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Herbststimmung

Ich bin mir nicht sicher, ob ich es übertrieben finde, oder ob ich zustimme. Sobald es, wie jetzt gerade, im August ein paar Tage lang kühl und regnerisch ist, hört man von allen Seiten leicht melancholische Äußerungen über das Ende des Sommers.

Ganz falsch ist es nicht, der Herbst liegt in der Luft, es riecht danach. Sandalenwetter ist nicht mehr, auch wenn die Sonne scheint. Kräftskivor, die Gruppen mit neuen (Austausch-)Studenten in der Stadt, der wieder erstarkte Flogsta-Schrei, der halb ausverkaufte Supermarkt (die meisten Schweden sind gerade aus dem Urlaub zurück), die Dohlen über der Stadt: alles hösttecken – Boten des Herbstes.

Ich hatte auf jeden Fall einen guten Sommer und hoffe ihr auch.

Für mich hat heute die Uni wieder angefangen. Ich besuche den Intensivkurs Pedagogik för universitetslärare, auf dass ich meine Studenten in Zukunft besser -quäle- unterrichte. Bei der Vorstellungsrunde wurde wieder einmal sehr deutlich, wie viele junge Akademiker in Schweden Kinder haben: geschätzte 70% der teilnehmenden Doktoranden beiderlei Geschlechts. Wenn jemand Zahlen aus Deutschland kennt, bitte melden, aber ich würde den Anteil auf unter 20% schätzen.

Wie oft ich wegen des Kurses bis Anfang September dazu komme, hier zu schreiben, wird sich zeigen…

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Wort der Woche: Rebusrally

Rebusar sind (Bilder-)Rätsel und eine rally ist eine Rallye. Was man sich unter einer Rätselrallye vorzustellen hat, werde ich im Folgenden zu erklären versuchen. Ich war nämlich am Samstag bei einer dabei und zwar bei der 87. Rally Monte Carl.

Die RMC findet jedes Semester statt und wird von einer der Studentnationen hier in Uppsala veranstaltet, in diesem Fall von Värmlands. Ganz nationstypisch ist die Rallye eine Mischung aus akademischem Anspruch und fröhlichem Blödsinn. Jedes Team besteht aus mehreren Leuten mit Fahrzeug, in der Regel ein mit 9 Leuten vollbesetzter Minibus. Gut 20 solcher Teams brechen morgens um 6 Uhr auf, um den ganzen Tag lang Rätsel zu lösen, die sie durch die weitere Umgebung von Uppsala führen.

Das läuft so ab, dass man an jeder Station einen Zettel mit dem Rätsel bekommt. Die Lösung ist dann der nächste Ortsname, zu dem man fahren muss. Und die Rätsel haben es in sich. Sprachwitz, um die Ecke denken und geschickte Zuhilfenahme der Dinge von der Ausrüstungsliste sind gefragt. Rätselbeispiele am Ende des Artikels. Kommt man nicht auf die Lösung, hat man mehrere Möglichkeiten: Man kann zum Beispiel die Notlösung aus dem versiegelten Kuvert aufreißen. Tut man dies, bekommt man Strafpunkte und diese gilt es natürlich generell zu vermeiden. Die schwereren Rätsel haben auch ein Hilfe-Kuvert, dessen Inhalt einen auf den richtigen Weg zur Lösung bringen kann und nicht so viele Punkte kostet wie die Lösung. Selbst wenn man gezwungen war, das Lösungskuvert zu öffnen, gilt es immer noch das Rätsel zu verstehen, denn es müssen auch schriftliche detaillierte Beschreibungen des Lösungswegs eingereicht werden. Lässt man das bleiben, gibt es wieder Punkte.

Damit wird die zweite Möglichkeit weiterzukommen weniger vorteilhaft, nämlich sich an eines der anderen Teams zu hängen und zum nächsten Rätsel hinterherfahren, wenn man selbst steckengeblieben ist. Es kam vorgestern einige Male vor, dass an der ersten Weggabelung nach einem neuen Rätsel eine ganze Gruppe mit Minibussen stand, die nur darauf wartete, dass das erste Team es löst oder aufgibt und das Lösungskuvert öffnet. Versuche, die anderen zu verwirren, gehören dann natürlich auch dazu.

Nach jedem Viertel der Gesamtstrecke, also nach je etwa 5 Rätseln, kommt man zu einer bemannten Kontrolle, wo man seine Lösungen abgibt und wo die Zeit für eine Pause angehalten wird. Hat man zu lange gebraucht gibt das auch Punkte, aber es geht nicht wirklich um ein Rennen auf Zeit. Sowohl positive als auch negative Abweichungen von der großzügig bemessenen Idealzeit sind schlecht. Es ist wichtiger, die Rätsel zu lösen und alle möglichen Punkte zu vermeiden, als schnell zu fahren. Wärhend der Pausen muss man als Team noch andere Aufgaben lösen, die natürlich wiederum in die Punktewertung einfließen. Das Spektrum der Spiele reichte von Schach bis Süßigkeitenzielspucken.

Zwei weitere Möglichkeiten, Punkte abzubauen waren die Spielkarten (das Thema dieses Semester waren Karten und Asse), die vereinzelt am Straßenrand verteilt waren und nach denen man ebenso Ausschau halten musste wie nach den Dingen, von denen man beim Start Fotos bekam und deren Koordinaten aufzuschreiben waren. Selbst wenn man die Aufgaben im Minibus geschickt verteilt, haben alle den ganzen Tag zu tun und man kommt spätnachmittags erschöpft am Ziel an.

Abends essen (und trinken) dann die knapp 200 Teilnehmer zusammen im Nationshaus, die Rätsel werden aufgelöst und die Preise vergeben. Die wichtigste Platzierung ist dabei nicht der erste Platz, sondern welches Team am höchsten liegt, das noch keine Rallye vorbereitet hat. Dieses ist nämlich im kommenden Semester dran mit Ausrichten und das ist richtig viel Arbeit. Wir kamen 4 Plätze unter dieses Team, also lagom. Die Motivation und Einstellung der Mannschaften ist sehr unterschiedlich und reicht von Mittvierzigern, die seit Ewigkeiten dabei sind und es aufs Gewinnen anlegen, bis zu weniger seriösen wie meinem Team, das vor allem Spaß an der Sache haben wollte und natürlich auch hatte.

Ich kann jedem, dem sich die Möglichkeit bietet, nur empfehlen, an so einer Rebusrally teilzunehmen. Meine Beschreibung wird dem Geschehen sicher nicht gerecht. Und jetzt endlich zum Wichtigsten der Rebusrally, den Rätseln.

Zum ersten habe ich die Lösung beschrieben. Weitere gern in die Kommentare, aber nicht alle rebuar sind ohne die richtigen Hilfmittel lösbar. In ein paar Tagen löse ich den Rest auf. :)

Ein Rätsel
Zwei “na” gehen rückwärts. Altmodisch ist zwei “tu” auf Schwedisch, also “tu na backar”, oder der Ort Tuna Backar.

Ein Rätsel
Dieses Rätsel war das schwerste des ganzen Tages. Vom “englischen König” sollte man auf das Buch von Steven King kommen, das auf der Ausrüstungsliste stand. Die Kinder der Akrobaten und der Anonymen sind die “Akronyme” woraufhin man sehen sollte, dass das, was diese sagen mit den Buchstaben ISBN anfängt. Und wenn man aus der ISBN-Nummer des Buches mit Hilfe der anderen Aussagen die richtigen Zahlen herausnimmt und diese in Buchstaben übersetzt, hat man die Lösung. Völlig unmöglich, fand ich, aber es gab Teams, die darauf kamen.

Ein Rätsel
V ist ein Buchstabe, schwedisch bokstav. Und bokstav minus (bok+v) ist sta. Eine Kerbe, die sie das Blatt hat ist auf schwedisch ein hack, die Lösung ist also Hacksta.

Ein Rätsel
“Folge allen Regeln der Kunst, wie siebzehn. Mal zehn. Minus zehn.” Das gibt 160 und wenn man die 160. Regel aus dem Buch übers Schreiben, das man dabei hatte, nachschlug, erfuhr man, dass man Zahlen mit kleinen Buchstaben schreibt (oder so ähnlich). Wenn man die Dreiergruppen jeweils durch die ausgeschriebene Zahl ersetzt, kann man in der einen Spalte Nåsten lesen. Das ist die Lösung, denn einer von dreien reicht ja.

Ein Rätsel
Hier gibt es drei Gruppen von Leuten, die in unterschiedlicher Zahl Teams bilden, die zu einem bestimmten Ort fahren. Man muss darauf kommen, dass man die Regeln von Mastermind anwenden muss, also dass die drei Gruppen für “ganz falsch”, “richtig, aber falscher Platz” und “völlig richtig” stehen, so dass man mit den Buchstaben der jeweiligen Orte sich die Lösung zusammenbauen kann.

Ein Rätsel
Das war ein einfaches, auf das wir trotzdem nicht kamen. Eine alte Regel dieser Rally ist, dass W nie zählt, weil es kein Buchstabe des schwedischen Alphabets ist. Das stimmt zwar nicht mehr, aber die Regel gilt weiter. Streicht man die W, ist immer noch eins übrig, nämlich ausgeschrieben: dubbelv. Streicht man auch das, bleibt nur die Lösung Norsta übrig.

Ein Rätsel
Dieses war auch eine harte Nuss, aber mit der Hilfestellung kamen wir darauf. Man muss die drei Ländernamen Polen, Nigeria und Kamerun im zweiten Absatz finden und diese dann mit Hilfe einer (siebzehn Monate alten, daher der Hinweis im dritten Absatz) Fußball-Liste, die man mitbekam, in Platzierungen umwandeln, die man wiederum in Buchstaben übersetzt (1=a, 2=b usw.), um auf die Lösung zu kommen.

Ein Rätsel
Bei diesem Rätsel musste man, wie so oft, genau das wörtlich tun, was da steht, nämlich “x zur Lösungszeit legen/hinzufügen”. Faltet man das Blatt so, dass das x auf die 2 oben rechts kommt, ergeben die dicken Striche Til, wenn man durch das Blatt hindurchschaut. Ziemlich genial.

Ein Rätsel
Hier galt es zuerst zu erraten, wer Jenny, Christopher und Carl sind. Jenny Lind, Christopher Polhem und Carl von Linné sind auf den schwedischen Geldscheinen zu finden, die ebenso dabeizuhaben warn, wie eine Lupe. Denn die im Text erwähnte, vierte Person ist dann natürlich Selma Lagerlöf auf dem 20-Kronen-Schein. Und wenn man zu ihrer Linken mit der Lupe auf den vermeintlichen Strich schaut, sieht man, dass das Text ist. Wenn man, wie verlangt “vik” an das letzte Wort hängt, hat man die Lösung Sandvik.

Ein Rätsel
Dieses Rätsel ist etwas schwerer zu erklären. Man hatte eine “Zeitung” dabei, die die Veranstalter gemacht hatten, und die einige der oben erwähnten Hilfsmittel enthielt. Es galt zu wissen, was wann relevant ist. Zwischen den Texten verteilt waren Bilder von Zwergen, die jeweils vier Spielkarten hochhielten. Die Worte auf dem Rätsel, z.B. Kluter, sind Zusammenzetzungen aus je zwei der vier Farben eines Kartenspiels, auf schwedisch sind diese hjärter (Herz), klöver (Kreuz, wörtlich Klee), ruter (Karo), spader (Blatt, wörtlich Spaten). “Kluter” ist also ein Hinweis, die Zahlen von Kreuz und Karo des ersten Zwerges zu nehmen, sie zusammenzuzählen und noch eins dazuzugeben. Spielt man dieses Spiel weiter und übersetzt dann die Zahlen wieder in Buchstaben hat man die Lösung.

Ein Rätsel
Hier gilt es wieder, wörtlich zu denken. Die Antwort ist Uppsala, aber man wirft nichts hoch, sondern verwirft “upp”. Und wenn man dann noch den ersten Buchstaben weglässt, kommt man auf Ala. Das war wohl das einfachste Rätsel des Tages.

Ein Rätsel
Hier musste man sich daran erinnern, dass im oben erwähnter “Zeitung” ein Text über Richthofen stand. Obiges ist also eine Übersetzung desselben in irgendeine Sprache. Man musste aber mit Hilfe dieses Schlüssels nur drei Worte übersetzen, nämlich “viktigare än resan”. Schließlich ist das das Ziel und steht außerdem über “SATT”, schwedisch “över satt”, also “översatt” = “übersetzt”. Da kamen wir nicht drauf.

Ein Rätsel
Hie habe ich die Lösung vergessen, aber es ging darum, die “Asse”, schwedisch ess, sowohl als Karten zu deuten als auch als die Buchstaben “s”. Die Buchstaben über den s-en aus der vierten Zeile galt es unter anderem zu verwenden.

Ein Rätsel
Wieder ganz wörtlich nehmen: Die Antwort ist “dyrbart, och inte så lätt”. Nimm heraus “och byt, slå in det rätt”. Wenn man also letzteres aus ersterem streicht, bleibt Ar übrig, ein Ort in der Nähe von Uppsala und die Lösung.

Ein Rätsel
In oben genannter “Zeitung” gab es ein Buchstabenrätsel, in dem man Musikinstrumente senkrecht, waagrecht und diagonal fand. Wenn man die im Rätsel angegebenen auch noch darin findet und dann nur die Buchstaben nahm, die überhaupt nicht verwendet wurden, kam man auf die Lösung.

Ein Rätsel
Das Bild zeigt eine Gangschaltung. Und wo der Rückwärtsgang sein sollte, steht “abo”. Rückwärts fahren heißt auf schwedisch backa – die Lösung ist also Backabo.

Ein Rätsel
Man braucht “Hilfe” mit der Lösung. In der “Zeitung” gab es einen kurzen Text über das Beatles-Album “Help!” und dessen abgedrucktes Cover. Dort zeigen die fab four in bestimmte Richtungen – die im Rätsel mit Buchstaben versehen sind. Die richtigen sind sogar noch eingekreist zu erkennen. Björkby ist also die Lösung, denn W zählt ja nicht.

Das war alles, bis auf dass mir ein Zettel abhanden gekommen ist. Im nachhinein kommen einem die Rätsel nicht mehr so unmöglich vor, aber ich kann versichern, dass knapp 200 Leute an diesem Tag sich ganz schön den Kopf darüber zerbrochen haben.

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Foto-"Wettbewerbe"

Seit die digitale Revolution durch die Fotowelt gefegt ist, gibt es viel mehr ambitionierte Amateure, die nicht selten zu sehr guten Ergebnissen kommen. Ich glaube manchmal, mich und meine Fotos da auch mitrechnen zu können, aber das sollen andere beurteilen.

Auf jeden Fall gibt es immer wieder schlaue Menschen, die lieber versuchen, dieses Potential an Amateurfotos zu nutzen, anstatt einen Fotografen zu bezahlen. Das fängt damit an, dass man Anfragen bekommt, ob jemand die eigenen Fotos für irgendetwas verwenden darf (meine darf man, unter diesen Bedingungen), und geht damit weiter, dass Leute aus dem Bekanntenkreis zu geizig sind, einen Profi für ihre Hochzeit anzuheuern.

Eine unpersönlichere und – wie ich finde – besonders freche Methode, die Amateure anzuzapfen, sind Fotowettbewerbe. Dort sieht man oft, dass man mit dem Einreichen von Bildern unbegrenzte Nutzungsrechte an den Veranstalter abtritt. Der Wert dieser Bilder ist beträchtlich, denn man kann davon ausgehen, dass Leute ihre besten Bilder einreichen. Dieser Wert liegt weit über den ausgeschriebenen Preisen, auch wenn diese mittlere dreistellige Eurobeträge beinhalten. Schließlich bekommt der Veranstalter alle eingereichten Bilder zum Preis von einigen wenigen und ein Großteil der Fotografen verschenkt seine Fotos.

Ein schönes Beispiel kam mir heute unter: Die technisch-naturwissenschaftliche Fakultät hier in Uppsala ruft ihre Studenten und Doktoranden zum Fototävling auf und möchte Bilder in den Kategorien Forschung im Fokus, Technisches und naturwissenschaftliches Studium, Studentenleben und Gemeinschaft und Studenten und Arbeitswelt. Dass dabei tolles Material für Broschüren, Werbung und die Internetseiten zusammen kommt, ist nicht schwer zu erraten. Auf meinen Hinweis, dass ich die Abtretung der Nutzungsrechte für frech halte, erhielt ich die Antwort, dass das gleiche auch bei von der Uni beauftragten Berufsfotografen gilt. Das stimmt natürlich, aber die verlangen dafür ordentliches Geld und werden nicht gebeten, etwas zu verschenken.

Aber selbst wenn ich diese Art der Fotobeschaffung für unfair halte, sowohl gegenüber den Amateuren als auch den von Aufträgen beraubten Berufsfotografen, ist so ein Wettbewerb natürlich keine “Abzocke”. Es steht ja da, was die Bedingungen sind und keiner wird zur Teilnahme gezwungen. Trotzdem fürchte ich, dass viele gute Amateure ihre Bilder zu leichtfertig anderen zum Geldverdienen überlassen, und finde, dass diese Art aus den Studenten Kapital zu schlagen einer “altehrwürdigen” Universität nicht gut zu Gesicht steht.

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Wort der Woche: Friskola

Wer in den letzten Wochen in Schweden unterwegs war, dem dürfte sie nicht entgangen sein, die Werbung für Gymnasien. Zum Beispiel ist die U-Bahn in Stockholm voll davon. Werbung für Schulen ist auch in Schweden noch nicht alt und hat doch schon ihre eigenen zweifelhaften Methoden hervorgebracht. Das Ködern von Schülern mit Versprechen von Reisen oder eigenen Laptop-Computern wurde für nicht legitim erklärt und auch die direkte Werbung per SMS an Schüler erntete harte Kritik.

Wie kam es dazu und warum sind Schüler plötzlich so heiß begehrte Kunden? Der Hintergrund sind private, von Firmen geführte Schulen, euphemistisch als “freie Schulen”, schwedisch friskolor, bezeichnet. Diese gibt es prinzipiell schon eine ganze Weile in Schweden, aber erst unter der aktuellen bürgerlichen Regierung erfahren sie einen regelrechten Boom (mehrere hundert Schulen) mit Schwerpunkt Stockholm, weil die Politik die Gründung von Schulen und die Privatisierung von kommunalen Schulen ermuntert. Letzteres ist zunächst einmal ärgerlich, weil Schulen oft unter Wert abgegeben werden und so effektiv ehemalige Steuergelder in die Privatwirtschaft fließen und vom Bürger bezahlte gemeinschaftliche Ressourcen verschwendet werden.

Das System mit freien Schulen funktioniert dann folgendermaßen. Jeder Schüler bestimmt über die Wahl der Schule, wohin das staatliche Geld für seine Ausbildung fließt. Freie und kommunale Schulen bekommen gleich viel Geld pro Schüler – es geht also zunächst einmal nicht um Schulen wo Eltern zusätzlich bezahlen müssen. Das mag gerecht klingen, allerdings haben die kommerziellen Schulen den nicht zu unterschätzenden Vorteil, sich ihre Schüler aussuchen zu können. Das führt nicht nur zu einer Abgrenzung von reich und arm – entsprechend für Deutschland sehr schön beschrieben in diesem ZEIT-Artikel – sondern benachteiligt zusätzlich die kommunalen Schulen, die ihre Ressourcen verstärkt auf die Unterstützung schwächerer Schüler aufwenden müssen anstatt sie fürs Anwerben und Verhätscheln der “Elite” zu benutzen. Aus eben diesem Grund bekamen kommerzielle Schulen bis zum Regierungswechsel noch weniger Geld pro Schüler.

Nun behaupten Verfechter der freien Schulen, dass diese mehr leisten fürs gleiche Geld. Schließlich geht es für sie mit der Schüleranzahl ums Überleben und angeblich setzen sich dann beim Kunden Schüler diejenigen durch, die Qualität bieten. Statistiken, die das belegen sollen, zeigen, dass im Durchschnitt die Noten auf freien Schulen besser sind und dass mehr Abgänger dann auf die Uni gehen. Ersteres lässt sich aber schon alleine durch die Auswahl der Schüler erklären und dazu kommt noch, dass Freischulen im Verdacht stehen, gerade wegen des Erfolgsdrucks eine mildere Benotung anzulegen, um gut dazustehen. Zentralabitur gibt es in Schweden nicht.

Die allgemeine Schule, inklusive Schulpflicht, ist eine Errungenschaft der Zivilisation und sicherlich eines der Dinge für die die meisten gerne bereit sind, Steuern zu zahlen. Was Schweden jetzt also tut, ist, diese Steuergelder immer mehr an gewinnorientierte Firmen zu vergeben anstatt eigene Schulen unterhalten zu wollen. In gewisser Weise ist es also Staatswirtschaft ohne die Vorteile derselben, nämlich der Kontrolle. Natürlich müssen sich die kommerziellen Schulen auch an die vom Staat vorgegebenen Lehrpläne halten und es gibt eine Schulaufsicht (schw. Skolverket). Diese hat jedoch nur Ressourcen für sporadische, zudem meist angekündigte Kontrollen, die auch nur selten ernsthafte Konsequenzen haben. Die Politik ist sich des Problems bewusst und es gibt Pläne für härtere Kontrollen. Das gilt insbesondere, wenn geschlossene Interessensgruppen Schulen betreiben wollen. Beim Gedanken, was Schüler auf einer Schule der Nationaldemokraten oder einer religiösen Sekte, die die Bibel für wortwörtlich wahr hält, lernen, graust es nicht wenigen. Als Beispiel ein kurzes Zitat aus dem Bericht des Skolverket von 2002 über die Schule von Livets Ord:

Es ist sehr schwer, eher unmöglich, bei einem Betrieb, der so stark von Autoritätsglauben und subtilen Strafandrohungen bei Zweifeln geprägt ist, zu behaupten, dass es wirklichen Platz für die schiere Möglichkeit gäbe, eine von der Glaubensgemeinschaft abweichende Ansicht zu haben. (Übersetzung von mir)

Und diese Ansicht beinhaltet unter anderem Kreationismus oder dass Homosexualität eine Sünde ist. Die Schule von Livets Ord unterrichtet bis heute ungestört; es sind jedoch öfter Schulen von und für Muslime und die Angst vor deren Radikalisierung, an die man denkt, wenn man religiöse Weltanschauungen im Unterricht verbieten will.

Es dürfte nicht schwer zu erraten gewesen sein, dass ich “freie” Schulen für eine schlechte Idee halte. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Kommerzialisierung des Bildungssystemes langfristig sehr negative Konsequenzen auf die Gesellschaft haben wird.

Wer weiterlesen möchte, findet im Anschluss eine Liste mit Links zu Artikeln und Webseiten, die ich im Laufe der Zeit gesammelt habe.

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Wort der Woche: Komvux

Komvux steht für kommunal vuxenutbildning, zu Deutsch “kommunale Ausbildung für Erwachsene”.

Dabei handelt es sich, wie der Name vermuten lässt, um ein System von Schulen auf Kommunalniveau, die sich an Erwachsene richten, die entweder den Grundschul- oder Gymnasiumsabschluss nachholen oder sich weiterbilden wollen. Nun muss man zum schwedischen Schulsystem wissen, dass an die neunjährige Grundschule, für die die Schulpflicht gilt, ein dreijähriges Gymnasium anschließt, das zwar im Prinzip freiwillig ist, aber von so gut wie jedem besucht wird. Da es “Sitzenbleiben” in Schweden nicht gibt, kommt es durchaus vor, dass Schüler ihr “Abitur” insofern nicht bestehen, dass nicht genug Kurse während der drei Jahre erfolgreich abgeschlossen wurden. Dann darf derjenige zwar nicht studieren, hat aber natürlich immer noch bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt, als wenn er gar nicht aufs Gymnasium gegangen wäre.

Komvux bietet diesen Leuten dann eine “zweite Chance”, die Schulbank zu drücken und Versäumtes nachzuholen. Im Unterschied zum deutschen Zweiten Bildungsweg ist man hier aber so flexibel, dass Leute zum Beispiel einzelne Fächer, die zum Abitur fehlten, nachholen oder sogar die Noten von eigentlich bestandenen Kursen aufbessern können. Das mag für deutsche Ohren seltsam klingen, aber ich sehe nichts grundlegend Falsches darin, mit zusätzlicher Arbeit seine Abiturnote nachträglich anheben zu können.

200.000 Schweden gingen letztes Jahr zu komvux. Das sind 10% weniger als im Vorjahr, denn die konservative Regierung hat den Kommunen das Geld gekürzt und damit sinkt die Anzahl der verfügbaren Plätze bei komvux. Kritiker sehen darin eine kurzfristige Politik, denn auch wenn wie jetzt in Zeiten einer Hochkonjunktur die meisten Arbeit finden, wäre es unglücklich, wenn sich das hohe Ausbildungsniveau der Schweden, gerade auch der nichtakademischen, langfristig verschlechtern würde.

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Nationsfotograf

Gestern wurde ich auf der landskap meiner Studentnation, Uplands, zum Nationsfotografen fürs kommende Jahr auserkoren. Studentische Aktivitäten, Gasques und andere Feste wollen schließlich dokumentiert werden.

Um ehrlich zu sein, hatte ich bis vor wenigen Tagen vergessen, dass ich mich vor längerem bei einem Fest im Haus auf der entsprechenden Liste freiwillig gemeldet hatte. Nichtsdestotrotz wird das sicher sehr witzig.

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Wort der Woche: Gustavianum

Das Gustavianum ist eines der älteren Gebäude der Universität in Uppsala. Es wurde 1622-1625 am Domplatz, direkt gegenüber der Kathedrale erbaut. Neben einem permanenten Museum und wechselnden Ausstellungen ist in der Kuppel der Anatomielehrsal von Olof Rudbeck zu besichtigen.

![Das Gustavianum zu Beginn des 20 Jhdts. Bild: Wikipedia, http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:Gustavianum%2C\_fr%C3%A5n\_Ugglan.jpg](/pic/gustavianum_old.jpg "Das") Das Gustavianum zu Beginn des 20 Jhdts. Bild: [Wikipedia](http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:Gustavianum%2C_fr%C3%A5n_Ugglan.jpg)

Das Gebäude hat seinen Namen von Gustav II. Adolf, der es errichten ließ, als der bisherige Universitätssitz nicht mehr ausreichte, den wachsenden Bedarf an hochqualifizierten Menschen für die aufstrebende Großmacht Schweden zu decken. Zu Beginn fanden sich außer Lehrsälen, Essens- und Leseräume für Studenten und eine Buchdruckerei im Gustavianum. Später kam eine Bibliothek dazu.

Die auffälligste Veränderung des Hauses fand 1662-63 statt, als der Anantomieprofessor und Universalgelehrte Olof Rudbeck eine Kuppel in der Mitte des Hauses errichten ließ, die eine Sonnenuhr krönt. In der Kuppel befindet sich das Theatrum anatomicum, ein runder Lehrsaal mit Seziertisch in der Mitte, der von steil aufragenden Reihen mit Stehplätzen umgeben ist, so dass 200 Menschen möglichst nah und mit freier Sicht das Geschehen verfolgen konnten. Während des Brandes in Uppsala vom 16. Mai 1702, bei dem Rudbeck viel seiner Arbeit verlor, soll er vom Dach des Gustavianums aus die Löscharbeiten dirigiert haben.

Zwischen 1778, als das alte Hauptgebäude abgerissen wurde, und 1887, als das heutige errichtet wurde, war das Gustavianum Hauptsitz der Universität Uppsala. Die Bibliothek war schon Mitte des 19. Jahrhunderts in den Neubau Carolina Rediviva ausgelagert worden.

Noch bis 1997 wurde das Gustavianum von den universitären Institutionen für alte Geschichte genutzt, seitdem ist es ausschießlich das Museum Gustavianum. Dort sind heute Sammlungen mit klassischen, ägyptischen und nordischen Antiquitäten zu sehen. Rudbecks Lehrsaal ist zugänglich und gehört zur ersten Riege der Sehenswürdigkeiten in Uppsala. Zusätzlich gibt es wechselnde Ausstellungen.

Wer bis hierher gelesen und es noch nicht gemerkt hat: Obiger Text ist aus der Wikipedia. Aber umgekehrt irgendwie. Ich habe den Text vorhin mit dem Gedanken an die Wikipedia geschrieben, weil es zum Gustavianum dort bisher keinen Eintrag auf Deutsch gab. Jetzt schon.

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Zwei Professoren weniger

Es war im Februar diesen Jahres, dass der neue Direktor der hiesigen und ältesten nordischen Universität, Anders Hallberg, zwei Mathematikprofessoren das Messer auf die Brust setzte und ihnen die freiwillige Kündigung nahelegte. Ansonsten würden Disziplinarmaßnahmen eingeleitet. Konkrete Vorwürfe wurden nicht vorgelegt.

Anlass waren wohl interne Querelen im mathematischen Institut und die Begründung des Rektors beinhaltete die Illoyalität, sich den Vorgaben zu einer Forschungsrichtung zu beugen. Zuerst kochte nur die interne Gerüchteküche – auch herüber zu uns Astronomen – und es war zum Beispiel davon die Rede, dass Hallberg ein Treffen barsch beendete, weil er auf Schwedisch als Umgangssprache bestand und einer der beiden Betroffenen keine Schwede war.

Langsam wurde die Geschichte bekannt und einer der beiden Professoren kritisierte den Rektor öffentlich. Die Lokalpresse sprang darauf an (siehe Links unten oder diesen Leserbrief eines unserer Astro-Profs) und auch innerhalb des internationaler Mathematikerkreise sorgte die Sache für Empörung. Es zeigte sich nicht nur, dass die Vorwürfe des Rektors wenig Substanz hatten, sondern auch, dass kaum jemand anders das harte und erpresserische Vorgehen gut hieß.

Als ich heute morgen dann in der Zeitung an prominenter Stelle einen Artikel mit der provokanten Überschrift Die Universität Uppsala muss dichtgemacht werden sah, war klar, dass es um diese Geschichte ging. Ein Professor aus Göteborg legt sehr geschickt dar, was eine Universität ausmacht, nämlich die Freiheit, Wissen zu suchen, ohne die Einflussnahme politischer, ideologischer, wirtschaftlicher, religiöser oder sonstiger Mächte.

Zusammen mit einem anderen Fall, in dem nachgewiesen falsche, aber politisch opportune Forschungsergebnisse nicht zu Konsequenzen geführt haben, habe die UU diese Grundsätze verletzt und deshalb nicht mehr verdient, “Universität” genannt zu werden. Sie gehöre geschlossen, denn die Erniedrigung zur Hochschule sei gegenüber den anderen Hochschulen unfair.

Dazu wird es natürlich nicht kommen, aber der Artikel hat ziemlich eingeschlagen und ist als Weckruf sicher gesund. Schade nur, dass es kein Professor aus Uppsala war, der ihn geschrieben hat. Die Wirkung wäre noch stärker gewesen und gleichzeitig wüsste man dann, ob der Rektor Illoyalität wirklich als Kündigungsgrund ansieht.

Hier noch die Artikel aus der Lokalredaktion des schwedischen Rundfunks, die ich im Laufe der Zeit gesammelt, aber dann doch nie im Detail zusammengeschrieben habe:

http://www.sr.se/cgi-bin/uppland/nyheter/artikel.asp?artikel=1399776
http://www.sr.se/cgi-bin/uppland/nyheter/artikel.asp?artikel=1398317
http://www.sr.se/cgi-bin/uppland/nyheter/artikel.asp?artikel=1356535
http://www.sr.se/cgi-bin/uppland/nyheter/artikel.asp?artikel=1195920
http://www.sr.se/cgi-bin/uppland/nyheter/artikel.asp?Artikel=1396286
http://www.sr.se/cgi-bin/uppland/nyheter/artikel.asp?artikel=1404922
http://www.sr.se/cgi-bin/uppland/nyheter/artikel.asp?artikel=1406203
http://www.sr.se/cgi-bin/uppland/nyheter/artikel.asp?artikel=1407298
http://www.sr.se/cgi-bin/uppland/nyheter/artikel.asp?artikel=1410876
http://www.sr.se/cgi-bin/uppland/nyheter/artikel.asp?artikel=1412576
http://www.sr.se/cgi-bin/uppland/nyheter/artikel.asp?Artikel=1396286
http://www.sr.se/cgi-bin/uppland/nyheter/artikel.asp?artikel=1445066
http://www.sr.se/cgi-bin/uppland/nyheter/artikel.asp?artikel=1472301

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Studenteneinfall

Außer dass sie einem an der Uni über den Weg laufen, gibt es zwei eindeutige Zeichen, dass die Studenten nach Uppsala zurückgekehrt sind: Der Flogstaschrei ist wieder jeden Abend deutlich zu vernehmen und das Studentennetz ist merklich langsamer – nicht jeder scheint mit 10Mbit in beide Richtungen vernünftig umgehen zu können. Auch die Zeit, in der man ohne Probleme eine freie Waschmaschine im Waschhaus fand, dürfte vorbei sein.

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