleine Rolle spielen – sie kamen 2002 mit 1.4% der Stimmen nicht ins Parlament und sind nur in drei Kommunalvertretungen beteiligt – schaffen sie es regelmäßig in die Schlagzeilen.

Neulich wollten sie an Schulen Propaganda verteilen, was meines Wissens verhindert wurde. Entsprechende Postwurfsendungen wurden vorübergehend von Briefträgern boykottiert (S) und es gibt Aktivisten, die Aufkleber verteilen, die man sich an den Briefschlitz kleben kann, um keine solche Reklame zu bekommen und ein Zeichen zu setzen. Leider scheint es, als ob die Schwedendemokraten gerade bei (v.a. männlichen) jungen Menschen hinzugewinnen können und eine nicht-repräsentative, internetbasierte Testwahl (S) unter 15- bis 21-jährigen, die heute bekannt wurde, sah die Schwedendemokraten mit über 10% als drittstärkste Partei.

Dass die Wahl im Herbst so ausgeht ist zwar sehr unwahrscheinlich, trotzdem ist die Existenz und Sichtbarkeit der schwedischen Rechten betrüblich. Erfreulich ist es andererseits, dass ihr Rückhalt in der breiten Bevölkerung gering ist und viele ansonsten unpolitische Schweden aktiv und böse werden, wenn man sie auf die Schwedendemokraten anspricht.

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