Tauschbörsen, in denen Privatpersonen untereinander Musik und Filme
tauschen, erfreuen sich ungebrochener Beliebtheit. Dass das den
Rechteinhabern nicht passt, ist verständlich, schließlich wollen diese,
dass man dafür bezahlt. Am liebsten wäre es ihnen, wenn wir nicht die
Musik selbst, sondern nur das Nutzungsrecht kaufen würden, fein
säuberlich geregelt per
DRM.
Ich kaufe gern Musik online, wenn die
Bedingungen stimmen, und will auch gar nicht in die DRM-Debatte
einsteigen, sondern die am häufigsten diskutierte Möglichkeit
anschneiden, wie man privates Dateitauschen legalisieren könnte: die
Kulturflatrate.
Dabei würde es sich schlicht um eine Pauschalabgabe handeln, die jeder
Benutzer entrichtet und deren Einnahmen an die Künstler weiterverteilt
werden. Da es schwierig wäre, die Einhaltung anderweitig zu
kontrollieren, soll die Abgabe automatisch auf alle
Breitband-Internetanschlüsse erhoben werden. Die Kulturflatrate wird von
einigen in Deutschland als Königsweg aus der Illegalität und der
DRM-Misere gesehen
und scheint sogar rechtlich
machbar,
doch die deutsche Politik und die Lobbyisten sträuben sich.
Nach der Beschlagnahme
der PirateBay
vor wenigen Wochen in Stockholm hat nicht nur die schwedische
Piratenpartei einen sprunghaften
Mitgliederzuwachs erfahren, sondern das Thema wird auch in den
etablierten Parteien diskutiert und könnte bis zur Parlamentswahl in
acht Wochen aktuell bleiben.
Jetzt diskutiert sogar Justizminister Thomas Bodström, der bisher eher
für die Verfolgung von Dateitauschern steht und maßgeblich an der
Strafverschärfung von 2005 beteiligt war, über die Kulturflatrate und
hält sie für möglich, sofern sich die Parteien darauf einigen. Auch wenn
es vereinfacht ist, die Situation auf zwei Lager zu beschränken, die
Produzenten und Rechteinhaber auf der einen, die Verbraucher und deren
Aktivisten auf der anderen Seite, so kann man annehmen, dass letztere in
Deutschland eine ähnliche Entwicklung
begrüßen
würden.
Das gilt erstaunlicherweise nicht für die Piratenpartei in Schweden. Mag
sein, dass sie nur ihr Profil nicht verlieren wollen, aber sie sind
entschieden gegen die Kulturflatrate. Die Gegenargumente sind natürlich
auch den Befürwortern bekannt und das hier sind wohl die wichtigsten:
- Die Verteilung der Einnahmen ist entweder ungerecht (kleine Künstler
werden benachteiligt) oder mit Kontrolle und hohem
Verwaltungsaufwand verbunden.
-
Die Abgabe ist ungerecht gegenüber Internet-Nutzern, die keine
Dateien tauschen.
-
Der Staat darf nicht Preise diktieren, die eingentlich vom Markt
geregelt werden sollten.
Die Piratenpartei ist allerdings nicht stumpf gegen alle
aufkommenden Vorschläge, sondern hat einen eigenen Vorschlag zur
Reform des Urheberrechts. Der Basisgedanke ist, dass das
Urheberrecht schleichend über Jahrzehnte immer weiter verstärkt
wurde und dass es an der Zeit ist, gegenzusteuern, um Kultur nicht
durch zu viele Einschränkungen zu gefährden. Der Vorschlag der
Piraten geht also weit über das hinaus, was sich Realpolitiker
üblicherweise vorstellen:
-
Das Urheberrecht soll zwar nicht abgeschafft werden, aber sich
ausschließlich auf die kommerzielle Nutzung beschränken.
Uneigennützige Weitergabe von Kopien wird generell erlaubt, also
auch Tauschbörsen.
- Techniken, die nur dazu da sind, die freie Weitergabe zu verhindern
(DRM), werden verboten.
-
Auch die kommerzielle Nutzung soll eine Reform erfahren, v.a. indem die
Zeit, die ein Werk geschützt ist, drastisch verkürzt wird.
Das ist nur ein Teil deren Programm
([pdf](http://www.piratpartiet.se/documents/Principles%203.0.pdf),
englisch), aber der im Zusammenhang wichtigste. Der erste Punkt würde
die Musikindustrie wohl endlich dazu zwingen, ein attraktives Angebot
zum Download von Musik anzubieten. Wer wäre nicht bereit, für den Zugang
zu einem umfassenden und einfach zu nutzenden Musikarchiv zu zahlen,
anstatt sich durch Tauschbörsen zu wühlen? Zum letzten Punkt kann ich
mich mangels Einblick in die Szene kaum äußern, aber das Argument, dass
sich ein Großteil neuer Musik sowieso entweder innerhalb kurzer Zeit
rechnet oder nie, leuchtet in gewisser Weise ein.
Man darf auf jeden Fall gespannt sein, ob Schweden bald in einem
weiteren Bereich für viele Miteuropäer das gelobte Land wird.
*Nachtrag*: Im heutigen [Leitartikel der
DN](http://www.dn.se/DNet/jsp/polopoly.jsp?d=576&a=553865&previousRenderType=2)
(S) wird als erster Schritt die Rücknahme der Verschärfung von 2005
gefordert und auf die Arbeitserschwernisse für Bibliotheken, Museen und
Universitäten hingewiesen.