Ist es bei euch auch so kalt? Ich habe heute morgen auf dem Fahrrad sehr bereut, keine Handschuhe anzuhaben, und den ersten Frost am Wegesrand bemerkt.
Ist es bei euch auch so kalt? Ich habe heute morgen auf dem Fahrrad sehr bereut, keine Handschuhe anzuhaben, und den ersten Frost am Wegesrand bemerkt.
Es ist wieder einmal der 21. September und damit sind Tag und Nacht heute weltweit gleich lang. Ab morgen habe ich für ein halbes Jahr wieder kürzere Tage als die meisten von euch. Warum, steht hier.
Die rapide kürzer werdenden Tage, sind nicht das einzige Hösttecken, Zeichen des Herbsts. Dass seit zwei, drei Wochen schönes Wetter auf einmal nicht mehr wärmer, sondern kälter bedeutet, ist ein anderes. Und natürlich die immer stärker werdenden Rot- und Gelbtöne an den Bäumen, die immer schwerer zu ignorieren sind.
Während in der alten Heimat die Ferien gerade erst anfangen, ist für viele Schweden heute der erste Arbeitstag. Passend dazu scheint nach einigen eher regnerischen und kühlen Wochen heute die Sonne und die ganze Woche soll schön und warm werden.
Der Wahlerfolg der Piratenpartei war am Montag die Nachricht, die es auf alle Titelseiten schaffte. TAZ und Tagesspiegel berichten gut, viele andere so schlecht, dass sie die Piratenpartei mit der Pirate Bay gleichsetzen. Das große internationale Interesse ist wiederum eine Nachricht für sich in Schweden.
Die Auszählung der Personenstimmen, die entscheiden, wer die schwedischen Sitze im neu gewählten Europaparlament bekommt, geht voran und an einigen Stellen wird wie vermutet die von den Parteien aufgestellte Reihenfolge durcheinander geworfen. Zum Beispiel wird der eine Sitz der Christdemokraten nicht von der Listenersten Ella Bohlin, sondern vom ehemaligen Parteichef Alf Svensson eingenommen werden. Anna Maria Corazza Bildt, die italienischstämmige Frau von Außenminister Carl Bildt, wurde auch nach vorne gewählt.
Dass das Wahlresultat durchgängig pro-EU ausfiel, gibt den Wahlverlierern und EU-Ablehnern der Linkspartei zu denken. Die ersten innerparteilichen Rücktrittsforderungen für Parteichef Lars Ohly werden laut.
Dagens Nyheter, die wichtigste schwedische Tageszeitung, hält heute ihren “Auslandstag” im stockholmer Konzerthaus. Dazu werden alle Korrespondenten nach Hause geholt und ein interessantes Programm auf die Beine gestellt. Höhepunkt am Nachmittag wird Premierminister Fredrik Reinfeldt sein, der zur schwedischen EU-Ratspräsidentschaft sprechen wird, die in drei Wochen beginnt. Ich werde es wohl nicht schaffen, dort vorbei zu schauen, aber man kann auch im Netz zusehen. Hierzulande ist man auch so fortschrittlich, ganz offiziell das Twitter-Hashtag #utrikes als Nachrichtenkanal zu dieser Veranstaltung zu empfehlen.
Die anstehende schwedische Ratspäsidentschaft löst derweil nahtlos die EU-Wahl als Top-Thema in den Medien ab – der Begriff “EU-Jahr” scheint gerechtfertigt. Auf eu2009.se ist mittlerweile einiges zu lesen und erst gestern erklärte Reinfeldt in Brüssel die schwedischen Prioritäten.
Der Verein Humanisterna, der sich gegen den Einfluss von Religionen auf die Gesellschaft einsetzt und bei dem ich halb-aktives Mitglied bin, hat seine bisher größte Kampagne gestartet: Gud finns nog inte, übersetzt: “Gott gibt es wahrscheinlich nicht”. Die Inspiration kommt sicher von den Bus-Kampagnen in vielen Ländern, aber da Schweden schon eines der säkularsten Länder der Welt ist, widmet sich die hiesige Kampagne eher der Auklärung darüber, wie man als Nicht-Gläubiger trotzdem noch von Religionen negativ beeinflusst wird. Das nebenstehende Bild ist derzeit in U-Bahn-Stationen und ganzseitigen Zeitungsannoncen kaum zu übersehen.
Und zuletzt: das Wetter. Es ist kalt hier seit Montatsbeginn, es werden sogar Kälterekorde für Juni gebrochen. Nachtfrost im südlichen Linköping ist um diese Jahreszeit ungewöhnlich. Man nennt diese kalten Nächte übrigens Järnnätter (“Eisennächte”), was angeblich von einer falschen Übersetzung aus dem Deutschen kommt: “Eis” und “Eisen”.
Hägg ist der schwedische Name für Traubenkirschen (Bild, Larven) und Syren ist Flieder. Das spricht man mit betontem langem e (“syrehn”). Für Deutsche gilt es hier, sich vor dem falschen Freund Fläder zu hüten, der eben nicht Flieder sondern Holunder bedeutet.
Der schwedische Ausdruck mellan hägg och syren, “zwischen Kirsche und Flieder”, kam mir dieser Tage zum ersten Mal bewusst unter und er beschreibt auf sehr schöne und poetische Weise die jetzigen zwei bis drei Wochen: nämlich die zwischen der Kirsch- und der Fliederblüte.
Viele Schweden halten diese Zeit für die schönste des Jahres und ich finde zu Recht. Grünflächen sind gerade wieder grün, Bäume blühen und haben dieses zarte hellgrüne Laub, der Himmel ist an schönen Tagen so blau, dass es fast wehtut. Kräftige Farben wohin man schaut, ein starker und willkommener Kontrast zur seit November vorherrschenden Farblosigkeit. Da macht es auch nichts, dass mit etwa zehn Grad zur Mittagszeit und frischem Wind beileibe noch kein T-Shirt-Wetter herrscht. Wer ohne Sommerwärme auskommt, dem sei ein Schwedenbesuch vor der klassischen Reisezeit im Sommer durchaus ans Herz gelegt.
Die Herkunft des Ausdrucks mellan hägg och syren ist unklar, aber man sagt, dass es die Schuster waren, die um diese Zeit ein Schild an ihre Türe hängten auf dem stand: “Stängt mellan hägg och syren”, zwischen Kirsche und Flieder geschlossen.
Außerdem ist diese Zeitangabe in sinnvoller Weise abhängig vom Breitengrad. Der Mai sieht in den unterschiedlichen Teilen des langgestreckten Landes sehr verschieden aus. Zwischen Kirsche und Flieder beschreibt dagegen immer den gleichen Zustand, wann er auch am jeweiligen Ort eintritt.
Der April war ungewöhnlich warm und sonnig, so dass man mittlerweile zu Recht von Frühling sprechen kann. Die ersten Bäume blühen, das Thermometer traut sich über 15 Grad, die grau-braune Welt wird langsam grün und die Menschen zieht es nach sechs langen kalten Monaten in Parks, Cafés und auf die beliebten Spazier- und Joggingwege.
Es regnet. Das ist neu. Das Geräusch von prasselndem Regen hat man hier seit Monaten nicht gehört. Erst vor ein paar Tagen gab es noch einmal stürmische 15cm Neuschnee. Nichtsdestotrotz ist jetzt das permanente Eis auf den Wegen weg, an das man sich seit Dezember gewöhnt hatte. Es beginnt die – wie ich finde – hässlichste Jahreszeit in diesen Breiten: der vårvinter, “Frühlingswinter”.
Es ist grau, nass, kann jederzeit noch einmal schneien und bis sich frisches Grün breit macht, werden noch einmal vier Wochen vergehen. Kein Wunder, dass hier der kurze Sommer so hoch gehalten und herbeigesehnt wird.
Eisfischen, schwedisch pimpla, ist nicht nur in Norrland beliebt, wie in diesem Artikel abenteuerlich-romantisch beschrieben, sondern man sieht unzählige Leute mit ihren Bohrern auch mitten in Stockholm, wenn man sich aufs Eis begibt.
Die Eissaison ist aber so gut wie vorbei, seit ein paar Tagen ist offiziell Frühling, das heißt hier, dass eine Woche lang die Tagesdurchschnittstemperatur über null Grad lag. Auch wenn das Eis jetzt noch dick ist, wird es immer weniger stabil. Außerdem taugt die weiche obere Schicht sowieso nicht mehr gut zum Schlittschuhlaufen.
Wer sich fragt, warum hier seit einer Woche nichts Neues steht, dem oder der sei geantwortet, dass vier Tage Skifahren in Orsa/Grönklit sehr entspannend sein können. Positiv: Nach 15 Jahren ohne Übung gingen die Abfahrten erstaunlich flüssig und mein erstes Mal auf Langlaufskiern war auch keine Katastrophe. Negativ: Das Eis auf dem See war sehr holprig zum Schlittschuhlaufen und mein mobiles Internet wollte dort partout nicht funktionieren.
Nach Hause zurückgekommen warteten traurige Neuigkeiten aus der alten Heimat, weshalb ich schon am nächsten Morgen im Flieger saß und gerade in einem Deutschland sitze, das ausnahmsweise viel kälter ist als die Region Stockholm.
Ab Montag geht es auf Fiket im normalen Rhythmus weiter.