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Piraten auf der Straße

Die schwedische Piratenpartei, die sich für eine radikale Reform des Patent- und Urheberrechts und für den Schutz der Privatsphäre einsetzt, organisiert wieder wieder einmal Demonstrationen. In Stockholm und in Lund geht man heute zum Anlass der Razzia gegen die Pirate Bay vor einem Jahr auf die Straße.

Das Motto ist Respekt vor dem Büger – Hört auf, uns zu bespitzeln und die Kritik richtet sich sowohl allgemein gegen mehr Überwachung als auch konkret gegen die damals wie heute schlecht begründete Beschlagnahme der Server, inklusive unbeteiligter Hardware von anderen Firmen und Vereinen, die nie zurückgegeben wurde. Die Razzia hat bis heute nicht zu einer Anklage geführt.

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Alkohol am Steuer

Heute in den schwedischen Nachrichten: Der Anteil der Verkehrstoten mit Alkoholeinfluss ist von 34 im vorletzten auf 42 Prozent im letzten Jahr angestiegen. Man sieht Überschriften wie “Immer mehr tödliche Unglücke mit Alkohol”.

Was in den Artikeln nur kurz oder gar nicht Erwähnung findet, ist, dass alle anderen Unglücksursachen zurückgehen und Alkohol als Unfallursache nicht wächst, sondern in absoluten Zahlen “lediglich” nicht abnimmt und deshalb einen größeren Anteil der Gesamtzahl bekommt. Natürlich will ich niemanden in Schutz nehmen, der so dumm ist und betrunken Auto fährt, aber ich finde es verzerrt, die Statistik auf diese Weise darzustellen und nach einem zehnprozentigen Anstieg aussehen zu lassen.

Natürlich werden auch gleich wieder die Rufe nach Alkoholschlössern laut. Dabei geht es um eine technische Sicherung, die ein Auto stilllegt, wenn der Fahrer nicht bewiesen hat, dass er nüchtern ist. Das funktioniert bisher eher schlecht als recht per regelmäßigem Atemtest, aber es werden zukünftige Systeme angedacht, die die Luft im Auto automatisch prüfen oder das Verhalten des Fahrers überwachen. Damit würde man, wie bei allen pauschalen Überwachungsmaßnahmen, zwar wieder einmal die Beweislast auf jeden einzelnen abwälzen und über 99% der Leute wegen einer Minderheit gängeln, aber vielleicht haben wir uns ja alle bis dahin brav an diese Einstellung gewöhnt.

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Google gegen schwedische Überwachungspläne

Auch wenn Google selbst großer Datensammler ist und ich immer ein wenig skeptisch bin, wenn Firmen der Politik sagen wollen, was sie zu tun habe, haben die Leute von Google natürlich recht, wenn sie sagen, dass die schwedischen Überwachungspläne eher zu Diktaturen passen, als zu einer Demokratie. Google werde keine Server in Schweden betreiben, wenn der Vorschlag Wirklichkeit werde, um die Privatsphäre der Benutzer nicht zu gefährden, indem Daten an schwedische Behörden weitergegeben werden, die diese nicht einmal betreffen müssen.

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Überwachung vom Tisch - vorerst

Was ist eigentlich aus den Überwachungsplänen der schwedischen Regierung geworden? Zur Erinnerung: Man will der Radioanstalt der Streitkräfte (Försvarets Radioanstalt, FRA) erlauben, jegliche Telekommunikation über die schwedischen Grenzen hinweg abzuhören. Kritik daran ist zahlreich. Weder kann man im Internet Inland und Ausland trennen, noch sollen die gewonnenen Informationen ausschließlich geheimdienstlich verwendet werden, noch hat es Konsequenzen, dass laut Politikeraussagen schon ohne Rechtsgrundlage abgehört wird, noch ist überhaupt der Bedarf für mehr Überwachung gut motiviert, noch sollte man den im internationalen Vergleich schon sehr schlechten Schutz der Privatsphäre in Schweden weiter aushöhlen.

Initiiert wurde das fragliche Gesetz von der vorigen sozialdemokratischen Regierung und deren Innenminister Bodström, dessen Name ähnlich wie in Deutschland Schily und heute Schäuble sprichwörtlich für den Abbau von Freiheitsrechten verwendet wird. Dass ausgerechnet Bodström und seine Partei Bedenken wegen der Verletzung der Privatsphäre anmeldeten und sich jetzt dazu durchgerungen haben, die Verhandlungen mit der Regierung abzubrechen und ihre Sperrminorität im Parlament zu nutzen, um das Gesetz für ein Jahr auf Eis zu legen, ist seltsam.

Vielleicht sieht man in der Opposition ja die Gefahren klarer und gönnt den Machthabern diese Möglichkeiten nicht. Die bürgerliche Regierung prangert diesen Sinneswandel verständlicherweise an. Der Aufschub ist – unabhängig von der Motivation dahinter – natürlich gut, bedeutet er doch ein Jahr mehr Zeit für die Überwachungsgegner, Bewusstsein in der Bevölkerung für dieses Problem zu wecken. Selbiges ist nach einer neuen Studie unter schwedischen Jugendlichen trotz hoher Technikkompetenz leider nicht sehr ausgeprägt.

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Lokalnachrichten

Zwei kurze Meldungen aus Uppsala, die mir neulich unterkamen.

  • Neben Upplands Museum direkt am Flüsschen Fyrisån wurde in letzter Zeit ein neuer kleiner Park gebaut. Weiß jemand noch was dort vorher war? Auf jeden Fall gab es Streit darüber, wie der Park heißen soll. Jetzt haben sich die Konservativen in der Gemeindeverwaltung durchgesetzt und den Namen Rosénparken beschlossen. Namensgeber ist Nils Rosén von Rosenstein (S), Medizinprofessor und Rektor der Uni Uppsala im 18. Jahrhundert. Außerdem war er einer der Lehrer Carl von Linnés.

  • Immerhin müssen Überwachungskameras noch behördlich genehmigt werden, aber diese Genehmigung wird immer öfter erteilt (S). Wurde 2000 noch sieben Antragstellern aus der Region Uppsala erlaubt, Kameras aufzustellen, waren es 2006 schon 23. Immer mehr kleine Geschäfte wollen ihre Kunden überwachen, nicht mehr nur Banken und Industriebetriebe. Ich war letzte Woche in einem der hiesigen Gymnasien und fand die zahlreichen Kameras dort ziemlich abstoßend. Man darf vor allem nicht vergessen, dass Überwachung kein wirksames Mittel (S) gegen Kriminalität ist.

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Kurz notiert

Ein kleiner, wie immer subjektiv ausgewählter, Überblick über die schwedischen Nachrichten der letzten Tage:

  • Fredrik Robelius hat gestern seine Doktorarbeit hier in Uppsala verteidigt. Sein Thema: Peak Oil, also die Frage bis zu welchem Zeitpunkt die weltweite Ölproduktion mit dem steigenden Bedarf mitwachsen kann und wann das Maximum erreicht wird, ab dem die Produktion zwangsläufig wieder abnimmt. Robelius’ Ergebnis, dass dieses Maximum schon nächstes Jahr erreicht wird, schaffte es in die schwedischen Medien. Ich hatte vorgestern die Gelegenheit, dem Vortrag seines Opponenten zum gleichen Thema zuzuhören. Wichtig bei der Diskussion ist, sich bewusst zu sein, dass das Öl nicht zu Ende geht, sondern “lediglich” die Produktion nicht mehr gesteigert werden kann. Auch wenn also erst in etwa die Hälfte des weltweiten Öls gefördert wurde, können die Auswirkungen verheerend sein, wenn die Produktion mit dem weiter wachsenden Bedarf nicht mehr mithalten kann.
  • Nur England^1^ geht noch fahrlässiger mit der Privatsphäre seiner Bürger um als Schweden. Dass gerade Deutschland Schweden in dieser Hinsicht einiges voraus hat (oder eben glücklicherweise dem Trend zur Überwachung hinterherhinkt), ist bekannt, aber auch in Schweden scheinen die Datenschützer wieder mehr Gehör zu finden. Eine Untersuchungskommission des Parlaments hat ihren Bericht vorgelegt und äußert harte Kritik an den Gesetzesvorlagen und Reformen der letzten Jahre. Der Schutz der persönliche Integrität der Bürger spiele in vielen Fällen eine untergeordnete Rolle. Weiter bei Radio Schweden.
  • Forschungspolitik. Entgegen vollmundiger Ankündigungen einer Erhöhung der Forschungsgelder, stellt sich jetzt heraus, dass stattdessen weniger Geld (S) zur Verfügung steht. Angesichts eines Haushaltsüberschusses und massiver Steuersenkungen ist das schwer verständlich. Zusätzlich sollen die Regeln zur Geheimhaltung von Forschungsergebnissen gelockert werden, damit Firmen, die sich an Forschungsprojekten beteiligen, vorrangige Verwertungsrechte eingeräumt werden können. Wissen unter Verschluss zu halten, gerade wenn es aus Steuergeldern finanziert wurde, ist aber grundsätzlich problematisch. Man sieht an beiden Punkten, dass die nicht-angewandte Grundlagenforschung, die vom Staat finanziert werden muss, bei der bürgerlichen Regierung keine sehr hohe Stellung einnimmt.
  • Bei der Hochtechnologie ist Schweden jedoch weiterhin ganz vorne. In einer neuen Rangliste zu Vernetzung, Informations- und Kommunikationstechnologien sind mehrere Länder am letztjährigen Spitzenreiter USA vorbeigezogen. Dänemark und Schweden findet man jetzt auf den ersten beiden Plätzen. Deutschland liegt auf Platz 16. Mehr bei Heise.
  • Im schwedischen Handel wird zu Ostern [doch nicht gestreikt](http://www.sr.se/Ekot/artikel.asp?artikel=1284166) (S). Obwohl es zunächst hieß, der Dachverband der Arbeitgeber [wehre sich gegen](http://www.fiket.de/2007/03/28/streik-an-ostern/) den ausgehandelten Vertrag, wurde er jetzt doch unverändert unterschrieben und bringt den Angestellten in den kommenden drei Jahren durchschnittlich 12,6% mehr Lohn. ^1^Wer mehr über die Situation in Großbritannien wissen will, lese [das entsprechende Dossier der ZEIT](http://www.zeit.de/2007/03/Big-Brother?page=all).
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Zu früh gefreut?

Neulich kam die Meldung, dass die Überwachungspläne der schwedischen Regierung vorerst vom Tisch seien, weil die Sozialdemokraten mit Hilfe der Minoritätsklausel im Parlament das Gesetz um ein Jahr auf Eis legen lassen wollten. Das war überraschend, war doch Thomas Bodström, der ehemalige Innenminister der Sozialdemokraten, seinerseits für Einschränkungen der Freiheitsrechte zugunsten der “Sicherheit” bekannt.

Diese Meldung hat vor allem eines bewirkt: dass die öffentliche Diskussion zu dem Thema abflaute. Was schon vermutet wurde (S), wurde jetzt bestätigt, nämlich dass die Sozialdemokraten sich nicht prinzipiell gegen die Pläne sträuben, sondern auf eine Einigung mit der Regierung (S) aus sind, deren Ergebnis schon im Sommer in Kraft treten könnte. Sie schlagen ein unabhängiges Kontrollgremium vor, das den Missbrauch der Überwachungsmöglichkeiten verhindern soll.

Das ist zu wenig, schließlich ändert es nichts an der Tatsache, dass ohne Verdacht im Einzelfall erst einmal alles abgehört und damit massiv in die Privatsphäre der Bürger eingegriffen werden soll. Einmal erhobene Daten wecken Begehrlichkeiten von anderen Behörden und einmal eingeführte Maßnahmen wird man schwer wieder los.

Wie Oberpirat Rick Falkvinge anmerkt (S) bräuchte es jedoch nur vier Parlamentarier die ihre Karrieren aufs Spiel setzen und aus der Regierungskoalition dissertieren, um die grundlegenden Freiheiten in der offenen und demokratischen Gesellschaft zu verteidigen. Eine leider ziemlich unwahrscheinliche Hoffnung.

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Überwachung vertagen?

Es tut sich etwas bei den Überwachungsplänen der schwedischen Regierung. Ein der eigenen IT-Experten der Regierung meldet sich zu Wort und zweifelt (S) die technische Trennung von In- und Auslandskommunikation an. Die FRA, die Radioanstalt der schwedischen Armee, die die geplanten Überwachungen durchführen soll, darf aber nicht im Inland abhören. Sowohl bei Internet- als auch Telefonverbindungen sei wegen der globalen Vernetzung die Trennung von In- und Ausland schlicht unmöglich.

Außerdem besteht die reelle Chance (S), dass die Opposition eine Vertagung des geplanten Gesetzes um ein Jahr erzwingt. Sechzig der 349 Parlamentarier sind dazu nötig und die Linkspartei strebt dies zusammen mit den Grünen an. Auch Thomas Bodström von den Sozialdemokraten spricht sich für den Aufschub der Abhörpläne aus, damit das Thema mehr Leuten bewusst werde. Das ist insofern überraschend, dass Bodström als ehemaliger Innenminister bei vielen Synonym für die Einschränkung von Freiheitsrechten war – ganz ähnlich Herrn Schily in Deutschland.

Nachtrag: Der Nachbar Finnland zeigt sich ebenfalls besorgt (S) über die schwedischen Abhörpläne, schließlich geht viel von der finnischen Kommunikation mit dem Rest der Welt via Schweden. In Finnland ist die Vertraulichkeit von Kommunikation stark geschützt und die Netzbetreiber sind sogar gesetzlich verpflichtet, sicherzustellen, dass die angebotenen Fernmeldedienste nicht abgehört werden.

Schade, dass Finnisch so schwer ist.

Nachtrag, 12.3.07, 23:40: Die Sozialdemokraten sind auf die Linie der Grünen und der Linkspartei eingeschwenkt (S) und streben die einjährige Vertagung an, um eine ordentliche Prüfung zu ermöglichen, bevor per Gesetz Tatsachen geschaffen werden. Gute Neuigkeiten.

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Unbeschränkte Überwachung

Ein kurzes Update zur geplanten Überwachung von Telekommunikation in Schweden.

Kritiker der Pläne hatten klare Regeln gefordert, wann abgehört werden darf, was abgehört werden darf und wer Zugang zu den erhobenen Daten bekommt. Die Regierung lehnt das jedoch ab und im aktuell diskutierten Gesetzesvorschlag kommen solche Beschränkungen nicht vor (S).

Wenn das durchgeht, darf also einfach alles abgehört werden. Die Einschränkung, dass nur Kommunikation mit dem Ausland betroffen sein soll, ist lächerlich, denn sogar Emails an das staatliche Fernsehen SVT werden erst einmal zu einem Dienstleister in England geschickt (S) zwecks Spamfilterung. Wer würde sich dann nicht zweimal überlegen, ob er auf sein Recht auf Anonymität vertraut und den Medien einen Skandal verrät?

Es gibt seit vorgestern eine Unterschriftensammlung gegen die Abschaffung des Privatlebens, die schon 1600 Schweden unterzeichnet haben.

Nachtrag, 14:45: Ich wurde darauf hingewiesen, dass die Unterzeichner der Petition vorwiegend Männer sind. Ich habe stichprobenartig gezählt und kam auf 14% Frauenanteil. Meines Wissens weichen die Anzahl männlicher und weiblicher Internetnutzer nicht mehr weit voneinander ab, das kann also nicht der Grund sein. Ist die Ablehnung des Überwachungsstaates typisch männlich? Ist es typisch männlich, solche Aufrufe zu unterzeichnen? Ist Frauen das Thema egal? Wird der Link dorthin über “männliche Netzwerke” weitergereicht?

Gilt diese Beobachtung auch für Deutschland? Es scheint so: Bei einer Stichprobe der Wahlmaschinenpetition vom Herbst kam ich auf 10% Frauenanteil.

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