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Bokstavering

Hin und wieder muss man am Telefon etwas buchstabieren. Dann ist es hilfreich, die geläufigen Worte zu kennen, mit denen man den Anfangsbuchstaben zur besseren Verständlichkeit ergänzt. Im Schwedischen nimmt man dafür durchweg Vornamen her und das Alfabet beginnt mit Adam, Bertil, Cesar, David, Erik, Filip, Gustav. Eine vollständige Liste hat zum Beispiel die Wikipedia.

Glücklicherweise gibt es beim Filip keine Verwirrung, denn dass man den wie “Philip” schreiben könnte, kommt Schweden erst gar nicht in den Sinn. So gut wie ausnahmslos hat man hier “ph” durch “f” ersetzt. In Stein gemeißelt ist die Liste übrigens nicht, sondern man hört oft Abweichungen wie Anton oder Fredrik, gelegentlich auch richtig Kreatives. Hauptsache verstanden werden.

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Wort der Woche: osa

Osa ist eine Abkürzung, die man in schwedischen Einladungen antrifft. Sie steht für om svar anhålles, übersetzt “um Anwort wird gebeten”, oft mit einem Datum dazu. Es ist sehr unhöflich, auf ein osa nicht zu reagieren, oder sogar unbestätigt aufzukreuzen. “Antworte! Ja oder Nein!” ist die implizite Bedeutung, aber auch Schweden missverstehen dies manchmal, wenn man Magdalena Ribbings Kolumne glaubt.

Und dies tut man natürlich, denn Magdalena Ribbing ist die Instanz für Stil und Etikette in Schweden. Ihr Name ist so eng mit dem Thema verknüpft wie der Knigges im Deutschen, allerdings in einer sehr modernen Fassung.

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Wort der Woche: Hen

Wie wir alle wissen ist Schweden in Sachen Gleichberechtigung relativ weit vorne in der Welt. Das gilt sowohl für allerlei praktische Regelungen als auch für das Bewusstsein um Geschlechterrollen, das bei vielen angekommen ist. Denn nur wer die typischen Verhaltensmuster und Erwartungen bei sich und anderen erkennt, kann dazu Stellung beziehen.

Ein wichtiger Begriff in diesem Zusammenhang ist könsneutral, “geschlechtsneutral”. Gesetze und Bestimmungen zum Beispiel sollen natürlich so formuliert sein, dass sie unabhängig davon sind, ob die Beteiligten ein Y-Chromosom haben oder nicht; das Prinzip streckt sich aber viel weiter. Denn was immer wir lesen oder hören, sobald von “ihr” oder “ihm” die Rede ist, schwingt das individuelle Bild vom eigenen und dem anderen Geschlecht mit. Dies möchte man als Schreibender in gewissen Situationen vielleicht bewusst vermeiden. (Dazu kommt, dass “Geschlecht” bei weitem keine so klar getrennte rosa beziehungsweise hellblaue Sache ist, wie sich die meisten das vorstellen.)

Sprachlich entsteht hierbei das Problem, mit dem das Schwedische natürlich nicht alleine ist, dass es kein geschlechtsneutrales Pronomen gibt, sondern nur “er” oder “sie”, han eller hon. Es ist zwar nicht falsch, das Pronomen für Dinge, den, auch für Personen zu benutzen, man vermeidet dies aber lieber. Und so kommt es, dass sich jemand das Wörtchen hen als geschlechtsneutrales Personalpronomen ausgedacht hat; Objektform henom, possessiv hens.

Ursrünglich war es wohl nur dafür gedacht, nicht immer han eller hon sagen oder schreiben zu müssen, gewisse Kreise propagieren jedoch, hen auch dann zu benutzen, wenn das Geschlecht der betreffenden Person zwar bekannt ist, aber keine Rolle spielt; also han und hon durch hen zu ersetzen. Als neulich das erste Kinderbuch erschien, das konsequent hen verwendet, machte das Wort den Schritt von Transsexuellen und feministischen Aktivisten ins Rampenlicht und eine ordentliche Debatte brach los.

“Hen verwirrt Kinder!”, meinen die einen. “Lieber als Individuum denn als Geschlecht”, sehen sich andere. “Hen ist als Wort schon vergeben und bedeutet Schleifstein”, rufen die selbsternannten Sprachwächter und der rechte Rand schimpft über die “Geschlechtsextremisten” und “neue Auswüchse an politischer Korrektheit”. Da “Mann sein” und “Frau sein” für viele zum Selbstbild dazu gehört, ist es wohl nicht verwunderlich, dass sich Widerstand dagegen regt, das Geschlecht zur Identitätsstiftung abzuschwächen. Ich persönlich kann mich mit hen durchaus anfreunden.

Wieder andere sehen die humoristische Seite der Diskussion und schaffen eine pragmatische Lösung: Der Henerator ist ein Browser-Plugin, das überall han und hon durch hen ersetzt.

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Wort der "Woche": Juholtare

Am Samstag war es dann endlich soweit. Håkan Juholt, seit letzten April Parteichef der schwedischen Sozialdemokraten, ist zurückgetreten, nachdem die Diskussionen um ihn und seine Fehler nicht abrießen und die Partei immer mehr in Mitleidenschaft zogen. Von Woche zu Woche sanken die Umfragewerte auf immer neue historische Tiefstände, zuletzt unter 25 Prozent.

Die Affäre um die Wohnungszuschüsse hat sicherlich zum Vertrauensverlust in Juholt beigetragen, aber der Tropfen, der schließlich das Fass zum überlaufen brachte, war ein weiterer Juholtare. Dieses Wort hat es in die Liste der neuen Worte des vorigen Jahres geschafft und bedeutet förhastat uttalande som man snart tvingas backa på, also eine übereilte Aussage, die man bald darauf zurücknehmen muss. Die letzte solche in einer langen Reihe machte Juholt in einer Rede zur Verteidigungspolitik, die eigentlich seine Stärke darstellte; er saß jahrelang im entsprechenden Ausschuss. Juholt behauptete, die Regierung habe zusammen mit den Schwedendemokraten – wir erinnern uns: die rechtsextreme Partei sitzt seit der letzten Wahl im Reichstag und die Regierung hat dort keine eigene Mehrheit – die Reform der schwedischen Streitkräfte durchgesetzt. In Wirklichkeit geschah dies vor der letzten Parlamentswahl.

Ob solche Fehler oder widersprüchliche Aussagen zu Libyen-Einsatz, Schatten-Budget oder EU-Stabilitätspakt Juholts Rücktritt objektiv rechtfertigten, ist schwer zu beurteilen. Unbestritten ist, dass Juholts Hin und Her, Entschuldigungen und Zurückrudern zur unendlichen Geschichte wurden und in der Öffentlichkeit zu Juholts Markenzeichen. Ich kann mir vorstellen, dass so etwas schwer zu reparieren ist.

Eine weitere Person hat übrigens ihren Namen in den Neologismen hinterlassen: Nach Terje Hellesø bedeutet das Verb terja, ein Foto in betrügerischer Absicht zu manipulieren.

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Wort der Woche: Lidingöloppet

Gestern war ich beim Lidingöloppet dabei. Lidingö ist, wie unschwer am letzten Buchstaben zu erkennen, eine Insel und zwar mit 32.000 Einwohnern eine ziemlich große, mit Brücke angebundene, die direkt vor der Stockholmer Innenstadt auf der anderen Seite des Freihafens liegt. Ein Lopp ist ein Lauf (löpa = laufen) und der auf Lidingö ist einer der bekanntesten Schwedens. Nach eigener Aussage ist es sogar “das weltweit größte Läuferwochenende” und mit rund 40.000 Teilnehmern abgeblich der größte Geländelauf der Welt (Bilder).

Die Strecke (Karte) geht 30km lang über teils schmale Waldwege und ist alles andere als flach. Der höchste Punkt ist zwar nur 50m über dem Meersspiegel, aber es geht ständig rauf und runter, teilweise so steil, dass selbst Elitläufer gehen müssen. Besonders der Anstieg Aborrbacken nach 25km ist legendär.

Zum 47. Mal fand der Lidingöloppet gestern statt und es waren vier ältere Herren dabei, die alle (!) Jahre mitgelaufen sind und zum mehr als vierzigsten Mal einen “Klassiker” machen. En svensk klassiker hat man gemacht, wenn man innerhalb von 12 Monaten nicht nur den Lidingöloppet, sondern auch den Vasaloppet (90km Langlaufski), das Vansbrosimmet (3km schwimmen, stromaufwärts) und die Vätternrundan (300km radfahren um den See Vättern) absolviert.

Für mich war es der zweite Anlauf zum Lidingöloppet. Letztes Jahr musste ich meinen Startplatz verkaufen, weil ich mich ein paar Wochen zuvor am Fuß verletzt hatte. Heuer habe ich jedoch viel laufen können und der eigentliche Grund meiner Anmeldung war, ein Ziel spät in der Saison zu haben, das mich den ganzen Sommer über motivierte. Nach der Anfahrt in mit Läufern vollgepfropfter U-Bahn und Bussen startete ich also am frühen gestrigen Nachmittag in Startgruppe 5 (von 9) und holte mir auf dem ersten Kilometer gleich nasse Füße, weil ich beim anfänglichen Gedränge auf der Wiese neben dem Weg sprang. Egal. Die ersten zehn Kilometer fühlten sich prima an und ich hielt in etwa mein anvisiertes Tempo von 5 Min/km. Fantastisch, wie viele Zuschauer entlang großer Teile der Strecke einen anfeuern. Alle zwanzig Minuten ein paar Sekunden Pause am Getränke- und Essensstand – schließlich muss man mit den Kräften haushalten. Es gab Bananen, saure Gurken, süßes Brot, warme Heidelbeersuppe, Kaffee und natürlich Wasser bzw. Sportgetränk.

Auch die zweite der drei Mil (eine schwedische “Meile” sind 10km) lief bestens, doch es wurde ziemlich eng auf den Pfaden, so dass man es nicht ganz vermeiden konnte, sich an den langsameren aus den früheren Startgruppen abseits des Weges vorbeizudrängen. Es zahlte sich aus, sich am Tag davor und am Morgen mit viel Kohlenhydraten aufgeladen zu haben. Die Energie ließ erst merklich nach, als es noch etwa acht Kilometer bis ins Ziel waren. Etwa da, an einem steilen Stück bergab, stürzte plötzlich ein Mann mittleren Alters direkt vor mir und landete im Gebüsch. Ich hielt an und lief erst weiter als er sich nach dem ersten Schock als ansprechbar erwies und ich sah, dass die Funktionäre schon auf dem Weg waren.

Dass die steilsten Hügel gegen Ende der Strecke kommen würden, wusste ich, aber es war mir relativ egal als es daran ging. Ich hatte bis dahin richtig Spaß gehabt und irgendwie kommt man dann schon noch ins Ziel. So ging ich, wie die meisten anderen auch, die letzten Anstiege hinauf anstatt zu rennen und erfreute mich der immer dichter stehenden enthusiastischen Zuschauer und Musikgruppen am Wegesrand. Die allerletzten Kilometer waren schmerzhaft. Knie, Waden, Hüften – der gesamte Laufapparat erinnerte lautstark daran, dass ich noch nie so lange und weit am Stück gelaufen war. Dass ich jetzt wieder mehr überholt wurde, machte nichts. Ich wusste, dass ich mein Ziel von unter drei Stunden locker erreichen würde, und trottete ohne nennenswerten Spurt, aber lächelnd und hochzufrieden ins Ziel: mit 2 Stunden und 52 Minuten als Resultat (offizielle und eigene Messung). Das ist immerhin weniger als das Doppelte der Gewinnerzeit von unglaublichen 01:34:54 und besser als 58% der gestarteten Herren.

Jetzt, gut einen Tag später, kann ich auch schon fast wieder normal gehen.

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Wort der Woche: Remsa

SL
Streifenkarte

Remsa bedeutet “Streifen”, also wenn etwas materiell in Streifen ist, Streifen in Mustern heißen ränder. Remsa wird auch die “Streifenkarte” für öffentliche Verkehrsmittel genannt und um die soll es hier gehen, genauer gesagt in Stockholm.

Ich kann mir denken, dass er altmodisch erscheint, dieser längliche Papierstreifen mit 16 Feldern, von denen per Stempel zwei bis vier Stück pro Fahrt entwertet werden, je nach dem ob man in einer, zwei oder drei Zonen des Stockholms Lokaltrafik (SL) unterwegs ist. Schließlich ist doch alles andere so hochtechnisiert in Schweden. Seit ein paar Jahren werden die anderen Tickets wie Tages-, Wochen- und Monatskarten auf berührungslose Plastikkarten geladen, die man man an der Sperre im Vorbeigehen an die Lesefläche hält. Es ist geplant, dass diese Karten bald auch die Remsa ersetzen, dies verspätet
sich jedoch bis mindestens nächstes Jahr.

Das ist auch kein Wunder, denn die gute alte Streifenkarte hat einige Vorteile, die sich nur schwer auf die elektronische Karte, die man dann mit einem beliebigen Betrag auflädt, übertragen lassen:

  1. Einfachheit – jeder, inklusive Touristen und älteren Menschen, verstehen das System.
  2. Man sieht, wie oft man noch Fahren kann, bis man nachkaufen muss. Ohne an einen Automaten zu gehen.
  3. Die drei Zonen im SL-Gebiet machen keine Probleme, doch woher soll die Sperre an der U-Bahn wissen, wohin ich will und wieviel sie abbuchen soll?
  4. Man kann zu mehreren auf dem gleichen Streifen fahren.
  5. Streifenkarten sind außerdem anonym und ausfallsicher.

Punkt 2 und 3 sind bei Bussen weniger ein Problem, denn die Lesegeräte dort haben eine Anzeige und man könnte per Knopfdruck oder Kommunikation mit dem Fahrer das Zonenproblem lösen. So ist das zum Beispiel problemlos in Uppsala mit einer ähnlichen Karte für die Busse gelöst, inklusive der Punkte 4 und 5a. Doch die Stockholmer U- und S-Bahnsperren haben keine Knöpfe oder Anzeigen, sondern sind auf hohen Durchsatz ausgelegt. Ich vermute, dass man mit dem künftigen Streifenkartenersatz auch nicht um den Menschen hinter der Glasscheibe herumkommt, den es hier noch an jeder Station hat. Und dann wäre nicht einmal dem einzig wirklichen Nachteil der Remsa abgeholfen, nämlich dass man am Schalter mit Stempeln mehr Zeit braucht.

Wir werden sehen, ob der Nachfolger der vielgeliebten Remsa brauchbar wird, oder ob man Leute zum ein Drittel teureren SMS-Fahrschein bringen will. Vorerst bleibt Stockholm die Streifenkarte erhalten. Am ersten September hebt SL übrigens die Preise an, auch für die Remsa. Das führt dann immer zu Hamsterkäufen, denn die alten Streifen bleiben bis Jahreswechsel gültig.

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Wort der Woche: Säpojoggen

Säpo ist kurz für Säkerhetspolisen, zu deutsch “Sicherheitspolizei”. So nennt sich hierzulande der Inland-Nachrichtendienst. Jogg bedeutet ganz naheliegend Dauerlauf.

Wie schon öfter hier erwähnt, ist organisiertes Laufen ein ungebrochener Trend in Schweden und der Gedanke, die Säpo würde einen solchen Lauf ausrichten, wäre vielleicht nicht einmal so abwegig. Doch so weit ist man mit der Öffentlichkeitsarbeit dann doch nicht. Stattdessen war der Säpojoggen gestern in Stockholm ein spontan (natürlich via Facebook) organisiertes Läufer-Treffen, das sich von den Säpo-Leuten inspirieren ließ, die vor genau einem Jahr in schwarzen Anzügen neben der Kortege der schwedischen Kronprinzessin bei ihrer Hochzeit herliefen und sich ziemlich anstrengen mussten, mit den Pferden Schritt zu halten.

Dementsprechend war der Dresscode für den Säpojoggen schwarzer Anzug und Krawatte, weißes Hemd, schwarze Schuhe und ein Kabel im Ohr. Viele hatten zusätzlich eine dunkle Sonnenbrille auf, als die Gruppe den gut vier Kilometer langen Weg der Kortege durch die Stadt gemeinsam nachlief. Bilder gibt es hier, Videos hier und hier.

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Wort der Woche: Testamente

Das Wort Testamente bedarf keiner Übersetzung. Wer bekommt was, wenn jemand stirbt, ist die Frage. In der Regel erben in Schweden die direkten Nachkommen einer Person. Gibt es keine, dann die Eltern. Sind diese tot, deren Nachkommen. War der oder die Verstorbene verheiratet, erbt der Partner alles (!) und Kinder kommen erst zum Zug, wenn auch dieser stirbt. Kinder aus eventueller früherer Ehe erben jedoch sofort. Details stehen im Gesetz.

All dies lässt sich jedoch mit einem Testament verändern. Dort kann man willkürlich Leute begünstigen, allerdings die direkten Nachkommen nicht völlig enterben. Die Hälfte dessen, was sie ohne Testament bekommen hätten, steht ihnen mindestens zu und wenn das Testament dem widerspricht, können sie Einspruch erheben und die Beträge anpassen lassen. In Schweden ist es denkbar einfach, ein Testament zu schreiben. Man denkt sich aus, wer was erben soll, und bringt es zu Papier. Die Unterschrift muss von zwei Leuten bezeugt werden, die nicht zu den Begünstigten gehören. Das war’s, kein Notar oder ähnliches ist notwendig. Die Zeugen brauchen den Inhalt des Testamentes nicht zu kennen.

Ein Testament ist besonders wichtig bei nicht verheirateten Paaren (sambo), denn selbst wenn eheähnliche Gemeinschaften in allen die Kinder betreffenden Belangen mit verheirateten Paaren gleichgestellt sind (etwa die Hälfte aller schwedischen Kinder ist unehelich), beerben sie einander nicht. Nur die Wohnung (evtl. Mietvertrag, aber auch Eigentum) und Hausrat gehen an den Sambo, sofern diese zum gemeinsamen Gebrauch angeschafft wurden. Autos, Dinge zum Freizeitgebrauch (Boot, Ferienhaus) und Sparguthaben gehen an die Erben. Angesichts dessen und der Tatsache wie viele Paare “nur” Sambo sind und wenig Sinn im Heiraten sehen, ist es erstaunlich, dass nicht einmal jeder fünfte von diesen weiß, dass man als Sambo nicht erbt. Nur jeder sechste hat ein Testament geschrieben.

Ein prominenter Erbstreit der letzten Jahre, der mit einem Testament nie entstanden wäre, ist der von Erfolgsautor Stieg Larsson.

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Wort der Woche: Dvärgbandmask

Dvärg-band-mask, wörtlich Zwergbandwurm, ist der schwedische Name für den Fuchsbandwurm, jenen Parasiten, der Füchse (oder Hunde, Katzen…) als Wirt benutzt und der auf dem Kontinent so gut wie allgegenwärtig ist und in seltenen Fällen auch Menschen befällt.

Dieses Untierchen macht zur Zeit Schlagzeilen in Schweden, denn es wurden zwei (!) verwurmte Füchse gefunden. Das mag sich banal anhören angesichts dessen, dass in etwa der Hälfte der deutschen Füchse der Wurm ist. Doch Schweden war bisher frei von dieser Plage und man versucht jetzt mit Hilfe von Kot sammelnden Jägern die Ausbreitung zu bestimmen (man schätzt etwa ein Prozent der Füchse) und einzudämmen.

Wer schon einmal mit Hund nach Schweden wollte, weiß bestimmt, dass es eine Pflicht zur Entwurmung der Haustiere gibt. Diese Sonderregelung innerhalb der EU könnte bald fallen. Schließlich ist sie schwer zu rechtfertigen, wenn der Fuchsbandwurm in Schweden heimisch ist.

Dass ein rein hypothetisches Risiko – in der gesamten EU erkranken jährlich nur etwa fünfzig Menschen – hierzulande allgemeine Aufmerksamkeit erregt, ist ein schönes Beispiel für den hohen symbolischen Stellenwert, den die Natur bei den Menschen hat, auch wenn natürlich beiweitem nicht jeder ein Friluftsmänniska ist. Es ist deshalb völlig normal, dass Zeitungen Doppelseiten zum Lebenszyklus des Dvärgbandmasks bringen und Leuten versichern, dass man auch in Zukunft ruhig seine Beeren und Pilze pflücken gehen kann.

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Wort der "Woche": Stambyte

oder Individuum contra Kollektiv.

Das schwedische Verb byta bedeutet “tauschen, austauschen, wechseln”. Ein stam ist ein “Stamm”, im Zusammenhang sowohl mit Bäumen wie auch Menschen, außerdem auch “Rohr”. Letztere Bedeutung ist in der Zusammensetzung stambyte gemeint, es geht also um das Auswechseln von Rohren. Und zwar in Wohnhäusern, wo die Wasserleitungen, vor allem aber die Abflussrohre nach in der Regel 4-6 Jahrzehnten komplett erneuert werden, um Wasserschäden vorzubeugen.

Das ist ein großer Eingriff in ein Haus, der die eigene Wohnung für mehrere Wochen unbewohnbar machen kann und bei dem oft die Badezimmer gleich ganz mit renoviert werden müssen. Von Hausbesitzern einmal abgesehen, besteht der Wohnungsmarkt in Schweden wie schon oft erwähnt zum großen Teil aus so genannten Wohnrechten, es ist also die Genossenschaft, in die man sich einkauft (und wo man Stimmrecht hat), die entscheidet, wann und wie in ihren Häusern ein stambyte gemacht wird. Eben weil dies eine so große Störung des Privatlebens darstellt, ist die Frage, ob die Rohre schon ausgetauscht sind, eine der ersten, die man dem Makler vor dem Wohnungskauf stellt. Die Antwort spielt dann auch beim Preis eine Rolle.

Letzen Herbst stand auf der Vollversammlung unseres Viertels mit fast 400 Wohnungen die Frage an, ob man bald stambyte macht, oder den Mittelweg des “Relining” geht, bei dem man die Rohre erneuert, indem man die alten als Form für eine neue Wand aus Flüssigplastik benutzt. Die Details sind nicht so wichtig, interessant fand ich, dass die Wahl zwischen den beiden Alternativen gleichzeitig eine Wahl zwischen Individualismus und Kollektivismus darstellte. Denn ein richtiger stambyte würde allen, die ihre Badezimmer schon renoviert hatten, selbige wieder zerstören und dazu wie gesagt temporär starke Einschränkungen in der Benutzbarkeit der Wohnung mit sich bringen, was gerade für die nicht wenigen Älteren im Wohngebiet beschwerlich wäre. Andererseits würde die Mehrheit, die noch die alten Badezimmer hat, diese auf Kosten aller renoviert bekommen. Beim “Relining” würden Badezimmer intakt und die Wohnung benutzbar bleiben, aber jeder müsste selbst für Badezimmerrenovierungen zahlen, die in vielen Wohnungen sowieso anstehen.

Der Unterschied in den monatlichen Mehrabgaben an die Genossenschaft zwischen den beiden Lösungen wäre wegen unterschiedlicher Laufzeiten der Kredite nicht einmal übermäßig groß ausgefallen. Nach hitzigen Diskussionen fiel die Wahl aufs “Relining”; die individualistischen Interessen siegten also über die kollektivistische Alternative, die der Mehrheit von Vorteil gewesen wäre, aber einer Minderheit starke Nachteile gebracht hätte.

Interessanterweise stand auf der selben Versammlung noch eine zweite Frage an, bei der man genau gegenteilig entschied. Unser Internetanbieter wollte mit der Genossenschaft einen Rahmenvertrag abschließen, der allen den 100-MBit-Zugang plus IP-Telefonie für 150 Kronen im Monat bringen würde, anstatt der 250 alleine fürs Netz bisher. Der Haken daran: Alle würden automatisch Kunden und bezahlen die 150, auch wenn sie die bereitgestellten Dienste nicht nutzen wollen oder können. Also wieder eine Wahl zwischen einem Vorteil für viele auf Kosten einer Minderheit und der individuellen Lösung, die für die meisten mehr kostet. In diesem Fall fand die Versammlung, dass der Nachteil für die Minderheit nicht groß genug ist, um das Angebot auszuschlagen. Dem Kollektiv-Vertrag mit dem Netzanbieter wurde zugestimmt.

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