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Gesundheitsausgaben und ihr Resultat

Das Gesundheitssystem ist ständiges Thema in der politischen Debatte. Steigende Kosten, leere Kassen und was man dagegen tun kann. In Deutschland die Kopfpauschale, in den USA Obamas große Gesundheitsreform und in Schweden die langen Wartezeiten.

Die Diskussion wird jedoch fast ausschließlich innerhalb von Landesgrenzen geführt und als Vergleich gilt immer wie es bisher war – wird es in Zukunft besser oder schlechter? Ein internationaler Vergleich ist auch nicht einfach, zu unterschiedlich sind die Systeme und ihre Finanzierung. Wenn man jedoch einen Schritt zurück tritt, alle Details beiseite lässt und danach fragt, wie viel Geld fürs Gesundheitssystem ausgegeben wird und wie lange die Menschen infolge dessen leben, dann kann man interessante Entwicklungen ablesen.

Lasst uns einen Blick auf eine entsprechende Grafik werfen:

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Auf der vertikalen Achse ist die Lebenserwartung angegeben, also ein Maß dessen, was das Gesundheitssystem im jeweiligen Land leistet. Die horizontale Achse entspricht den Gesundheitsausgaben pro Einwohner. Für ein paar interessante Länder ist jeweils die Entwicklung dieser beiden Größen von 1995 bis 2006 aufgetragen.

Ein Blick auf die horizontale Linie mit 80 Jahren Lebenserwartung zeigt zum Beispiel, wann und zu welchem Preis sie im jeweiligen Land erreicht wird. In Japan schon Mitte der Neunziger für gut 1500\$. In Schweden etwa 2002 und für 2500\$ pro Kopf, in Norwegen 2004 für 4000\$ und in Deutschland erst etwa 2007 für ungefähr 3300\$. Die USA sind weit von 80 Jahren entfernt, trotz viel höherer Kosten.

Die Steigung der Linie, die die Kreise für ein Land verbindet, zeigt gleichzeitig, wie effektiv Mehrkosten in höheres Lebensalter umgesetzt werden – je flacher die Kurve, desto schlechter. Deutschland und Japan haben die steilsten Kurven, Norwegen und Schweden sind flacher, aber lange nicht so ineffizient wie die USA. Dass die deutsche Kurve die norwegische schneidet, bedeutet, dass man dort ab dem Jahr 2000 mehr Lebenserwartung pro Geld erreicht als in Norwegen.

Doch nicht nur die Entwicklung ist interessant, sondern auch die Lage des jeweils letzten Punktes. So erreichte man 2006 in Schweden trotz geringerer Ausgaben pro Kopf ein gutes Jahr längere Lebenserwartung als in Deutschland.

Man kann horizontal die Gesundheitsausgaben auch in Prozent des Bruttonationalprodukts auftragen, anstatt pro Person. Damit hat man quasi das Wachstum der Wirtschaft herausgerechnet. Das sieht dann so aus:

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Dass die Entwicklung in Deutschland hier vertikal verläuft, zeigt also, dass sich der Anteil der Gesundheitskosten an der Wirtschaftsleistung nicht verändert hat und Leute trotzdem älter werden. Die deutsche Linie liegt weiter rechts als die schwedische, was bedeutet, dass man hierzulande nicht nur absolut weniger ausgibt (siehe oben), sondern auch anteilig an der Wirtschaftsleistung (9% gegenüber 10,5%). Nichtsdestotrotz wird man in Schweden älter.

Die Grafik zeigt auch sehr anschaulich, wie schnell in den USA seit 2000 die Kosten auf über 15% der Wirtschaftsleistung angestiegen sind, was wohl das Hauptargument für die dortige Reform ist.

Man kann aus solchen Grafiken noch viel mehr herauslesen und ich kann nur empfehlen, den Links unter den Bildern zu folgen und sich per Klick auf “Play” die zeitliche Entwicklng anzusehen. Hinter Gapminder, wo man sich noch allerlei andere Größen darstellen lassen kann, steckt der Schwede Hans Rosling.

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Breitbandstatistik

Dass man in Schweden recht weit vorne ist beim Breitbandinternet, habe ich schon öfter hier erwähnt. Diese schicke Grafik zeigt einen weltweiten Vergleich, der das bestätigt: Nur in Japan und Südkorea bekommt man noch schnellere Anschlüsse für noch weniger Geld als in Schweden.

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Klimawandel übertrieben?

Das Klimatreffen in Kopenhagen hat begonnen und die schwedischen Medien sind voll davon. Natürlich ist nach bestem heutigem Wissen der Klimawandel echt und vom Menschen verursacht. Leugner (oder “Skeptiker”, wie sie sich fälschlicherweise nennen) haben in der Regel nur unseriöse Pseudo-Argumente auf Lager, die sich leicht widerlegen lassen. Deshalb darf man zu Recht darauf hoffen, dass der Klimagipfel nicht ergebnislos bleibt.

Nichtsdestotrotz kommen aus Schweden, genauer gesagt aus dem Forschungsbereich Globale Energiesysteme (GES) in Uppsala, ernstzunehmende Stimmen, dass die von der UNO und dem IPCC für nicht unwahrscheinlich gehaltenen Szenarien mit sehr starker Erwärmung der Erde dies eben doch sind: unrealistisch.

Das Argument von Kjell Aleklett vom GES, für das er heute morgen in der größten schwedischen Tageszeitung eine volle Seite bekommen hat, geht wie folgt: Die pessimistischen Szenarien gehen davon aus, dass alle so weitermachen wie bisher, also dass Förderung und Verbrauch von fossiler Energie (Öl, Gas, Kohle) und damit die Emission von Treibhausgasen mit der globalen Wirtschaft mitwachsen. Das ist nämlich seit Jahrzehnten der Fall. Die Produktion stieg immer weiter, um dem wachsenden Bedarf gerecht zu werden.

Doch genau das wird laut Aleklett immer schwieriger, denn GES hat in den letzten Jahren detaillierte Studien über die Reserven der Welt angelegt und man kommt zu dem Ergebnis, dass “Peak Oil” schon jetzt ist. Mit dem Begriff ist gemeint, dass die globale Ölproduktion ihr Maximum erreicht hat und in Zukunft stagniert oder gar wieder abnehmen wird, weil zu wenige neue Vorräte gefunden werden, die die leerlaufenden Ölfelder ersetzen könnten. Eine Steigerung um mehrere hundert Prozent, die für das pessimistische “business as usual”-Szenario des IPCC nötig wären, sind also völlig ausgeschlossen, weil es schlicht nicht genug Öl und Kohle gibt.

Heißt das Entwarnung? Mitnichten. Der Klimawandel wird vielleicht etwas milder ausfallen, doch eine Stagnation der Ölproduktion – wohlgemerkt geht das Öl nicht “zu Ende”, sondern die tägliche Förderung kann lediglich nicht mehr mit dem wachsenden Bedarf mithalten – wird gravierende Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben, mit der verglichen die aktuelle Krise wie Kinkerlitzchen wirken wird. Und zum Glück ist die Lösung für beide Probleme dieselbe: Eine Energiewirtschaft, die weg von fossilen Energieträgern kommt.

Hoffentlich sorgt “Peak Oil” bald für einen dauerhaft höheren Ölpreis, wodurch sich die Alternativen endlich wirklich lohnen würden. Vielleicht wird auf diese gezwungene Weise ja bald mehr gegen den Klimawandel getan als aufgrund politischer Übereinkünfte.

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Globalisierungsrat totgeschwiegen

Weil der Regierung der Schlussbericht des selbst eingesetzten “Globalisierungsrates”, der die letzte zwei Jahre lang eine Vision für “Ein erfolgreiches Schweden in der neuen globalen Wirtschaft” ausgearbeitet hat, anscheinend nicht passt, wird er eben totgeschwiegen. Das macht ihn andererseits besonders interessant.

Ich habe den Bericht (PDF) gerade ausgedruckt und werde berichten…

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Die Schweinegrippe in Schweden

Die Schweinegrippe (schw. svininfluensan), oder “neue Grippe” (nya influensan) wie sie eigentlich heisst, hält sich permanenter in den schwedischen Medien als in den deutschsprachigen. Dazu beigetragen haben sowohl die beiden Todesfälle in den letzten Wochen als auch der Beschluss, die ganze Bevölkerung zu impfen.

Das Smittskyddsinstitutet (Institut für Seuchenschutz) sammelt auf seiner Homepage ausführliche Statistiken und klärt auf. Gut 500 Fälle sind bisher in Schweden bekannt, davon 200 im Raum Stockholm. Auf die Bevölkerung normalisiert ist das nur ein Viertel der Ausbreitung in Deutschland (18.000 Fälle). Von Großbritannien mit 120.000 Fällen und fast 50 Toten ist man beiderorts weit entfernt.

Nichtsdestotrotz bereitet man sich in Schweden auf eine mögliche “Krise” vor. Man rechnet mit einem starken Anstieg in den Herbstmonaten. Mag sein, dass es übertrieben ist, eine Infoseite Krisinformation zu nennen und Leute dazu aufzufordern, sich auf andere Art als Handschlag zu begrüßen. Handdesinfektionsmittel sind in Schweden ausverkauft, was zu einer neuen Art von Alkoholimport aus den Nachbarländern geführt hat.

In einigen Kirchen, in denen der Kelch reihum geht, ist man zu Starkwein gewechselt. An Unis werden die Türklinken öfter geputzt und wiederum Desinfektionsmittel in den Toiletten aufgestellt. Außerdem erstellt man fürs Gesundheitssystem konkrete Pläne, wie ein Ansturm gehandhabt werden kann; und bei Behörden und Firmen, wie man mit größeren Arbeitsausfällen zurecht kommt. Störungen im Bus-, Bahn- und Flugverkehr können nicht ausgeschlossen werden.

Ob das alles eine Überreaktion ist, wird man erst nächstes Jahr sagen können. Generell ist jedoch positiv, dass Vogel- und Schweinegrippe dafür gesorgt haben, dass man heute weltweit weit besser und koordinierter auf Seuchen reagiert. Auch wenn die Schweinegripp sich als relativ harmlos erweist, sind die aufgebauten Strukturen eine gute Investition in die Zukunft. Gleichzeitig ist jegliche Panikmache fehl am Platz. Von den jährlich 2000 Toten der “normalen” Grippe in Schweden ist man noch weit weg und wenn man auf die ganze Welt schaut, ist die Reaktion im Vergleich zu anderen Krankheiten, die viel mehr Opfer fordern, völlig überproportional.

Hans Rosling illustrierte das vorgestern anhand von Tuberkulose sehr schön mit Legoklötzchen im Fersehen (ab Minute 10:27).

Mehr Links: 1, 2, 3, 4, 5

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Hans Rosling bei TED und KI

Hans Rosling ist Arzt, Professor für internationale Gesundheitsfragen am Karolinska Institutet und Mitbegründer der schwedischen Sektion von Ärzte ohne Grenzen. Weltweite Bekanntheit hat er 2006 durch seinen Vortrag bei TED erhalten, in dem er auf äußerst unterhaltsame Weise mit allerlei Mythen über Entwicklungsländer aufräumt und eine sehr schicke Visualisierung von Daten präsentiert (die mittlerweile von Google gekauft wurde und für jedermann auf gapminder.org verfügbar ist).

Wer das Video noch nicht gesehen hat, dem sei dies hiermit sehr ans Herz gelegt:

[Videolink](http://www.ted.com/talks/hans_rosling_shows_the_best_stats_you_ve_ever_seen.html)

Morgen Abend hält Rosling einen [öffentlichen Vortrag](http://www.gapminder.org/uncategorized/open-lecture-with-hans-rosling-in-swedish/) am KI in Solna. Ich glaube, ich geh’ da hin. Außerdem twittert er: [@hansro](http://twitter.com/hansro). *Nachtrag:* Ich bin gerade von dem Vortrag zurück, der sich auch als erste Vorlesung eines Kurses erwies und damit über rund 100 Minuten ging. Rosling war auch auf schwedisch beeindruckend. Durchweg hohes Tempo und hohe Informationsdichte, aufgelockert mit Anekdoten, die jedoch immer einen Zweck hatten. Der Bogen von der Weltgesundheit zur -wirtschaft und zurück, zur Politik und allerlei, was eben zum (nicht-)funktionieren unserer Welt dazugehört. Der Besuch hat sich gelohnt. *2. Nachtrag:* Fast hätte ich vergessen zu erwähnen, dass Rosling nicht nur einen Vortrag auf TED gehalten hat. Man findet alle in der rechten Spalte [dieser Seite](http://www.ted.com/speakers/hans_rosling.html). Außerdem hat er gerade im auf eine Reihe von Fragen aus der Netzwelt geantwortet, anzusehen [im TED-Blog](http://blog.ted.com/2009/09/ted_and_reddit_2.php).
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Entdecke Schweden

Deutet man an, dass die Sitten von Einwanderern Probleme mit sich bringen, wird man schnell Rassist genannt. Aber natürlich müssen Kulturen infrage gestellt werden dürfen. Zumindest wenn wir es wagen, mit der eigenen anzufangen, schreibt Maciej Zaremba im abschließenden Artikel der Serie Warten auf Schweden .

Talal Eid erzählt, dass seine Arbeit “Muslime in Amerika” heißen sollte. Es wurde stattdessen “Amerikanische Muslime”. Warum der Unterschied? “Der 11. September”, sagt er. “Die Nachbarn fingen mich an zu beäugen, fragten sich, worauf ich hinaus wollte, auf welcher Seite ich stand. Das war nicht angenehm, aber verständlich. Damals hielten sich die Muslime Bostons unter ihresgleichen und nahmen nur selten und ungern an der großen Gesellschaft teil.”

Talal Eid ist Imam und Gründer des Islamic Center of New England. Bei unserem Treffen in Rinkeby^1^ erzählt er, wie tausende nach den Attentaten zu dem selben Schluss kamen – es ist nicht genug, eine tolerierte Randgruppe zu sein – will man Gleichstellung, darf einem nicht egal sein, was das Land beschäftigt. “Im Großen und Ganzen fiel die Zeit nach dem 11. September gut für uns aus. Mehr muslimische FBI-Agenten und andere Funktionäre. Wir waren dabei.”

Das ist wohl nicht übertrieben. 2006 kam der erste Muslim in den amerikanischen Kongress. Keith Ellison, so sein Name, erklärte, dass er seinen Eid auf den Koran ablegen wolle. Es gab Proteste, die jedoch schnell versiegten als klar wurde, dass er auf ein Exemplar des Koran schwören würde, das er aus der Kongressbibliothek ausleihen durfte: 1764 in London gedruckt, ein Jahr später von Thomas Jefferson gekauft. So baut man ein Volk…

Keith Ellison wurde von “Little Somalia” in Minneapolis in den Kongress gewählt. Die Hauptstraße dort heißt Snoose Boulevard, im Gedenken an die Schweden des vorvorletzten Jahrhunderts mit ihrem Snus^2^.

Man sagt, es sei kein Zufall, dass es so viele Einwanderer nach Minnesota zieht. Es läge etwas Skandinavisches und Voruteilsfreies über dem Bundestaat. Umso seltsamer, dass die Somalier so gut in Minnesota zurecht kommen und so schlecht in Schweden, wo sie es von allen Flüchtlingsgruppen am schwersten haben, Arbeit zu finden, und am ehesten im Verbrechensregister landen. Abdi Aynte, BBC-Journalist in Minneapolis, wundert sich selbst, wie gut seine Landsleute klarkommen, in Anbetracht der Schwierigkeiten, die ihre Kultur mit sich bringen kann.

Zum Beispiel finden viele, dass es eine Sünde ist, Geld zu leihen. Also verweigern sie Studienkredite. Trotzdem gibt es schon jetzt mehr Somalier als einheimische Schwarze an den Hochschulen. “Ein Rätsel”, lacht Aynte. Weniger lustig ist, dass andere es für sündhaft halten, Alkohol zu handhaben. Oder Hunde. Das wäre weniger ein Problem, wenn nicht fast alle Taxis der Stadt von Somaliern gefahren würden. Nach über 5000 Klagen von abgewiesenen Reisenden (darunter Sehgeschädigte mit Blindenhund) drohten die Behörden, den Frömmelnden die Taxi-Lizenz zu entziehen. (Eine Reihe Imame befand, die Berührungsangst habe keinerlei Grundlage im Koran.) Aber die Fahrer sahen das als Diskriminierung und gingen vor Gericht. Das wies die Klage ab: Alle dürfen ihre Religion frei ausüben, aber niemand ist gezwungen, Taxi zu fahren.

Das erzählt Abdi Aynte in einem Seminar in Rosenbad^3^. Eine handvoll Schwedensomalier lacht wissend. Aber meine in Schweden geborenen Landsleute runzeln die Stirn.

Nein, so freimütig reden wir in Schweden nicht über Kultur. Wenn man andeutet, dass Bräuche von Einwanderern Probleme bereiten, kann man von von irgendeinem halbstaatlichen Organ gebrandmarkt werden. Ist der Verstoß gering, kommt man mit “Kulturrassist” glimpflich davon. Wir erinnern uns, wie das R-Wort in der Debatte um Ehrenmorde hernieder prasselte.

Ich verstehe, wie es dazu kam. Jahrzehntelang befand man alle Kulturen für der schwedischen unterlegen, bis einige Stigmatisierte der Sache überdrüssig wurden. Aber deren Lösung – den Begriff “Kultur” wie die Pest zu meiden, ist unakzeptabel.

Ich lese, dass schon verdächtig ist, wer “Zusammenprall von Kulturen” sagt, denn so reden nur die, die “diskriminieren” wollen. Das schrieb das Zentrum gegen Rassismus fest, eine Organisation, die vier Jahre lang staatlich finanziert war (bis Nyamko Sabuni 2007 den Geldhahn zudrehte).

So wie viele seltsame Ideen hat auch diese eine nachvollziehbare Geschichte. Als in Europa Rassenlehren strafbar wurden, veränderten die Xenophoben ihren Sprachgebrauch. Es hieß nicht mehr, dass Araber eine schlechtere Rasse waren, sondern dass ihre Kultur mit der französischen unvereinbar war. Unglücklicherweise kam gleichzeitig die postkoloniale Ideologie auf, die behaupten konnte, es sei “Kulturimperialismus”, für Feminismus oder Liberalismus in Afrika zu plädieren. Und irgendwie landeten diese beiden Denkmuster in einer perversen gegenseitigen Umarmung. Ich habe französische Rassisten erklären gehört, dass es zum Schutz ihrer Kultur vor schädlichem europäischem Gedenkengut sei, wenn Front National Afrikaner aussperrt.

Selbstverständlich war es nötig, den Missbrauch von “Kultur” durch die Rechtsextremen zu durchdringen. Doch wiederum griff der historische Zufall ein. Die Berliner Mauer fiel, die Arbeiter der westlichen Welt verstanden sich nicht mehr als das Salz der Welt, eher als ihre immer schuldbewusstere Mittelschicht, weshalb dem Marxismus die Luft ausging. Dachte man.

Jemand sollte einmal beschreiben wie es vor sich ging, dass daraus “Antirassismus” wurde. “Einwanderer” mussten herhalten als sich das Proletariat nicht mehr aufstellen wollte. Uns wurde der Auftrag anvertraut, den Kapitalismus zu unterwandern. (Warum wird man eigentlich nie gefragt, welche Rolle man in der Apokalypse spielen will?)

Vereinfacht sieht das “antirassistische” Schema folgendermaßen aus: Das Kapital braucht gefügige Arbeitskraft. Einwanderer sind das beste Material. Indem man deutlich macht, wie “anders” sie sind, macht man sie extra abhängig, wodurch man sie leichter ausbeuten kann. Deshalb ist Rassismus im Interesse des Kapitals. Was wiederum erklärt, warum das (kapitalistische) Schweden per Definition von Rassismus durchsetzt sein muss und warum alle Reden vom Zusammenprall von Kulturen eine suspekte Agenda beinhalten. Kulturen gibt es, aber alle sind gleichwertig, dürfen nicht miteinander verglichen werden, noch weniger gegeneinander aufgewogen.

Ich übertreibe nicht. All dies kann man in der Integrationsuntersuchung (SOU 2005:41) nachlesen, geführt von Masoud Kamali, bestellt von Mona Sahlin^4^.

Wenn Ihr einen hauptberuflichen Antirasissten trefft, der diesen heilsbringenden Blick hat, kann es passieren, dass er mit Rassismus etwas anderes meint als im Wörterbuch steht. Vielleicht meint er “Kapitalismus”, oder den “Westen”, die “Moderne” oder einfach “die herrschende Ordnung”. Im schlimmsten Fall meint er tatsächlich “Demokratie”. So wird der Antirassismus in Schweden von Ideologen kompromittiert. Das sollte alarmieren, denn er wird tatsächlich gebraucht.

Zum Beispiel erklärt der Redakteur der “Kunskapsbanken” des Zentrum gegen Rassismus (CMR), dass ein Einwanderer kein Rassist sein kann. Der Begriff passt ausschließlich auf Schweden (die Mehrheitsgesellschaft). (Ich merke, dass die strikte Trennung von Einwanderern und Schweden von den Schwedendemokraten begrüßt werden dürfte.) Masoud Kamali sagt mir seinerseits, dass der Völkermord der Araber an den Schwarzen in Darfur nicht im Rahmen von Rassismus diskutiert werden dürfe, denn an dieser Plage ist allein der weiße Mann Schuld.

Ich erwähne das alles als Hintergrund dafür, warum die unumgängliche Diskussion darüber, was Integration ist, wer sich an wen anpassen soll und warum, beklagenswerterweise fast völlig ins Stocken gekommen ist. Oder schlimmer – sich in die Hinterzimmer zurückgezogen hat, wo die Schwedendemokraten rumhängen. Die “Antirassisten” haben uns nicht von ihren Theorien überzeugt, aber sie haben es geschafft, den Begriff “Kultur” zu stigmatisieren.

Am 14 Oktober 1956 sammelten sich 400.000 Menschen auf einem Feld vor der indischen Stadt Nagpur, um von ihrer Kultur Abschied zu nehmen. Sie verwarfen sie, gemeinsam und für immer, weil sie einsahen, dass sie sie ihrer Menschenwürde beraubte. Sie hatten versucht zu reformieren, hatten alles getan, argumentiert, demonstriert… Sie bekamen auch Recht vor dem Gesetz, aber was half das gegen tausendjährige Bräuche. Sie standen trotzdem weiterhin niedriger in den Augen der anderen. An diesem Tag entsagten sie also dem Hinduismus, dieser reichen Tradition mit Mahabarata und Bhagavad und allem drum und dran, einer Bilderwelt und Literatur, die zweitausend Jahre die ihre war, aber die sich als unmöglich erwies, sie mit einem Leben in Würde zu vereinen.

So begab es sich, als die Unberührbaren zum Buddhismus konvertierten, um das Kastenwesen aus ihren Seelen zu vertreiben.

Wenn man sich das Recht nimmt, die Qualität einer Kultur zu diskutieren (gemessen an den Chancen der Menschen auf ein würdiges Leben) wird die Geschichte unverständlich. Als eine Million Schweden aus dem Land flohen, war es nicht nur die Armut, es war auch die erdrückend gewordene Einheitskultur.

Eine Kultur kann versteifen, kann zum teilweise Behinderten werden und Krankengymnastik brauchen. Sie kann mehr oder weniger verschlossen sein, sich selbst zu Ignoranz oder Selbstlügen verurteilen, Einbildung und Berührungsängste wachsen lassen, sich in leeren Gesten festfahren, oder in Opfermythen. Sie kann manipuliert werden, um eine verrottete Ordnung aufrecht zu erhalten. (“Sollte der Schleier in der arabischen Welt einer echten demokratischen Entscheidung unterworfen werden, würde er ohne weiteres fallen”, schrieb der Poet Adonis vor kurzem.)

Man muss also die Kultur von anderen kritisch diskutieren können, mit Distanz und ein wenig Humor. Das ist überhaupt nicht gefährlich oder rassistisch. Unter einer Voraussetzung: dass wir unsere eigene Kultur der gleichen Behandlung aussetzen.

Darauf will ich hinaus. Dass auch Schweden eine Kultur haben, genauso wie die Jemeniten. Das ist nichts Neues für den Mitbürger, dürfte es aber für die Mehrheit unserer Politiker und Integrationsexperten sein. Liest man deren Werke, wird einem etwas Erstaunliches klar: Es sind nur die anderen, die eine “Kultur” haben. Franzosen haben eine und Muslime. Wir nicht. Kultur stellt sich dort als etwas Unmodernes und Unreifes dar, dem Schweden entwachsen ist, so wie man Kinderkrankheiten entwächst. Mithilfe der Vernunft haben wir uns von allem Unfug befreit und sind nunmehr normal, wenn wir nicht sogar “das Normale” sind.

Natürlich ist das eine Art Ethnozentrismus, aber ein besonders giftiger, denn im Gegensatz zum deutschen oder französischen ist der schwedische seiner selbst nicht bewusst, sondern selbstverständlich.

Nirgends wird das so deutlich wie in den SFI^5^-Büchern. Die meisten Schweden empfinden das Jante-Gesetz^6^ wohl als eine Behinderung und Hindernis für Lebensfreude und Kreativität. In den SFI-Büchern wird es dagegen gelehrt als sei es Teil der UNO-Charta. Die angemessene Antwort, wenn jemand deinen Text lobt, den du selbst für brillant hälst, soll sein: “Na ja, er war wohl so so. Ich bin nicht zufrieden mit der Diskussion am Schluss.”

In Schwedischkursen für Ärzte im Ausland werden auch schwedische Bräuche unterrichtet, aber mit Distanz. Da kann ein Arzt sagen: “In Schweden solltest du dich nicht so direkt ausdrücken, wie du es gewohnt bist, weil die Leute sonst glauben, du hättest psychische Probleme. Du musst es geschickt verpacken. Es sei denn der Patient ist Finne, natürlich.”

Wenn es nach dem SFI-Buch geht, sollen wir folgenden Satz üben, als sei es die einzig zivilisierte Art sich auszudrücken: “Ich kann vielleicht ein wenig fühlen, dass du manchmal mehr Lesen üben bräuchtest.”

Ich kann dem Leser auch nicht dieses Rezept für eine geglückte Konversation während einer Kaffeepause vorenthalten:
“Was für ein Wetter!” (Das kann sowohl gutes als auch schlechtes Wetter bedeuten, je nach Betonung und Wetter)
“Wie warm es geworden ist.”
“Oh, was war das ein Wind gestern Abend!”
“Hast du gehört, wie das Wetter am Wochenende werden soll?”

Ja, natürlich reden wir so… Aber kaum weil wir einer Art Universalregel gehorchen (“Respekt vor dem Privatleben anderer”, behauptet das Lehrbuch), sondern wegen der nordischen Ängstlichkeit.

Dieser Mangel an Selbstdistanz wäre belustigend, hätte er nicht so ernste Konsequenzen. Das Unvermögen, das Exotische an der eigenen Kultur zu sehen, die man als supermodern wahrnimmt, bringt es mit sich, dass man automatisch das der anderen beklagt. Jemand, der in der Kaffeepause Sterbehilfe diskutieren will, ist nicht nur anders, er ist sozial inkompetent. Jemand, der an Gott glaubt, kann nicht gleichzeitig so rational sein wie wir. Und so weiter.

Zurück zu unseren somalischen Flüchtlingen, die so gut in Minnesota zurecht kommen und so schlecht in Örebro und Rinkeby. Ein paar Vergleiche: Es gibt über 800 “somalische” Firmen allein in Minneapolis, gegenüber 38 in ganz Schweden, erklärt der Wirtschaftshistoriker Benny Carlson, der auf diesem Gebiet forscht. Jeder zweite Somalier in Minnesota hat Arbeit, knapp jeder vierte in Schweden. Wie wäre es, wenn wir versuchten, diesen Unterschied nicht mit der somalischen, sondern mit der schwedischen Kultur zu erklären?

Frau Arisa floh vor dem Krieg in Somalia durch gesperrte Wege in Kenia, dann via Jemen, Syrien, Libyen und Italien nach Schweden. (Ich möchte den Reiseführer sehen, der diese Route mit drei Kleinkindern im Gepäck wiederholt.) Aber als Frau Arisa in Schweden landete, fragte keiner nach ihren Talenten, die sie hierher gebracht haben. Keiner fragte, was sie kann (sie war Schneiderin) oder was sie wollte. Was man sah war eine hilflose und unterdrückte Frau (Schleier!), die eine lange Eingewöhnungszeit braucht, bevor sie ihre ersten Schritte in Schweden machen kann. Und so kochte man ihr eine dicke Suppe aus Fürsorgemaßnahmen, die Frau Arisa entmündigten und ihre Söhne auf den Weg in die Putzkolonne brachte.

Adbullahi Aress erzählt dies und hat dazu eine Theorie. Als die Somalier nach Schweden kamen waren sie das Schwarzeste und fremdeste, das man je zu Gesicht bekommen hatte. Und weil man umso mehr Mitleid mit jemandem haben muss, je mehr er sich von uns unterscheidet, hat man sich mehr um sie gekümmert als um andere. “Wir wurden Geiseln des Systems”, sagt Aress. Er selbst kam durch, indem er vor den Integrierern floh, nach deren Willen er sich nicht um Arbeit hätte kümmern sollen, bevor er nicht alle Kurse zu Ende gebracht hatte, die man für ihn ausgesucht hatte. Heute ist er Forscher bei Sida^7^.

Ich frage wie es mit Frau Arisa weiterging. “Sie wohnt mittlerweile in England.”

Dort lebt heute auch Mohammed Issa, der 1998 als Beweis für unsere Offenheit herumgereicht wurde (als erster Somalier in der Kommunalverwaltung), der aber zehn Jahre lang keine Arbeit in Schonen fand. In Sheffield dauerte es drei Monate. Auch Ali Hassan wohnt jetzt in Sheffield, bekommen wir in “Konflikt” auf P1^8^ zu hören. Er ging auf Nummer sicher und lernte einen garantierten Mangelberuf (Krankenpfleger), aber bei jeder Bewerbung stellte sich heraus, dass es schon genug Personal gab.

Dann muss es in den zuständigen Regionalverwaltungen doch Rassenvorurteile geben? Aber was, wenn die Kritik hier nicht standhält? Mag sein, dass sie nie zu sehen bekamen, wie schwarz er war, dass der Name genug war. Stattdessen können wir die These untersuchen, ob Hassan vielleicht aus dem gleichen Grund ohne Arbeit blieb, aus dem Lars (Nachname: Stjernkvist) Direktor der Integrationsbehörde wurde. Ohne Zweifel eine respektable Persönlichkeit, allerdings ohne Kompetenz für den Auftrag (was er bald selbst einsah). Er hatte weder Erfahrung in den Sachfragen noch innerhalb staatlicher Verwaltung. Es muss hunderte besser geeignete, manche dunkelhäutige Dozenten in einem passenden Themengebiet gegeben haben. Oder zumindest erfahrene Beamte. Warum wurden sie alle zugunsten eines Lars übergangen?

Erlaubt mir zu spekulieren. Weil er über die gleichen Witze wie wir anderen lachen würde, keine unbegründete Meinung äußern, nicht gestikulieren oder sich auf Bücher beziehen, die wir nicht gelesen haben, nicht unterbrechen, gleich verstehen was damit gemeint ist, dass Olsson “ein wenig speziell” ist. Er war eine Person, mit der man sich geborgen fühlt. Mit der keine Schwierigkeiten bei der Zusammenarbeit auftreten würden. Selbstverständlich würde ein dunkelhäutiger Dozent mit denselben Eigenschaften ebenso infrage kommen. Das Problem ist, dass es keine solchen gibt.

Entschuldigt die Karikatur. Meine Absicht ist aufrichtig. Man darf Leute nicht als Rassisten abstempeln, wenn sie nur auf Geborgenheit aus sind. Dass das Resultat dasselbe sein kann, steht auf einem anderen Blatt.

Vor einiger Zeit fragte sich die Staatswissenschaftlerin Isabell Schierenbeck, warum in Israel, das in den 90ern eine Million Flüchtlinge aufgenommen hat (viele aus Afrika, die meisten nicht einmal Juden), diese in gleichem Maß Arbeit haben wie Einheimische, während der Unterschied bei der Beschäftigung in Schweden 17 Prozent beträgt. Sie fand einen entscheidenden Unterschied in der Behandlung. Weder die israelischen noch die schwedischen “Graswurzelbürokraten” – die, die Neuankömmlinge treffen – waren vorurteilsfrei. Aber in Schweden konnten die Vorurteile auf die Machtausübung durchschlagen. Warum? Weil der schwedische Funktionär beurteilen durfte, was der Flüchtling brauchte. Er hatte das Recht “zu helfen”. Der israelische hatte diese Möglichkeit nicht. Er verteilte lediglich das, worauf die Leute Anrecht hatten.

Ich glaube diese Reportage hat gezeigt, dass es viele und starke Vorurteile schwedischer Bürokraten gegenüber Auswärtigen gibt, aber dass sie keineswegs von Rasse handeln. Wir können auch nicht wissen, ob die Vorurteile tief sitzen, oder ob sie täglich in den ungleichen Treffen neu geboren werden, zu denen beide Seiten gezwungen sind.

Es gibt Rassisten, aber sie sind wenige und zu scheu, das Debakel der Integration zu erklären. Rassismus meint es außerdem nicht gut. Das taten die Beamten in Botkyrka. Kurden kommen aus einer Herdenkultur, dachten sie sich. Lasst uns ihnen helfen, Ziegen zu züchten! Man startete ein Projekt, beantragte EU-Gelder, fand geeignetes Land, diskutierte Zäune mit Gunnebo und Maschinen mit Alfa Laval (Ziegenkäse!) und stellte ein Budget auf. Dann ging alles irgendwie den Bach runter.

Ich frage den Projektleiter wie viele Ziegenzüchter enttäuscht waren, als es nicht zustande kam. “Ziegenzüchter?” Die wollte man erst suchen, wenn das Projekt sicher war.

Ich rufe ein paar Integrationsstellen an. Wäre es möglich, frage ich, all die Information zu gesunder Ernährung, die Einführungen, Ausflüge zu IKEA und den SFI-Kurs, ja sogar alle Beihilfen abzulehnen und stattdessen die 189.400 Kronen, die Sie für mich vom Staat bekommen haben, ausgezahlt zu bekommen? Hier und jetzt? Wenn ich verspreche, dass Sie nie wieder von mir hören? Nein, das geht nicht. Nicht einmal als Kredit? Nein.

In den 40ern debattierte man bei den Sozialdemokraten, wie die Beihilfen für Bedürftige aussehen sollten. Alva Myrdal wollte sie in Naturalien geben. Arme sollten Seife, Kleidung und Vitamine nach Bedarfsprüfung zugeteilt bekommen. Geld konnten sie keins bekommen – weil man ihnen nicht zutraute, die eigenen Bedürfnisse zu beurteilen. Das Modell wurde von anderen Sozialdemokraten opponiert. Es sei stigmatisierend, fanden sie, außerdem bräuchte man eine riesige Bürokratie, um zu beurteilen, was jeder einzelne braucht.

Alva Myrdal verlor dieses Mal. Aber sie bekam ihre grausame Revanche. Ein Modell, das man in den 40ern als unzeitgemäß und stigmatisierend für Schweden ansah, wurde fünfzig Jahre später auf Flüchtlinge angewandt. Die schon an der Grenze ins Sozialhilfesystem eingeteilt werden. Ein System, geschaffen um Jeppe den Fixer durchzubringen, oder Karin mit den Kindern, die vom Vater allein gelassen wurden, und Torsten, dem die Arbeit auf die Nerven geht, wird auf völlig nüchterne Somalier und andere, die es nach Schweden verschlagen hat, angewendet. Und ein paar Jahrzehnte später wunderten sich die, die die Entscheidung getroffen hatten, sehr darüber, dass Svensson den Einwanderer nicht gleichgestellt betrachtet – und sie fingen an, mit Svensson wegen Rassismus zu schimpfen.

Ein Freund erzählt, wie er von Arbeitskollegen eingeladen wird auszugehen und zusammen “Blattar zu klopfen”^9^. “Solltet ihr nicht mich zuerst schlagen?” fragte er. “Ich bin doch so einer.” “Nein, zum Teufel, du bist doch kein Blatte. Du hast es doch geschafft.”

Frau Arisa heißt in Wirklichkeit anders.

Maciej Zaremba

Übersetzt aus dem Schwedischen. Für mehr Information dazu, zur Lizenz und zu den fünf anderen Teilen der Artikelserie bitte hier entlang.

Svenska originalet publicerades i DN, 2009-03-15. Jag tackar Maciej Zaremba för tillstånd att publicera min översättning.

Fußnoten:
^1^ Rinkeby ist ein Vorort im westlichen Stockholm mit hoher Einwanderdichte.

^2^ Snus?

^3^ Rosenbad ist das schwedische Regierungsgebäude in Stockholm. Mehr bei Wikipedia.

^4^Mona Sahlin ist Parteichefin der größten Partei Schwedens, der Sozialdemokraten.

^5^ SFI = Schwedisch für Einwanderer. Siehe dazu die bisherigen Artikel der Serie.

^6^ Das Jantelagen war schon Wort der Woche.

^7^ Sida ist die schwedische Behörde für Entwicklungshilfe.

^8^ P1 ist einer der Radiosender des öffentlich-rechtlichen Sveriges Radio. “Konflikt” ist ein in der Regel exzellent recherchiertes und ausführliches wöchentliches Programm, das sich mit einem aktuellen Brennpunkt befasst. Auf der Webseite findet man die Episoden auch als MP3 zum Herunterladen.

^9^Zu “Blatte” siehe Fußnote des dritten Artikels.

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Carl Bildt im Europaparlament

Der schwedische Außenminister Carl Bildt ("Blog(sv)":http://carlbildt.wordpress.com/) hielt im Rahmen der "schwedischen EU-Präsidentschaft":http://www.fiket.de/tag/eu-praesidentschaft gestern eine Grundsatzrede zur europäischen Außenpolitik im neu zusammensetzten Europaparlament. Der zwanzigminütige Rundumschlag berührte die wichtigsten Herausforderungen der Zukunft für Europa. Die Integration des Balkan, das Verhältnis zu und die Hilfe für Nordafrika und die östlichen Nachbarn fanden ebenso Erwähnung wie der neue Mitgliedsantrag Islands.

Das sehenswerte Video (auf Englisch)

"Videolink(en)":http://www.se2009.eu/en/meetings\_news/2009/7/21/carl\_bildt\_at\_the\_european\_parliament\_-\_committee\_on\_foreign\_affairs

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Eritrea, Hühnchenglas und die Homoehe

Neben den täglichen “Schreckensmeldungen” aus der Wirtschaft, die in Schweden genauso klingen wie in Deutschland, gibt es noch andere Themen, die die schwedischen Nachrichten gerade dauerhaft beschäftigen.

Zum einen ist da Dawit Isaak. Der ist Schwede und sitzt seit über sieben Jahren ohne Anklage in Eritrea im Gefängnis, weil er in einer Zeitung mehr Freiheit und Demokratie in Eritrea für nötig hielt. Das Thema ist in Anbetracht der langen Zeit natürlich nicht neu und wurde auch schön öfter aufgegriffen, aber letzte Woche gab es einen neuen gemeinsamen Anlauf der schwedischen Presse. Unter dem Aufruf Free Dawit (auch auf Englisch) und zahlreichen begleitenden Artikeln wurde die Geschichte ausführlich aufgerollt und die Unterdrückung der Menschen in Eritrea beschrieben. Gleichzeitig wurde die Strategie der schwedischen Regierung, durch stille Diplomatie etwas zu erreichen, als gescheitert befunden. Die Diskussionen, ob mit Druck mehr erreicht werden kann, um Entwicklungshilfe für Eritrea und wie man generell mit Diktaturen am besten umgeht, halten an. 135.000 Schweden, immerhin anderthalb Prozent der Bevölkerung, haben “Free Dawit” mitunterzeichnet.

Dann ist da das Glas im Essen. In den letzten Wochen sind an mehreren Orten im Land kleine Glassplitter in Lebensmitteln aufgetaucht. Zuerst nur in tiefgekühlter Hühnchenbrust des hierzulande größten Produzenten Kronfågel, der tonnenweise seine Produkte zurückrief. Jetzt fand man auch Glas in anderen Lebensmitteln, inklusive der Nationalwurst Falukorv, und bei anderen Herstellern. Die Vermutungen reichen von einem frustrierten Angestellten, über Erpressungsversuche bis zu Nachahmungstätern in den letzteren Fällen. Es kam zwar bisher keiner durch die kleinen Splitter zu Schaden, aber angeblich sind viele besorgt und stellenweise wird kein Hühnchen mehr serviert.

Und zuletzt: Die “Homo-Ehe” ist beschlossene Sache; wörtlich übersetzt spricht man vom “geschlechtsneutralen Ehegesetz”. Nach dem gestrigen Parlamentsbeschluss kann das neue Ehegesetz, das einfach keine Referenz mehr zum Geschlecht der Eheleute macht, ab Mai in Kraft treten. Bisher konnten homosexuelle Paare nur eine “registrierte Partnerschaft” eingehen. Der Widerstand der mitregierenden Christdemokraten wurde von der Breiten Mehrheit aller anderen Parteien überstimmt.

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Die schwedische Wirtschaft

Wenn sich ein Laie wie ich zu einem so komplexen Thema wie “der Wirtschaft” äußert, ist das natürlich mit Vorsicht zu genießen. Nichtsdestotrotz bekommt man aus Medien und Wirklichkeit allerlei mit und versucht, sich ein eigenes konsistentes Bild zu machen.

Dass neben der Autosparte von Volvo, die bisher zu Ford gehört, jetzt auch Saab (General Motors) zum Verkauf steht, macht gerade in Schweden Schlagzeilen. Die Entlassungen in dieser Branche habe ich ja schon erwähnt. Von einer Verstaatlichung will das schwedische Wirtschaftsministerium jedoch nichts wissen (heute verspätet auch bei SpOn zu lesen) – das wäre ja auch eine völlige Kehrtwende zur Privatisierungspolitik der bürgerlichen Regierung.

Entlassen wird gerade viel in Schweden und dass die Politik seit der letzten Wahl dazu geführt hat, dass mehr Schweden als zuvor ohne soziale Sicherung dastehen, ist aufmerksamen Lesern dieses Blogs auch nicht neu.

Die internationale Wirtschaftskrise hat Fondssparer und zukünftige Rentner um 30-50% ihres Geldes gebracht; in Schweden basiert nämlich ein großer Anteil des Rentensystems auf Fonds und nicht auf Beiträgen die direkt von der gerade arbeitenden Generation an die älteren gezahlt werden. Zusätzlich hat die schwedische Krone in den letzten drei Monaten 12% ihres Wertes gegenüber dem Euro verloren. Man muss heute über 10,50 Kronen für einen Euro auf den Tisch legen.

Ist die schwedische Wirtschaft deshalb im “freien Fall”, wie zum Beispiel Rainer schreibt? Ich glaube nicht. Es gibt nämlich auch positive Seiten.

Zu Saab und Volvo ist zuallererst zu sagen, dass die beiden im Vergleich zu ihren Mutterkonzernen eher gut dastehen und nicht der Grund für deren Misere sind. Zum anderen ist es gerade der schwache Kurs der Krone, der positiv auf die schwedischen Exporte wirken dürfte, auch auf den Tourismus, wenn der Kurs dauerhaft niedrig bleibt. Die sinkenden Rohstoffpreise zum Beispiel bei Holz werden durch den Verfall der Krone zumindest teilweise kompensiert. Roh- und halbveredelte Materialien (z.B. Papier und Stahl) machen etwa ein Drittel der schwedischen Exporte aus.

Dass die Banken gerade etwas vorsichtiger sind, wem sie Geld leihen, ist nur vernünftig, weil die Überschuldung privater Haushalte ein Problem ist. Bis vor kurzem bekam fast jeder ohne Schwierigkeiten große Summen geliehen. Dass jetzt mit weniger Krediten auch die Nachfrage nach Wohnungen sinkt, ist verständlich; man kann die rückläufige Preisentwicklung bei Wohnrechten und Häusern aber auch als Gesundschrumpfen sehen. Die Zinsen sind derweil auf dem Weg nach unten, was sowohl die Nachfrage als auch den Geldbeutel von Wohneigentümern wieder wachsen lassen wird.

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