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Feige

Der “Right Livelihood Award”, auch “alternativer Nobelpreis” genannt, wird von einer Stiftung in Stockholm vergeben und normalerweise schmückt sich das Außenministerium mit der Auszeichung und gibt ihn mit bekannt. Heuer jedoch nicht, was aller Vermutung nach am Preisträger liegt, Edward Snowden.

Ole von Uexkull, der Initiator des Preises, drückt es korrekt aus:

Als die Preisträger von kleinen und schwachen Ländern kamen, setzte sich Schweden für Werte wie Demokratie und Menschenrechte ein. Es wäre angebracht gewesen, für diese Werte auch gegenüber mächtigeren Staaten einzutreten. (Quelle, Übersetzung von mir)

Mehr dazu zum Beispiel bei Heise.

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Aus der Politik

In letzter Zeit ist wenig passiert in der schwedischen Politik. Fredrik Reinfeldt von den bürgerlichen Moderaterna regiert weiter in Minderheit und mit eingeschränktem Handlungsspielraum. Dies als Stabilität im kriselnden Europa und als Politik der ruhigen Hand darzustellen, hat eine Weile gut funktioniert, mittlerweile mehren sich jedoch die Stimmen, die der Regierung Ideenlosigkeit vorwerfen.

Stark kritisiert wurde Reinfeldts Aussage zu “ethnischen Schweden”. Auch wenn er ihn lediglich im Zusammenhang mit der hohen Arbeitslosigkeit unter Einwanderern, gegen die man mehr tun müsse, verwendete, spielt dieser Begriff den nationalistischen Schwedendemokraten (SD) in die Hände, die davon ausgehen, dass es ein wohldefiniertes “Schwedentum” gibt, das es zu schützen gilt. Bisher zeichnet sich nicht ab, dass SD eine Eintagsfliege im schwedischen Parlament wird. Die Umfragen sehen sie stabil über der 4%-Hürde, von der auch die drei kleineren Parteien in Reinfeldts Allianz nicht weit entfernt sind.

Nach Juholts Rücktritt haben die Sozialdemokraten unter Stefan Löfven die Einbußen in den Umfragen wieder wettgemacht und würden wieder stärkste Partei werden, wenn heute Wahl wäre. Allerdings tun sie sich schwer damit, aus dem Carema-Skandal Kapital zu schlagen. Die Rolle von Firmen im Gesundheits-, Betreuungs- und Ausbildungssektor wird weiterhin heftig diskutiert; eine gute und praktikable Lösung wie man verhindert, dass auf diesem Weg Steuergelder direkt in große Unternehmensgewinne fließen, hat derweil noch niemand. Damit dürfte eines der Wahlkampfthemen für 2014 schon jetzt feststehen.

Im Zusammenhang mit den Waffengeschäften mit Saudi-Arabien kam auch die Frage auf, inwiefern schwedische Firmen Diktaturen Telekommunikationsausrüstung verkaufen dürfen, die dann zur Überwachung von Bevölkerung und Opposition genutzt wird. Konkret wurde bekannt, dass sowohl Ericsson als auch Telia Sonera an Weißrussland liefern. Die politische Dimension war hierbei weniger, ob das alles legal war, sondern welchen moralischen Kompass die Firmen (staatlich oder nicht) anlegen und ob dieser einer Justierung bedarf.

A propos Überwachung: Schweden hat ohne großes öffentliches Interesse die Vorratsdatenspeicherung eingeführt.

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Schlechte Nachrichten fürs Netz

Gestern und heute kamen zwei für schwedische Netznutzer betrübliche Meldungen. Ein Mann wurde wegen Bruch des Urheberrechts verurteilt, weil er auf einen Video-Stream zu einem Hockey-Spiel bei Canal Plus gelinkt hat. Richtig gelesen, er hat nichts geschütztes weitergegeben oder verbreitet, sondern lediglich einen Link zu Canal Plus veröffentlicht, der in keiner Weise per Passwort oder ähnlichem geschützt war.

Die andere Nachricht betrifft die Vorratsdatenspeicherung. Wir erinnern uns, dass Schweden die umstrittene europäische Richtlinie bisher nicht in nationales Recht umgesetzt hat und sich dafür schon einen Rüffel aus Brüssel eingefangen hat. Jetzt da die Wahlen vorbei sind, ist es also an der Zeit, unpopulären Dinge durchzubringen und heute wurde der Gesetzesvorschlag vorgestellt. Dieser ignoriert – von der mangelnden Nützlichkeit einmal ganz zu schweigen – sowohl, dass die EU-Kommission unter der schwedischen Kommissarin für Inneres, Cecilia Malmström, die Richtlinie mittlerweile Kritisch sieht und auf den Prüfstand stellt, als auch die Empfehlung des Expertenausschusses, der empfiehlt, nur die Mindestanforderungen umzusetzen. Der Vorschlag von Justizministerin Ask geht nämlich über die Richtlinie hinaus und will zum Beispiel auch nicht zustandegekommene Telefonate und die Aufenthaltsorte von Teilnehmern speichern.

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Streetview-Panik in Deutschland

Was ist denn bitte gerade in Deutschland los? Panikmache wie hier oder hier, bloß weil jemand systematisch fotografiert, was eh jeder Passant zu sehen bekommt und auch Bilder von machen darf?

Mich braucht man ja normalerweise nicht lange überzeugen, wenn es darum geht, neue Überwachungsmaßnahmen und Eingriffe in die Privatsphäre von Menschen zu kritisieren. Doch bei Streetview verstehe ich es nicht. Hauswände sind doch dazu da, das private vom Öffentlichen zu trennen. Drinnen privat, außen öffentlich. Deswegen darf jeder Tourist in Ruhe seine Fotos in Städten schießen und dieser öffentliche Raum ist auch wert, verteidigt zu werden, unabhängig davon, ob im Internet oder anderswie. Jedenfalls scheint im Medienrummel gerade die taz als einzige Vernünftig geblieben zu sein.

In Schweden gab es damals kurz Diskussionen, bevor Gesichter von Passanten herausgefiltert wurden, generell werden die Straßenbilder jedoch freudig akzeptiert. Hierzulande waren sogar zwei einheimische Firmen schneller als Google.

Nachtrag 100819: Noch einmal die taz: Wie Schweden Streetview feiert.

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Feigheit bei den Vorratsdaten

TAZ und Heise kommentieren das EU-Urteil, das sich Schweden letzte Woche eingefangen hat. Es geht um die auch in Deutschland viel diskutierte und zur Zeit vor dem Verfassungsgericht verhandelte Vorratsdatenspeicherung, die von der letzten schwedischen Regierung auf EU-Ebene mitverursacht und hierzulande immer noch nicht in ein nationales Gesetz umgesetzt wurde. Der Gesetzesvorschlag soll seit langem jeweils “in ein paar Monaten” vorgelegt werden, jedoch seit neuestem nicht mehr vor der Wahl im Herbst.

Ich teile die Ansicht der Artikel oben, dass man in beiden politischen Lagern Angst vor einer neuen Debatte zu Eingriffen in die “persönlichen Integrität” (das Schlagwort hierzulande) hat. Das FRA-Gesetz ist nicht vergessen und es liegt auf der Hand, dass die Diskussion über die de facto totale Überwachung des Kommunikationsverhaltens aller der Piratenpartei genug Auftrieb geben könnte, im September in den Reichstag zu kommen. Im EU-Parlament sitzen schließlich schon zwei schwedische Piraten. Eine zusätzliche Partei im schwedischen Parlament würde die Regierungsbildung wegen des voraussichtlich geringen Abstands der beiden Blöcke “interessant” machen und das möchten die etablierten Parteien gern vermeiden. Man nimmt dafür lieber den Rüffel aus Brüssel in Kauf.

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Ansikten

~~Wer das möchte, kann sich neuerdings hier im Blog neben seinen Kommentaren ein Bildchen anzeigen lassen. Dazu muss man sich bei Gravatar anmelden und sein Bild derselben Email-Adresse zuordnen, die man hier beim Kommentieren angegeben hat. Dann funktioniert das auch nachträglich, wie z.B. hier. Wollt’s nur gesagt haben…~~

Doch dann fiel mir wieder ein, dass dann ja jeder Zugriff hier auch die Bilder von deren Seite nachladen würde und somit jeder Fiket-Leser an Gravatar “verraten” würde. Das ist mit meinem Anliegen, die Privatsphäre meiner Besucher bestmöglich zu wahren, natürlich unvereinbar und deswegen sind die Bildchen wieder weg. In diesem Zusammenhang sei übrigens auch einmal erwähnt, dass ich die IP-Adressen der Besucher nicht speichere, sondern schon im Webserver wegwerfen lasse.

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Zur Bundestagswahl

Wie gesagt habe ich schon gewählt und es ist an der Zeit, zu erzählen was und warum. Schließlich ist übermorgen Wahl!

Wie soll man sich entscheiden? Man kann zum Beispiel Tests wie den Wahl-O-Mat oder, besser, Wen wählen? machen, um die eigenen Ansichten mit denen der Parteien zu vergleichen. Mein Ergebnis passte zu dem, was in meinen Briefwahlumschlag liegt: In der wichtigeren Zweitstimme habe ich die Piratenpartei gewählt.

alttextAus mehreren Gründen. Zum einen habe ich hier im Ursprungsland der mittlerweile in vielen Ländern existierenden Piratenparteien den Aufstieg der schwedischen recht aufmerksam verfolgt und gesehen, wie erfolgreich sie ihre Themen in die öffentliche Diskussion gebracht und damit die anderen Parteien gezwungen haben, sich damit zu beschäftigen und ihre bisherige Haltung zu überdenken.

Die prinzipiell richtige Kritik an einer Partei mit sehr schmalem Programm wiegt deshalb weniger schwer. Man wird mit seiner Stimme für die Piraten ihnen keine eigene Mehrheit geben, sondern mit einem guten Ergebnis, auch wenn es unter der Fünf-Prozent-Hürde bleibt, dafür sorgen, dass die Forderungen der Piraten mehr Gewicht bekommen. Und verdient haben sie das allemal.

  • Der Abbau der Grundrechte, um für mehr falsche Sicherheit zu sorgen, bereitet mir seit Jahren echte Sorgen. Vorratsdatenspeicherung, Bundestrojaner, Videoüberwachung, biometrische Pässe, geheime Zensur durch das BKA und aktuelle Forderungen, immer weiter in diese Richtung zu gehen, brauchen endlich mehr Widerspruch.
  • Hinter die Forderung einer transparenten Regierung kann ich mich voll und ganz stellen. Jeder Schritt in Richtung des schwedischen Öffentlichkeitsprinzips ist zu begrüßen.
  • Open Access, also das mit öffentlichen Geldern finanzierte Forschungsergebnisse auch allen frei zugänglich sein sollen, anstatt dem Urheberrecht der wissenschaftlichen Verlage zu unterliegen, liegt mir als Teil der Forschungswelt auch sehr am Herzen.

  • Und dass das Urheberrecht wegen der neuen Kommunikationsmöglichkeiten über das Internet einer Reform bedarf, kann ich auch unterschreiben.

    Dazu kommt, dass sich die etablierten Parteien ziemlich ohne Ausnahme so kritikresistent erweisen, wenn es um Themen der Informationsgesellschaft geht, dass man nicht umhin kommt, eine gewisse Unehrlichkeit zu unterstellen. “Zensursula” der letzten Monate ist das beste Beispiel.

    Deshalb habe ich die Piraten gewählt und vielleicht tut es mir übermorgen der ein oder andere Leser ja gleich.

    Zum Abschluss, nach dem Klick, noch ein paar Links zu Texten und Videos zum Thema.

  • Die österreichische Sicht aufs seltsame Deutschland.

  • Andere persönliche Wahlbegründungen: eins, zwei, drei
  • Videos: Wahlwerbespot, Du bist Terrorist, Warum ich die Piraten wähle

  • Zu den Vorwürfen gegen die Piraten, rechts zu sein

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Das Stockholmer Programm

Zur Zeit tagen die europäischen Justiz und Innen- bzw. Migrationsminister hier in Stockholm. Zur Diskussion steht das “Stockholmer Programm” mit unter anderem neuen, verbesserten Richtlinien für Flüchtlinge, die nicht in allen Mitgliedsländern gleich gut behandelt werden. Außerdem geht es um die Ausweitung der grenzüberschreitenden Polizeiarbeit und Sicherheitspolitik.

Vor allem zu letzterem wird einiges an Kritik laut. Es wird befürchtet, dass wieder einmal das Terrorismus-Argument herangezogen wird, um weitere Überwachungs- und Kontrollmechanismen einzuführen.

Und weil andere dies schon ausführlicher beleuchtet haben, hier nur noch ein paar Links zum weiterlesen: 1, 2, 3, 4, 5, 6

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Farbe bekennen

Die Wahl zum EU-Parlament hat begonnen. Holland hat schon gewählt (leider falsch ); in Deutschland, Österreich und Schweden ist Sonntag Wahltag, auch wenn hierzulande schon viele von der Möglichkeit Gebrauch gemacht haben, bei einem der Vorab-Wahllokale vorbeizuschauen, die seit gut zwei Wochen geöffnet sind.

Vorab für all die, die nicht bis zu Ende lesen wollen: Geht wählen! Wenn euch keine der Parteien passt, macht die Stimme ungültig. Das geht mit in die Rechnung ein – im Unterschied zur nicht abgegebenen Stimme.

Es folgen wie versprochen ein paar Gedanken zur wichtigen Frage, was man denn wählen soll – natürlich aus meiner eigenen Perspektive. Zuallererst muss man sich, finde ich, klarmachen, dass nicht die Politik zur Abstimmung steht, die die Parteien bezüglich des Verhältnisses zwischen dem eigenen Land und der EU vertreten. Stattdessen geht es darum, welche Politik man künftig von der EU sehen will. Dass sich, gerade in Schweden, viele Menschen und auch einige Parteien noch nicht damit abgefunden haben, dass Politik von der EU kommt, die jeden betrifft, sollte eigentlich keine Rolle spielen. Tut es aber natürlich doch, denn ich finde es widersinnig, eine Partei, deren Programm für “weniger EU” und mehr “Eigenständigkeit” der Nationen steht, ins EU-Parlament zu wählen. Es geht darum, bessere EU-Politik zu machen, nicht weniger.

Weiterhin ist wichtig zu bedenken, dass die europäischen Parteien sich zu Fraktionen zusammenschließen, die meist gemeinsam abstimmen. (Fraktionszwang gibt es jedoch keinen.) Folgende fünf Parteigruppen sind für die deutschen und schwedischen Parteien relevant.


Parteigruppe Sozialdemokraten Christdemokraten/Konserv schwedische Socialdemokraterna ative Partei(en) SPD Moderaterna, deutsche Partei(en) Kristdemokraterna CDU, CSU


Man stimmt also indirekt auch immer für die Parteien aus den anderen Ländern, die im gleichen Block sitzen wie die “eigene” Partei. Das bedeutet zum Beispiel, dass jeder, der konservativ (CDU/CSU bzw. Moderaterna oder KD in Schweden) wählt, auch für die italienische Popolo della Libertà von Berlusconi stimmt, bei der seit Kurzem auch die Neofaschisten dabei sind. Das ist für mich genauso ausgeschlossen wie andere rechtspopulistische Parteien.

Wenn es um Wirtschaftsfragen geht, bin ich im Grunde Sozialdemokrat. Mit der schwedischen SAP habe ich aber zwei Probleme. Zum einen waren die schwedischen Sozialdemokraten damals treibende Kraft bei der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung und haben aus meiner Sicht die falsche Haltung zu Urheberrechts- und Überwachungsfragen. Zum anderen gehören sie zu denen, die sich im Grunde unsicher sind, wie gut die EU für Schweden eigentlich ist. Frei bewegliche Arbeitskraft, einer der Grundpfeiler der europäischen Einigung, sehen sie als Bedrohung für das “schwedische Modell” der Tarifverträge.

Die hiesigen Linken wollen Schweden ganz aus der EU austreten lassen, stehen also außer Frage.

Was ist mit den Grünen? Wenn ich mich aus dem schwedischen Wählerregister aus- und ins deutsche eingetragen hätte, hätte ich wahrscheinlich grün gewählt. Die hiesigen Grünen haben sich aber gerade erst dazu durchgerungen, die schwedische EU-Mitgliedschaft überhaupt gutzuheißen. Sie sind gegen den Euro und den Vertrag von Lissabon, was zwar eigentlich keine für diese Wahl relevanten Fragen sind, sie mir aber extrem unsympathisch macht. Außerdem sind sie sehr links und eher mit dem Fundi-Flügel der deutschen Grünen zu vergleichen. Andererseits haben sie (neben den offensichtlichen Unweltfragen, in denen sich die schwedischen Parteien aber weitgehend einig sind) weniger Überwachung und eine Reform des Urheberrechts auf dem Programm, um privates Filesharing zu legalisieren.

Internetfragen scheinen in Deutschland gerade erst mit der “Zensursula”-Debatte in die Allgemeinheit durchzudringen. In Schweden ist man da etwas weiter. Die FRA-Debatte, das PirateBay-Urteil und das IPRED-Gesetz waren jeweils wochenlang Schlagzeilen wert und haben die Piratenpartei hervorgebracht, wie wohl den Einzug ins EU-Parlament schaffen wird (s.u.). Mit deren Programm stimme ich zwar völlig überein, habe aber trotzdem zwei Probleme mit ihnen. Zum einen ist es eine Ein-Fragen-Partei, die zu allem außer dem Schutz der Privatsphäre und der radikalen Reform der Urheber- und Patentsysteme keine Stellung beziehen. Auch wenn ich diese Fragen für lange vernachlässigt und wichtig halte, gibt auch andere wichtige Themen. Die Piraten wollen im Parlament entweder der Gruppe der Grünen oder den Liberalen beitreten und in allen anderen Fragen mit dieser Gruppe abstimmen, was ich wiederum für akzeptabel halte. Allerdings stellen sich die Piraten gegen den Lissabon-Vertrag, was erstens unnötig ist, weil das keine Frage des EU-Parlamentes ist und der Vertrag von Schweden schon ratifiziert ist, und zweitens die Piratpartei nach eigener Aussage als Nachfolger der EU-kritischen Juni-Liste platziert, die in der letzten EU-Wahl drittgrößte schwedische Partei wurde und für mich unwählbar ist.

Bleiben die Liberalen. Wenn man mit “liberal” die Stärkung der Bürgerrechte und Freiheiten meint, bin ich dafür zu haben. Wenn man damit die neoliberale Dereglierung der Märkte meint, dann nicht. Ich finde es ein wenig absurd, dass dieselbe FDP, die den Schlamassel der Banken- und Wirtschaftskrise mit ihrer Politik mitverursacht hat, in Deutschland immer bessere Umfragewerte bekommt. Das schwedische Pendant Folkpartiet ist jedoch weniger marktliberal und hat mit die beste EU-Politik.

Schweden hat noch eine zweite Partei, die in der liberalen Gruppe im EU-Parlament landen wird: Die Centerpartiet bezeichnet sich selbst als “sozial-liberale grüne Partei”. In der Tat kann man sie die zweite grüne Partei Schwedens nennen (auch gegen Kernkraft) und sie haben in den Fragen der Piratenpartei glaubwürdig ähnliche, wenn auch weniger radikale Positionen wie diese vertreten. Außerdem behauptet der EU-Profiler, sie liege mir am nächsten. Dass das Zentrum gegen die Einführung des Euro in Schweden ist, spielt ja wie gesagt bei dieser Wahl keine Rolle. Bei einer Wahl zum schwedischen Reichstag würde ich sie (wenn ich dürfte) nicht wählen.

Bei alldem ist noch gar nicht berücksichtigt, dass bei der Wahl die Direktstimmen auf dem Wahlzettel viel genutzt werden und man “seinen” Kandidaten ins Parlament schicken kann. In der Tat sind die EU-Parlamentariker recht frei und ein überzeugender Kandidat kann trotz “Fehlern” seiner Partei gute Arbeit leisten. Auf die einzelnen Kandidaten werde ich jetzt nicht noch eingehen, aber ich habe mit Interesse deren Antworten auf Bürgerfragen gelesen, die man im EU-Portal von DN findet.

Summa summarum bleiben mir zwei Möglichkeiten:

  • Piratenpartei wählen und die Kandidatin auf Platz Zwei ankreuzen. Ich habe Amelia Andersdotter vor einiger Zeit kurz getroffen und trotz ihres jungen Alters von 21 Jahren teilt sie die Torheit ihrer Partei und des Kandidaten auf Platz Eins nicht, den EU-Vertrag abzulehnen. Nebenbei würde ich die grüne Parteigruppe stützen (wenn die Piraten diese auswählen) ohne für die schwedischen Grünen stimmen zu müssen. Sollten sie bei den Liberalen landen, deckt sich das mit der zweiten Wahlmöglichkeit:
  • *Centerpartiet* oder *Folkpartiet* wählen, wahrscheinlich eher erstere. Die entscheidende Frage ist wohl, ob ich die Themen der Piraten für wichtig genug halte, für eine Ein-Frage-Partei zu stimmen (was ich an sich für problematisch halte), oder ob ich ihren ohne Frage existierenden Einfluss auf die etablierten Parteien schon ausreichend finde.

    Zuletzt noch zu den [aktuellen Umfragen](http://www.dn.se/polopoly_fs/1.884775!synovate.swf) in Schweden: Acht Parteien scheinen die 4%-Hürde zu nehmen. Die Sozialdemokraten (26%, 5 Sitze), die Moderaten (22%, 5 Sitze), Grünen und Folkpartiet mit je 11% (2 Sitze), Linke, Zentrum, Christdemokraten und Piraten mit je um die 6% und einem Sitz. Die Piraten werden also eher nicht drittstärkste Partei wie [einige behaupten](http://www.taz.de/1/politik/europa/artikel/1/piraten-werden-ins-eu-parlament-einziehen/), scheinen aber ihren Platz im EU-Parlament in der Tasche zu haben. Ich habe kurz nach einer Umfrage/Vorhersage für die Wahl in Deutschland gesucht, aber keine gefunden – seltsam. Wie wählt ihr und warum?
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Befangener Richter im PirateBay-Prozess

Die Verkündung des harten Urteils im Prozess um die Torrent-Suchmaschine The Pirate Bay hat seit letzter Woche große Wellen geschlagen. Es gab spontane Demonstrationen mit über 1000 Menschen (das ist viel für Schweden und für so ein recht kompliziertes Thema) und die schwedische Piratenpartei, die sich neben einer Reform des Urheberrecht auch gegen Überwachung einsetzt, hat ihre Mitgliederzahl seit dem Urteilsspruch mehr als verdoppelt.

Mit 35.000 Mitgliedern ist sie jetzt Schwedens viertgrößte Partei und bekommt derweil genug Aufmerksamkeit für ihre Kampagne zur Europawahl in ein paar Wochen, dass es nicht mehr so unwahrscheinlich scheint, dass sie ins Europaparlament einzieht.

Heute morgen kam eine weitere kleine Sensationsnachricht: Das schwedische Radio berichtet, dass es gute Gründe gibt, den Richter des PirateBay-Urteils, Tomas Norström, als befangen anzusehen:

  • Er ist in seiner Freizeit Mitglied in zwei Vereinen, die sich für den Schutz des Urheberrechts einsetzen, in einem davon Vorstandsmitglied.
  • Die Anwälte der Anklage sind dort auch Mitglied.
  • In einem Auftrag neben seiner Richtertätigkeit hat Norström genau die Vertreterin der amerikanischen Filmindustrie, die im Prozess dabei war, zur Kollegin. Andere Richter, Staranwalt Leif Silbersky und Rechtsprofessoren äußern sich kritisch und sehen dies als klaren Fall von Voreingenommenheit – eine Beurteilung, die der Richter natürlich nicht teilt. Ob der Prozess neu aufgerollt wird, ist noch unklar. Klar ist jedoch schon, dass solche Meldungen denjenigen Aufwind geben, die den Prozessausgang und die immer restriktiveren Gesetze zum Dateientausch im Internet im immer selben Licht sehen: Nämlich dass der schwedische Staat bei diesen Themen williger Mitarbeiter der amerikanischen Film- und Musikindustrie ist. *Nachtrag:* Jetzt auch [bei Heise](http://www.heise.de/newsticker/Pirate-Bay-Prozess-Lobby-Vorwuerfe-gegen-den-Richter--/meldung/136614)
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