Wie angekündigt war ich heute in Stockholm auf der Demonstration gegen die Überwachungspläne von Telefon und Internet der schwedischen Regierung. Weil der Zug verspätet war, verpasste ich zwar den ersten Redner, reihte mich aber für die anderen drei in die schätzungsweise 200 Besucher der Kundgebung ein. Mit mehr hatte angesichts der Jahreszeit und der Demonstrationsfaulheit der Schweden wohl keiner gerechnet. Nach 45 Minuten war alles vorbei und es wurde das Lied über den großen Bruder FRA gespielt.
Hat sich die kurze Reise trotzdem gelohnt? Ich fand schon, vor allem wegen der Rede von Rickard Falkvinge (siehe Bild), des Vorsitzenden der Piratpartei (S), die die Demonstration zusammen mit den Jugendverbänden der Liberalen und der Linkspartei organisiert hatte. Menschen, über deren Politik man wohlwollend schreibt, einmal gesehen und gehört zu haben, ist nicht das Schlechteste. Mein Eindruck: Er ist ein guter Redner, weiß wovon er spricht und kann seine Forderungen pointiert herüberbringen.
Ich lernte auch noch einige Details zum Thema dazu, die mir bis dahin unbekannt waren. So ist zum Beispiel von Anfang an vorgesehen, dass nicht nur die abhörende Militärbehörde selbst Zugang zu den Informationen bekommt, sondern auch andere Behörden. Das Außenministerium möchte sogar am liebsten alle die im Auge behalten, die der Regierung “unbequem” werden könnten.
Ebenfalls neu war mir, dass Journalisten in Schweden nicht wie in anderen Ländern nur das Recht haben, ihre Informanten anonym zu halten, sondern sogar dazu verpflichtet sind. Die unschätzbar wichtige Möglichkeit der Bevölkerung, sich anonym an Medien zu wenden und auf Missstände hinzuweisen, würde durch die geplante Überwachung praktisch abgeschafft.
Anfang der Siebziger flog das Informationsbyrån auf, eine bis dato selbst dem Parlament unbekannte schwedische Geheimdienstorganisation, die vermeintlichen Kommunisten und Linksaktivisten nachspürte und sie überwachte. Zur so genannten IB-Affäre wurde erst 2002 ein Abschlussbericht vorgelegt, der laut Falkvinges Aussagen genau die Lehren aus der Sache vorschlägt, die schon ein Jahr später mit den Vorläufern der aktuellen Vorschläge über Bord geworfen wurden.
Mir bleibt abschließend nur, den Rednern beizupflichten, wenn sie fordern, dass solche Abhörszenarien in Orwells 1984 gut aufgehoben sind, aber in einer offenen und pluralistischen Gesellschaft nichts verloren haben.